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Inhaltsverzeichnis: Optimale Liquidität

 


 

 

Kapitel aus: Suhr / Godschalk: Optimale Liquidität, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main, 1986, ISBN 3-7819-0349-4

 

 

§ 9 Bewältigung der externen Effekte

 

In einer Geldwirtschaft produzieren zusammen mit den Emittenten des Zahlungsmittels sämtliche Marktteilnehmer durch ihr Hingeben und Annehmen des Zahlungsmittels das wirtschaftliche Gut "Liquidität", wobei die speziellen positiven externen Effekte in Gestalt der Liquiditätsvorteile von Kassehaltung entstehen, deren Nutznießer die Kassehalter bzw. Anleger von Geld sind. Während sich bei den öffentlichen Gütern der externe Nutzen nicht internalisieren läßt, zeichnen sich hier bei der Liquidität durchaus Internalisierungsmöglichkeiten, aber auch Versuche von Wirtschaftssubjekten ab, den Zwängen und Nachteilen des Systems auszuweichen.

 

I. Internalisierung durch Liquiditätskosten

 

Die Nutznießer der Liquiditätsvorteile können z.B. durch budgetäre Interventionen belastet und die Produzenten der Liquidität kostenmäßig entlastet werden, um eine optimalere Allokation zu erreichen. So gesehen erscheint eine Belastung von Kassehaltern mit Liquiditätskosten als wohlfahrtstheoretisch gerechtfertigt. Sie wirft jedoch eine Reihe von Problemen auf.

 

1. Probleme

 

a) Wenn die Vorhaltung von Liquidität mit Kosten belastet werden soll: Welche mehr oder weniger liquiden Vermögensgegenstände sollen dann davon ergriffen werden? Wie schwer es ist, Geldvermögensbestände nach den Graden ihrer Liquidität abzugrenzen, hat sich nicht zuletzt im Zusammenhang mit dem Problem gezeigt, die währungspolitisch relevanten Geldmengen voneinander in funktionstauglicher Weise abzugrenzen.

Zusätzliche Schwierigkeiten ergeben sich daraus, daß, insbesondere in den USA, eine Welle von Innovationen im Geldanlagebereich zu beobachten ist: Über gewisse Spar- und Termineinlagen (z.B. NOW-accounts) kann mittels Scheck oder nach Umschichtung auf Sichteinlage direkt verfügt werden. Auch in der Bundesrepublik weisen Aktiva im Banken- oder Nicht-Bankenbereich hohe Liquiditätsgrade auf und können somit als "near-money" und als Geldsurrogate gekennzeichnet werden. Aktuelles Beispiel sind die neuen Anlagemöglichkeiten im Bausparkassenbereich, wo ein Teil dieser Vermögensbildungsanlagen fast direkt verfügbar bleibt.

Würde ausschließlich dis Kassehaltung im herkömmlichen Sinne von Bar- und Giralgeld belastet, würden weitere Ausweichstrategien geradezu induziert. Wenn die nachfragewirksame ("relevante") Realkasse nicht länger auf Bar- und Giralgeld (M1) beschränkt wird, ist zu überlegen, ob auch die Geldsubstitute gestaffelt nach ihrem Liquiditätsgrad mit Liquiditätskosten belastet werden sollen.

Auch die Belastung des Bargeldes in Gestalt von Banknoten und Münzen stößt auf praktische Schwierigkeiten und wäre nur auf sehr umständliche Art und Weise zu realisieren. Wenn aber in Zukunft die "aufladbare" Chip-Karte mit einer elektronischen Geldbörsenfunktion das Bargeld auch im Bereich der Bagatellzahlungen verdrängen wird, rückt die periodische Prämierung (Verzinsung) oder Belastung dieses elektronischen Bargeldes in den Bereich des Machbaren (19).

b) Welches ist die richtige Höhe der Liquiditätskosten? - Zur Bestimmung der Subventions- bzw. Abgabenhöhe (Liquiditätskosten) müßten die sozialen Erträge von Gütern von verschiedener Liquidität quantifizierbar sein. Zwar kommt als Indiz für den Wert der Vorteile von Kassehaltung der Preis in Betracht, der für monetäre Liquidität und für liquide Papiere auf den Geld- und Kapitalmärkten gezahlt wird; gleichwohl verbleiben schwierige Bemessungsfragen, bei denen man auf Schätzungen angewiesen ist. Also garantiert die budgetäre Interventionspolitik keine befriedigende Annäherung an das pareto-optimale Allokationsgleichgewicht.

c) Schließlich verbleibt das Zurechnungsproblem. Vorausgesetzt, daß die relevante Kasse bekannt ist. Dann sind auch die jeweiligen Kassehalter identifiziert. Die Zurechnung der sozialen Erträge aber, die vermittels der Abgabe auf Liquidität abgeschöpft und den einzelnen Produzenten der Liquidität zugeordnet werden sollen, ist schwierig. Denn die Liquiditätseigenschaft des Tauschmediums ergibt sich erst aus der breiten Akzeptanz des monetären Verrechnungssystems bei den Wirtschaftssubjekten. Es wäre genauer zu untersuchen, ob und welche Kosten diesen Wirtschaftssubjekten durch ihren Beitrag zur Produktion des Gutes "Liquidität" entstehen. Danach müßte sich die Entschädigung richten.

d) Optimal wäre es wohl, wenn zur Lösung der Probleme a) bis c) eine Marktlösung mit Wettbewerbscharakter gefunden würde, bei der sich die Identifizierungs-, Bewertungs- und Verrechnungsprobleme dank des Preismechanismus "von selbst" regeln.

 

2. Kosten und Kostenträger der Liquiditätsproduktion

 

Bei der Produktion gesamtwirtschaftlich wirksamer Liquidität sollte man differenzieren zwischen technischen Produktionskosten der Geldmenge, wie sie bei den Emittenten der Zahlungsmittel anfallen, und den anderen Kosten, die bei der Transformation des zunächst bloß technisch hergestellten und "emittierten" Geldes in effektive ökonomische Liquidität außerdem anfallen. Bei den letzteren Kosten geht es um den Aufwand zur Herstellung der Qualität des Geldes als der allgemein angebotenen und akzeptierten Liquidität.

a) Beim Warengeld entspricht der Nennwert weitgehend dem Stoffwert. Hier fallen die "Produktionskosten der Geldmenge" erheblich ins Gewicht. Seit der Entmaterialisierung des Geldes spielen diese Kosten jedoch nur noch eine sehr untergeordnete Rolle. Die Herstellungskosten von Bargeld sind relativ gering. Giralgeld kann durch einen Buchungsvorgang quasi umsonst vermehrt werden.

b) Anders als beim Warengeld fallen beim heutigen Kreditgeld hohe Produktionskosten bei der Erzeugung der eigentlichen Qualität des Geldes als eines allgemein verwendeten, vor allem allgemein akzeptierten Zahlungsmittels an. Hierbei geht es um den "degree of moneyness of the money products" (21). Diese spezifischen Produktionskosten der Liquidität umfassen sämtliche Ressourcen, die eingesetzt werden müssen, um die allgemeine Verwendung des Geldes, insbesondere seine allgemeine Akzeptanz, und damit überhaupt erst die monetäre Liquiditätseigenschaft zu gewährleisten. Da die Akzeptanz mit dem Vertrauen in dieses Geld korreliert, werden diese Aufwendungen zum Teil auch als Vertrauenskosten bezeichnet (22).

c) Laufende Produktionskosten der Liquidität fallen in dem Sinne an, daß die Liquidität gewissermaßen "im Fluß" gehalten wird, also die Kassen wechselt und dabei Transaktions- und Verrechnungsaufwand verursacht. Als solche Kosten wären im Bereich der Geschäftsbanken und der privaten Wirtschaftssubjekte z.B. zu nennen:

- Kosten im Bankenbereich zur Aufrechterhaltung eines effizienten bargeldlosen Zahlungsverkehrs, soweit sie nicht auf die Bankkunden abgewälzt werden;

- Annahme, Ausgabe, Lagerhaltung und Transport von Bargeld;

- Risikokosten durch Falschgeld, Scheckbetrug, Kreditkartenmißbrauch usw.;

- Marktkenntnisse über die einzelnen Zahlungsverkehrsmedien;

- Zahlungsverkehrsgebühren;

- Kosten zur Aufrechterhaltung der freien Konvertibilität des Giralgeldes in Bargeld;

- In der Zukunft beim elektronischen Geld EDV-Kosten für die Annahme, Autorisierung und Verrechnung der fälligen Transaktionen.

Auch die staatliche Geldhoheit ist auf verschiedene Art und Weise Mitproduzent der in der Wirtschaft wirksamen monetären Liquidität: Sie emittiert Bargeld, stellt Zentralbankgeld zur Verfügung, monetisiert Vermögenswerte und stellt ein Gironetz zur Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zwischen den Banken bereit. Den damit verbundenen Produktionskosten der Liquidität steht jedoch der Nutzen gegenüber, der sich direkt oder indirekt ergibt durch die Monopolstellung der Zentralbank und die Einrichtung eines aufdrängbaren Geldes mit Annahmezwang. Daher können hier bei dem Problem der Internalisierung externer Effekte die Produktionskosten der Liquidität im staatlichen Bereich zunächst einmal vernachlässigt werden.

 

 

II. Subventionierung des defizitären  Zahlungsverkehrssystems

 

Nach allem wäre es also allokationstheoretisch diskutabel, mit Hilfe budgetärer Maßnahmen die externen Erträge zu internalisieren, die bei Kassehaltern als Ergebnis von Produktionsleistungen anfallen, welche die Hersteller der Akzeptanz von Geld erbringen: Subventionierung der miteinander in Austausch stehenden Produzenten und Konsumenten und Belastung der Kassehalter mit einer (Ausgleichs-)Abgabe zur Abschöpfung des extern generierten Nutzens monetärer Liquidität.

Demnach müßten die Geldhalter als Nutznießer des Gutes "Liquidität" in dem Maße, wie sie Vorteile der Liquidität in Anspruch nehmen, mit Abgaben belastet werden (Liquiditätskosten). Mit den Mitteln, die dadurch erhoben werden, könnten diejenigen Produzenten von Liquidität, deren Beitrag identifizierbar und abschätzbar ist, entschädigt werden, z.B. die Geschäftsbanken etwa in Form einer Subventionierung des defizitären Zahlungsverkehrssystems. Die Kosten des Zahlungsverkehrs im deutschen Kreditgewerbe betrugen nämlich am Ende der 70er Jahre ca. 9 Milliarden DM, wovon nur ein Teil durch Gebühren und float-Einnahmen gedeckt wurden. Die Differenz wurde (und wird nach wie vor) durch Einnahmen aus der Zinsspanne und durch Erträge aus dem sonstigen Dienstleistungsgeschäft finanziert. Die betriebswirtschaftliche Struktur des Bankgeschäfts (Kuppelproduktion) verhindert eine Konditionenausgestaltung nach dem Verursacherprinzip. Auch im Hinblick auf den gesamtwirtschaftlichen Nutzen eines effizienten Zahlungsverkehrssystems stellen die Defizite des Zahlungsverkehrs ein noch nicht gelöstes "marktwirtschaftliches Grundproblem" (24) dar.

Werden die Zahlungsverkehrsmittler als identifizierbare Mitproduzenten der wirtschaftlich wirksamen Liquidität im Sinne der wohlfahrtstheoretischen Überlegungen aus den Mitteln der Liquiditätsausgleichsabgabe subventioniert, hätte das weitere Vorteile:

- Die interne Subventionierung des Zahlungsverkehrssystems aus der Zinsspanne würde insoweit entbehrlich. So würden auch die Produzenten der Geldliquidität profitieren.

- Kassehaltungseffekt: Der Zahlungsverkehr befindet sich in einer Übergangsphase vom beleggebundenen zum beleglosen elektronischen Medium. Die gezielte Förderung der Zahlungsverkehrsautomation im Privat- und Firmenkundenbereich Geldausgabeautomaten, Banking-POS im Handel, Home Banking, Cash-Managementsysteme usw.) werde die zahlungsverkehrssystembedingte Kassehaltung, verursacht durch fehlende Synchronisierung der Einnahme- und Ausgabeströme, minimieren.

Der Fehlallokation, die durch die positiven externen Effekte der Liquiditätsproduktion hervorgerufen wird, könnte also entgegengewirkt werden durch die Belastung der Kassehalter mit Liquiditätskosten, u.U. verbunden mit der Subventionierung des Zahlungsverkehrssystems. Die Inanspruchnahme des Liquiditätsnutzens durch Liquiditätsvorhaltung oder seine Vermarktung wird belastet und die Liquiditätsproduzenten werden subventioniert. Der Anteil des Zinses, der als Liquiditätsprämie erhoben wird, sinkt oder verschwindet je nach Höhe der Abgaben und Subventionen. Ob damit allerdings auch schon eine optimale Allokation des Gutes "Liquidität" erreicht wird, hängt von der Effizienz und Operationalität des nicht unproblematischen Instrumentariums hoheitlicher Abgaben und Subventionen ab. Grundsätzlich wäre allerdings anzumerken, daß eine solche staatliche Regulierung an falscher Stelle und in falscher Höhe die Fehlallokationen noch verstärken, neue Ungleichgewichte verursachen, Ausweichstrategien der Wirtschaftssubjekte auslösen und damit am Ende weitere Eingriffe als unerläßlich erscheinen lassen kann.

Die Wohlfahrtstheorie bietet aber, wie schon erwähnt, auch andere Ansätze zur Internalisierung der externen Effekte, insbesondere die kollektive Bereitstellung von Liquidität und die "Fusionslösung", die nunmehr wegen ihrer praktischen Relevanz näher diskutiert werden sollen.

 

 

III. Internalisierunq durch kollektive Bereitstellung - Zentralbankmonopol -

 

Treten externe Effekte auf, kann im Extremfall die kollektive oder staatliche Bereitstellung des betroffenen Gutes sinnvoll sein. Als Kriterien dafür werden genannt: die Nichtanwendbarkeit des Ausschlußprinzips und der nicht-rivalisierende Konsum (25). Typische Beispiele solcher öffentlicher Güter, die kollektiv bereitgestellt werden, sind die Straßenbeleuchtung und die Landesverteidigung.

Die kollektive Bereitstellung von Liquidität durch den Staat würde auf eine Verstaatlichung des Zahlungsverkehrsnetzes (26) hinauslaufen, jedenfalls wenn und soweit die dafür "relevante" Geldmenge definiert wird als das bisherige Bar- und Giralgeld. Das Zentralbankmonopol würde auf das Giralgeld ausgedehnt, das, wie bisher das Bargeld, auch zum gesetzlichen Zahlungsmittel deklariert würde. Gleichzeitig würde die Zentralbank wesentliche Kosten der Liquiditätsproduktion übernehmen.

Die staatliche Bereitstellung von Geld als solche würde aber noch nicht genügen; denn Liquidität wird erst dadurch erzeugt, daß die Marktteilnehmer das Geld im Kaufen und Verkaufen auch anbieten und akzeptieren. Also muß diese Akzeptanz gewährleistet sein, und zwar dadurch, daß der bereitgestellte Liquiditätsdienst die Funktion des gesetzlichen Zahlungsmittels erhält, also nicht abgelehnt werden kann, ohne daß das betroffene Wirtschaftssubjekt Nachteile riskiert: "obligatorisches", "aufdrängbares", "nicht ablehnbares" Geld, auch "Zwangsgeld" oder "fiat-money". Die gesetzliche Aufdrängung des Zahlungsmittels wirkt dabei als funktionaler Ersatz für den sonst wirksamen Produktionsfaktor für Liquidität "freiwillige Akzeptanz". Jedenfalls braucht sich der Staat in diesem Felle weniger Sorgen um die Akzeptanz des bereitgestellten Zahlungsmittels zu machen.

Mit seiner Geldhoheit kann der Staat nicht nur die Akzeptanz der von ihm bereitgestellten Liquidität weitgehend erzwingen; er verfügt damit vielmehr auch über den Liquiditätsgrad konkurrierender Tauschmedien. So bewirken die nach wie vor ablehnende Haltung der Deutschen Bundesbank gegenüber der privaten europäischen Währungseinheit (ECU) und das Verbot, in der Bundesrepublik Sichteinlagen in ECU zu halten, daß die Liquidität dieser privaten ECU erheblich eingeschränkt ist.

Aber Geld erfüllt nicht, wie Vaubel nachweist, die Voraussetzungen für ein öffentliches Gut. "Money balances do not satisfy the non-rivalness criterion (nor the non-excludability criterion): as long as one person holds a unit of money and benefits from its 'liquidity services', nobody else can own it and benefit from it" (27). So gesehen rechtfertigen die positiven externen Effekte der Produktion von Liquidität ex post weder das staatliche Geldemissionsmonopol einer Zentralbank noch die staatliche Garantie der Liquiditätseigenschaft dieses Geldes dadurch, daß es zum gesetzlichen Zahlungsmittel proklamiert wird. Die Produktionskosten der Liquidität wären zwar sozialisiert; die Kassehalter jedoch würden weiterhin die exklusiven Liquiditätsvorteile für sich in Anspruch nehmen können. So würde die staatliche Bereitstellung der Liquidität allein jedenfalls nicht zur Internalisierung der positiven externen Effekte hinreichen, allenfalls, wenn sie verbunden würde mit der Auferlegung von Liquiditätskosten.

 

 

IV. Selbsthilfe der Wirtschaftssubjekte

 

Unter ordnungspolitischem Gesichtspunkt verdient diejenige Internalisierungstechnik den Vorzug, bei der die beteiligten Wirtschaftssubjekte durch ihr Marktverhalten für eine optimale Bewertung und Internalisierung der externen Effekte sorgen: "Der Markt" müßte durch seine Preisbildungskräfte und --mechanismen den Preis für Liquidität so ermitteln und die Liquidität selbst so lenken, daß die internen positiven Effekte entsprechend bezahlt und externe Effekte vermieden oder durch kompensatorische Effekte neutralisiert werden. Die Oeconomia Augustana (unten § 12) ist als eine solche Wettbewerbslösung konzipiert, die über die bislang vom Markt hervorgebrachten Verfahren hinausgeht. In diesem Kapitel jedoch sind zunächst diejenigen Neuerungen zu betrachten, die bereits ökonomische Praxis sind.

 

1. Internalisierung durch Fusionsbildung - Barter-Club

 

Externe Effekte lassen sich auch dadurch internalisieren, daß Geschädigte und Nutznießer in der einen oder anderen Form zusammengeführt werden ("Fusionsbildung" (28)). Dieser Weg kann von den Wirtschaftssubjekten selbst eingeschlagen werden, so daß sich dann die staatliche Aufgabe auf die Unterstützung oder Förderung dieser Fusionierung beschränken kann. Solche privatwirtschaftlichen Fusionierungen bergen allerdings die Gefahr in sich, daß sie Kooperationsprozesse auslösen, die neue Ungleichgewichte mit sich bringen.

In unserem Falle müßten sich die Nutznießer der zusätzlichen Liquiditätsvorteile und die Produzenten der Liquidität in einer Entscheidungseinheit zusammenfinden. Nach diesem Modell lassen sich die sog. Barter-Clubs interpretieren. Nach amerikanischem Vorbild hat sich auch in der Bundesrepublik die Barter-Idee durchgesetzt, und es gibt bereits eine Reihe von Barter-Clubs (29). Die angeschlossenen Mitglieder verrechnen mittels künstlicher Recheneinheiten ihre indirekten Tauschgeschäfte. Eine Barter-Zentrale führt das Clearing durch, verwaltet die Barter-Guthaben, tritt vielfach als Vermittler zwischen den Anbietern und Nachfragern auf und überwacht die Bonität der Teilnehmer.

Sämtliche Mitglieder im Barter-Club schaffen die Liquidität selbst durch ihre Bereitschaft, die Überweisung vom Barter-Guthaben als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Die zusätzlichen Vorteile für diejenigen, die diese Liquidität vorhalten, werden durch Liquiditätskosten in weitem Sinne abgeschöpft.

Bei diesen Liquiditätskosten kann es sich um explizit erhobene Kosten auf Kassehaltung handeln, wie sie z.B. im Konzept der Oeconomia Augustana (unten § 12) vorgesehen sind. Die Kassehalter im Barter-Club müssen aber im Vergleich zu normalen Kassehaltern ohnehin schon zusätzliche Opportunitätskosten in Kauf nehmen, nämlich insofern, als ihre Barter-Kasse in der Sozialdimension einen geringeren Liquiditätsgrad aufweist, weil der Teilnehmerkreis, der diese Liquidität akzeptiert, kleiner ist als der Kreis derer, die das allgemeine Zahlungsmittel akzeptieren. Eine Überführung der Barter-Club-Liquidität in herkömmliche Liquidität der jeweiligen Währungseinheit ist im Club entweder nicht möglich oder wird, im Falle der Oeconomia Augustana, mit Zinsen belastet. Die Zielsetzung einer im wohlfahrtstheoretischen Sinne neutralen Liquidität ohne externe Effekte kann daher in der Startphase einer Barter-Fusion vermutlich ohne explizite Erhebung von Liquiditätsgebühren erreicht werden, da die Höhe der insgesamt anfallenden Liquiditätskosten von dem Liquiditätsgrad abhängt. Steigt die Anzahl der Mitglieder und damit der Liquiditätsgrad der Barter-Einlagen, können und müssen wohl Liquiditätsgebühren eingeführt oder erhöht werden. Die Einnahmen, die sich daraus ergeben, sollten zur Abdeckung der Betriebskosten einschließlich des unternehmerischen Einsatzes und zur Subventionierung der Investitionen verwendet werden, die in der Fusion zur Liquiditätsproduktion anfallen (z.B. für elektronische Informations- und Verrechnungssysteme zwischen den Mitgliedern). So würden die Nutznießer der Kassehaltungsvorteile belastet, die Liquiditätsproduzenten entschädigt.

Den Nutzen der Liquiditätsproduktion, der sich in zusätzlichen Umsätzen der Mitglieder niederschlägt, haben nur die Liquiditätsproduzenten, also diejenigen, die Barter-Guthaben als Zahlungsmittel verwenden und akzeptieren. Die externen Effekte, die im herkömmlichen System zur Unterversorgung mit Liquidität und zu einer hohen Kassehaltung führen, sind in diesem Falle durch Fusionsbildung internalisiert.

Der wohlfahrtstheoretische Ansatz zeigt also, daß es im Barter-Club zur Verbesserung der Liquiditätsversorgung und damit zu zusätzlichen Güterumsätzen kommt. Damit bietet er eine Erklärung für den Absatzanstieg bei Barter-Club-Mitgliedern, der in der Praxis beobachtet werden kann. Für diese zusätzliche Nachfrage und diesen zusätzlichen Absatz können freilich auch andere Faktoren wirksam gewesen sein:

‑ Verbilligung der Kredite: Durch Anfallen oder Einführen der Liquiditätskosten verschwindet der Zinsanteil, der im herkömmlichen System als Liquiditätsverzichtsprämie erhoben wird.

‑ Verbesserte Umlaufsicherung und Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Tauschmediums im Barter-Kreislauf.

Dieser Mehrumsatz, der durch die Internalisierung der externen positiven Effekte bedingt ist, würde auch in Erscheinung treten, wenn sämtliche Wirtschaftsteilnehmer der Barter-Fusion angeschlossen sind (Gesamteffekt). Der Liquiditäts- und Verrechnungsdienst des Barter-Clubs wird dann zum allgemein akzeptierten, gewissermaßen offiziellen Liquiditätssystem.

Daraus, daß heute und bis auf weiteres die Barter-Kreisläufe und der herkömmliche monetäre Kreislauf nebeneinander koexistieren, ergeben sich weitere Erklärungsansätze für die empirisch feststellbaren Mehrumsätze:

- im Barter-Club werden Zwischenhändler übersprungen und dadurch Absatzwege verkürzt.

- Im Vergleich zur regulären Währung erscheinen Barter-Club-Guthaben als "schlechtere" Liquidität und werden bei Wahlfreiheit von den Clubmitgliedern vorrangig für Zahlungszwecke verwendet.

- Bei getrennten Marktsegmenten sind Preisdifferenzierungen möglich.

- Der Club-Effekt bewirkt, daß die Mitglieder sich gegenseitig fördern.

Der Mehrumsatz, der auf diese letzteren Faktoren zurückgeht, wird den Marktteilnehmern außerhalb des Barter-Kreislaufs entzogen (Substitutionseffekt) (30). Insgesamt ändert sich die Nachfrage nicht. Es läßt sich theoretisch nicht ermitteln, wie der Gesamteffekt und der Substitutionseffekt als jeweilige Determinante für den Mehrumsatz zu gewichten sind.

 

 

2. Finanzinnovationen aus liquiditätstheoretischer Sicht

 

Unterlassene Internalisierung der externen Effekte führt zu Fehlallokationen bei der Liquiditätsversorgung. Es fehlt Liquidität, wo im realwirtschaftlichen Bereich Transaktionsbedarf existiert. In einer Geldordnung, wo die Bereitstellung der Liquidität primär dem hoheitlichen Aufgabenbereich zugeordnet wird, besteht die Gefahr, daß allokative Eingriffe an falscher Stelle oder eine Symptombekämpfung gerade zu einer Verschärfung dieser monetären Instabilität führt. Die Marktteilnehmer werden dagegen den ihnen noch zustehenden Freiraum ausnutzen, um zusätzliche Liquidität zu schöpfen, wo eine suboptimale Liquiditätsversorgung herrscht. Diese Selbsthilfe-Aktionen manifestieren sich somit zum Teil als Ausweichstrategien zur Umgehung monetärer Regulierung und Gesetzgebung. Finanzinnovationen, die die Liquidität und Kassenhaltung der Marktteilnehmer günstig beeinflussen, kann man demnach als marktmäßige Reaktion auf die suboptimale Liquiditätsversorgung auffassen.

Daneben gibt es eine Reihe von Finanzinnovationen auf den Kapitalmärkten im Bereich der herkömmlichen Kapitalvermittlung zwischen Geldanlegern und Investoren: zinsvariable Schuldverschreibungen, Nullkuponanleihen, Abzinsungapapiere, Einlagenzertifikate usw. Diese Innovationen bezwecken insbesondere eine Neugewichtung der Risikoverteilung zwischen Banken und Nicht-Banken. Eine klare Abgrenzung zeichnet sich noch nicht ab. So wird zur Zeit jede Neuerung im monetären Bereich als Finanzinnovation bezeichnet. Man spricht bereits von einer Innovationsexplosion.

Hier sollen die Ursachen und Wirkungen der Innovationen betrachtet werden, die primär auf die Liquiditätsposition der Wirtschaftssubjekte abzielen. In diesem Sinne sind zu nennen:

 

Finanzinnovation

(a) neue Anlageformen mit einem hohen Liquiditätsgrad und Cash-Management-Konten im Privatkundengeschäft (wie z.B. in den USA die sog. NOW‑, ATS‑ und Sweep-Accounts), Shifting zwischen Sicht-, Spar- und Termineinlagen im Bankenbereich

 

(b) direkte Verfügung über Spar-, Lebensversicherungs- und Bauspareinlagen als Zahlungsmittel im Nicht- oder Near-Bankenbereich (z.B. der Bausparvertragstyp "DISPO 2000" des Beamtenheimstättenwerks)

 

(c) gegenseitige Verrechnung zwischen privaten Wirtschaftssubjekten, Unternehmen, Exporteuren, Importeuren (Industrie-Clearing, Barter-Clubs, Kompensationsgeschäfte)

 

(d) Kreditgewährung und sonstige Finanzdienstleistungen von Nicht-Banken, wie Warenhäusern (z.B. Hertie-Kundenkarte), Tankstellen, Kreditkartenunternehmen, Mietwagenfirmen, Luftfahrtgesellschaften usw.

 

(e) Verwendung internationaler Währungseinheiten wie die ECU im privaten Bereich als Zahlungsmittel

 

(f) Automatisierung des Zahlungsverkehrs im Firmen- und Privatkundenbereich (Home Banking, Geldausgabeautomaten, Banking- POS - Systeme, Cash - Management)

 

 

 

 

Liquiditätswirkungen

(zu a) verzinste Finanzaktiva mit hohem Liquiditätsgrad substituieren die herkömmliche Transaktionskasse (Bar- und Giralgeld); Freisetzung von Liquidität im Bankenbereich durch Senkung der Mindestreserven

 

(zu b) neben Aktiva im Bankenbereich entsteht zusätzliche Liquididät außerhalb des Rankensektors

 

(zu c) realwirtschaftliche Transaktionen ohne herkömmliche Zahlungsmittel oder Devisen: Reduzierung der Geld- und Devisennachfrage

 

(zu d) zusätzliche Absatzmöglichkeiten durch temporäre Beseitigung der Liquiditätsengpässe

 

(zu e) Ergänzung nationaler Währungen durch internationale Liquidität

 

(zu f) Synchronisierung der Einnahmen- und Ausgabenströme der privaten Haushalte und Unternehmen: Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit des Geldes; Senkung der Nachfrage nach Transaktionskasse; Reduzierung des Zentralbankgeldbedarfs (Bargeld und Mindestreserven)

 

 

a) Obwohl jede Finanzinnovation sich in einem bestimmten Rahmen entwickelt und ihre Ausgestaltung von marktspezifischen Parametern determiniert wird, läßt sich eine übergeordnete Ursache-Wirkung-Beziehung als Ansatzpunkt für eine Theorie der Finanzinnovationen feststellen.

Sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bankenbereichs bewirken diese Finanzinnovationen einen zusätzlichen Liquiditätsspielraum für den Marktteilnehmer bei gleichbleibender Rentabilität, oder man nutzt die moderne Technik zur Minimierung der systembedingten Liquiditätsnachfrage. Die am Markt beobachteten Bestrebungen zur Nachfragesenkung bzw. Angebotserhöhung monetärer Liquidität deuten auf eine suboptimale Liquiditätsversorgung. Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen wird durch Liquiditätsengpässe eingeschränkt. Unter Voraussetzung einer hohen Anpassungsfähigkeit des monetären Systems kommt es zu Selbsthilfe-Aktionen; die Wirtschaftssubjekte schaffen ihr eigenes "Geld", gleichen damit das fehlende Angebot des zentralbankregulierten Geldes aus und bewirken somit "eine größere Unabhängigkeit der Wirtschaft von der Versorgung mit Geld i.e.S.“ (31).

Nach diesem liquiditätstheoretischen Ansatz lösen Liquiditätsengpässe im mikroökonomischen Bereich Finanzinnovationen aus ("constraint - induced model of innovation" (32)). Als exogene Determinanten solcher Finanzinnovationen nennt Silber u.a. die Zinshöhe, Inflationsrate, Steuersätze, Gesetzgebung und Technologie, die die Nachteile und Kosten, die sich aus dem Liquiditätsengpaß ergeben, unterschiedlich beeinflussen. Insbesondere spielt dabei die EDV-Technik eine große Rolle. Die elektronische Datenfernübertragung und -abwicklung lassen durch die kostengünstige Überbrückung von Zeit und Raum viele Finanzinnovationen vor allem im Cash-Managementbereich erst effizient erscheinen. Die technologisch bedingte Senkung der Transaktions- und Informationskosten ist eine entscheidende Voraussetzung für bestimmte Finanzinnovationen und führt somit zur weiteren Ökonomisierung des Tauschsystems: Finanzinnovationen können somit auch primär als Folge des systemimmanenten technologischen Fortschritts interpretiert werden.

Im Umfeld einer zentralbankregulierten Geldversorgung führen Finanzinnovationen meist zur quantitativen oder qualitativen Ausdehnung der geldpolitischen Regulierung. Der von den Wirtschaftssubjekten zusätzlich geschaffene Liquiditätsspielraum bzw. die Geldsurrogate werden direkt oder indirekt dem Zentralbankeinfluß unterstellt. Als aktuelles Beispiel kann die Diskussion um die Einführung einer Mindestreservenhaltung auf Depositenzertifikate (CD's) genannt werden.

Die Wirtschaftssubjekte werden aber versuchen, solche Regulierungen, die eine Einschränkung des neugeschaffenen Liquiditätsspielraums zur Folge haben, mit neuen Ausweichmanövern zu umgehen. Weitere Finanzinnovationen sind die Folge. Die "regulation induced innovation" (34) zur Umgehung der Regulierung löst wieder neue regulatorische Eingriffe aus usw. So führte das Zinsverbot auf Sichteinlagen und die Zinsobergrenze für Spar- und Termineinlagen (Regulation Q) in den USA Anfang. der 80er Jahre zu einer Reihe von neuen Einlagearten, wie z.B. das kombinierte Spar- und Girokonto (Automatic Transfer Service Account ‑ ATS) oder Spareinlagen, worüber mit einem Scheck direkt verfügt werden kann ("Negotiable Order of Withdrawal" - Account) (35).

Diese ständige Wechselwirkung zwischen Finanzinnovationen und monetärer Regulierung wird zwar heute durch den Einsatz neuer Technologien intensiviert, läßt sich aber seit der regulatorischen Eingriffe des Staates im Geld- und Finanzwesen historisch immer wieder beobachten: Die unzureichende Versorgung mit staatlichen Münzen führte im ausgehenden Mittelalter zu einer Reihe von Finanzinnovationen: die Banknote, der Wechsel, die künstlichen Verrechnungswährungen während der überregionalen Handelsmessen usw. Der Ausdehnung des staatlichen Monopols auf Banknoten durch die Gründung staatlicher Notenbanken wurde im vorigen Jahrhundert von der privaten Wirtschaft durch die Ausdehnung und Weiterentwicklung "eigenen" Geldes in Form von Giralgeld und Schecks entgegengewirkt. Die staatliche Geldhoheit reagierte u.a. durch die Einführung von Mindestreserven zur Regulierung der privaten Giralgeldschöpfung.

Eine genaue Betrachtung der geschichtlichen Entwicklung der Geldarten und privaten Liquiditätsschöpfung läßt keine einseitige Ursache-Wirkung-Beziehung erkennen. Geldordnung und Finanzinnovationen beeinflussen sich gegenseitig. Regulierung und die technologische Entwicklung bestimmen also die Ausgestaltung und den Umfang der Finanzinnovationen zur Beseitigung der Liquiditätsengpässe.

Die oben genannten Finanzinnovationen erhöhen den Liquiditätsspielraum, senken die Nachfrage nach Transaktionskasse im herkömmlichen Sinne (Bargeld und Giralgeld) und können damit zur Beseitigung der suboptimalen Liquiditätsversorgung bzw. zur Linderung der wirtschaftlichen Folgen beitragen, die der "monetäre Wasserkopf" mit sich bringt.

 

b) Diese monetären Selbsthilfe-Aktionen können die Effizienz des monetären Kreislaufs und damit die des Güterkreislaufs in einer Volkswirtschaft temporär oder dauerhaft erhöhen. Auf die Absatzverbesserung der Barter-Club-Mitglieder sei schon hingewiesen. Eine ähnliche Wirkung zeigt die Finanzinnovation Kreditkarte.

Der Kreditkarteninhaber ist jederzeit ohne Realkassenhaltung (37) liquide. Sein Liquiditätsspielraum wird nur eingeengt durch die im Vergleich zum Bargeld begrenzte Zahl der Akzeptanten und durch ein meist individuell festgelegtes Limit. Bei einem Kauf mittels Kreditkarte gewährt der Händler seinem Absatznehmer einen zinslosen Kredit. Wenn Händler nicht gleich Kreditkartenherausgeber ist (wie es z.B. bei einer Kundenkarte der Fall ist), erwirbt die Kreditkartengesellschaft quasi als Factor gegen ein Disagio die Forderung. Die Kreditkartengesellschaft gewährt bis zur Abbuchung dem Karteninhaber einen zinslosen Kredit. Erst dann entsteht für den Karteninhaber ein Liquiditätsproblem und bedarf er Liquidität im herkömmlichen Sinne, oder es kommt - wie im angloamerikanischen Kreditkartensystem üblich - zu einer Konsumentenkreditgewährung der Kartengesellschaft gegen übliche Verzinsung.

Ohne volkswirtschaftliche Liquidität in seiner Transaktionskasse zu speichern, genießt der Kreditkarteninhaber die zusätzlichen Liquiditätsvorteile. Im Gegensatz zu dem Kassenhalter trägt er aber einen Teil der Produktionskosten der Liquidität durch seinen Jahresbeitrag an die Kreditkartengegellschaft. Diese partielle Beseitigung des Liquiditätsengpasses bzw. der temporäre Verzicht auf eine Liquiditätsprämie führt zu einer zusätzlichen Nachfrage und damit zu empirisch feststellbaren Mehrumsätzen bei den meisten Kreditkartenakzeptanten. Wie bei dem Barter-Club ist aber die Annahme plausibel, daß ein Teil dieses Mehrumsatzes auf Kosten der Anbieter, die keine Kreditkarten akzeptieren, erzielt wird.

c) Am Schluß stellt sich das Problem einer Beurteilung der Finanzinnovationen: Ob die seit Anfang der 80er Jahre verstärkt auftretende Welle von Finanzinnovationen zu einer strukturellen Lösung dos Liquiditätsproblems führt, ist unklar. Der Wettbewerbsdruck aus dem Nicht-Bankenbereich, das veränderte Zinsbewußtsein der Wirtschaftsteilnehmer ("Professionalisierung der Kunden") und die Senkung der Umwandlungskosten zwischen den Finanzaktiva führen auch zu einer relativ hohen Verzinsung der gleichzeitig liquiden Anlagemöglichkeiten.

Die herkömmliche Transaktionskasse - das Bargeld und die Sichteinlagen - wird substituiert durch die "neue" Transaktionskasse, gefüllt mit Quasi-Geldbeständen nach heutiger Definition. Für eine Transaktion ist zwar eine Umwandlung in herkömmliche Liquidität erforderlich, aber im Falle einer schnellen und gesetzlich ungehinderten Umwandlung stiften die Quasi‑Geldbestände annähernd gleich hohe Liquiditätsvorteile wie Bargeld und Sichteinlagen. Der "neue" Transaktionskassenhalter wird zweifach belohnt: Liquiditätsvorteile und Verzinsung seiner Einlagen. Die Anbieter dieser Anlagemöglichkeiten und der Cash-Management – Systeme im Bankenbereich verlieren damit eine günstige Refinanzierungsquelle. Eine Verringerung der Zinsspanne könnte demnach die langfristige Folge solcher Finanzinnovationen sein. Die verschlechterte Zinsspanne und das erhöhte Liquiditätsrisiko werden als potentielle Gefahren des verstärkt auftretenden Kampfes zwischen Banken und sog. Nicht-Banken um ihren Anteil an den Geldvermögensbeständen der privaten Haushalte und Unternehmen befürchtet. Wie im übrigen Zahlungsverkehr wird auch hier eine Gebührenpolitik nach dem Verursacherprinzip und damit eine Überwälzung der Investitionskosten auf den Kunden wohl kaum durchsetzbar sein.

Für die Beurteilung der langfristigen Wirkung der Finanzinnovationen auf die fehlgeleitete Allokation der Liquidität stehen die Antworten auf wenigstens drei Fragen noch aus:

- Wer wird letztendlich die Produktionskosten der "neuen" Liquidität  tragen?

- Reagieren die monetären Autoritäten und der Gesetzgeber mit weiteren Eingriffen oder kommt es zur Deregulierung im monetären Bereichen ? (40)

- Welchen Beitrag leisten die Finanzinnovationen dazu, diejenigen Liquidisierungskosten spürbar zu senken oder zu beseitigen, die heute noch als Kapitalkosten (oder Konsumkosten) bei Kreditnehmern von längerfristigen Finanzierungen hängenbleiben?