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Inhaltsverzeichnis: Optimale
Liquidität
2. Kapitel
MAKROÖKONOMIE DER INKONGRUENZEN VON LIQUIDITÄTSNUTZEN UND
LIQUIDITÄTSKOSTEN
§ 5 Das liquiditätstheoretische Lenkungsproblem
Was soll gelenkt werden? Antwort: die monetäre
Liquidität. Wohin und wie soll sie gelenkt werden? Das ist die Frage. Wenn aber
bei alledem das Geld eine Art Zwittergebilde ist, nämlich sowohl Tauschwert
verkörpert (eine Bestandsgröße) als auch Liquidität (eine Strom-Erscheinung),
wie läßt sich die funktional spezifische Lenkung und Allokation des monetären
Tauschvermögens einerseits und der monetären Liquidität andererseits
bewerkstelligen? - Um am Ende Antworten auf diese Fragen zu formulieren,
empfiehlt es sich, in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst gilt es, einige
Antriebs- und Lenkungsprobleme sowie Verteilungs- und Allokationsfragen in der
Tauschwirtschaft und in der monetisierten Wirtschaft ganz allgemein in
Erinnerung zu rufen (I.). Dabei geht es nicht um perfekte, formale und
elaborierte Sprechweisen, sondern um kaum mehr als um elementare Trivialitäten,
die so dargestellt werden sollen, daß sich die nachfolgenden
liquiditätsspezifischen Ergänzungen (II.) am anschaulichsten daran anknüpfen
lassen, bevor die Lenkungskriterien für Kaufkraft einerseits und Liquidität
andererseits Identifiziert werden (III.).
I. Konsum und Produktion im Gleichgewicht zwischen Bedarf
und Leistung
Zwar kann man, wenn man heute auf die nationale und
internationale Wirtschaft schaut, den Eindruck gewinnen, als sei es Zweck des
Wirtschaftens, möglichst hohe Kapitalerträge zu erwirtschaften. Ähnliche
Eindrücke kann man gelegentlich erhalten, wenn man volkswirtschaftliche
Grundrisse, Lehrbücher und Aufsätze studiert. Selbst wenn die Fachleute jeweils
im ersten Kapitel auf die eine oder andere Weise "Wirtschaft" als das
Bemühen der Menschen auffassen, mit knappen Ressourcen ihre Bedürfnisse zu
befriedigen, so zeigt sich an anderen Stellen doch häufig die Überzeugung, daß
der bestrentable Einsatz von Kapitalien verträglich ist mit oder sogar
Bedingung ist für optimale Bedürfnisbefriedigung innerhalb der Volkswirtschaft.
Angesichts der liquiditätstheoretischen Fragezeichen, die
nunmehr hinter der Kapitaltheorie zu setzen sind, empfiehlt es sich, in die
Optimierungsprobleme nicht einzusteigen, ohne zuvor die überlieferten
theoretischen Vorstellungen wenigstens insofern etwas zu lockern, als man sich
darauf gefaßt macht, mit einigen nicht ganz alltäglichen Vorstellungen von
Zusammenhängen konfrontiert zu werden. Und es empfiehlt sich, so strikt und
rigoros wie nur denkbar davon auszugehen, daß die Menschen in einer
Volkswirtschaft "wirtschaften", um ihre Bedürfnisse zu befriedigen,
und daß dies selbstverständlich unter bestmöglicher Ausnutzung der Ressourcen
und unter Vermeidung insbesondere auch von sozialen Kosten zu geschehen habe.
1. Menschliche Arbeit als knappes Gut
Zu den in der Regel knappen Gütern, die beim Wirtschaften
eine Rolle spielen, gehört unter den Ressourcen vor allem die menschliche
Arbeit selbst. Das mag heute absurd klingen, weil praktisch weltweit ein
Überangebot in dieser Ressource besteht, so daß ökonomische Praktiker einen
Theoretiker, der "Arbeit" oder "menschliche Leistung" zum
knappen Gut erklärt, für nicht ganz normal erachten könnten. Nicht die Arbeit
erscheint heute als knapp, sondern die "Arbeitsplätze", also die
Nachfrage nach bezahlter Arbeit. Dies wiederum hängt (nicht nur, aber
jedenfalls auch) damit zusammen, daß für Arbeitsplätze die Ressource
"Kapital" eingesetzt und mit Kapitalerträgen derart bedient werden
muß, daß sich der Kapitaleinsatz lohnt, nämlich "rentiert".
Hinter der Kapitaltheorie und den Kapitalkosten jedoch
hatte sich aus liquiditätstheoretischen Gründen ein großes Fragezeichen
ergeben. Vielleicht also hängt die Tatsache, daß bei der Arbeit nicht das
knappe Gut "Arbeit", sondern die Nachfrage nach bezahlter Arbeit
knapp ist, (nicht nur, aber jedenfalls auch) mit der liquiditätstechnischen
Generierung von Kapitalkosten zusammen? Man darf sich also durch den faktischen
Befund, daß das Gut "Arbeit", das theoretisch zu den knappen Gütern
gehört, heute im Überfluß vorhanden zu sein scheint, nicht gleich verwirren
lassen. Menschliche Leistungsfähigkeit als solche ist tatsächlich schon von
ihren physischen Voraussetzungen her knapp, und zwar insbesondere insofern, als
der Tag nur 24 Stunden hat, von denen die Menschen einige auch noch zum
Schlafen und Essen brauchen.
Wenn heute nicht Arbeit knapp ist, sondern Mangel an
Arbeitsplätzen besteht, so ist das also kein Anlaß, physische Vorgegebenheiten
des Wirtschaftens zu verleugnen, sondern eine Herausforderung dazu, jene
Programmstrukturen des Wirtschaftsprozesses aufzuspüren, die zur Folge haben,
daß so absurde Ergebnisse herauskommen.
Es bleibt also für die elementaren theoretischen Ansätze
dabei, daß menschliche Arbeit und menschliche Leistungsfähigkeit zu den knappen
Gütern zählt, mit deren optimaler Bewirtschaftung man es in der Wirtschaft zu
tun hat. Und gerade weil Theorie und Praxis der heutigen Ökonomie mit dem
praktischen Problem, wie die knappe Ressource "menschliche Leistung"
optimal eingesetzt werden kann, offenbar nicht fertig werden, erscheint es
sogar gerechtfertigt, sich bei der theoretischen Analyse auf diese Ressource zu
konzentrieren und sich vorzubehalten, die anderen knappen Güter erst später mit
in die Betrachtung einzubeziehen. Auch das bringt eine modelltechnische
Reduktion mit sich, deren man sich klar bewußt bleiben muß.
Die Arbeit als knappes Gut unterscheidet sich von anderen
knappen Gütern zudem in weiteren, für Optimierungs- und Gleichgewichtsprobleme
wichtigen Punkten. Mit Hilfe der Arbeit werden nicht nur andere Güter erzeugt,
sondern sie stellt auch eine menschliche Anstrengung von besonderer Art dar:
Jeder einzelne Arbeitende muß sein eigenes Optimum zwischen steigendem
persönlichem Grenzaufwand bei zusätzlicher Arbeit auf der einen Seite und
sinkendem persönlichem Grenznutzen jeder zusätzlich erarbeiteten
Zugriffsmöglichkeit aufs Sozialprodukt auf der anderen Seite finden.
Soweit also Einkommen aus Arbeit herrührt, ist Einkommen
durch den steil ansteigenden Grenzaufwand straff begrenzt, und begrenzt sind
dann mit dem Einkommen auch die Verwendungsmöglichkeiten von Einkommen, also
die Konsumchancen. Bei einem solchen Befund ist eigentlich zu erwarten, daß ein
Wirtschaftssystem, in dem die Menschen um der Befriedigung ihrer Bedürfnisse willen
arbeiten, schnell zu außerordentlich stabilen Zuständen führt, weil in jedem
einzelnen Wirtschaftssubjekt eine Art "Grenznutzenbremse" wirksam
wird, sobald der steigende zusätzliche Aufwand den sinkenden zusätzlichen
Nutzen nicht mehr rechtfertigt.
2. Kreisläufe
a) Der elementarste Fall, für den das Gleichgewicht
zwischen Produktion und Konsum ins Auge gefaßt werden kann, ist der Fall einer
autarken Einzelwirtschaft.
Bin ich autark, dann nehme ich die Doppelrolle des
Produzenten wahr, der sein eigener Konsument, und des Konsumenten, der sein
eigener Produzent ist. In mir sind Produzent und Konsument funktional
identisch, mag ich mich dabei in meinen Funktionen auch zeitlich abwechseln,
also jeweils zuvor produzieren, was ich danach erst konsumieren kann. Der Kreis
meiner Produktion und meines Konsums läßt sich auf die Grundformel bringen:
"Ich erbringe Leistungen an mich selbst."
In diesem Falle einer autarken Einzelwirtschaft
motivieren meine Bedürfnisse mich zur Produktion: Antriebseffekte der Bedürfnisse.
Auch ziehen meine Bedürfnisse die Ergebnisse meiner Produktion in den geplanten
Konsum hinein: Lenkungseffekte und Verteilungseffekte der Bedürfnisse.
Schließlich richten meine Bedürfnisse auch meine Produktion in Richtung auf die
Befriedigung dieser Bedürfnisse aus: Allokationseffekte der Bedürfnisse.
Soweit das Sprichwort stimmt, daß jeder Wunsch, wenn er
erfüllt wird, augenblicklich Junge bekommt, sind meine Bedürfnisse als
Konsument meiner autarken Einzelwirtschaft ziemlich unbegrenzt. Aber meine
Leistungsfähigkeit ist begrenzt, und wenn die Befriedigung abnehmend dringender
Bedürfnisse von mir zunehmend spürbare "Schweißeinheiten", nämlich
immer größere Anstrengungen im Grenzbereich meiner Leistungsfähigkeit,
erfordert, stellt sich in meiner autarken Einzelwirtschaft alsbald ein stabiles
Gleichgewicht ein.
b) In der Naturalientauschwirtschaft produziere ich, was
ich hinwegtausche, um einzutauschen, was ich brauche. Wiederum spiele ich die
Doppelrolle des Produzenten und Konsumenten, aber meine "Identität"
als Produzent und Konsument ist in der Tauschwirtschaft nicht mehr
"unmittelbar", sondern über den Produktentausch
"vermittelt".
Aber auch in der Tauschwirtschaft sind es nach wie vor
meine Bedürfnisse, die durch ihre Antriebseffekte mich zur Produktion
motivieren. Aber nunmehr bilden die Bedürfnisse der in Betracht kommenden
Tauschpartner die Pole, auf die sich meine Produktion wie die Magnetnadel eines
Kompasses ausrichtet, so wie meine Bedürfnisse die Produktion anderer auf sich
lenken, wenn und soweit ich etwas produziere, an dem sie Interesse haben. Die
Antriebseffekte kommen nach wie vor aus den eigenen Bedürfnissen, die
Lenkungs-, Allokations- und Verteilungseffekte jedoch aus den Bedürfnissen der
anderen. In diesem System spiegelbildlicher Tauscherwartungen produziert man
direkt für die anderen, indirekt für sich.
Auch in der Tauschwirtschaft gilt also die Grundformel:
"Ich erbringe Leistungen an mich selbst," - freilich auf dem
instrumentalen Umweg, daß ich durch meine Leistung jemanden anderen motiviere,
mich mit einer Leistung zu versorgen. Er wird für mich und ich für ihn zum
Mittel und Instrument dazu, daß wir jeder vermittels des anderen eine Leistung
an uns selbst erbringen.
Auch in der Tauschwirtschaft sind der
Bedürfnisbefriedigung der Wirtschaftsteilnehmer dadurch Grenzen gesetzt, daß
jeder nur beitragen kann, was in seinen Kräften steht, also auch nur einen
entsprechenden Gegenwert eintauschen kann. Wie bei der autarken
Einzelwirtschaft ist daher auch bei der Tauschwirtschaft zu erwarten, daß die
Gesamtwirtschaft ein stabiles Gleichgewicht dadurch erreicht, daß die einzelnen
Wirtschaftssubjekte jedes für sich ihren persönlichen Gleichgewichtspunkt bei
sinkendem Grenznutzen und steigendem Grenzaufwand finden.
In der Tauschwirtschaft wird der Einkommensstrom, der in
Form von Tauschobjekten zu einem Tauschpartner hinströmt, straff und direkt
reguliert durch den Produktenstrom, der von ihm zu den anderen Tauschpartnern
hinfließt.
Während ich in einer autarken Einzelwirtschaft
außerordentliche Schwierigkeiten habe, mich in der Aufbauphase mit dem zu
versorgen, was wir heute als Investitionsgüter ansprechen würden, und noch
größere Schwierigkeiten hätte, für mein Alter vorzusorgen, bietet die
Tauschwirtschaft die Möglichkeit, daß die Jungen und Alten von denen
profitieren, die im Zenit ihrer Leistungskraft stehen, und zwar derart, daß sie
jetzt den Älteren etwas abgeben, so wie sie von den jetzt Älteren während ihrer
eigenen Jugend etwas erhalten haben, und daß sie jetzt etwas an Jüngere geben,
um selbst später im Alter etwas zurückzubekommen. Auch auf diesen Tauschmärkten
der transtemporalen Geschäfte ist ein Gleichgewicht zwischen
Gegenwartspräferenzen und Zukunftspräferenzen zu erwarten, das sich aus den
Tauschwerten selbst ergibt und nicht beeinflußt wird durch den spezifischen und
standardisierten Preis irgend eines Tauschmittels wie des Geldes, für das,
unabhängig von den Zwecken seiner Verwendung, Zins als "Preis für
Liquidität" gezahlt wird.
c) In der monetisierten Wirtschaft produziere ich, um an
Geld heranzukommen, weil ich mit dem Geld die Produkte anderer erwerben möchte,
um sie zu konsumieren. Nach wie vor bin ich Produzent und Konsument in einer
Person. Aber diese meine "Identität als Produzent und Konsument" ist
nicht nur durch einen Tauschakt, sondern durch zwei Tauschakte und das
Tauschmedium vermittelt: Der Vermittlungsprozeß erhält seinen kausalen Anstoß
wiederum von meinen Bedürfnissen (Antriebseffekte) und verläuft dann von der
Produktion über den Verkauf der eigenen Leistung und den Kauf fremder Leistung
hin zur Bedürfnisbefriedigung.
Auch in der monetisierten Wirtschaft gilt also zunächst
die Grundformel: "Ich erbringe Leistungen an mich selbst," - wobei
allerdings der vermittelnde Umweg, auf dem meine Leistung mich in anderer
Gestalt wieder erreicht, noch länger geworden ist als in der Tauschwirtschaft.
Produzent und Konsument sind auch in der monetisierten Wirtschaft
"identisch". Sogar beim Geschäft mit asynchronem Leistungsaustausch
erscheint der Produzent von heute als der Konsument von morgen und der
Konsument von heute als der Produzent von morgen, und ihre unterschiedlichen
Zeitpräferenzen fügen sich zusammen wie Stecker und Steckdose, wenn und soweit
sie nicht durch Hinzutreten des Liquiditätsmittels "Geld" beeinflußt
und verfälscht werden.
In der autarken Einzelwirtschaft gibt es nur einen
direkten und kurzen Güterkreislauf, und der führt von mir als Produzenten hin
zu mir als Konsumenten. Beim Naturalientausch entstehen Güterkreisläufe
zwischen Produzenten und Konsumenten im Tausch. In der monetisierten
Marktwirtschaft ergibt sich dann ein Zusammenhang, der so dargestellt zu werden
pflegt, daß dem Güterstrom ein Geldstrom entgegenfließt. Dabei könnte man
sagen, daß die Haushalte Güter konsumieren und Leistungen erbringen, während
die Unternehmen Leistungen verbrauchen und Güter erzeugen. Wenn und soweit auch
in der monetisierten Wirtschaft die Einkommen der Haushalte (nur) aus
menschlicher Leistung stammen und (nur) Produkte aus diesen Leistungen
konsumiert werden, ist an sich zu erwarten, daß die monetisierte Wirtschaft
dank der Gegenläufigkeit von sinkendem Grenznutzen und steigendem Grenzaufwand
bei jedem einzelnen Produzenten-und-Konsumenten in einen sehr stabilen
Gleichgewichtszustand hineinläuft.
Die Gleichgewichtserwartung in der monetisierten
Wirtschaft, so wie sie hier modellartig betrachtet wird, setzt jedoch zweierlei
voraus:
- erstens die Identität von Produzent und Konsument, und
- zweitens, daß der Einkommensstrom eines jeden
Wirtschaftssubjektes den ökonomischen Gegenwert der Leistungen bildet, die er
selbst (mit steigendem Grenzaufwand) in die Wirtschaft einbringt.
Sobald in dem System des Güter- und Geldkreislaufs auf
seiten der Haushalte auch Einkommen angenommen werden müssen, für die kein
wachsender Grenzaufwand zugrundegelegt werden kann, tauchen Zweifel an den
Gleichgewichtsbedingungen auf. Tatsächlich fallen in einer monetisierten
Wirtschaft Zinseinkünfte an, für die keine reale Gegenleistung in den
Güterkreislauf eingespeist wird: private Anleger, die ihr Geld nicht ausgeben,
sondern es umwidmen zu Anlagezwecken, streichen Einkünfte ein, die denen einer
Notenbank funktional äquivalent sind.
Kann Einkommen ohne nennenswerte eigene Leistung erzielt
und vergrößert werden, so sind bei den betroffenen Wirtschaftssubjekten
Verhaltensweisen zu erwarten, die denen eines Rauschgiftsüchtigen ähneln: Mehr
Einkommen als solches ist ein lustvolles Ereignis. Da es nicht ausgegeben wird,
tritt kaum eine physische Sättigung oder psychische Befriedigung ein wie beim Essen
oder Trinken. Soll also das Einkommen noch Lust verschaffen, muß es dazu
verwendet werden, wiederum mehr Einkommen zu erzielen.
Anders als bei Einkommensströmen, denen eigene Leistung
zugrundeliegt, sind Kapitaleinkünfte nicht mit einem steigenden Grenzaufwand
beim Einkommensbezieher verbunden, sondern, ganz im Gegenteil, mit sinkendem
persönlichem Einsatz und eigenartigen Gesetzmäßigkeiten der Lustmaximierung: Je
größer nämlich das schon fließende Einkommen ist, desto leichter fällt es dem
Betroffenem, sein Einkommen wieder anzulegen und dadurch den Einkommensstrom
erneut zu vergrößern. Wer wiederholt leistungsloses Einkommen einstreicht,
dürfte sich so sehr daran gewöhnen, daß seine Fähigkeit, aus dem Prozeß der
Einkommenserzielung Vergnügen zu schöpfen, abstumpft. Wenn er dann bei seiner
Lust wenigstens Bestandserhaltung erwirtschaften will, muß er, um gleiche
Lusteinheiten zu empfinden, entsprechend größere Einkommensströme erzielen.
Ähnliches gilt, soweit die Einkommensvermehrung nicht als
solche, sondern z.B. um der Vermehrung ökonomischer Macht willen erstrebt wird.
In diesen Fällen werden in den betroffenen Wirtschaftssubjekten Antriebseffekte
wirksam, die nicht, wie beim Leistungseinkommen, gedämpft und unter Kontrolle
gehalten werden durch Gegenkräfte, die umso kräftiger hemmend wirken, je mehr
das betroffene Wirtschaftssubjekt an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit
kommt.
Man hat also in der autarken Einzelwirtschaft und in der
Tauschwirtschaft gute Gründe anzunehmen, daß solche Wirtschaften deshalb sehr
stabil sind, weil starke stabilisierende Kräfte in jedem einzelnen
Wirtschaftssubjekt dafür sorgen, daß schnell individuelle Gleichgewichte
zwischen eigener Leistung und eigener Bedürfnisbefriedigung erreicht werden.
Man hat ebenso gute Gründe dafür anzunehmen, daß die Stabilität und das
Gleichgewicht einer monetisierten Wirtschaft dadurch gefährdet sind, daß sie
einzelnen Wirtschaftssubjekten das Spiel wirtschaftlicher Rollen als
"Anleger" ermöglicht, bei denen die suchtähnlichen Antriebskräfte,
die bei der Aussicht auf leistungsloses Einkommen wirksam werden, nicht nur
nicht durch gegenläufige Kräfte gebremst und gedämpft werden, sondern, ganz im
Gegenteil, durch weiteres Einkommen sowohl psychisch bestärkt als auch zu
größerer Wirksamkeit mit entsprechenden Ressourcen versorgt werden.
d) Die sehr einfachen und elementaren Überlegungen zu den
Antriebs-, Lenkungs-, Allokations- und Verteilungszusammenhängen bei der
autarken Einzelwirtschaft, bei der Tauschwirtschaft und bei der monetisierten
Wirtschaft lassen vermuten, daß die Gleichgewichtszusammenhänge zwischen
sinkendem Grenznutzen und steil steigendem Grenzaufwand gerade durch die
Einführung von Geld womöglich drastisch gestört werden. Weiter sind die
Störungen genau dort zu vermuten, wo im Zusammenhang mit Geld leistungsloses
Einkommen anfällt. Leistungsloses Einkommen im Zusammenhang mit Geld fällt
aber, nach den bisherigen liquiditätstheoretischen Untersuchungen, dort an, wo
Kassehalter mit Eigenliquidität einen Nettozustrom an Liquiditätsnutzen oder
die Erträge, die bei seiner Vermarktung erwirtschaftet werden können,
verbuchen. Mit den Ertragsströmen, um die es dabei geht, wird zugleich
Liquidität gelenkt, und es ergeben sich Allokations- und Verteilungseffekte,
die womöglich zu Sekundärstörungen des ökonomischen Systems führen, die bislang
nicht mit der Nutzen-Kosten-Struktur der monetären Liquidität in Verbindung
gebracht worden sind. Damit stellt sich das liquiditätstheoretische
Lenkungsproblem nunmehr mit aller Dringlichkeit auch aus gesamtwirtschaftlicher
Sicht.
II. Das besondere liquiditätstheoretische Lenkungsproblem
1. Bedarf, Transaktionsbedarf, Liquiditätsbedarf
Die Menschen haben "Bedürfnisse". Soweit es
sich um Bedürfnisse handelt, die mit Hilfe der Wirtschaft befriedigt werden,
spricht man von "Bedarf". (Dieser Bedarf ist noch nicht identisch mit
"Nachfrage". Mit Bedarf allein werde ich am Markt nicht
ernstgenommen; da muß ich betteln gehen oder Sozialhilfe beantragen. Auch in
dem Falle, daß ich Tauschobjekte mitbringe, um andere zur Hergabe dessen zu
bewegen, wessen ich bedarf, komme ich auf dem Markt einer monetisierten
Wirtschaft nicht an; mein Bedarf wird in der Regel nicht ernstgenommen, wenn
ich nicht zugleich Geld mitbringe und anbiete. "Bedarf" also wird erst
zur "wirksamen Nachfrage", wenn der Nachfrager liquide ist.)
Die Menschen entwickeln aber nicht nur unmittelbare
ökonomische Bedürfnisse, nicht nur unmittelbaren Bedarf. In einer
Tauschwirtschaft etwa können die Bedürftigen einen großen Teil ihrer
Bedürfnisse erst befriedigen, wenn und soweit sie Tauschgeschäfte abgewickelt
haben. Vor die Befriedigung der Bedürfnisse, vor die Deckung des Bedarfs
schiebt sich das Tauschgeschäft als das Instrument ein, ohne das das Ziel nicht
erreicht werden kann. Also entsteht auch ein Bedürfnis nach der Abwicklung von
Tauschgeschäften, oder abstrakter, ein Bedarf nach Transaktionen. Die Menschen
"bedürfen" nicht nur der Güter, die sie als solche brauchen, sondern
auch der Instrumente, mit deren Hilfe sie an die Güter herankommen.
Das Geld mit seiner monetären Liquidität ist ein solches Instrument und Mittel, mit dessen Hilfe die Wirtschaftssubjekte Transaktionen abwickeln können, um an die Güter heranzukommen, deren sie bedürfen. Wer Bedürfnisse hat und nicht selbst produziert, was er braucht, bedarf des Tausches; und wer tauschen will, bedarf in einer monetisierten Wirtschaft des Geldes; und wer Geld haben will, muß etwas leisten, muß etwas anbieten und loswerden. So gesehen wäre es sogar sinnvoll zu sprechen von einem Bedarf, die eigene Leistung an den Mann zu bringen. Arbeitslose etwa hätten einen solchen "Bedarf" nach Unterbringung ihrer Leistung. Hier jedoch soll der Begriff "Bedarf" so weit nicht ausgedehnt werden.
Um die ökonomisch wirksamen Wünsche von
Wirtschaftssubjekten für Zwecke einer liquiditätstheoretischen Erörterung
hinreichend scharf abzubilden, genügt es, im Bereich der Bedürfnisse und des
Bedarfs folgende Begriffe zu bestätigen und zu vereinbaren:
- erstens Bedarf im Sinne eines Inbegriffs
ökonomisch relevanter Bedürfnisse, die das jeweilige Wirtschaftssubjekt zu
befriedigen wünscht und zu deren Befriedigung es in der Regel Geld haben muß,
damit aus seinem "Bedarf" auch wirksame "Nachfrage" werden
kann, die dann auf dem Wege über den Markt durch Leistung befriedigt wird.
- zweitens Transaktionsbedarf als jener Drang von
Wirtschaftssubjekten, die, aus welchen Gründen auch immer, realwirtschaftliche
Transaktionen durchführen wollen und die dafür wiederum in der Regel als
Verrechnungsmedium Geld benötigen. Solchen "Transaktionsbedarf" haben
z.B. sowohl der Unternehmer als auch seine Arbeitnehmer, wenn sie miteinander
ins Geschäft kommen wollen.
- drittens Liquiditätsbedarf in dem Sinne, daß es
für ein Wirtschaftssubjekt, das Transaktionsbedarf hat, nicht genügt, über
irgendwelche vermögensweite Gegenstände zu verfügen, wie z.B. seine
Arbeitskraft, seine Risikobereitschaft, Antiquitäten, Schmuck usw., - daß es
vielmehr monetäre Liquidität braucht, wenn es seinen Transaktionsbedarf in der
monetisierten Wirtschaft in der allgemein üblichen und so gut wie einzig
möglichen Art und Welse befriedigen will.
2. Leistung, Transaktionsbedarf, Liquiditätsbedarf
Wer Bedarf hat, ohne aus Erbschaft oder Schenkung oder
auf sonstige Weise schon über Vermögen zu verfügen, muß selbst etwas leisten,
wenn er seinen Bedarf decken will. Insofern gilt: Wer Bedarf hat, wird dazu
angetrieben, seine eigene Leistung in realwirtschaftliche Transaktionen
einzubringen, um Güter eintauschen oder kaufen zu können, mit denen er seinen
Bedarf decken kann. So gesehen ist gerade auch derjenige, der sich bereit
findet, seine persönliche Leistungsfähigkeit zu vermarkten, typischerweise ein
Bedürftiger, der Transaktionsbedarf hat. Nur wenn er seine Leistung verkaufen
kann, bekommt er als Gegenleistung Geld, und nur wenn er Geld hat, kann er
seinen eigenen Bedarf zur Nachfrage werden lassen und an die Güter herankommen,
die er begehrt. Das entspricht der Einsicht, daß die Wirtschaft an den
Bedürfnissen ausgerichtet ist bzw. sein soll und daß daher auch von den Bedürfnissen
die Antriebs- und Lenkungseffekte ausgehen bzw. ausgehen sollen, die den
Wirtschaftsprozeß antreiben und lenken.
Die Tatsache, daß ein Wirtschaftssubjekt seine
persönliche Arbeitsleistung anbietet, ist nicht nur ein verhältnismäßig
zuverlässiges Indiz dafür, daß er noch Bedürfnisse hat, sondern seine
Bereitschaft, sich anzustrengen, indem er Leistung erbringt, kann zugleich als
praktischer Maßstab dafür fungieren, wie sehr die Befriedigung seiner
Bedürfnisse noch hinter jenem Gleichgewichtspunkt zurückbleibt, wo die
Bremswirkung des steigenden Grenzaufwandes bei eigener Leistung dazu führt, daß
der weitere Einsatz sich angesichts des sinkenden Grenznutzens zusätzlichen
Einkommens nicht mehr lohnt.
Wer Bedarf hat, erscheint als typischer, potentieller
Konsument. Wer seine Leistung noch anbietet, erscheint bisher als typischer
Produzent. Beide aber haben offenbar typischerweise Bedarf; beide haben
Transaktionsbedarf. Produktionswünsche ohne Liquidität ergeben keine Löhne;
Bedarf ohne Geld ergibt ebenfalls keine Nachfrage. Ohne Nachfrage kommt die
Produktion nicht zur Liquidität; ohne Liquidität kommt der Bedarf nicht zur
Nachfrage und die Nachfrage nicht zur Produktion. Hinter dem Leistungsangebot
steckt also als eigentlicher Motor typischerweise unbefriedigter Bedarf. Es
sind diese Wirtschaftssubjekte mit Bedarf und daher Leistungsmotivation, die
etwas produzieren wollen, um ihren eigenen Bedarf zu stillen, und zwar derart,
daß sie etwas für andere leisten, um von den anderen selbst etwas zu erhalten. Dieses
Verfahren der Bedarfsdeckung führt zwar über den Umweg einer Produktion für
andere, führt aber vor allem auch zurück zu dem Bedürftigen selbst. Jedes
Wirtschaftssubjekt, das in diesem Sinne noch Bedarf hat und deswegen
leistungsbereit ist, möchte also gewissermaßen mit sich selbst ins Geschäft
kommen, seine eigenen Bedürfnisse decken, und zwar vermittels ökonomischer
Transaktionen mit anderen. Auch hier gilt noch jene These von der
(vermittelten) Identität von Konsument und Produzent.
Um aber nun auf dem Wege über andere Leistungen an sich
selbst zu erbringen, müssen diese Wirtschaftssubjekte in der Tauschwirtschaft
Tauschgeschäfte und in der monetisierten Wirtschaft Transaktionen durchführen,
die durch Geld vermittelt sind. Diese Wirtschaftssubjekte haben, um indirekt
Leistungen an sich selbst erbringen zu können, Transaktionsbedarf, und wegen
des Transaktionsbedarfs haben sie Liquiditätsbedarf. Die monetäre Liquidität
ist für sie in der monetisierten Wirtschaft das Transaktionsmedium, dessen sie
bedürfen, um im Wege von ökonomischen Transaktionen direkt Leistungen an andere
und indirekt Leistungen an sich zu erbringen.
Ohne Liquidität können alle die Wirtschaftssubjekte, die
noch echten Bedarf haben und deshalb auch leistungsbereit sind, nicht über die jeweils
anderen mit sich selbst als indirekten Abnehmern ihrer Leistungen ins Geschäft
kommen. Der Liquiditätsbedarf, der aus ihrem Transaktionsbedarf resultiert, hat
für sie geradezu existenziellen Charakter. In einer monetisierten Wirtschaft
nämlich haben sich alle derart daran gewöhnt, nur noch Geschäfte in Geld
abzuwickeln, daß für alle diejenigen, die keine zahlungsfähigen Abnehmer für
ihre Leistungen finden, praktisch keine anderen Transaktionsmöglichkeiten
verbleiben. (Alternativen sind die verschiedenen Barter-Techniken, die zur Zeit
wieder aufleben: unten § 9 IV, § 10 V und VI).
III. Unterschiedliche Lenkungskriterien für Liquidität
und Kaufkraft
Bevor jetzt die Frage gestellt und beantwortet wird, nach
welchen Kriterien Liquidität in der Volkswirtschaft "gelenkt" werden
soll, muß daran erinnert werden, daß beim Geld unterschieden werden muß
zwischen seiner in ihm als Kaufkraft verkörperten Tauschmacht einerseits und
der Liquidität dieser Tauschmacht andererseits. Also ist zu vermuten, daß auch
die monetäre Kaufkraft anderen Lenkungskriterien folgen muß als die monetäre
Liquidität.
1. Kaufkraftlenkung
Um zu erkennen, wohin die Kaufkraft in einer
monetisierten Wirtschaft gelenkt werden soll, empfiehlt es sich, das Modell
einer Wirtschaft zu betrachten, in der das Lenkungsproblem noch nicht durch
Hinzutreten monetärer Liquidität modifiziert wird: In der Tauschwirtschaft sind
es die dem jeweiligen Wirtschaftssubjekt innerhalb seines wirtschaftichen
Horizontes erkennbaren Bedürfnisse anderer Menschen, an denen es seine
Produktion ausrichtet, so wie es erwartet, daß auch die anderen ihn in den je
eigenen wirtschaftlichen Horizont mit einbeziehen, an dem sie ihre Produktion
ausrichten. Je besser und knapper die Leistung ist, die jemand anderen erbringt,
desto bessere und gediegenere Leistungen kann er erwarten und erhält er
typischerweise. Das Tauschobjekt, das man erhält, erscheint als Prämie für die
eigene Leistung, und je besser die eigene Leistung, desto eher kann man
erwarten, ein ebenfalls besseres und nützlicheres, also
"wertvolleres" Tauschobjekt zu erhalten.
In der Tauschwirtschaft wird das in den Tauschobjekten
enthaltene Tauschvermögen gelenkt, indem es im Gegenzuge mit einem
entsprechenden Tauschvermögen prämiert wird. Nicht anders ist es im Prinzip in
der monetisierten Wirtschaft: nützliche Leistung erzielt ihren Preis und zieht
dadurch Kaufkraft auf ihren Erbringer.
Lenkungstheoretisch kann man also die Adressierung und
Dosierung der im Geld enthaltenen monetären Anwartschaften aufs Sozialprodukt
schlagwortartig kennzeichnen als "Prämierung von nützlicher
Leistung". Dies freilich ist weniger eine empirische Feststellung, als
vielmehr eine Sollensaussage: Kaufkraft "soll" nach Maßgabe der
Nützlichkeit von Leistung gelenkt werden, für die sie bezahlt wird.
2. Liquiditätslenkung
Wenn die Kaufkraft des Geldes dorthin fließen soll, wo
nützliche Leistung erbracht wird, damit der, der die Leistung erbracht hat, auf
gleiche Weise wieder nützliche Leistung abrufen kann: welche Rolle spielt dann
die Liquidität und wie ist sie zu "lenken"?
Die Liquidität des Geldes fungiert nicht als Prämierung
von nützlicher Leistung, sondern als Katalysator beim Tausch. Sie sollte daher
nicht dorthin fließen, wo Leistung erbracht wird, und auch nicht dorthin, wo
Leistung verbraucht wird, sondern dorthin, wo Leistungen ausgetauscht werden.
Wer tauscht Leistungen aus? Produzenten und Konsumenten,
und zwar jeder mit dem jeweils anderen, dann aber auch, im monetär vermittelten
Doppeltausch, mit sich selbst. Die Liquidität müßte also genau dorthin gelenkt
werden, wo Produzenten und Konsumenten miteinander ins Geschäft kommen, und sie
sollte so gelenkt werden, daß prämiert wird, wer sie zu Transaktionszwecken
nutzt, und so, daß nicht prämiert wird, wer die monetäre Liquidität ihren
realwirtschaftlichen Transaktionsfunktionen entfremdet.
Wie aber kann man monetäre Liquidität so lenken und
dosieren, daß immer derjenige, der Liquidität zu Transaktionszwecken verwendet,
prämiert wird, und andere, die ihr Geld nicht für die Abwicklung von
Transaktionen verwenden und festhalten oder unter anderen Zwecksetzungen
vermarkten, eher Nachteile als Vorteile haben? Die Antwort auf diese Frage
ergibt sich am ehesten, wenn man sich den tatsächlichen Antriebs- und
Lenkungseffekten zuwendet, die heute von Nutzen und Kosten der Liquidität
ausgehen. Dann wird es relativ leicht sein, funktionale und dysfunktionale
Effekte zu unterscheiden und praktische Ansätze für die optimale Lösung des
Lenkungsproblems bei der monetären Liquidität zu finden. Am Ende freilich (§§
11 und 12) wird sich zeigen, daß auch für die Liquidität der einfache Grundsatz
gilt: Liquiditätsdienste soll bezahlen, wer sie in Anspruch nimmt, und vergütet
bekommen, wer sie erbringt.