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Inhaltsverzeichnis: Optimale Liquidität

 


 

 

Kapitel aus: Suhr / Godschalk: Optimale Liquidität, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main, 1986, ISBN 3-7819-0349-4

 

 

 

2. Kapitel

 

MAKROÖKONOMIE DER INKONGRUENZEN VON LIQUIDITÄTSNUTZEN UND LIQUIDITÄTSKOSTEN

 

§ 5 Das liquiditätstheoretische Lenkungsproblem

 

Was soll gelenkt werden? Antwort: die monetäre Liquidität. Wohin und wie soll sie gelenkt werden? Das ist die Frage. Wenn aber bei alledem das Geld eine Art Zwittergebilde ist, nämlich sowohl Tauschwert verkörpert (eine Bestandsgröße) als auch Liquidität (eine Strom-Erscheinung), wie läßt sich die funktional spezifische Lenkung und Allokation des monetären Tauschvermögens einerseits und der monetären Liquidität andererseits bewerkstelligen? - Um am Ende Antworten auf diese Fragen zu formulieren, empfiehlt es sich, in zwei Schritten vorzugehen: Zunächst gilt es, einige Antriebs- und Lenkungsprobleme sowie Verteilungs- und Allokationsfragen in der Tauschwirtschaft und in der monetisierten Wirtschaft ganz allgemein in Erinnerung zu rufen (I.). Dabei geht es nicht um perfekte, formale und elaborierte Sprechweisen, sondern um kaum mehr als um elementare Trivialitäten, die so dargestellt werden sollen, daß sich die nachfolgenden liquiditätsspezifischen Ergänzungen (II.) am anschaulichsten daran anknüpfen lassen, bevor die Lenkungskriterien für Kaufkraft einerseits und Liquidität andererseits Identifiziert werden (III.).

 

I. Konsum und Produktion im Gleichgewicht zwischen Bedarf und Leistung

 

Zwar kann man, wenn man heute auf die nationale und internationale Wirtschaft schaut, den Eindruck gewinnen, als sei es Zweck des Wirtschaftens, möglichst hohe Kapitalerträge zu erwirtschaften. Ähnliche Eindrücke kann man gelegentlich erhalten, wenn man volkswirtschaftliche Grundrisse, Lehrbücher und Aufsätze studiert. Selbst wenn die Fachleute jeweils im ersten Kapitel auf die eine oder andere Weise "Wirtschaft" als das Bemühen der Menschen auffassen, mit knappen Ressourcen ihre Bedürfnisse zu befriedigen, so zeigt sich an anderen Stellen doch häufig die Überzeugung, daß der bestrentable Einsatz von Kapitalien verträglich ist mit oder sogar Bedingung ist für optimale Bedürfnisbefriedigung innerhalb der Volkswirtschaft.

Angesichts der liquiditätstheoretischen Fragezeichen, die nunmehr hinter der Kapitaltheorie zu setzen sind, empfiehlt es sich, in die Optimierungsprobleme nicht einzusteigen, ohne zuvor die überlieferten theoretischen Vorstellungen wenigstens insofern etwas zu lockern, als man sich darauf gefaßt macht, mit einigen nicht ganz alltäglichen Vorstellungen von Zusammenhängen konfrontiert zu werden. Und es empfiehlt sich, so strikt und rigoros wie nur denkbar davon auszugehen, daß die Menschen in einer Volkswirtschaft "wirtschaften", um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und daß dies selbstverständlich unter bestmöglicher Ausnutzung der Ressourcen und unter Vermeidung insbesondere auch von sozialen Kosten zu geschehen habe.

 

1. Menschliche Arbeit als knappes Gut

 

Zu den in der Regel knappen Gütern, die beim Wirtschaften eine Rolle spielen, gehört unter den Ressourcen vor allem die menschliche Arbeit selbst. Das mag heute absurd klingen, weil praktisch weltweit ein Überangebot in dieser Ressource besteht, so daß ökonomische Praktiker einen Theoretiker, der "Arbeit" oder "menschliche Leistung" zum knappen Gut erklärt, für nicht ganz normal erachten könnten. Nicht die Arbeit erscheint heute als knapp, sondern die "Arbeitsplätze", also die Nachfrage nach bezahlter Arbeit. Dies wiederum hängt (nicht nur, aber jedenfalls auch) damit zusammen, daß für Arbeitsplätze die Ressource "Kapital" eingesetzt und mit Kapitalerträgen derart bedient werden muß, daß sich der Kapitaleinsatz lohnt, nämlich "rentiert".

Hinter der Kapitaltheorie und den Kapitalkosten jedoch hatte sich aus liquiditätstheoretischen Gründen ein großes Fragezeichen ergeben. Vielleicht also hängt die Tatsache, daß bei der Arbeit nicht das knappe Gut "Arbeit", sondern die Nachfrage nach bezahlter Arbeit knapp ist, (nicht nur, aber jedenfalls auch) mit der liquiditätstechnischen Generierung von Kapitalkosten zusammen? Man darf sich also durch den faktischen Befund, daß das Gut "Arbeit", das theoretisch zu den knappen Gütern gehört, heute im Überfluß vorhanden zu sein scheint, nicht gleich verwirren lassen. Menschliche Leistungsfähigkeit als solche ist tatsächlich schon von ihren physischen Voraussetzungen her knapp, und zwar insbesondere insofern, als der Tag nur 24 Stunden hat, von denen die Menschen einige auch noch zum Schlafen und Essen brauchen.

Wenn heute nicht Arbeit knapp ist, sondern Mangel an Arbeitsplätzen besteht, so ist das also kein Anlaß, physische Vorgegebenheiten des Wirtschaftens zu verleugnen, sondern eine Herausforderung dazu, jene Programmstrukturen des Wirtschaftsprozesses aufzuspüren, die zur Folge haben, daß so absurde Ergebnisse herauskommen.

Es bleibt also für die elementaren theoretischen Ansätze dabei, daß menschliche Arbeit und menschliche Leistungsfähigkeit zu den knappen Gütern zählt, mit deren optimaler Bewirtschaftung man es in der Wirtschaft zu tun hat. Und gerade weil Theorie und Praxis der heutigen Ökonomie mit dem praktischen Problem, wie die knappe Ressource "menschliche Leistung" optimal eingesetzt werden kann, offenbar nicht fertig werden, erscheint es sogar gerechtfertigt, sich bei der theoretischen Analyse auf diese Ressource zu konzentrieren und sich vorzubehalten, die anderen knappen Güter erst später mit in die Betrachtung einzubeziehen. Auch das bringt eine modelltechnische Reduktion mit sich, deren man sich klar bewußt bleiben muß.

Die Arbeit als knappes Gut unterscheidet sich von anderen knappen Gütern zudem in weiteren, für Optimierungs- und Gleichgewichtsprobleme wichtigen Punkten. Mit Hilfe der Arbeit werden nicht nur andere Güter erzeugt, sondern sie stellt auch eine menschliche Anstrengung von besonderer Art dar: Jeder einzelne Arbeitende muß sein eigenes Optimum zwischen steigendem persönlichem Grenzaufwand bei zusätzlicher Arbeit auf der einen Seite und sinkendem persönlichem Grenznutzen jeder zusätzlich erarbeiteten Zugriffsmöglichkeit aufs Sozialprodukt auf der anderen Seite finden.

Soweit also Einkommen aus Arbeit herrührt, ist Einkommen durch den steil ansteigenden Grenzaufwand straff begrenzt, und begrenzt sind dann mit dem Einkommen auch die Verwendungsmöglichkeiten von Einkommen, also die Konsumchancen. Bei einem solchen Befund ist eigentlich zu erwarten, daß ein Wirtschaftssystem, in dem die Menschen um der Befriedigung ihrer Bedürfnisse willen arbeiten, schnell zu außerordentlich stabilen Zuständen führt, weil in jedem einzelnen Wirtschaftssubjekt eine Art "Grenznutzenbremse" wirksam wird, sobald der steigende zusätzliche Aufwand den sinkenden zusätzlichen Nutzen nicht mehr rechtfertigt.

 

2. Kreisläufe

 

a) Der elementarste Fall, für den das Gleichgewicht zwischen Produktion und Konsum ins Auge gefaßt werden kann, ist der Fall einer autarken Einzelwirtschaft.

Bin ich autark, dann nehme ich die Doppelrolle des Produzenten wahr, der sein eigener Konsument, und des Konsumenten, der sein eigener Produzent ist. In mir sind Produzent und Konsument funktional identisch, mag ich mich dabei in meinen Funktionen auch zeitlich abwechseln, also jeweils zuvor produzieren, was ich danach erst konsumieren kann. Der Kreis meiner Produktion und meines Konsums läßt sich auf die Grundformel bringen: "Ich erbringe Leistungen an mich selbst."

In diesem Falle einer autarken Einzelwirtschaft motivieren meine Bedürfnisse mich zur Produktion: Antriebseffekte der Bedürfnisse. Auch ziehen meine Bedürfnisse die Ergebnisse meiner Produktion in den geplanten Konsum hinein: Lenkungseffekte und Verteilungseffekte der Bedürfnisse. Schließlich richten meine Bedürfnisse auch meine Produktion in Richtung auf die Befriedigung dieser Bedürfnisse aus: Allokationseffekte der Bedürfnisse.

Soweit das Sprichwort stimmt, daß jeder Wunsch, wenn er erfüllt wird, augenblicklich Junge bekommt, sind meine Bedürfnisse als Konsument meiner autarken Einzelwirtschaft ziemlich unbegrenzt. Aber meine Leistungsfähigkeit ist begrenzt, und wenn die Befriedigung abnehmend dringender Bedürfnisse von mir zunehmend spürbare "Schweißeinheiten", nämlich immer größere Anstrengungen im Grenzbereich meiner Leistungsfähigkeit, erfordert, stellt sich in meiner autarken Einzelwirtschaft alsbald ein stabiles Gleichgewicht ein.

 

b) In der Naturalientauschwirtschaft produziere ich, was ich hinwegtausche, um einzutauschen, was ich brauche. Wiederum spiele ich die Doppelrolle des Produzenten und Konsumenten, aber meine "Identität" als Produzent und Konsument ist in der Tauschwirtschaft nicht mehr "unmittelbar", sondern über den Produktentausch "vermittelt".

Aber auch in der Tauschwirtschaft sind es nach wie vor meine Bedürfnisse, die durch ihre Antriebseffekte mich zur Produktion motivieren. Aber nunmehr bilden die Bedürfnisse der in Betracht kommenden Tauschpartner die Pole, auf die sich meine Produktion wie die Magnetnadel eines Kompasses ausrichtet, so wie meine Bedürfnisse die Produktion anderer auf sich lenken, wenn und soweit ich etwas produziere, an dem sie Interesse haben. Die Antriebseffekte kommen nach wie vor aus den eigenen Bedürfnissen, die Lenkungs-, Allokations- und Verteilungseffekte jedoch aus den Bedürfnissen der anderen. In diesem System spiegelbildlicher Tauscherwartungen produziert man direkt für die anderen, indirekt für sich.

Auch in der Tauschwirtschaft gilt also die Grundformel: "Ich erbringe Leistungen an mich selbst," - freilich auf dem instrumentalen Umweg, daß ich durch meine Leistung jemanden anderen motiviere, mich mit einer Leistung zu versorgen. Er wird für mich und ich für ihn zum Mittel und Instrument dazu, daß wir jeder vermittels des anderen eine Leistung an uns selbst erbringen.

Auch in der Tauschwirtschaft sind der Bedürfnisbefriedigung der Wirtschaftsteilnehmer dadurch Grenzen gesetzt, daß jeder nur beitragen kann, was in seinen Kräften steht, also auch nur einen entsprechenden Gegenwert eintauschen kann. Wie bei der autarken Einzelwirtschaft ist daher auch bei der Tauschwirtschaft zu erwarten, daß die Gesamtwirtschaft ein stabiles Gleichgewicht dadurch erreicht, daß die einzelnen Wirtschaftssubjekte jedes für sich ihren persönlichen Gleichgewichtspunkt bei sinkendem Grenznutzen und steigendem Grenzaufwand finden.

In der Tauschwirtschaft wird der Einkommensstrom, der in Form von Tauschobjekten zu einem Tauschpartner hinströmt, straff und direkt reguliert durch den Produktenstrom, der von ihm zu den anderen Tauschpartnern hinfließt.

Während ich in einer autarken Einzelwirtschaft außerordentliche Schwierigkeiten habe, mich in der Aufbauphase mit dem zu versorgen, was wir heute als Investitionsgüter ansprechen würden, und noch größere Schwierigkeiten hätte, für mein Alter vorzusorgen, bietet die Tauschwirtschaft die Möglichkeit, daß die Jungen und Alten von denen profitieren, die im Zenit ihrer Leistungskraft stehen, und zwar derart, daß sie jetzt den Älteren etwas abgeben, so wie sie von den jetzt Älteren während ihrer eigenen Jugend etwas erhalten haben, und daß sie jetzt etwas an Jüngere geben, um selbst später im Alter etwas zurückzubekommen. Auch auf diesen Tauschmärkten der transtemporalen Geschäfte ist ein Gleichgewicht zwischen Gegenwartspräferenzen und Zukunftspräferenzen zu erwarten, das sich aus den Tauschwerten selbst ergibt und nicht beeinflußt wird durch den spezifischen und standardisierten Preis irgend eines Tauschmittels wie des Geldes, für das, unabhängig von den Zwecken seiner Verwendung, Zins als "Preis für Liquidität" gezahlt wird.

 

c) In der monetisierten Wirtschaft produziere ich, um an Geld heranzukommen, weil ich mit dem Geld die Produkte anderer erwerben möchte, um sie zu konsumieren. Nach wie vor bin ich Produzent und Konsument in einer Person. Aber diese meine "Identität als Produzent und Konsument" ist nicht nur durch einen Tauschakt, sondern durch zwei Tauschakte und das Tauschmedium vermittelt: Der Vermittlungsprozeß erhält seinen kausalen Anstoß wiederum von meinen Bedürfnissen (Antriebseffekte) und verläuft dann von der Produktion über den Verkauf der eigenen Leistung und den Kauf fremder Leistung hin zur Bedürfnisbefriedigung.

Auch in der monetisierten Wirtschaft gilt also zunächst die Grundformel: "Ich erbringe Leistungen an mich selbst," - wobei allerdings der vermittelnde Umweg, auf dem meine Leistung mich in anderer Gestalt wieder erreicht, noch länger geworden ist als in der Tauschwirtschaft. Produzent und Konsument sind auch in der monetisierten Wirtschaft "identisch". Sogar beim Geschäft mit asynchronem Leistungsaustausch erscheint der Produzent von heute als der Konsument von morgen und der Konsument von heute als der Produzent von morgen, und ihre unterschiedlichen Zeitpräferenzen fügen sich zusammen wie Stecker und Steckdose, wenn und soweit sie nicht durch Hinzutreten des Liquiditätsmittels "Geld" beeinflußt und verfälscht werden.

In der autarken Einzelwirtschaft gibt es nur einen direkten und kurzen Güterkreislauf, und der führt von mir als Produzenten hin zu mir als Konsumenten. Beim Naturalientausch entstehen Güterkreisläufe zwischen Produzenten und Konsumenten im Tausch. In der monetisierten Marktwirtschaft ergibt sich dann ein Zusammenhang, der so dargestellt zu werden pflegt, daß dem Güterstrom ein Geldstrom entgegenfließt. Dabei könnte man sagen, daß die Haushalte Güter konsumieren und Leistungen erbringen, während die Unternehmen Leistungen verbrauchen und Güter erzeugen. Wenn und soweit auch in der monetisierten Wirtschaft die Einkommen der Haushalte (nur) aus menschlicher Leistung stammen und (nur) Produkte aus diesen Leistungen konsumiert werden, ist an sich zu erwarten, daß die monetisierte Wirtschaft dank der Gegenläufigkeit von sinkendem Grenznutzen und steigendem Grenzaufwand bei jedem einzelnen Produzenten-und-Konsumenten in einen sehr stabilen Gleichgewichtszustand hineinläuft.

Die Gleichgewichtserwartung in der monetisierten Wirtschaft, so wie sie hier modellartig betrachtet wird, setzt jedoch zweierlei voraus:

- erstens die Identität von Produzent und Konsument, und

- zweitens, daß der Einkommensstrom eines jeden Wirtschaftssubjektes den ökonomischen Gegenwert der Leistungen bildet, die er selbst (mit steigendem Grenzaufwand) in die Wirtschaft einbringt.

Sobald in dem System des Güter- und Geldkreislaufs auf seiten der Haushalte auch Einkommen angenommen werden müssen, für die kein wachsender Grenzaufwand zugrundegelegt werden kann, tauchen Zweifel an den Gleichgewichtsbedingungen auf. Tatsächlich fallen in einer monetisierten Wirtschaft Zinseinkünfte an, für die keine reale Gegenleistung in den Güterkreislauf eingespeist wird: private Anleger, die ihr Geld nicht ausgeben, sondern es umwidmen zu Anlagezwecken, streichen Einkünfte ein, die denen einer Notenbank funktional äquivalent sind.

Kann Einkommen ohne nennenswerte eigene Leistung erzielt und vergrößert werden, so sind bei den betroffenen Wirtschaftssubjekten Verhaltensweisen zu erwarten, die denen eines Rauschgiftsüchtigen ähneln: Mehr Einkommen als solches ist ein lustvolles Ereignis. Da es nicht ausgegeben wird, tritt kaum eine physische Sättigung oder psychische Befriedigung ein wie beim Essen oder Trinken. Soll also das Einkommen noch Lust verschaffen, muß es dazu verwendet werden, wiederum mehr Einkommen zu erzielen.

Anders als bei Einkommensströmen, denen eigene Leistung zugrundeliegt, sind Kapitaleinkünfte nicht mit einem steigenden Grenzaufwand beim Einkommensbezieher verbunden, sondern, ganz im Gegenteil, mit sinkendem persönlichem Einsatz und eigenartigen Gesetzmäßigkeiten der Lustmaximierung: Je größer nämlich das schon fließende Einkommen ist, desto leichter fällt es dem Betroffenem, sein Einkommen wieder anzulegen und dadurch den Einkommensstrom erneut zu vergrößern. Wer wiederholt leistungsloses Einkommen einstreicht, dürfte sich so sehr daran gewöhnen, daß seine Fähigkeit, aus dem Prozeß der Einkommenserzielung Vergnügen zu schöpfen, abstumpft. Wenn er dann bei seiner Lust wenigstens Bestandserhaltung erwirtschaften will, muß er, um gleiche Lusteinheiten zu empfinden, entsprechend größere Einkommensströme erzielen.

Ähnliches gilt, soweit die Einkommensvermehrung nicht als solche, sondern z.B. um der Vermehrung ökonomischer Macht willen erstrebt wird. In diesen Fällen werden in den betroffenen Wirtschaftssubjekten Antriebseffekte wirksam, die nicht, wie beim Leistungseinkommen, gedämpft und unter Kontrolle gehalten werden durch Gegenkräfte, die umso kräftiger hemmend wirken, je mehr das betroffene Wirtschaftssubjekt an die Grenzen seiner Leistungsfähigkeit kommt.

Man hat also in der autarken Einzelwirtschaft und in der Tauschwirtschaft gute Gründe anzunehmen, daß solche Wirtschaften deshalb sehr stabil sind, weil starke stabilisierende Kräfte in jedem einzelnen Wirtschaftssubjekt dafür sorgen, daß schnell individuelle Gleichgewichte zwischen eigener Leistung und eigener Bedürfnisbefriedigung erreicht werden. Man hat ebenso gute Gründe dafür anzunehmen, daß die Stabilität und das Gleichgewicht einer monetisierten Wirtschaft dadurch gefährdet sind, daß sie einzelnen Wirtschaftssubjekten das Spiel wirtschaftlicher Rollen als "Anleger" ermöglicht, bei denen die suchtähnlichen Antriebskräfte, die bei der Aussicht auf leistungsloses Einkommen wirksam werden, nicht nur nicht durch gegenläufige Kräfte gebremst und gedämpft werden, sondern, ganz im Gegenteil, durch weiteres Einkommen sowohl psychisch bestärkt als auch zu größerer Wirksamkeit mit entsprechenden Ressourcen versorgt werden.

 

d) Die sehr einfachen und elementaren Überlegungen zu den Antriebs-, Lenkungs-, Allokations- und Verteilungszusammenhängen bei der autarken Einzelwirtschaft, bei der Tauschwirtschaft und bei der monetisierten Wirtschaft lassen vermuten, daß die Gleichgewichtszusammenhänge zwischen sinkendem Grenznutzen und steil steigendem Grenzaufwand gerade durch die Einführung von Geld womöglich drastisch gestört werden. Weiter sind die Störungen genau dort zu vermuten, wo im Zusammenhang mit Geld leistungsloses Einkommen anfällt. Leistungsloses Einkommen im Zusammenhang mit Geld fällt aber, nach den bisherigen liquiditätstheoretischen Untersuchungen, dort an, wo Kassehalter mit Eigenliquidität einen Nettozustrom an Liquiditätsnutzen oder die Erträge, die bei seiner Vermarktung erwirtschaftet werden können, verbuchen. Mit den Ertragsströmen, um die es dabei geht, wird zugleich Liquidität gelenkt, und es ergeben sich Allokations- und Verteilungseffekte, die womöglich zu Sekundärstörungen des ökonomischen Systems führen, die bislang nicht mit der Nutzen-Kosten-Struktur der monetären Liquidität in Verbindung gebracht worden sind. Damit stellt sich das liquiditätstheoretische Lenkungsproblem nunmehr mit aller Dringlichkeit auch aus gesamtwirtschaftlicher Sicht.

 

 

II. Das besondere liquiditätstheoretische Lenkungsproblem

 

1. Bedarf, Transaktionsbedarf, Liquiditätsbedarf

 

Die Menschen haben "Bedürfnisse". Soweit es sich um Bedürfnisse handelt, die mit Hilfe der Wirtschaft befriedigt werden, spricht man von "Bedarf". (Dieser Bedarf ist noch nicht identisch mit "Nachfrage". Mit Bedarf allein werde ich am Markt nicht ernstgenommen; da muß ich betteln gehen oder Sozialhilfe beantragen. Auch in dem Falle, daß ich Tauschobjekte mitbringe, um andere zur Hergabe dessen zu bewegen, wessen ich bedarf, komme ich auf dem Markt einer monetisierten Wirtschaft nicht an; mein Bedarf wird in der Regel nicht ernstgenommen, wenn ich nicht zugleich Geld mitbringe und anbiete. "Bedarf" also wird erst zur "wirksamen Nachfrage", wenn der Nachfrager liquide ist.)

Die Menschen entwickeln aber nicht nur unmittelbare ökonomische Bedürfnisse, nicht nur unmittelbaren Bedarf. In einer Tauschwirtschaft etwa können die Bedürftigen einen großen Teil ihrer Bedürfnisse erst befriedigen, wenn und soweit sie Tauschgeschäfte abgewickelt haben. Vor die Befriedigung der Bedürfnisse, vor die Deckung des Bedarfs schiebt sich das Tauschgeschäft als das Instrument ein, ohne das das Ziel nicht erreicht werden kann. Also entsteht auch ein Bedürfnis nach der Abwicklung von Tauschgeschäften, oder abstrakter, ein Bedarf nach Transaktionen. Die Menschen "bedürfen" nicht nur der Güter, die sie als solche brauchen, sondern auch der Instrumente, mit deren Hilfe sie an die Güter herankommen.

Das Geld mit seiner monetären Liquidität ist ein solches Instrument und Mittel, mit dessen Hilfe die Wirtschaftssubjekte Transaktionen abwickeln können, um an die Güter heranzukommen, deren sie bedürfen. Wer Bedürfnisse hat und nicht selbst produziert, was er braucht, bedarf des Tausches; und wer tauschen will, bedarf in einer monetisierten Wirtschaft des Geldes; und wer Geld haben will, muß etwas leisten, muß etwas anbieten und loswerden. So gesehen wäre es sogar sinnvoll zu sprechen von einem Bedarf, die eigene Leistung an den Mann zu bringen. Arbeitslose etwa hätten einen solchen "Bedarf" nach Unterbringung ihrer Leistung. Hier jedoch soll der Begriff "Bedarf" so weit nicht ausgedehnt werden.

Um die ökonomisch wirksamen Wünsche von Wirtschaftssubjekten für Zwecke einer liquiditätstheoretischen Erörterung hinreichend scharf abzubilden, genügt es, im Bereich der Bedürfnisse und des Bedarfs folgende Begriffe zu bestätigen und zu vereinbaren:

- erstens Bedarf im Sinne eines Inbegriffs ökonomisch relevanter Bedürfnisse, die das jeweilige Wirtschaftssubjekt zu befriedigen wünscht und zu deren Befriedigung es in der Regel Geld haben muß, damit aus seinem "Bedarf" auch wirksame "Nachfrage" werden kann, die dann auf dem Wege über den Markt durch Leistung befriedigt wird.

- zweitens Transaktionsbedarf als jener Drang von Wirtschaftssubjekten, die, aus welchen Gründen auch immer, realwirtschaftliche Transaktionen durchführen wollen und die dafür wiederum in der Regel als Verrechnungsmedium Geld benötigen. Solchen "Transaktionsbedarf" haben z.B. sowohl der Unternehmer als auch seine Arbeitnehmer, wenn sie miteinander ins Geschäft kommen wollen.

- drittens Liquiditätsbedarf in dem Sinne, daß es für ein Wirtschaftssubjekt, das Transaktionsbedarf hat, nicht genügt, über irgendwelche vermögensweite Gegenstände zu verfügen, wie z.B. seine Arbeitskraft, seine Risikobereitschaft, Antiquitäten, Schmuck usw., - daß es vielmehr monetäre Liquidität braucht, wenn es seinen Transaktionsbedarf in der monetisierten Wirtschaft in der allgemein üblichen und so gut wie einzig möglichen Art und Welse befriedigen will.

 

2. Leistung, Transaktionsbedarf, Liquiditätsbedarf

 

Wer Bedarf hat, ohne aus Erbschaft oder Schenkung oder auf sonstige Weise schon über Vermögen zu verfügen, muß selbst etwas leisten, wenn er seinen Bedarf decken will. Insofern gilt: Wer Bedarf hat, wird dazu angetrieben, seine eigene Leistung in realwirtschaftliche Transaktionen einzubringen, um Güter eintauschen oder kaufen zu können, mit denen er seinen Bedarf decken kann. So gesehen ist gerade auch derjenige, der sich bereit findet, seine persönliche Leistungsfähigkeit zu vermarkten, typischerweise ein Bedürftiger, der Transaktionsbedarf hat. Nur wenn er seine Leistung verkaufen kann, bekommt er als Gegenleistung Geld, und nur wenn er Geld hat, kann er seinen eigenen Bedarf zur Nachfrage werden lassen und an die Güter herankommen, die er begehrt. Das entspricht der Einsicht, daß die Wirtschaft an den Bedürfnissen ausgerichtet ist bzw. sein soll und daß daher auch von den Bedürfnissen die Antriebs- und Lenkungseffekte ausgehen bzw. ausgehen sollen, die den Wirtschaftsprozeß antreiben und lenken.

Die Tatsache, daß ein Wirtschaftssubjekt seine persönliche Arbeitsleistung anbietet, ist nicht nur ein verhältnismäßig zuverlässiges Indiz dafür, daß er noch Bedürfnisse hat, sondern seine Bereitschaft, sich anzustrengen, indem er Leistung erbringt, kann zugleich als praktischer Maßstab dafür fungieren, wie sehr die Befriedigung seiner Bedürfnisse noch hinter jenem Gleichgewichtspunkt zurückbleibt, wo die Bremswirkung des steigenden Grenzaufwandes bei eigener Leistung dazu führt, daß der weitere Einsatz sich angesichts des sinkenden Grenznutzens zusätzlichen Einkommens nicht mehr lohnt.

Wer Bedarf hat, erscheint als typischer, potentieller Konsument. Wer seine Leistung noch anbietet, erscheint bisher als typischer Produzent. Beide aber haben offenbar typischerweise Bedarf; beide haben Transaktionsbedarf. Produktionswünsche ohne Liquidität ergeben keine Löhne; Bedarf ohne Geld ergibt ebenfalls keine Nachfrage. Ohne Nachfrage kommt die Produktion nicht zur Liquidität; ohne Liquidität kommt der Bedarf nicht zur Nachfrage und die Nachfrage nicht zur Produktion. Hinter dem Leistungsangebot steckt also als eigentlicher Motor typischerweise unbefriedigter Bedarf. Es sind diese Wirtschaftssubjekte mit Bedarf und daher Leistungsmotivation, die etwas produzieren wollen, um ihren eigenen Bedarf zu stillen, und zwar derart, daß sie etwas für andere leisten, um von den anderen selbst etwas zu erhalten. Dieses Verfahren der Bedarfsdeckung führt zwar über den Umweg einer Produktion für andere, führt aber vor allem auch zurück zu dem Bedürftigen selbst. Jedes Wirtschaftssubjekt, das in diesem Sinne noch Bedarf hat und deswegen leistungsbereit ist, möchte also gewissermaßen mit sich selbst ins Geschäft kommen, seine eigenen Bedürfnisse decken, und zwar vermittels ökonomischer Transaktionen mit anderen. Auch hier gilt noch jene These von der (vermittelten) Identität von Konsument und Produzent.

Um aber nun auf dem Wege über andere Leistungen an sich selbst zu erbringen, müssen diese Wirtschaftssubjekte in der Tauschwirtschaft Tauschgeschäfte und in der monetisierten Wirtschaft Transaktionen durchführen, die durch Geld vermittelt sind. Diese Wirtschaftssubjekte haben, um indirekt Leistungen an sich selbst erbringen zu können, Transaktionsbedarf, und wegen des Transaktionsbedarfs haben sie Liquiditätsbedarf. Die monetäre Liquidität ist für sie in der monetisierten Wirtschaft das Transaktionsmedium, dessen sie bedürfen, um im Wege von ökonomischen Transaktionen direkt Leistungen an andere und indirekt Leistungen an sich zu erbringen.

Ohne Liquidität können alle die Wirtschaftssubjekte, die noch echten Bedarf haben und deshalb auch leistungsbereit sind, nicht über die jeweils anderen mit sich selbst als indirekten Abnehmern ihrer Leistungen ins Geschäft kommen. Der Liquiditätsbedarf, der aus ihrem Transaktionsbedarf resultiert, hat für sie geradezu existenziellen Charakter. In einer monetisierten Wirtschaft nämlich haben sich alle derart daran gewöhnt, nur noch Geschäfte in Geld abzuwickeln, daß für alle diejenigen, die keine zahlungsfähigen Abnehmer für ihre Leistungen finden, praktisch keine anderen Transaktionsmöglichkeiten verbleiben. (Alternativen sind die verschiedenen Barter-Techniken, die zur Zeit wieder aufleben: unten § 9 IV, § 10 V und VI).

 

 

III. Unterschiedliche Lenkungskriterien für Liquidität und Kaufkraft

 

Bevor jetzt die Frage gestellt und beantwortet wird, nach welchen Kriterien Liquidität in der Volkswirtschaft "gelenkt" werden soll, muß daran erinnert werden, daß beim Geld unterschieden werden muß zwischen seiner in ihm als Kaufkraft verkörperten Tauschmacht einerseits und der Liquidität dieser Tauschmacht andererseits. Also ist zu vermuten, daß auch die monetäre Kaufkraft anderen Lenkungskriterien folgen muß als die monetäre Liquidität.

 

1. Kaufkraftlenkung

 

Um zu erkennen, wohin die Kaufkraft in einer monetisierten Wirtschaft gelenkt werden soll, empfiehlt es sich, das Modell einer Wirtschaft zu betrachten, in der das Lenkungsproblem noch nicht durch Hinzutreten monetärer Liquidität modifiziert wird: In der Tauschwirtschaft sind es die dem jeweiligen Wirtschaftssubjekt innerhalb seines wirtschaftichen Horizontes erkennbaren Bedürfnisse anderer Menschen, an denen es seine Produktion ausrichtet, so wie es erwartet, daß auch die anderen ihn in den je eigenen wirtschaftlichen Horizont mit einbeziehen, an dem sie ihre Produktion ausrichten. Je besser und knapper die Leistung ist, die jemand anderen erbringt, desto bessere und gediegenere Leistungen kann er erwarten und erhält er typischerweise. Das Tauschobjekt, das man erhält, erscheint als Prämie für die eigene Leistung, und je besser die eigene Leistung, desto eher kann man erwarten, ein ebenfalls besseres und nützlicheres, also "wertvolleres" Tauschobjekt zu erhalten.

In der Tauschwirtschaft wird das in den Tauschobjekten enthaltene Tauschvermögen gelenkt, indem es im Gegenzuge mit einem entsprechenden Tauschvermögen prämiert wird. Nicht anders ist es im Prinzip in der monetisierten Wirtschaft: nützliche Leistung erzielt ihren Preis und zieht dadurch Kaufkraft auf ihren Erbringer.

Lenkungstheoretisch kann man also die Adressierung und Dosierung der im Geld enthaltenen monetären Anwartschaften aufs Sozialprodukt schlagwortartig kennzeichnen als "Prämierung von nützlicher Leistung". Dies freilich ist weniger eine empirische Feststellung, als vielmehr eine Sollensaussage: Kaufkraft "soll" nach Maßgabe der Nützlichkeit von Leistung gelenkt werden, für die sie bezahlt wird.

 

2. Liquiditätslenkung

 

Wenn die Kaufkraft des Geldes dorthin fließen soll, wo nützliche Leistung erbracht wird, damit der, der die Leistung erbracht hat, auf gleiche Weise wieder nützliche Leistung abrufen kann: welche Rolle spielt dann die Liquidität und wie ist sie zu "lenken"?

Die Liquidität des Geldes fungiert nicht als Prämierung von nützlicher Leistung, sondern als Katalysator beim Tausch. Sie sollte daher nicht dorthin fließen, wo Leistung erbracht wird, und auch nicht dorthin, wo Leistung verbraucht wird, sondern dorthin, wo Leistungen ausgetauscht werden.

Wer tauscht Leistungen aus? Produzenten und Konsumenten, und zwar jeder mit dem jeweils anderen, dann aber auch, im monetär vermittelten Doppeltausch, mit sich selbst. Die Liquidität müßte also genau dorthin gelenkt werden, wo Produzenten und Konsumenten miteinander ins Geschäft kommen, und sie sollte so gelenkt werden, daß prämiert wird, wer sie zu Transaktionszwecken nutzt, und so, daß nicht prämiert wird, wer die monetäre Liquidität ihren realwirtschaftlichen Transaktionsfunktionen entfremdet.

Wie aber kann man monetäre Liquidität so lenken und dosieren, daß immer derjenige, der Liquidität zu Transaktionszwecken verwendet, prämiert wird, und andere, die ihr Geld nicht für die Abwicklung von Transaktionen verwenden und festhalten oder unter anderen Zwecksetzungen vermarkten, eher Nachteile als Vorteile haben? Die Antwort auf diese Frage ergibt sich am ehesten, wenn man sich den tatsächlichen Antriebs- und Lenkungseffekten zuwendet, die heute von Nutzen und Kosten der Liquidität ausgehen. Dann wird es relativ leicht sein, funktionale und dysfunktionale Effekte zu unterscheiden und praktische Ansätze für die optimale Lösung des Lenkungsproblems bei der monetären Liquidität zu finden. Am Ende freilich (§§ 11 und 12) wird sich zeigen, daß auch für die Liquidität der einfache Grundsatz gilt: Liquiditätsdienste soll bezahlen, wer sie in Anspruch nimmt, und vergütet bekommen, wer sie erbringt.