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Inhaltsverzeichnis: Optimale
Liquidität
§ 4 Nutzen-Kosten-Struktur der monetären Liquidität
Nachdem der Liquiditätsnutzen und die Liquiditätskosten
zunächst je für sich betrachtet worden sind, gilt es jetzt, beide im
Zusammenhang miteinander zu sehen. Je nachdem, welche Zwecke die Wirtschaftssubjekte
mit ihrer Kasse verfolgen, und je nachdem, ob sie mit eigener oder fremder
Liquidität arbeiten, ergeben sich unterschiedliche Nutzen-Kosten-Strukturen,
unterschiedliche Zu- und Abstrom-Salden. Als idealtypische Kassen mit solchen
unterschiedlichen Zwecksetzungen kommen in Betracht:
"Emissionskasse", "Transaktionskasse" (einschließlich
Spekulations- und Vorsichtskasse, siehe oben § 1 III 1) und
"Anlegerkasse".
I. Emissionskasse
Als typische Emittenten von Liquidität erscheinen die
Zentralbank (insbesondere als Notenbank) und die Geschäftsbanken mit der
Emission von Buchgeld.
1. Modellnotenbank
a) Im Rahmen einer modelltechnischen Reduktion, die
geeignet ist, charakteristische Merkmale einer idealtypischen Emissionskasse
durchzuspielen, wird im Folgenden angenommen, daß eine Modellnotenbank die
betroffene (geschlossene) Volkswirtschaft direkt und als einzige Bank mit
Bargeld in Form von Banknoten versorgt. Diese Modellbank habe einzig und
ausschließlich den Zweck, die Wirtschaft mit der erforderlichen Liquidität zu
versorgen. Sie emittiert Liquidität, die sie selbst nicht braucht.
Zur Erfüllung ihrer Funktion als Anbieter von
Liquitätsdiensten hat die Modellnotenbank die Möglichkeit, von den übrigen
Wirtschaftssubjekten nicht liquide Tauschobjekte entgegenzunehmen und im
Gegenzug zu liquidisieren, indem sie sie ankauft oder beleiht. Beim Ankauf sei
sie beschränkt auf Geldvermögenstitel: also auf Forderungen, die auf Zahlung
einer bestimmten Summe Geldes zu einem bestimmten Zeitpunkt lauten. So können Wirtschaftssubjekte
sich Liquidität verschaffen dadurch, daß sie gegenüber der Modellnotenbank
Zahlungsverpflichtungen eingehen, nach denen sie das erhaltene Geld per
vereinbartem Termin zurückzuzahlen haben.
Da es hier bei den liquiditätstheoretischen Stromanalysen
nicht so sehr auf die Geldmengenkontrolle ankommt, spielt die Möglichkeit der
Modellnotenbank, Geld durch Verkauf von Forderungen zurückzuholen, eine weniger
aufschlußreiche Rolle. Es wird jedoch davon ausgegangen, daß während der
betrachteten Periode das Problem, die Währung stabil zu halten, von der
Modellnotenbank mit Erfolg gelöst wird.
b) Die Emission von Bargeld läuft bei der Modellnotenbank
also darauf hinaus, daß sie nicht (oder weniger) liquide Tauschobjekte der
Wirtschaftssubjekte in liquide Tauschmacht umtauscht: Die Modellnotenbank
liquidisiert Tauschobjekte und schafft dadurch Liquidität für andere.
So wirkt die Notenbank mit an monetären Transaktionen,
bei denen dadurch Liquidität produziert wird, daß die nicht oder weniger
tauschbaren Güter der Wirtschaftssubjekte in tauschbare transformiert werden.
Dabei wird deutlich: Zu der Tauschkraft, die in den nichtliquiden Gütern
steckt, kommt die Liquidität nur hinzu. Aus der schwerfälligen Tauschkraft der
Tauschobjekte wird die wegen ihrer monetären Liquidität sehr viel wendigere
Kaufkraft des Geldes. Die Modellnotenbank transformiert träges Tauschvermögen
in bewegliches Kaufvermögen. Sie macht aus bloß tauschfähigen Tauschpartnern
kaufbereite Transaktionspartner.
Wenn Wirtschaftssubjekte sich liquidisieren wollen,
müssen sie den Tauschwert in Gestalt von nicht oder weniger liquiden
Wirtschaftsobjekten also schon selbst mitbringen; die Modellnotenbank versetzt
diese mitgebrachte Tauschmacht nur in den wirtschaftlichen Aggregatzustand der
monetären Liquidität. So erscheint die Liquidität des Geldes auch im
Emissionsvorgang wie schon oben (§ 2 I) als eine Art monetäre
"Zugabe" zum Tauschwert.
c) aus ihrer Emissionstätigkeit erwirtschaftet die
Modellnotenbank einen Ertragsstrom, der den Kostenstrom übersteigt, den die
Herstellung der Banknoten und der übrige Emissionsaufwand verursachen. So
verbleibt ihr ein Nettozustrom, ein Gewinn. Dieser Gewinn fällt an in Form von
Geld und Geldforderungen.
Zwar streicht die Modellnotenbank keinen Geldschöpfungsgewinn
in dem Sinne ein, daß sie monetäre Kaufkraft "schafft" und ihr dann
diese Kaufkraft zustünde; denn die Modellnotenbank liquidisiert nur anderweit
schon vorhandene Tauschobjekte und deren Tauschkraft. Was sie produziert, ist
nur die Liquidität, die zu dieser Tauschkraft hinzukommt. Aber als erster Herr
über die selbstgeschaffene Liquidität kommt sie bei der Emission ihrer
Banknoten in den Genuß der Erträge, die bei Vermarktung von Liquiditätsnutzen
anfallen. Die Seigniorage der Modellnotenbank besteht also in den Überschüssen
aus Vermarktung des Nutzens von selbstgeschaffener Liquidität.
Man könnte freilich einwenden: In dem Augenblick, in dem
die Wirtschaftssubjekte ihren Zinszahlungsverpflichtungen aus der
Liquidisierung ihrer Tauschobjekte nachkämen, verschwinde das Geld aus der
Wirtschaft und werde die mit ihm verbundene Liquidität "vernichtet".
Alles andere seien dann nur interne Buchungsvorgänge in der Modellnotenbank.
Daran ist richtig, daß die Liquidität vernichtet wird. Aber der Tauschwert des Geldes,
das zur Modellnotenbank zurückströmt, wird nicht vernichtet, sondern bleibt bei
ihr hängen und erscheint als Bestand in ihren Büchern.
Damit der Geldkreislauf geschlossen bleibt und im
Güterkreislauf keine Lücken gerissen werden, muß die Notenbank sowohl für die
vernichtete Liquidität als auch für die ihr zugewachsenen Anwartschaften aufs
Sozialprodukt, die sie nicht selbst abruft, Ersatz bereitstellen, indem sie
neues Geld schafft, also neues Geld emittiert (sei es auch in Gestalt der
alten, zu ihr zurückgelaufenen Banknoten).
Ersetzt die Modellnotenbank die vernichtete Liquidität
nicht und liquidisiert sie an Stelle der ihr zugeflossenen Tauschkraft kein
anderes Tauschobjekt, kommt es zur Deflation. Außerdem stünde der Wirtschaft,
wenn diese ihre Kredite an die Notenbank zurückzahlen muß, nicht genügend Geld
zur Erfüllung dieser Verbindlichkeit zur Verfügung, wenn nicht die
Modellnotenbank jeweils umgehend dafür sorgte, daß die ihr in Gestalt von
Zinsen zuströmenden Gelder alsbald wieder ersetzt werden.
Indem aber die Modellnotenbank die zu ihr
zurückfließenden Gelder wieder emittiert, vergrößert sich der Gesamtbestand an
Verschuldung der Wirtschaft gegenüber der Modellnotenbank: Die
Verbindlichkeiten der Wirtschaft gegenüber der Modellnotenbank aus dem
ursprünglichen Emissionsgeschäft bleiben bestehen; denn durch Zinszahlungen
werden nur die jeweils im Verlaufe der Zeit fällig werdenden
Zinsverpflichtungen erfüllt und getilgt. Weil die Wirtschaft sich die Gelder
für die Erfüllung dieser Zinsverpflichtungen bei ihrer Notenbank zusätzlich
besorgen muß, indem sie weitere nichtliquide Tauschobjekte liquidisiert, nimmt
die Verschuldung der Wirtschaft ebenso zu wie die Bestände der Modellnotenbank.
So gesehen wird die Notenbank reicher und die Wirtschaft ärmer: Immer größere
Teile des Bestandes an nichtliquiden Gütern innerhalb der Wirtschaft werden in
den Liquidisierungsprozeß verstrickt. Es findet ein Konzentrationsprozeß statt,
und zwar eine Vermögensakkumulation bei der Modellnotenbank.
Die Wirtschaft arbeitet mehr und mehr mit
"Fremdkapital", und die Notenbank wird mehr und mehr vom
Liquiditätsversorger zum "Kapitalgeber". (Soweit die Modellnotenbank
beim Ankaufsgeschäft nicht auf den Erwerb von Geldforderungen beschränkt ist,
sondern ihr im Modell auch gestattet wird, andere Vermögenswerte anzukaufen,
wird die Modellnotenbank im Verlauf der Zeit auch immer mehr Sachvermögen und
Devisen an sich ziehen: eine Art vorprogrammierter allmählicher
"Enteignung" der Produzenten und Konsumenten durch das monetäre System
zugunsten der Emissionskasse der Modellnotenbank.)
An dieser Stelle wird klar, daß die buchungstechnischen
Rechenwerke, die im Zusammenhang mit der Emissionskasse der Modellnotenbank
geführt werden, zu einer volkswirtschaftlich unsinnigen Abbildung und damit
auch zu einer ebenso volkswirtschaftlich unsinnigen Verrechnung von Kaufkraft
führen. Diese Rechenwerke freilich hängen nicht in der Luft, sondern sind
abhängig von den ökonomischen Eigenschaften der Liquidität, um die es geht, so
daß man, wenn man volkswirtschaftlich sinnvolle Abbildungen und Verrechnungen
zustandebringen will, praktisch bei der Liquidität und ihren Kosten anknüpfen
muß, die abgebildet und verrechnet werden.
d) Mit jedem Emissionsgeschäft werden Zinsverpflichtungen
begründet. Das führt, auf die soeben beschriebene Art und Weise, zu
Geldrückströmen und Neuemissionen, die im Ergebnis auf exponentielles Anwachsen
sowohl der Zinsströme wie such der Aktiva der Modellnotenbank hinauslaufen. Es
ist paradox, ja geradezu wie verhext: Die Modellnotenbank, die zu dem Zweck ins
Modell eingeführt wurde, die Modellwirtschaft mit Liquidität zu versorgen,
erhält diese ihre monetäre Liquidität umgehend zurück, und zwar in immer
schneller wachsendem Umfang. Dabei schleppt, im wirtschaftlichen Ergebnis, die
zurücklaufende Liquidität Anwartschaften aufs Sozialprodukt in die
Modellnotenbank hinein. Beides widerspricht letztlich Sinn und Zweck der
Modellnotenbank: Ihre Liquiditätsdienste sollten es den Wirtschaftssubjekten
erleichtern, ihre Transaktionen untereinander abzuwickeln. Es war nicht Sinn
und Zweck der Liquiditätsdienste, die Wirtschaftssubjekte mehr und mehr dazu zu
zwingen, die ihnen zur Verfügung gestellte Liquidität immer wieder bei der
Modellnotenbank abzuliefern und sie sich, unter Verursachung zunehmender
Kosten, immer wieder neu zu beschaffen. Schon gar nicht war es Sinn und Zweck
der Notenbank, sich selbst mit Anwartschaften aufs Sozialprodukt zu versorgen
und sich zum Kapitalisten zu entwickeln.
Wachsen im Verlaufe der Zeit die Zinsströme, die aus dem
realwirtschaftlichen Bereich zur Modellnotenbank hinfließen, und wächst
dementsprechend die Verschuldung der Wirtschaft gegenüber der Modellnotenbank,
dann ergibt sich für die Wirtschaft das Problem, wie sie die zunehmende
Belastung mit Liquidisierungskosten überhaupt noch finanzieren soll. Man muß
vermuten, daß eine Wirtschaft, die ihren Verpflichtungen gegenüber der
Modellnotenbank nachkommen können soll, exponentiell wachsen muß wie die Summe
ihrer Liquidisierungskosten, die sie an die Modellnotenbank abführen muß. Da
dem aber natürliche Grenzen gesetzt sind, ist die betrachtete Art und Weise der
Liquiditätsversorgung ein Prozeß mit selbstzerstörerischen Tendenzen
(self-destroying process). Der selbstzerstörende Charakter ist angelegt in den
Eigenschaften, der Liquidität und in der Art und Weise ihrer Emission.
Eine Wirtschaft, die nach Art und Weise der
Modellnotenbank mit Liquidität versorgt wird, kann kein gesamtwirtschaftliches
Gleichgewicht erreichen. In den Prozeß der Geldversorgung ist die Produktion
von Ungleichgewicht mit einprogrammiert.
e) Wenn freilich die Modellnotenbank ihre Gewinne nicht
behält (genauer: die Liquidität ihrer Gewinne nicht durch Neuemissionen
ersetzt), sondern sie als liquide Tauschmacht der Wirtschaft im Wege eines
Recycling über den Staatshaushalt wieder zur Verfügung stellt, entfallen die
beobachteten Verschuldungseffekte. Die Gewinne aus der Liquidisierung vom
Tauschobjekten werden in diesem Falle sozialisiert. Sie erscheinen als eine Art
Liquiditätssteuer, die die Wirtschaftssubjekte anläßlich von
Liquidisierungsgeschäften zu entrichten haben. Da sich die Wirtschaft die
Liquidität für Transaktionszwecke besorgt, hätte man es mit einer Steuer auf
Transaktionsvorgänge, letztlich also mit einer Verkehrsteuer zu tun. (Diese
Steuer erscheint dem herkömmlich geschulten Ökonomen freilich nicht als
Verkehrssteuer, sondern als Kapitalsteuer.)
Durch die Sozialisierung der Liquidisierungsgewinne bei
der Modellnotenbank auf dem Wege eines Recyclings der Liquidität über den
Staatshaushalt werden freilich nur die Auswirkungen einer an sich
unbefriedigenden Art und Weise der Versorgung der Wirtschaft mit Liquidität
entschärft. Die Struktur des Liquiditätsversorgungsprozesses selbst wird nicht
korrigiert. Man hat es nur mit einer Therapie am Symptom zu tun.
2. Geschäftsbanken
Für den Laien erscheinen Banken nicht als Geldemittenten,
sondern als Umschlagplätze für Spargelder: Sie nehmen Spargelder herein und
reichen sie als Kredite weiter. Tatsächlich ist der Vorgang komplizierter und
sind die Zusammenhänge zwischen Einlagen und Krediten wesentlich lockerer.
Soweit die Bank Sichtguthaben zur Verfügung stellt, emittiert sie Buchgeld.
Dabei ist ihr Spielraum unter anderem durch Mindestreservevorschriften und
durch die Notwendigkeit, hinreichend Kasse zu halten, begrenzt. Sind die
Spielräume für neue Emissionen jedoch ausgeschöpft, nähert sich das Verhalten
der Geschäftsbanken dem an, was man sich laienhaft vorstellt.
Jedenfalls für die Frage danach, ob und in welchem Umfang
der emittierten Liquidität Kosten gegenüberstehen, kann man für die folgenden
Überlegungen davon ausgehen, daß die gesamten Kosten für die Bereitstellung von
Giralgeldliquidität sich in ähnlichen Größenordnungen bewegen wie der Zins.
Die Emissionskasse von Geschäftsbanken ähnelt im
Augenverhältnis der Emissionskasse der Modellnotenbank. Auf der Bankinnenseite,
wo es insbesondere um die Refinanzierung geht, entstehen jedoch Aufwendungen,
die mit denen einer Notenbank nicht vergleichbar sind. Zudem stehen die Geschäftsbanken
bei der Emission ihrer Giralgelder im Wettbewerb miteinander, so daß
Kostenvorteile mit großer Wahrscheinlichkeit an die Abnehmer der Liquidität
weitergegeben werden und auch deshalb abnorm hohe Spannen zwischen den
Aufwendungen des Liquiditätsgeschäftes und dessen Erträgen nicht angenommen
werden können.
Unter liquiditätstheoretischem Blickwinkel darf man also
im großen und ganzen sagen: Ertragsstrom und Kostenstrom sind bei der
Emissionskasse der Geschäftsbanken in etwa kongruent. Das schließt Profite
nicht aus, sondern soll nur heißen, daß die Kostenstruktur der Liquidität bei
Geschäftsbanken im Zusammenhang mit ihrem Emissionsgeschäft grundlegend
verschieden ist von der Kostenstruktur des Emissionsgeschäftes der
Modellnotenbank. Das liegt daran, daß die Geschäftsbanken, im Rahmen der oben
angedeuteten Vorbehalte, so angesehen werden können, als arbeiteten sie mit
Fremdliquidität. Dieser Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß die Kasse, aus der
mit Fremdliquidität operiert wird, eine Nutzen-Kosten-Struktur derart aufweist,
daß Erträge und Aufwendungen im liquiditätstheoretischen Sinne
"kongruent" sind. Insoweit fungieren die Banken dann bei ihrem
Emissionsgeschäft als liquiditätstheoretisch weitgehend "neutrale"
Instanzen. Es bleibt freilich theoretisch denkbar und für praktische Bereiche
wie etwa den Euro-Devisen-Markt zu prüfen, ob und inwiefern für die
Emissionskassen von Geschäftsbanken unter bestimmten Umständen nicht doch
ähnliche Überlegungen anzustellen sind wie für die Emissionskasse der
Modellnotenbank.
II. Transaktionskasse
Wer Geld verwendet, um realwirtschaftliche Transaktionen
abzuwickeln, hat eine "Transaktionskasse". Realwirtschaftliche
Transaktionen sind es vielfach auch, wenn mit Geld spekuliert oder mit Geld,
das in der Vorsichtskasse bereitgehalten wird, auf unvorhergesehene Ereignisse
reagiert wird.
1. Abgrenzung der Transaktionskasse von der Anlegerkasse
Zu den realwirtschaftlichen Transaktionen, die aus der
Transaktionskasse abgewickelt werden, gehören auch Kauf und Verkauf von
Leistungen per Termin, insbesondere von terminierten
Geldleistungsverpflichtungen. Denn es ist ein durchaus realwirtschaftlicher
Vorgang, wenn jemand heute eine Nachfragenische am Markt freimacht, indem er
auf die Wahrnehmung einer liquiden gegenwärtigen Anwartschaft aufs
Sozialprodukt verzichtet, um einem anderen den Vortritt zu lassen, der dafür
später per Termin eine entsprechende Lücke wieder frei machen muß, indem er
dann liquide Anwartschaften aufs Sozialprodukt zur Verfügung stellt.
Wo immer also Kasse genutzt wird, um eine zukünftige
Leistung zu kaufen, die um der Leistung per Termin willen erworben wird, hat
man es mit realwirtschaftlichen Transaktionen zu tun. Nur insoweit, wie
anläßlich solcher transtemporaler Austauschgeschäfte Liquidität mitvermarktet
wird, handelt es sich nicht mehr um ein Geschäft über realwirtschaftliche,
nämlich von der Liquidität des Geldes verschiedene, Tauschobjekte, sondern um
Geschäfte in Liquidität selbst: Um "Geldanlagen", die auf Zinsen, auf
Renditen zielen.
Soweit Kreditgeschäfte im Kern auf Geschäfte mit
asynchronem Leistungsaustausch hinauslaufen, hat man es also mit einer
Transaktionskasse zu tun; soweit dabei Liquidität vermarktet wird, mit einer
"Anlegerkasse". Diese Unterscheidung mag theoretisch spitzfindig
klingen; sie hat aber damit zu tun, daß Geld eben zweierlei "Werte"
verkörpert und zweierlei Funktionen erfüllt: Zum einen hat man es mit dem
Tauschwert zu tun, den das Geld (wie andere Tauschobjekte auch) darstellt; zum
anderen geht es um die spezifische Liquidität eben dieses Tauschwertes.
Spezifisch monetär ist dabei die Liquidität, nicht der Tauschwert. Also muß die
liquiditätstheoretische Trennlinie zwischen den „realwirtschaftlichen"
Transaktionen (Ausgeben und Annehmen des Geldes) einerseits und den bloß
"monetären" Geschäften (Vermarktung der Liquidität von Geld)
andererseits verlaufen.
Klar ist dabei freilich, daß bei Anlagegeschäften die
reale Komponente (Zeitverschiebung realen Bedarfs aus der Gegenwart in die
Zukunft) praktisch so weit in den Hintergrund und der Anlegerzweck praktisch so
sehr in den Vordergrund treten kann, daß es (fast) nur noch um die rentablen
Anlagen und (fast) nicht mehr um wirklichen Bedarf nach Verschiebung von
Nachfragezeitpunkten auf der Zeitachse geht. So gering allerdings der
Zukunftsbedarf von Anlegern auch sein mag: die Transaktionen, die die
Konsumenten und Produzenten abwickeln müssen und für die sie Liquidität
benötigen, sind stets und per Definition gegenwärtige Transaktionen. Diesen
gegenwärtigen Transaktionsbedarf der Inhaber von Transaktionskassen kann der
Inhaber einer Anlegerkasse ausnutzen, auch wenn er keinen echten Zukunftsbedarf
hat.
2. Transaktionskasse mit Eigenliquidität
Die "Transaktionskasse mit Eigenliquidität" ist
der geldtheoretische Modellfall, den die bisherige Geldtheorie und Geldlehre
vor Augen hat, wenn sie die segensreichen, nämlich kostensparenden
Eigenschaften des Geldes beschreibt. Dabei versäumt es diese Geldtheorie, an
die Kosten zu denken, die mit Geld für alle diejenigen verbunden sind, die
nicht von vornherein Eigenliquidität in der Kasse haben. Daß schon die
idealtypische Ausstattung einer Wirtschaft mit Liquidität durch die Notenbank
zunächst einmal auf Kredit erfolgt, also alles andere als kostenlos ist, bleibt
dabei außer Betracht. Doch kommt es hier noch nicht auf die irreal restriktiven
Implikationen der herkömmlichen Geldtheorie an, sondern auf Eigenschaften der
"Transaktionskasse mit Eigenliquidität".
Kassehalter mit Eigenliquidität genießen die Vorzüge des
Geldes als des monetären Jokers unter den Tauschobjekten, ohne daß ihnen der
Genuß dieser Vorzüge durch nennenswerte Aufwendungen geschmälert wird: Sie
können geplante Transaktionen abwickeln, günstige Zeitpunkte spekulativ
abwarten und auf die Realisierung von Risiken schnell reagieren. Sie sind
beweglich kraft monetärer Liquidität.
Der Bedarf nach Konsum- oder Investitionsgütern, den die
Halter von Transaktionskassen mit Eigenliquidität haben, ist selbst schon
liquidisiert: Er ist mit Eigenliquidität monetär unterfüttert; er kann auf
jedes kaufbare Objekt ausgerichtet werden; und er kann durch Ausgabe des Geldes
gedeckt werden.
Unternehmer, die über eine Transaktionskasse mit
Eigenliquidität verfügen, sind nicht abhängig von Instanzen, die ihnen ihre
Tauschmacht, die in unbeweglichen Tauschobjekten gebunden ist, in monetäre
Kaufkraft liquidisieren. Sie brauchen sich nicht verschulden, und sie brauchen
sich in ihre unternehmerische Entscheidungen nicht hineinreden lassen. So zeigt
sich, daß nicht eigentlich die Tauschkraft, die in Tauschobjekten enthalten
ist, frei und unabhängig macht, sondern erst die Eigenliquidität der
Transaktionskasse.
Die Transaktionskasse mit Eigenliquidität vermittelt
ihrem Inhaber den Nutzen der Liquidität "in Natur": als Strom
unmittelbaren Nutzens (liquidity service stream). Da diesem Nutzenstrom kein
annähernd gleichartiger Strom von Aufwendungen gegenübersteht, handelt es sich
bei der Transaktionskasse mit Eigenliquidität volkswirtschaftlich um eine Kasse
mit einem eindeutigen Nettozustrom an ökonomischem Nutzen.
Die Transaktionsvorteile enden freilich, sobald sie
wahrgenommen werden und an die Stelle der liquiden Tauschmacht wieder andere
Wirtschaftsgüter und deren Nutzen tritt. Für den Kassehalter lohnt sich der
Umtausch seines Geldes in andere Wirtschaftsgüter nach allem also nur dann,
wenn das eingetauschte Gut so nützlich für ihn ist wie sein Geld: also so
nützlich wie der Nennwert des Geldes zuzüglich seines Liquiditätswertes. Güter,
die diese Schwelle nicht überwinden, haben beim monetär vermittelten Tausch
keine Chance.
Das Konsumgut oder das Investitionsgut muß demnach für
den Kassehalter, der dafür sein Geld opfern soll, nicht nur seinen Preis wert
sein, sondern um so viel mehr als der bloße Preis, wie Geld kraft seiner
Liquidität mehr wert ist als unbeweglicher Tauschwert gleichen Nennwertes.
Insbesondere für Investitionsgüter gilt, daß der erwartete Nutzen den der
Liquidität erreichen oder übertreffen muß: "Der Grenznutzen von
Geldkapital setzt den Standard für den Grenznutzen von Realkapital."
Für jeden, der noch Lebensmittel braucht, um zu leben,
haben die Nutzwerte der Güter, die er mit seinem Geld erwerben kann, in der
Regel ein Übergewicht gegenüber dem Nutzen von Liquidität in der Kasse.
Bedürftige Menschen also werden ihre Kasse als Transaktionskasse führen und ihr
Geld ausgeben für alles das, was Ihnen wichtiger ist als Liquidität. Auch
soweit sie fürs Alter vorsorgen müssen, sind sie darauf angewiesen, Leistungen
per Termin schon heute zu erwerben, und sie werden solche Geschäfte auch dann
noch abschließen, wenn sie dabei keinen Profit machen. Ihr wirklicher Bedarf
bestimmt die Zwecke, denen sie ihre Kasse realwirtschaftlich widmen.
Hat jedoch ein Kassehalter seine Bedürfnisse schon
weitgehend befriedigt, dann nimmt der Nutzen jeder weiteren für Konsumzwecke
verausgabten Geldeinheit ab. Schließlich wird der Punkt erreicht, von dem an
der zusätzliche Nutzen einer zusätzlichen Ausgabe so gering wird, daß andere
Vorteile in den Vordergrund treten. Von diesem Punkt an hat der Nutzen von
Liquidität in der Kasse als solcher und haben die Vermarktungsvorteile der
Liquidität eine Chance, sich gegenüber der Neigung der Wirtschaftssubjekte zum
Konsum oder zur eigenen unternehmerischen Investition durchzusetzen. Der
Kassehalter, der bis zu diesem Zeitpunkt eine Transaktionskasse (für Konsum-
und Investitionszwecke) geführt hatte, widmet die Liquidität seiner Kasse jetzt
um. Er macht seine Transaktionskasse zur Anlegerkasse.
Wenn ein Kassehalter die in seiner Kasse gehaltene
Liquidität dem Transaktionszweck entwidmet und sie Anlagezwecken widmet, so
zeigt sich daran, daß private Kassehalter nach unserer heutigen Geldordnung die
Kompetenz haben, das Transaktionsmedium "Geld" dem Transaktionszweck
zu entwidmen und anderen Zwecken zuzuführen, deren volkswirtschaftliche
Funktionalität zumindest problematisch ist. Liquidität ihren eigentlichen
Transaktionszwecken zu entwidmen, das bedeutet letztlich, Liquidität zu
vernichten: in dem gleichen Sinne, wie Banknoten, die im Bankensektor
verschwinden, als Bargeld "vernichtet“ werden und neue Liquidität z. B.
erst wieder durch die Gutschrift auf einem Girokonto emittiert wird.
3. Transaktionskasse mit Fremdliquidität
Die "Transaktionskasse mit Fremdliquidität"
ist, anders als die "Transaktionskasse mit Eigenliquidität", genau
der Fall, der bislang geldtheoretisch vernachlässigt wurde, obwohl es sich um
den liquiditätstheoretisch aufschlußreichsten Fall der Kassehaltung handelt:
Zeigt er doch, daß es Geld gibt, das nicht nur Transaktionskosten erspart, sondern
auch solches, das selbst Kosten verursacht, und zwar in Höhe des Marktpreises
des Nutzens, den es bietet.
a) Zunächst einmal genießt, wer mit Fremdliquidität Kasse
hält, selbstverständlich sämtliche Annehmlichkeiten, die kraft monetärer
Liquidität einem Kassehalter zur Verfügung stehen. Insofern unterscheidet sich
seine Stellung nicht von der des Kassehalters mit Eigenliquidität. Zugleich
aber mit dem Nutzen fallen bei der Transaktionskasse mit Fremdliquidität die
Kosten der Fremdliquidität an. Diese Kosten, das hatte sich gezeigt,
entsprechen ihrer Höhe nach im idealtypischen Falle dem Marktwert der Vorteile,
die die Liquidität der Kasse ihrem Kassehalter vermittelt.
Bei der Transaktionskasse mit Fremdliquidität steht also
dem Nutzenstrom der Liquidität ein Kostenstrom der Liquidität gegenüber, und
zwar derart, daß die Ströme liquiditätstheoretisch in etwa äquivalent sind und,
weil sie bei der gleichen Kasse zu Buche schlagen, auch kongruent in dem Sinne,
daß sie sich wechselseitig kompensieren, ausgleichen, saldieren.
Der Nutzenstrom einer Transaktionskasse mit
Fremdliquidität wird also kompensiert und "neutralisiert" durch einen
entsprechenden Kostenstrom, so daß, innerhalb akzeptabler Toleranzen, kein
liquiditätstheoretisch relevanter Netto-Nutzen-Zustrom oder
Netto-Nutzen-Abstrom mit der Kassehaltung verbunden ist.
Nach allem kann man festhalten: Die Transaktionskasse mit
Fremdliquidität ist, was die Struktur ihrer Nutzen-Kosten-Ströme betrifft, eine
"neutrale Kasse". Dementsprechend kann "Fremdliquidität"
als liquiditätstheoretisch neutrale Liquidität bezeichnet werden.
Man kann den Zustand "neutraler Liquidität"
sich auch wie folgt veranschaulichen: In der Transaktionskasse mit
Eigenliquidität erscheint der Nutzen der monetären Liquidität als
"Zugabe" zu dem Tauschwert, der im Geld verkörpert ist. Diese Zugabe
war es auch, kraft derer die Transaktionschancen eines Käufers größer sind als
die eines Verkäufers. Werden jetzt jedoch, wie im Falle der Fremdliquidität,
die Naturalvorteile ökonomischer Liquidität ökonomisch durch Kosten
kompensiert, dann behält der Kassehalter zwar sämtliche Transaktionschancen,
die in der Jokerqualität des Geldes begründet sind, aber er bezahlt sie mit
Liquiditätskosten, die den Charakter von Bestandhaltekosten haben, so daß er unter
Kostendruck gerät, und zwar unter Kostendruck, der, ökonomisch gesehen, die
Transaktionsvorteile neutralisiert, die Geld gegenüber nicht gleichermaßen
liquiden Tauschobjekten besitzt.
Sollte sich erweisen, daß "neutrale Liquidität"
unter volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten auch "optimale
Liquidität" ist, dann hat man also in der "Transaktionskasse mit
Fremdliquidität" den Idealtyp und Modellfall "neutraler
Liquidität" vor Augen, und es ist zu vermuten, daß genau in dieser
Richtung auch die Lösung des alten Problems des "neutralen Geldes" zu
suchen ist (unten § 5 III 2 und § 11 II).
b) Sobald freilich Geld aus der Transaktionskasse mit
Fremdliquidität ausgegeben wird, bleiben die Liquiditätskosten beim Kassehalter
hängen, während der Liquiditätsnutzen weiterwandert in die Empfängerkasse. Die
überlieferte monetäre Liquidität ist also so konstruiert und strukturiert, daß
ein Splitting des Nutzen-Kosten-Zusammenhanges in dem Augenblick stattfindet,
in dem geliehenes Geld ausgegeben wird. Durch dieses Nutzen-Kosten-Splitting
entstehen neuartige Kosten, die betriebswirtschaftlich nicht mehr als
Liquiditäts- und Transaktionskosten erscheinen, sondern jetzt das Etikett
"Kapitalkosten" tragen.
An dieser Stelle zeigt sich, inwiefern Kapitalkosten
liquiditätstechnisch erzeugt werden, also mit der Nutzen-Kosten-Struktur der
"Transaktionskasse mit Fremdliquidität" zusammenhängen. Wenn aber
Kapitalkosten dem Grunde nach als Liquiditätskosten entstehen, dann zeichnet
sich die Möglichkeit ab, die gesamte Kapitaltheorie liquiditätstheoretisch zu
"hinterfragen" und die von der Kapitaltheorie behandelten
Zusammenhänge womöglich liquiditätstheoretisch exakter und treffender
abzubilden. Das allerdings läuft auf eine erhebliche Horizontveränderung
hinaus, vergleichbar den Wirkungen des Paradigmenwechsels (3) beim Übergang vom
ptolemäischen zum kopernikanischen Weltbild: So wie im ptolemäischen Weltbild
die Erde fest gedacht wurde und sich alles andere um die Erde drehte, - und so
wie im kopernikanischen System die Erde in Bewegung geriet und sich nach
Gesetzen bewegte, die sie in Abhängigkeit von der Sonne brachte, - so ähnlich
stand im überlieferten ökonomischen Denken das Kapital im Zentrum der
Wirtschaft, - und so ähnlich erweist sich jetzt das Kapital als eine abhängige Größe,
die sich Gesetzmäßigkeiten fügt, die mit dem Liquiditäts- und
Zirkulationssystem der Volkswirtschaft insgesamt zusammenhängen.
Es ist zu vermuten: Wer dem Geld liquiditätstheoretisch
auf den Grund geht, der löst die Kapitaltheorie auf in einen präziseren und
aussagekräftigeren Zusammenhang liquiditätstheoretischer Strukturen und
Begriffe.
III. Anlegerkasse
Schon bei der Abgrenzung der Transaktionskasse von der
Anlegerkasse und im Grenzfall des Überganges von der Transaktionskasse zur
Anlegerkasse hatte sich oben gezeigt, wie die "Anlegerkasse"
liquiditätstheoretisch zweckmäßigerweise zu definieren ist: als der Idealtyp
einer Kasse, bei deren Halter die Neigung zur Vermarktung der Liquidität seine
anderen Neigungen überwiegt, nämlich seine andere Neigung zu realwirtschaftlich
relevanten Transaktionen ebenso wie seine Neigung zur Liquidität als solcher.
Bei der Anlegerkasse überwiegt also die Neigung zur Geldanlage sowohl die
Neigung zur Transaktion als auch die Neigung zur Liquidität. Der typische "Anleger",
davon war schon die Rede, widmet das Geld um: Er entwidmet es dem
Transaktionszweck und widmet es seinen Anlegerinteressen. Er vernichtet
Transaktionsliquidität und spielt sich danach als Geldemittent auf.
1. Die Anlegerkasse als Quasi – Emissionskasse
a) In dem Augenblick, in dem ein "Anleger" das
Geld, das ihn erreicht, nicht selbst als monetäres Tauschmittel für
Transaktionen nutzt, verhält er sich wie die Modellnotenbank: Die
Modellnotenbank war so definiert worden, daß sie Liquidität schafft und
emittiert, die sie selbst nicht für Transaktionszwecke verwendet.
Der Anleger, der bei ihm eintreffende Liquidität den
Transaktionszwecken entwidmet und sie erst wieder herausgibt
("emittiert"), wenn die übrigen Wirtschaftssubjekte, die Liquidität
für die Abwicklung ihrer Transaktionen brauchen, ihm dafür Zinsen zahlen,
verhält sich als funktionales Äquivalent zur Modellnotenbank Er läßt
Transaktionsliquidität verschwinden, weil er selbst keine Transaktionen
durchführen will. Er emittiert sodann wieder Liquidität, die er als solche
selbst nicht braucht, für die er aber Zinsen einstreicht.
b) Jeder idealtypische Anleger kann also als
Quasi-Notenbank aufgefaßt werden, die in Konkurrenz zur offiziellen Notenbank
die Vernichtung und Emission von Geld betreibt. Diese Beschreibung des
Vorganges mag unter herkömmlichem, monetaristischem Blickwinkel nichts sein als
eine kuriose und nicht weiter aufschlußreiche Interpretation privater
Kassehaltung. Liquiditätstheoretisch jedoch macht gerade diese Interpretation der
privaten Kassehaltung sinnfällig, worum es bei der "Anlegerkasse"
geht. Sie zeigt beiläufig auch, daß der Anleger nicht "Geld hortet",
bevor er es ausgibt, sondern vernichtet: sterilisiert oder paralysiert. (Was er
hortet oder "behält", ist die Kaufkraft, nicht die Liquidität).
Da die "Anlegerkasse" weitgehend ein
funktionales Äquivalent zur "Emissionskasse" der Modellnotenbank
.darstellt, kann hier Bezug genommen werden auf die Überlegungen zur
Nutzen-Kosten-Struktur der Modellnotenbank-Emissionskasse: Durch die
Nutzen-Kosten-Struktur der Emissionskasse sind wachsende Rückströme von Geld
(Quasi-Emissionsgewinne), wachsende Bestände auf der Seite der Anleger sowie
wachsende Verschuldung der übrigen Wirtschaft und Konzentrationsprozesse
vorprogrammiert, ohne daß dahinter echte realwirtschaftliche
Zukunftspräferenzen der Anleger stehen und ohne daß realwirtschaftliche Güter
hervorgebracht werden. Das erzeugt notwendig ein ebenso zunehmendes
gesamtwirtschaftliches Ungleichgewicht und läuft, gesamtwirtschaftlich, auf
selbstzerstörerische Prozesse hinaus.
Während die Modellnotenbank bei ihrer Emissionskasse noch
gewisse Herstellungs- und Verwaltungskosten trägt, hat der Anleger praktisch
keine Herstellungskosten und kaum Verwaltungskosten bei seiner Bereitstellung
von Liquidität für die übrige Wirtschaft. Damit verschärfen sich beim
idealtypischen "Anleger" noch die Ausgangsbedingungen insofern, als
das erwähnte Anschwellen der Rückströme und Anwachsen der Bestände sich
womöglich noch schneller vollziehen kann als bei der Modellnotenbank. Dies umso
mehr, als der private Anleger nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung verfährt,
während die Modellnotenbank wirtschafts- und währungspolitische Ziele verfolgt.
Andererseits wird der Vorgang durch Steuern gedämpft.
2. Recycling der Quasi-Emissionsgewinne von Anlegern
Während die Symptome des herkömmlichen
Geldemissionsprozesses bei der Modellnotenbank wenigstens noch insofern
entschärft werden können, daß die Gewinne aus dem Emissionsgeschäft auf dem
Wege über den Staatshaushalt sozialisiert werden, ist beim typischen
"Anleger" die endgültige Privatisierung der Emissionsgewinne
strukturell vorprogrammiert. Der Anleger also müßte, um die verhängnisvolle
Akzeleration in seinem Emissionsgeschäft von den Symptomen her zu beenden, die
Gewinne wieder dem Konsum oder eigenen Investitionen zuführen. Das jedoch
setzte voraus, daß der "Anleger" nicht mehr länger
"Anleger" ist: Er müßte die Liquidität in seiner Kasse wieder
Transaktionszwecken widmen.
IV. Von den mikroökonomischen Befunden zu
makroökonomischen Fragen
Soeben war von "vorprogrammiertem
Ungleichgewicht" die Rede. Auch andere Überlegungen deuteten schon weit
über den mikroökonomischen Horizont dieses ersten Kapitels hinaus. Insbesondere
die Überlegungen zur Nutzen-Kosten-Struktur der verschiedenen Kassen
provozieren jetzt mit aller Dringlichkeit makroökonomische Fragen.
Wenn nämlich mit Liquidität Netto-Nutzen-Ströme
zusammenhängen können, dann hat Liquidität aufgrund der Anziehungskraft solcher
Nutzenströme auf Wirtschaftssubjekte ganz bestimmte Antriebseffekte. Die Ströme
selbst bringen Lenkungs-, Allokations- und Verteilungseffekte mit sich. Wie
wirken sich diese unterschiedlichen Effekte und die Ströme auf die
Gesamtwirtschaft aus? Wie verschiebt sich das ökonomische Bild, wenn die
Wahrnehmungserwartungen und Deutungszusammenhänge nicht mehr länger
kapitaltheoretisch verzerrt, sondern liquiditätstheoretisch geklärt werden?