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Inhaltsverzeichnis: Optimale Liquidität

 


 

 

Kapitel aus: Suhr / Godschalk: Optimale Liquidität, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt am Main, 1986, ISBN 3-7819-0349-4

 

 

§ 12 Oeconomia Augustana: Optimale Versorgung der Wirtschaft  mit Liquidität und Kredit

 

Das kreditwirtschaftliche Konkurrenzkonzept, um das es im Folgenden geht, brauchte einen Namen. Bei dem Versuch, das Kind möglichst fremdsprachenneutral, also lateinisch zu tauten, fand sich kein geeignetes Adjektiv, dessen Assoziationen das zur Vorstellung brachten, worum es ging. Eher zufällig als absichtlich ergab sich dann die Kombination zwischen "oeconomia" und dem lateinischen Namen der Stadt Augsburg ("Auguste Vindelicorum"), in der das Konzept entstand: "OECONOMIA AUGUSTANA" abgekürzt: "OA", "OA-Liquidität", "OA-Bank", "OA-Konten" usw.

"Oeconomia Augustana" sagt zwar nun nichts Inhaltliches aus darüber, daß es um die Verwirklichung neutraler Liquidität unter Ausnutzung von Privatinitiative und Weltbewerb geht. Aber ein witziger Hintersinn rechtfertigt den Namen: Die Oeconomia Augustana verhält sich zu dem Glauben an Marktwirtschaft und Wettbewerb nicht ketzerisch„ sondern reformerisch, - so wie sich die Confessio Augustana zur christlichen Religion im Grunde nicht ketzerisch, sondern reformatorisch verhielt. Und so wie damals nicht zuletzt das System des Ablasses einen und den vielleicht letzten Anstoß zum kritischen Nachdenken gab, so ist es heute das monetäre System jener Zinsabgaben, die alle diejenigen abzuführen haben, die nichts anderes tun wollen, als miteinander ins Geschäft zu kommen, ohne schon über das dafür erforderliche sozio-ökonomische Verbindungs- und Vermittlungsmedium zu verfügen.

 

 

I. Die unternehmerische Idee

 

Seit Jahren ist die Wirtschaft durch Millionen von Arbeitslosen gekennzeichnet. Diese Arbeitslosen haben durchaus noch unbefriedigte Bedürfnisse. Sie würden gern für andere etwas leisten, um auf diesem Umweg Leistungen an sich selbst zu erbringen. Ein Millionenheer von Beschäftigungslosen zeigt unübersehbar an, daß in der davon betroffenen Volkswirtschaft ein ganz erheblicher, unbefriedigter Transaktionsbedarf und daher auch ein ähnlich großer Liquiditätsbedarf besteht: In einer Volkswirtschaft mit großer Arbeitslosigkeit ist die Zahl der Produzenten und Konsumenten, die sich die Ressource "Liquidität" wegen der hohen damit verbundenen Kapitalkosten nicht mehr leisten können, offenbar so groß geworden, daß sie zum gesamtwirtschaftlichen und menschlichen Problem ersten Ranges wird. Wer für diese liquiditätsbedürftigen Wirtschaftssubjekte preiswertere Liquidität anbieten kann, als die Geschäftsbanken heute zur Verfügung stellen, hat die unternehmerische Chance, für sein Produkt einen riesigen, durstigen Markt vorzufinden.

Schon während der Krisenzeiten in den dreißiger Jahren, als Liquidität aus anderen Gründen knapp war, wurde versucht, durch Ausgabe von Zahlungsmitteln, die mit Liquiditätskosten belastet waren, die Wirtschaft auf lokaler Ebene anzukurbeln. Die damaligen Konzeptes waren arbeitsmarktpolitisch motiviert. Sie waren nicht auf Gewinnerzielung gerichtet. Und gleichwohl entwickelten sie sich außerordentlich vielvorsprechend. Sie scheiterten am Ende jedoch daran, daß sie mit den staatlichen Notenmonopolen in Österreich und Deutschland in Konflikt gerieten. Die Oeconomia Augustana dagegen ist als kreditwirtschaftliches Konkurrenzprojekt gedacht, mit dem eine wendige Geschäftsbank ohne Verstoß gegen das Notenmonopol oder andere Vorschriften des Währungs- und Kreditaufsichtsrechts in Marktnischen vorpreschen kann, um ihren Geschäftsumfang auszuweiten und Gewinne zu erwirtschaften.

Wenn Geschäftsbanken Buchgeld schaffen können, dann sollte es auch möglich sein, dieses selbstgemachte Buchgeld so auszugestalten, daß es den Transaktionsbedarf der realwirtschaftlich tätigen Wirtschaftssubjekte besser und preiswerter befriedigt als die herkömmliche Liquidität: "Liquidität nach Maß"! Ob sich, wenn eine Volkswirtschaft im großen Stil mit dieser neuen Liquidität versorgt wird, auch das Geldmengenproblem i.S. der Quantitätstheorie marktmäßig löst oder lösen läßt, kann zwar erhofft werden, wird hier aber noch nicht untersucht.

 

 

II. Die Banktechnik der "OA‑Liquidität"

 

1. Liquiditätskosten und Kreditkosten

 

Bei der Oeconomia Augustana wird entsprechend den bisherigen Analysen (oben § 2 III) streng getrennt zwischen Kreditkosten im engeren Sinne und Liquiditätskosten.

Dementsprechend muß auch die OA-Bank die Kreditrisiken, die sich aus der mehr oder weniger guten Bonität ihrer Kunden ergeben, isoliert abschätzen. Die Risikoprämie, die als eine Art Quasi-Kreditversicherungs-Prämie bisher im Zins herkömmlicher Art unterging, muß nun getrennt ermittelt und eine auf sie bezogene vertragliche Grundlage geschaffen werden.

Im übrigen sollte die OA-Bank ihre Kosten und ihre Gewinne aus dem neuartigen Kredit- und Liquiditätsgeschäft im wesentlichen mit Hilfe eines Preises erwirtschaften, den sie von ihren Kunden für die Einräumung von. OA-Liquidität vereinbart. Bei dieser neuartigen OA-Liquidität auf den OA-Konten handelt es sich um einen Typus von Fremdliquidität, bei dem der jeweilige Kontoinhaber den Preis genau für die Liquidität zahlt, die er auf seinem Konto in Anspruch nimmt, und zwar für die Zeitspanne, während derer er Liquidität vorhält.

Die OA-Bank fordert also die einmalige oder laufende Risikoprämie von demjenigen ihrer Kunden, dem sie erstmals einen Kredit einräumt und von dem sie erwartet, daß er diesen Kredit termingerecht später mit OA-Liquidität zurückzahlt. Und sie fordert von diesem ersten Kreditnehmer Liquiditätskosten nur nach Maßgabe der Höhe und Dauer der Liquidität, die dieser erste Kunde auf seinem Konto stehen hat und stehen läßt. Dieser OA-Kreditnehmer wird von seinen Liquiditätskosten in dem Augenblicke frei, in dem er die ihm zur Verfügung gestellte Liquidität dazu verwendet, einer Zahlungsverpflichtung gegenüber einem Geschäftspartner nachzukommen.

Die Zahlung in OA-Liquidität funktioniert freilich nur, wenn auch die Geschäftspartner des OA-Kreditnehmers über OA-Konten bei der OA-Bank verfügen und bereit sind, Zahlungen in OA-Liquidität zu akzeptieren. Bei diesem Akzeptanzproblem liegt eine entscheidende praktische Schwierigkeit des Produktes, mit dem die OA-Bank auf dem Markt erscheint, und auf diese Schwierigkeit wird noch näher eingegangen werden. Hier jedoch geht es zunächst nur darum, die Banktechnik der Oeconomia Augustana in großen Zügen zu erläutern. Daher kann angenommen werden, daß die Geschäftspartner des OA-Kreditnehmers ebenfalls OA-Konten bei der OA-Bank unterhalten oder von dem OA-Kreditnehmer dazu überredet werden können, solche Konten zu eröffnen und sich zur Akzeptierung von OA-Liquidität bereitzuerklären. Dann trägt der Zahlungsempfänger, der vom OA-Kreditnehmer die OA-Liquidität auf sein Konto überwiesen erhält, die Liquiditätskosten der OA-Liquidität von dem Augenblick an, von dem nunmehr er über die Liquidität verfügt, und auch er trägt sie wiederum nur so lange, wie er nicht wieder selbst über seine OA-Liquidität disponiert und sie zu Zahlungszwecken einem Dritten überweist.

 

 

2. Refinanzierung

 

Die OA-Bank ist bei ihren Liquiditätsdiensten an die Rechtsordnung gebunden und muß bankbetriebswirtschaftlichen Notwendigkeiten Rechnung tragen. Sie kann also nur im Rahmen ihrer Liquiditätsreserven Liquidität zur Verfügung stellen. Soweit es dabei um die Barreserve geht, die zu Auszahlungszwecken vorgehalten werden muß, ist zu erwarten, daß verhältnismäßig weniger Kunden zur "Abhebung" von OA-Liquidität in bar neigen als Kunden mit herkömmlichen Sichtguthaben (vgl. unten bei 3 c und g!). Also ist auch der bankbetriebswirtschaftliche Spielraum für die Emission von OA-Liquidität insoweit wohl etwas größer als bei der herkömmlichen Liquidität.

Der Einfachheit halber sei davon ausgegangen, die OA-Bank müsse sich die Liquidität, die sie auf neue Art und Weise billig anbieten will, auf dem bisherigen Geld- und Kapitalmarkt besorgen. Dann hat sie Geldbeschaffungskosten, die in ihre Kalkulation miteinfließen.

So eigenartig es auf den ersten Blick anmuten mag: Die OA-Bank kann ihre konventionell aufgenommene Liquidität, für die sie herkömmliche Zinsen zahlt, in OA-Liquidität transformieren, wobei sie mit entsprechender Spanne ihre Kosten an die Inhaber von OA-Konten weitergibt, indem sie die auf diesen Konten gehaltene Liquidität belastet. Die herkömmlichen Zinskosten werden also mit den neuartigen Erträgen aus der Belastung der jeweils vorgehaltenen Liquidität mit hereingewirtschaftet. Statt daß, wie bisher, der erste Kreditnehmer allein mit seinen Zinsen den Löwenanteil der Kosten trägt, teilen sich jetzt die OA-Kunden nach Maßgabe ihrer Inanspruchnahme von OA-Liquidität in die Kosten. Das entlastet den ersten ganz erheblich und belastet die anderen nur sehr geringfügig, da sie über Höhe und Dauer ihrer Vorhaltung von Liquidität bestimmen können.

 

 

3. Einzelheiten

 

a) Die OA-Bank bietet ihren bisherigen "konventionellen" Kunden die Eröffnung von OA-Konten an, auf denen sie diesen Kunden Liquidität zur Verfügung stellt, für die keine herkömmlichen Zinsen, sondern nur Liquiditätskosten berechnet werden, und zwar unabhängig davon, ob das Guthaben aus Kredit der Bank oder aus eigenen Mitteln (dazu oben § 11 II und unten bei g!) stammt. So wie Banken bisher mit einer Spanne zwischen ihren Zinsaufwendungen und Zinserträgen gearbeitet haben, so muß auch die OA-Bank für die Einräumung von Liquidität einen Preis verlangen, bei dem sie auf ihre Kosten und in die Gewinnzone kommt. Ihre Liquiditätsreserven verschafft sie sich auf den heutigen Geld- und Kapitalmärkten (bis sich das OA-System aus sich selbst refinanziert, siehe unten bei e!)

b) Die Überweisungen von OA-Konto zu OA-Konto vollziehen sich nicht anders als Überweisungen von herkömmlichen auf herkömmliche Konten wie bisher auch. Der Unterschied besteht darin, dass in diesem Kredit- und Liquiditätssystem letztlich keine „Zinsen“ im herkömmlichen Sinne mehr anfallen. Die Liquiditätskosten, die an die Stelle der Zinsen treten, trägt immer der, der die Liquidität auf dem Konto hat.

c) Will ein Kunde von seinem OA-Guthaben herkömmliches Bargeld "abheben", so verliert die Bank die Möglichkeit, den Weg dieser konventionellen Bargeldliquidität zu verfolgen und ihren Preis für die Überlassung der Liquidität immer bei demjenigen einzufordern, der über das Geld verfügt. Sie muß sich daher an denjenigen ihrer Kunden halten, der Bargeld abhebt, und ihm weiterhin die Liquiditätskosten berechnen, bis er das Bargeld als solches zurückzahlt.

Ein Kunde also, der OA-Liquidität in herkömmliche Bargeldliquidität verwandelt, wird so behandelt, als entnähme er dem OA-Liquiditätssystem einen herkömmlichen "Kredit": Er zahlt echte Zinsen.

d) Wie der Fall der Barabhebung, so wird auch der Fall abgewickelt, daß ein Kunde von seinem OA-Konto Überweisungen auf herkömmliche Konten in Auftrag gibt: Dieser Kunde steigt aus dem neuartigen Kredit- und Liquiditätssystem aus wie ein Barabheber und wird ebenfalls so behandelt, als nähme er zu Lasten des OA-Systems einen herkömmlichen Kredit in Anspruch: Auch er zahlt echte Zinsen.

e) Inhaber von OA-Guthaben, die z.Zt. keinen Transaktions- oder sonstigen Zahlungsbedarf haben, werden durch die laufenden Liquiditätskosten besonders stark dazu motiviert, ihr Guthaben "anzulegen". Wie im heutigen System die entgehenden Zinsen (Opportunitätskosten), so motivieren im OA-System die Liquiditätskosten, Kassehaltung in Richtung auf ein Minimum zu optimieren. Diese Vorgänge des Sparens und Anlegens spielen sich ganz ähnlich ab wie das Sparen und Anlegen im alten System. Die Motivierungs-, Lenkungs- und Allokationsfunktion der Zinsen bleibt als Motivierungs-, Lenkungs- und Allokationsfunktion der ersparten Liquiditätskosten nicht nur erhalten; sie wird sogar wesentlich verbessert.

Der Unterschied liegt in Folgendem: Der Vorteil, den man durch Sparen und Anlegen erwirtschaften kann, besteht im OA-System dem Typus nach in ersparten Liquiditätskosten, also in vermiedener Bestandsverringerung, während man beim Sparen und Anlegen im alten System dem Typus nach echte Einnahmen erwirtschaftet und Bestandsgewinne in Höhe des Realzinses erwirtschaften kann.

f) In dem Umfange, wie Zahlungsvorgänge in OA-Liquidität zunehmen, entstehen monetäre Märkte, die den heutigen Geld-, Kapital- und Devisenmärkten entsprechen, und zwar auch für den An- und Verkauf von OA-Liquidität in herkömmlichen Geld.

g) Die „Einzahlung“ von herkömmlichem Bargeld auf ein OA-Konto würde dazu führen, dass der Einzahler auf den Liquiditätsnutzen seiner guten herkömmlichen Bargeldliquidität ohne Gegenleistung verzichtet. Er würde die für ihn kostenlose Liquidität in für ihn kostenträchtige umtauschen. Um diesen Nachteil zu vermeiden, wird er in der Regel sein herkömmliches Bargeld eher bei der OA-Bank auf herkömmliche Weise anlegen (Sparbuch, Termingelder, Obligationen) und dann einen OA-Kredit in Anspruch nehmen, für den seine Anlage als Sicherheit fungiert. Das ist die Konsequenz der Tatsache, daß die OA-Liquidität immer Fremdliquidität im Sinne eines Liquiditätsdienstes der OA-Bank ist, der auch als solcher vergütet werden muß: unabhängig davon, ob das Guthaben auf dem Konto aus kreditierter Kaufkraft oder z.B. aus einer Vergütung herrührt, die aus einer Zahlung in OA-Liquidität herstammt (oben § 11 III).

 

 

III. Marketingprobleme

 

Die eigentlichen Probleme der neuen Kredit- und Liquiditätstechnik sind zunächst Marketingprobleme: Sie bestehen weniger in den banktechnischen und bankbetriebswirtschaftlichen Einzelheiten, die eben angedeutet wurden, als vielmehr darin, daß das neue und den Kunden nicht vertraute kredit- und liquiditätswirtschaftliche Produkt auf den Markt und an den Mann gebracht werden muß. Zwar bietet die OA-Bank optimale, nämlich minimierte Kosten für die Verrechnungstransaktionen, die im Zusammenhang mit der Abwicklung von wirtschaftlichen Transaktionen anfallen. Hiervon müssen die Kunden jedoch erst überzeugt werden, und zwar trotz der Tatsache, daß die neuartige Liquidität auf dem Konto zunächst einmal Kosten verursacht, also nicht billiger, sondern teurer ist als die alte. Wer will schon Liquidität auf dem Konto haben, für die er Liquiditätskosten zahlen muß, wenn er, etwa als Verkäufer, andere Liquidität alter Art und Güte bekommen kann?

Die Antwort ist an sich einfach: Alle, die Kredit zur Deckung ihres Liquiditätsbedarfs in Anspruch nehmen, fahren im neuen System günstiger. Bei genauerem Hinsehen erweist sich zudem, daß langfristig überhaupt alle realwirtschaftlich tätigen Produzenten und Konsumenten bei ihren Geschäften des Produzierens, Konsumierens, Kaufens und Verkaufens mit der neuen Liquidität sehr viel besser fahren als mit der alten. Nachteilig kann sich das neue Kredit- und Liquiditätssystem auf lange Sicht nur für diejenigen Haushalte auswirken, die bisher auf direktem oder indirektem Wege insgesamt mehr Zinsen und Renditen einnehmen, als sie selbst zahlen, die also privat über einen positiven Netto-Zinssaldo verfügen.

Eine OA-Bank, die mit dem Angebot ihrer neuartigen Liquidität in den Markt eindringen will, muß also zusehen, daß sie besonders interessierte Anwärter anspricht und für das System gewinnt. Besonders interessiert sind alle Unternehmer, vor allem, wenn und soweit sie mit Fremdkapital arbeiten. Interessiert müßten auch alle Konsumenten sein, wenn und soweit sie Konsumentenkredite in Anspruch nehmen wollen. Vor allem die öffentliche Hand, die unter hohen Zinslasten leidet, aber nach wie vor hohen Transaktionsbedarf hat, kommt als potentieller und wichtiger Kunde in Betracht. Können die übrigen Kunden der OA-Bank zuverlässig erwarten, daß sie ihre öffentlichen Abgaben, oder wenigstens, daß sie ihre Kommunalabgaben in OA-Liquidität abwickeln können, so kann sich jeder schon ausrechnen, welche Vorteile ihm das System auch dann bringt, wenn die Akzeptanz der OA-Liquidität im übrigen zunächst nur geringe Fortschritte macht.

Es ist klar, daß Unternehmen, die unter Liquiditätsengpässen leiden und denen der Konkurs droht, besonders geeignete Adressaten einer Marketing-Strategie sind, und daß gerade in solchen Fällen auch die öffentliche Hand und die Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze gefährdet werden, bereit sein könnten, auf einen Teil ihrer Abgaben- und Lohnforderungen OA-Liquidität zu akzeptieren.

Das Akzeptanzproblem des neuen Kredit- und Liquiditätssystems besteht in der paradoxen Situation, daß die letztlich preiswertere Liquidität zugleich die auf dem Konto teurere Liquidität ist. Die OA-Bank steht also vor der Aufgabe, ihren Kunden klarzumachen, daß sich die im neuen System anfallenden Liquiditätskosten, was die Größenordnungen angeht, in keiner Weise vergleichen lassen mit Zinsen für herkömmliche Kredite, daß, ganz im Gegenteil, die geringfügigen Liquiditätskosten, die man für die jeweiligen Guthaben in Kauf nehmen muß, in der Regel bei weitem aufgewogen und überkompensiert werden erstens durch die Zinsen herkömmlicher Art, die man im Falle von Krediten eingespart, und zweitens durch den Profit aus dem (zusätzlichen) Geschäft, das zustandekommt, wenn man eine OA-Zahlung als Vergütung von jemandem akzeptiert, der einen billigen OA-Kredit erhalten hat und dadurch befähigt wurde, eine Transaktion abzuwickeln, die er bei höheren Liquidisierungskosten nicht vorgenommen hätte.

Bedenkt man gar, wieviel Kapital-, also letztlich Zinskosten in den Preisen stecken, und daß auch diese Kosten sinken, wenn die Unternehmer ihre Transaktionen zu günstigeren Bedingungen finanzieren können, zeigen sich die Vorteile des neuen Systems noch deutlicher. Aber der Einzelne muß halt je nach Situation begreifen, daß es für ihn als Unternehmer, als Händler, als Konsument oder als Arbeitnehmer auf die eine oder andere Weise jedenfalls nicht nachteilig ist, sich mit einem OA-Konto in das neue Zahlungsnetzwerk einzufädeln.

Eine OA-Bank mit noch wenig Teilnehmern steht vor den gleichen Schwierigkeiten wie ein Barter-Club mit wenig Mitgliedern: Das jeweilige Verrechnungsnetzwerk ist noch so klein, daß es große Nachteile für die Betroffenen mit sich bringt. Wird jedoch erst einmal die kritische Teilnehmerzahl überschritten, so daß diese Anfangsnachteile in den Hintergrund treten, rücken ganz von selbst die Kostenvorteile in den Vordergrund. Zudem ist jeder Teilnehmer im OA-Netzwerk daran interessiert, seine Geschäftspartner für das System zu gewinnen, eben um die Vorteile in größerem Umfange genießen zu können. Insofern wachsen die Chancen, sich fest im Markt zu etablieren, genau in dem Maße, wie man die Anfangsschwierigkeiten überwinden kann.

Banken und Sparkassen wissen ein Lied davon zu singen, daß das herkömmliche Bargeld, das bis vor kurzem noch eis kostensparendes Tauschmittel gepriesen wurde, eine schon fast altertümliche, kostenintensive Technik für die Abwicklung von Kaufkraftverrechnungen darstellt. Man erhofft sich Kostensenkungen von elektronischen Zahlungsmitteln, insbesondere von Chips, die mit Guthaben geladen und praktisch wie Bargeld verwendet werden. In dem Maße, wie diese Techniken in den Alltag eindringen, kann die Kredit- und Liquiditätstechnik der Oeconomia Augustana auch bei der Abwicklung von Zahlungsvorgängen Verwendung finden, bei denen bisher auf Münzen und Banknoten noch nicht verzichtet werden kann.

Die OA-Bank trägt das Risiko der Startschwierigkeiten beim ersten Einstieg; sie hat aber auch die Chance, mit ihrem Produkt in eine Marktnische von Ausmaßen vorzustoßen, wie sie heute selten geworden sind. Das kann ihr, wenn sie es geschickt anfängt, einen Wettbewerbsvorsprung sichern. Sie kann als erste Erfahrungen sammeln, ihre Produktpalette variieren und hinterher das Wohlwollen nutzen, das dem Initiator einer so segensreichen Einrichtung wie der neutralen Liquidität am Ende entgegengebracht werden dürfte.

Auch die Politiker einer Stadt oder Gemeinde könnten ein Interesse daran haben, daß der Name ihrer Kommune mit der Initiative verbunden wird und zum Ziel von Besuchern wird, die sich für das neue Kredit- und Liquiditätssystem interessieren.

 

Wie könnte OA-Liquidität das Licht der Welt erblicken? Folgende Ansätze bieten sich an:

- Eine herkömmliche Bank oder Sparkasse entschließt sich, neue Produkte nach dem OA-Modell auf den Markt zu bringen.

- Interessenten, die sich Vorteile aus dem Aufbau eines OA-Netzes versprechen, treten an ein dafür ausgewähltes Kreditinstitut heran und bitten darum, für sie OA-Konten zu eröffnen. Je mehr Interessenten sich zusammenfinden, desto besser. Dabei können sie das Geld, das ihnen auf die neue Art und Weise zur Verfügung gestellt werden soll, in herkömmlicher Liquidität mitbringen, zu herkömmlichen Bedingungen bei dem Kreditinstitut anlegen und es sich dann zu den gewandelten Bedingungen wieder als OA-Liquidität zur Verfügung stellen lassen.

- Interessenten tun sich zusammen und gründen - z.B. weil kein herkömmliches Kreditinstitut an den OA-Geschäften Interesse zeigt - selbst eine Bank.

- Vielleicht findet sich ein couragierter Banker, der, frustriert von der Art und Weise bisheriger Kredit- und Liquiditätsdienste, einmal ein Banking betreiben will, das ihm wieder so richtig Spaß macht.

 

 

IV. Rechtliche Unbedenklichkeit

 

Da die OA-Bank mit privatem Buchgeld, nicht mit offiziellem Noten- und Münzgeld arbeitet, steht ihrem Vorhaben das währungsrechtliche Notenmonopol der Zentralbank nicht im Wege. Die OA-Bank schafft keine unzulässige Notenliquidität, sondern arbeitet mit üblicher Buchgeldliquidität. Sie reizt nur die Möglichkeiten besser aus, die die Freiheit der Banken zur Privatgeldproduktion für die Entwicklung von Produkten des Liquiditäts- und Kreditgewerbes allen bietet, die mit genug Beweglichkeit, Initiative und unternehmerischem Elan ans Werk gehen.

Das Buchgeld der OA-Banken unterliegt insbesondere den Vorschritten des Kreditwesengesetzes. Die OA-Bank hat ihren Mindestreservepflichten bei der OA-Liquidität nicht anders zu genügen als bei herkömmlicher Buchgeldliquidität auch. So bleibt die Geldmenge wie bisher unter Kontrolle. Etwaige Steigerungen in der Umlaufgeschwindigkeit bei den OA-Anteilen der wirksamen Bargeldmenge können mit herkömmlichen Mitteln der Zentralbank neutralisiert werden.

Bedenken können sich aus § 3 Nr. 3 KWG ergeben, und zwar insoweit, als dort bestimmt ist, daß im Depositen- und Kreditgeschäft die Barabhebung nicht wesentlich erschwert werden darf. Aber kurzes Nachdenken zeigt, daß diese Bedenken nicht stichhaltig sind: Die OA-Liquidität ist ihrem Konzept nach Fremdliquidität, und zwar bei jedem Kontoinhaber. Die Inhaber von OA-Konten kommen sehr leicht an Kredit heran, nämlich insofern, als sie dafür keine herkömmlichen Zinsen, sondern nur Liquiditätskosten zu entrichten haben. Diese Erleichterungen beziehen sich freilich nur auf die OA-Liquidität auf den OA-Konten. Optiert ein Kunde dann dafür, auf die Erleichterungen der OA-Liquidität zu verzichten und Kredit nachherkömmlichen Muster in Anspruch zu nehmen, dann muß er sich wie bisher damit abfinden, daß er Bargeldkredite oder Buchgeldkredite bisheriger Art nur erhält, wenn er entsprechende Zinsen zahlt.

Innerhalb der Oeconomia Augustana wird also nicht die Barabhebung erschwert, sondern nur die Aufnahme von Krediten erleichtert, so daß, relativ zu dieser Erleichterung, die Barabhebung im OA-Netz als schwieriger erscheint. Doch diese Schwierigkeit ist nichts anderes als die allgemeine Schwierigkeit, die heute für jedermann besteht, der seine Transaktionen mit Fremdliquidität bezahlen muß.

Die neutrale Liquidität der Oeconomia Augustana mit ihrer nur scheinbaren Erschwerung der Barabhebung veranschaulicht zum erstenmal, mit welchen absurden Transaktionskosten die Produzenten und Konsumenten unserer Volkswirtschaft belastet sind und welche einfachen kredit- und liquiditätstechnischen Vorkehrungen diesen dysfunktionalen Belastungen ein Ende bereiten können.

Es ist der Sinn des Wettbewerbes als eines Entdeckungsverfahrens innerhalb der Marktwirtschaft, daß Wirtschaftsteilnehmer, die mit erfindungsreichen Produkten Marktlücken schließen, sich durch diesen ihren Erfindungsreichtum und Unternehmergeist einen mehr oder weniger großen, vorübergehenden Wettbewerbsvorsprung erarbeiten können. Keine Geschäftsbank, keine Sparkasse, kein Kreditinstitut ist gehindert, dem Vorbild der ersten OA-Bank zu folgen. Auf die Oeconomia Augustana ist kein Patent angemeldet. Auch wird die OA-Bank sich nicht sperren, sich Clearing-Stellen anzuschließen, weil sie sich sonst schnell selbst schaden würde. Es ist nicht ersichtlich, unter welchem Gesichtspunkt die OA-Liquidität auf wettbewerbliche Bedenken stoßen könnte.

Soweit man argwöhnen könnte, daß OA-Bank-Kunden gegenüber anderen Unternehmern einen Wettbewerbsvorteil haben, weil sie über preiswertere Liquidität verfügen, lassen sich die Vorbehalte auch schnell zerstreuen: Es steht jedermann frei, sich dem OA-Liquidisierungsnetzwerk anzuschließen, eigene entsprechende Netze zu organisieren oder die Hausbank dazu zu bewegen, gleich günstige Liquiditätsdienste einzurichten.

Trotz der fast offensichtlichen rechtlichen Unbedenklichkeit der Oeconomia Augustana ist zu erwarten, daß sich mit genügendem juristischem Geschick aus dem einen oder anderen Gesetz Vorbehalte gegen die neue optimale Liquidität herausholen lassen, wenn man es darauf anlegt, ein Haar in der Suppe zu finden, insbesondere, um betroffene Interessen zu wahren. Welche Argumente aber dann auch immer zu Tage gefördert werden, - stets gilt es dann zu bedenken: Nicht die projektierte neutrale, optimale Liquidität und nicht die neue, endlich gerechtere Kredittechnik gibt Anlaß zu rechtlichen Bedenken, sondern die hergebrachten Verfahren für die Gewährung von Kredit und für die Organisation von Liquidität.

Die hergebrachte Kredit- und Liquiditätstechnik widerspricht in mehrerlei Hinsicht Grundrechten und Prinzipien unserer Verfassung (76): Sie schränkt durch ungerechtfertigte Abgaben an Private (Zinsen, insofern sie Preis für unverdiente Liquiditätsvorteile sind) die Transaktionsfreiheit, also die Vertragsfreiheit deutlich ein (Art. 2 Abs. 1, 14 Abs. 1 Satz 1 GG, aber auch Art. 9 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG). Sie privilegiert Vermögende, für die entbehrliche Liquidität zur Pfründe wird, gegenüber den Produzenten und Konsumenten, für die Liquidität ein existentielles Transaktionsmedium darstellt; sie schafft asymmetrische Vertragssituationen; kurz, sie ist unvereinbar mit dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Sie subventioniert und alimentiert die Wohlhabenderen zu Lasten der Produzenten und Konsumenten und ist daher unvereinbar mit dem Gebot "sozialer" Staatlichkeit (Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 Satz 1 GG). Sie sorgt dafür, daß die Volkswirtschaft auf Ungleichgewichtigkeit vorprogrammiert ist, entspricht also nicht dem Verfassungsprinzip des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts (Art. 109 Abs. 2 und Art. 104a Abs. 4 Satz 1 GG).

Da also das zentrale monetäre Kredit- und Liquiditätssystem gewissermaßen im Kernpunkt seiner Funktionen und im großen Stil verfassungswidrig ist, gebietet der Grundsatz der verfassungskonformen Auslegung von Gesetzen wenigstens, daß die bestehenden Gesetze im Rahmen dessen, was nach ihrem Wortlaut möglich ist, so interpretiert werdern, daß die Wege zu einer monetären und Kreditpraxis, die der Verfassung entspricht, nicht mit juristischer Kunst abgeschnitten, sondern geebnet werden.

Die Annäherung des Liquiditäts- und Kreditsystems an die Grundrechte und an die erwähnten Verfassungsprinzipien liefe im übrigen zugleich auf eine ökonomische Optimierung hinaus; denn bei näherem Hinsehen zeigt sich: "optimales Geld" im ökonomischen Sinne und "gerechtes Geld" im rechtsphilosophischen oder verfassungsrechtlichen Sinne sind im wesentlichen deckungsgleich.