Dokumentation
des Symposiums
Für
einen neuen Geldpluralismus
-
bietet eine Vielfalt von komplementären Währungen einen Weg aus der Krise?
15. bis 18. Juni 2000
im Lebensgarten Steyerberg
Leitung:
Margrit und Declan Kennedy
Co-Moderation:
Roland Spinola
Dokumentation:
Volker Freystedt
Herausgegeben
durch:
Margrit & Declan Kennedy
Ginsterweg 4-5
31595 Steyerberg Fax: 05764-2368
e-mail: margritkennedy@t-online.de
www.margritkennedy.de
INHALT
Seite
VORTRÄGE
Margrit Kennedy +
Declan Kennedy: Ziele des Symposium 03
Bernard Lietaer: Das
Geld der Zukunft 06
Helmut Creutz: Monetäre Größenordnungen
und
Zusammenhänge 16
Eckhard Grimmel: Zum
Rechtsstatus der Bundesbank und der EZB 24
Erhard Glötzl: Welche Probleme können
Komplementärwährungen
lösen? 29
Johannes Heinrichs: Anmerkungen
und Fragen zum Geld
der Zukunft 37
Wolfgang Gebauer: Globale
Währungsordnung 42
Hugo T.C. Godschalk: Das Geld
der Zukunft 52
Bernd Senf: Weiser als die Weisen 59
Reinhard Deutsch: Falschgeld 62
Gero Jenner: Der Mythos vom
ökonomischen Gleichgewicht 65
WORKSHOPS 68
Helmut Creutz: Zur Theorie der
multiplen Geldschöpfung 69
Erwiderung
auf die Argumente der
Geldschöpfungs-Befürworter 73
Erhard Glötzl: Zusammenfassung der
Erkenntnisse aus
der Diskussion um die
Geldschöpfung 75
SCHLUSSVORTRAG
Bernard Lietaer: Mysterium
Geld 82
LITERATURHINWEISE 85
ANMERKUNG
Eugen Drewermanns Vortrag: Und vergib uns unsere Schuld – von der
Haltung Jesu zu Kredit und Zins ist
nicht in der Dokumentation enthalten - wesentliche Gedanken sind in den unter
“Literaturhinweise” enthaltenen Büchern des Autors zu finden.
Professor Dr. Margrit Kennedy,
Dipl.-Ing.
Kurzbiographie:
1959 - 66 Studium der Architektur an der Technischen
Hochschule Darmstadt
1966
- 79 Praxis als freie und als
angestellte Architektin und Stadtplanerin in Deutschland, Nigeria, Schottland,
USA
1979 - 84 Leitung
des Forschungsbereichs Ökologie/Energie und Frauenprojekte bei der
"Internationalen Bauausstellung Berlin 1987"
seit
1985 Aufbau eines ökologischen und
sozialen Modellprojekts "Lebensgarten Steyerberg" bei Nienburg/Weser,
Niedersachsen
seit
1987 Veröffentlichungen zum Thema
"Geld ohne Zinsen und Inflation - ein Tauschmittel das jedem dient"
seit 1991 Professorin für "Technischen Ausbau und
Ressourcensparendes
Bauen",
Fachbereich Architektur, Universität Hannover
Professor Dipl.-Ing. Declan Kennedy
Kurzbiographie:
1952 - 61 Studium der Architektur und Städtebau in
Dublin und Darmstadt
1972 - 86 Prof. für das Fachgebiet "Entwerfen -
Infrastruktur im Stadtbaubereich" im Fachbereich Architektur der Technischen
Universität Berlin.
1975 - 78 2.
Vize-Präsident der TU Berlin
seit 1982 Vorträge und Entwurfsseminare in Deutsch und
Englisch über das Thema Permakultur , Ökodörfer und Zinsfreies Geld
in verschiedenen europäischen
Ländern, in Afrika, Asien, Süd-Amerika und den USA.
seit 1985 Aufbau des Ökodorfs: Lebensgarten Steyerberg,
Niedersachsen
1994 Mitbegründer: Global Eco-village Network
(GEN)
1995 - 99 Leiter des Europäischen Büros und (seit 1996)
Vorsitzender des Aufsichtrates von GEN
seit 1997 Mediation, Empowerment und Ecovillage
Trainings
Margrit
Kennedy & Declan Kennedy:
ZIELE DES
SYMPOSIUMS
Das Symposium
"Für einen neuen Geldpluralismus - Bietet eine Vielfalt von komplementären
Währungen einen Weg aus der Krise?" diente als Diskussionsforum für die
Thesen und den Beitrag von Bernard Lietaer zur Lösung der Geldproblematik, die
er in seinem Buch "Das Geld der Zukunft" dargestellt hat. Insgesamt
zehn Experten waren gebeten worden, das Buch zu lesen und ihre Meinungen vor
dem Symposium schriftlich zu formulieren sowie untereinander auszutauschen,
damit eine gut vorbereitete Diskussion stattfinden konnte.
Als Einleitung für
die etwa 60 TeilnehmerInnen baten wir Herrn Lietaer um einen zusammenfassenden
Vortrag zum Thema seines Buches, sowie eine ausführlichere Darstellung der
globalen Referenzwährung (Global Reference Currency, abgekürzt GRC), die er
TERRA nennt. Diese war sowohl im Buch wie auch in den verschiedenen Kommentaren
zu kurz gekommen, erschien uns aber als einer der wesentlichsten Beiträge zu
einer praktischen Lösung der gegenwärtigen Geld- und Währungsproblematik.
Die Diskussion um die
TERRA wurde dann zu einem der Hauptschwerpunkte der Tagung, wie sich aus den
zahlreichen, in dieser Dokumentation enthaltenen, Fragen und Antworten ablesen
läßt. Die vorliegende Zusammenfassung bietet in soweit die aktuellste und umfassendste
Darstellung des TERRA-Konzepts.
Ein weiterer
Schwerpunkt entwickelte sich um das Thema "Geldschöpfung". Der Anstoß
dazu ist Helmut Creutz zu verdanken. Das die Diskussion und das Ergebnis hier
in ausführlicher Form einfließen konnten, hat Erhard Glötzl ermöglicht. Der
Ansatz, der von ihm und Helmut Creutz vertreten wird, und der von der
überwiegenden Mehrheit der Diskussionsteilnehmer des Workshops schlußendlich
mitgetragen wurde, steht diametral im Widerspruch zu einigen Textstellen in den
Büchern von Bernard Lietaer, zu vielen Lehrbüchern und zu der Ansicht von
Reinhard Deutsch, die er auch in seinem Beitrag "Falschgeld"
formuliert. Herr Deutsch hat diese Diskussion im Anschluß an die Tagung im
Internet[1] fortgeführt, was uns
zeigt, daß an diesem Punkt offensichtlich noch immer Diskussionsbedarf besteht.
Aufbau und Erstellung der Dokumentation
Die Beiträge der
verschiedenen Autoren geben sowohl die schriftlichen Stellungnahmen wieder, um
die wir vor dem Symposium gebeten hatten, wie auch mündliche Vorträge und
Diskussionsbeiträge. Zum Teil hat Volker Freystedt, der die Hauptarbeit an
dieser Dokumentation geleistet hat, diese Beiträge aber auch gekürzt und
editiert, um Redundanz zu vermeiden. Diese Passagen sind in kursiv gesetzt.
Wolfgang Gebauer
schickte uns als Beitrag zur Diskussion einer globalen Währungsordnung einen
Abschnitt aus seinem neuen und noch unveröffentlichten Buch, den wir hier
gekürzt wiedergeben, während der Vortrag von Eugen Drewermann in seiner Gänze
den Rahmen dieser Dokumentation gesprengt hätte. Widersprüche, die dadurch
entstanden sind, daß einzelne Beiträge vor der ausführlichen Präsentation
seiner Thesen durch Bernard Lietaer geschrieben wurden, haben wir nicht
editiert oder kommentiert. Wir sind der Ansicht, daß sich jede/r Leser/in eine
eigene Meinung zur Richtigkeit der Argumentation bilden soll. Die Vielfalt der
Sichtweisen stellt u.E. den Hauptreiz zum Lesen dieser Dokumentation.
Danksagung
Wir möchten an dieser
Stelle allen danken, die zum Gelingen des Symposiums beigetragen haben, bei
der Vorbereitung, der Durchführung und Nachbereitung, insbesondere aber den
Experten und TeilnehmerInnen, die durch ihre Beiträge, Fragen und Kommentare
viel zur Erhellung wenig bekannter Zusammenhänge beigetragen haben.
Zum Schluß möchten wir noch einmal
Bernard Lietaer für seine Offenheit und Diskussionsfreude danken und Volker
Freystedt für seine Bemühungen, das Ergebnis so kurz wie möglich und so
ausführlich wie nötig aufzubereiten.
Professor Dr. Bernard A. Lietaer
Kurzbiographie:
Prof. Bernard A.
Lietaer war Zentralbankier in Belgien, wo er für die Einführung des ECU
verantwortlich zeichnete; er beriet die peruanische Regierung bei der
Optimierung von Währungsgeschäften; als Präsident des elektronischen
Zahlungssystems in Belgien hat er ebenso gearbeitet wie als Geschäftsführer des
Hedgefonds Gaia Hedge II.: Außerdem unterrichtete er an der Sonoma State
University in Kalifornien archetypische Psychologie, und am Institute for
Sustainable Resources der Universität Berkeley nachhaltiges Wirtschaften.
Weitere Informationen
und Kontakte über www.futuremoney.de (auf Deutsch) und
www.transaction.net/money/ (auf Englisch).
Prof. Bernard A. Lietaer greift zunächst in seinem
Vortrag die Kerngedanken seines Buches “Das Geld der Zukunft” auf, um dann sein
Hauptanliegen, die Komplementärwährung TERRA, ausführlich zu erläutern. Er habe
inzwischen festgestellt, daß er in seinem Buch gerade diesen Bereich
offenkundig zu knapp behandelt hat, denn es tauchen immer wieder Verständnisprobleme
auf. Diese sollen in seinem Referat und den Diskussionen beseitigt werden. Auf
die Hauptaspekte, die er in seinem Buch “Geld Mysterium” angesprochen hat, ging
Bernard Lietaer am Ende der Veranstaltung ein.
Bernard Lietaer
DAS GELD DER
ZUKUNFT - über die destruktive Wirkung des existierenden Geldsystems
und die Entwicklung von Komplementärwährungen
Bernard Lietaer beginnt seinen Vortrag
mit einer Frage an die Anwesenden: Wer glaubt nicht, daß unser Geldsystem einen
fundamentalen Fehler hat? Das Ergebnis: niemand. Sein Kommentar: dies ist das
erste Mal, daß er ein Publikum erlebt, bei dem solch eine Einigkeit in bezug
auf dieses Thema besteht. Es ist aber nicht das erste Mal, daß Leute sich
Gedanken über die Fehler im Geldsystem machen. Deshalb ist für ihn die Frage
wichtig: warum ist das Geld immer wieder Thema für Veränderungswünsche?
Zwei Menschen, die
sich sehr mit der Geldproblematik beschäftigt haben, sind hier besonders zu
erwähnen:
- Silvio Gesell: durch ihn gab es in den 20er- und30er-Jahren
eine große Bewegung für eine Veränderung des Geldwesens. Hätte zu dieser Zeit
eine Volksabstimmung zur Reform des Geldwesens stattgefunden, sie hätte eine
Mehrheit erhalten. Gesell hat 18 Bücher geschrieben; ihm verdanken wir weit
mehr an Beiträgen zu einer Geldtheorie als Irving Fisher. Trotzdem geriet
Gesell fast in Vergessenheit; sein Tod 1930 wurde nur als kurze Notiz vermeldet
(wahrscheinlich wird sein 100. Todestag um so stärker begangen werden – V.F.).
- John Maynard Keynes: im Gegensatz zu Gesell war
dieser sehr bekannt und hoch geschätzt. Er war Eliteprofessor, arbeitete im
britischen Finanzministerium. England war zu dieser Zeit Zentrum der
finanziellen Welt. Aber auch Keynes ist mit seinem Konzept des Banker gegen
eine Wand gelaufen, obwohl er sonst mit
seinen Thesen von allen ernstgenommen wurde.
Die Schlußfolgerung
von Bernard Lietaer: sowohl von den Graswurzelbewegungen her als auch von der
etablierten Wissenschaft aus war eine Änderung des Geldsystems nicht möglich.
Wenn man aber ein System durch einen Angriff nicht ausschalten kann, so macht
man es nur stärker. Denn es bilden sich viele Abwehrmechanismen aus; enttäuschte
Hoffnungen auf Seiten der Reformer stärken zusätzlich das System. Alle
Geldreformversuche seit mindestens 250 Jahren kann man als gescheitert bezeichnen.
Deshalb sei es vergeblich, das System insgesamt zu ändern. Auch wenn er mit
allen Reformern sympathisiert, ist er selbst überzeugt, daß man andere Wege
suchen muß.
Bernard Lietaer
selbst hat im System gearbeitet und versucht, von dort aus etwas zu verändern.
Die Zentralbank von Belgien hat er verlassen, nachdem der Ecu erfolgreich
lanciert wurde. Warum? Der Präsident der Bank for International Settlements in
der Schweiz habe seine Bücher über die südamerikanische Schuldenkrise gelesen
und fragte, was er eigentlich in der Zentralbank wolle. Die Antwort: Nachdem er
die lateinamerikanische Schuldenkrise schon 1975 vorausgesehen habe, sei er in
die Zentralbank gegangen, um herauszufinden, wie man das Geldsystem ändern
könne. Der Präsident antwortete: Die Banken sind dazu da, das System zu
erhalten und nicht, es zu ändern. Eine Änderung werde kommen, aber diese würde
von außen kommen und nicht von den Banken selbst. An diesem Tage habe Bernard
Lietaer beschlossen, bei der Zentralbank aufzuhören. Er ist dann Manager eines
privaten Hedgefonds geworden und hat dort jahrelang die besten Ergebnisse im
internationalen Vergleich erzielt. Er kennt also das Geld-Geschäft von vielen verschiedenen Seiten.
Seine Taktik läßt
sich mit einer militärischen Strategie vergleichen: eine undurchdringliche
Wand muß man umgehen, wie es auf der einen Seite lokale komplementäre Währungen
tun. Ihre Anzahl vermehrt sich derzeit sehr schnell: 1984 gab es erst eine,
1990 waren es gerade 100. Jetzt im Jahre 2000 sind es über 2600. D.h., ihre Zahl wächst z.Zt. exponentiell.
Von der anderen Seite könnte die globale TERRA-Währung kommen.
Erläuterungen zur TERRA-Währung:
Bernard Lietaer
meint, das Wichtigste sei, das Monopol der staatlichen Währung aufzuheben.
Aber nicht durch Zerstörung, weil es dann immer wieder repariert werden würde,
sondern durch die Entwicklung und Konkurrenz von anderen Systemen. Sein erstes
Buch behandelt das Geldsystem von außen, wie es jetzt ist. Das zweite handelt
von der inneren Ebene. Denn Geld hat eine fundamentale psychologische Ebene –
es besitzt seine Macht dadurch, daß wir sie ihm geben. Je nachdem, ob die
Gesellschaft patriarchalisch oder matriarchalisch geprägt sei, suche sie sich
auch ihr Geldsystem aus. Die Yin- und Yang-Qualitäten in der Gesellschaft
müßten aber ausgeglichen sein. Das derzeit herrschende Yang-Geld hat eine
wichtige und nötige Rolle. Diese muß aber durch weitere Geldsysteme, die
Yin-Aufgaben erfüllen, ergänzt und ausgeglichen werden. Ursprünglich hatte er
seine Arbeit als ein Buch geschrieben, weil beide Blicke – der nach außen und
der nach innen – gleichermaßen wichtig sind. Leider ist das Buch aber wegen
seines Umfangs (der durch die Übersetzung noch um 20 Prozent zunahm) in zwei
Bänden erschienen.
Drei Grundannahmen dafür, daß das TERRA-System angenommen
werden wird:
1. Das heutige
Banksystem wird sich nicht von alleine ändern, und auch die Regierungen haben
nicht die Macht, eine Veränderung zu bewirken.
2. Deutschland und Japan sind weltweit Ausnahmen -
hier besitzen die Banken die Konzerne; ansonsten bestimmen aber die Konzerne
das Geschehen. Und diese haben große Schwierigkeiten mit der derzeitigen
Instabilität von Währungen, wie sich in zahlreichen Umfragen zeigt.
3. Da die multinationalen Konzerne die Zukunft
bestimmen, müssen wir, wenn wir die Zukunft gestalten wollen, Wege finden, sie
für unsere Anliegen zu interessieren. Die unterschiedlichen Interessen treffen
sich dabei im Begriff der "Nachhaltigkeit", denn niemand kann
ernsthaft interessiert sein, daß etwas nicht nachhaltig ist.
Dabei gilt: Eine
Änderung des Geldsystems ist notwendig, wenn auch nicht ausreichend, um
"Nachhaltigkeit" zu erzeugen. Aber ohne eine Änderung des Geldsystems
ist keine "Nachhaltigkeit" möglich.
Bernard Lietaer
erzählte dazu eine Anekdote: Bei einer Begegnung mit einem hohen deutschen
Manager fragte er diesen zuerst, ob er Kinder habe. Zu seinem Erstaunen hatte
der Manager sogar vier Kinder. Er fragte ihn weiter, in welchen Zeithorizonten
er denn für seine Kinder plane und denke; die Antwort: zwanzig bis dreißig
Jahre. Und wie weit sei der Zeithorizont seiner beruflichen Aktivitäten, beim
Betreten seines Büros? Die verwunderte Antwort: na ja, drei bis vier Monate!
Dabei ist dieser Mann nicht etwa falsch
gepolt in seinem Hirn – wenn er in seinem Beruf nicht kurzfristig denken
und handeln könnte, würde er bald seinen Job verlieren.
Mit der TERRA-Währung werden wichtige soziale
Ziele verfolgt und gleichzeitig die Interessen von multinationalen Konzernen
befriedigt. Nur wenn diese beiden Ziele gleichzeitig unterstützt werden, wird
eine Reform möglich.
Warum und wie
TERRA umgesetzt werden wird:
1. Das
gegenwärtige Geldsystem muß sowieso verändert werden, da es instabil ist.
Das prozentuale Verhältnis
bei täglichen globalen Geldtransaktionen von realen Gütern und Dienstleistungen
zu spekulativen Transaktionen ist heute 2% zu 98%.Das ist so, als ob der
Schwanz den Hund wedelt. Wir haben heute keinen institutionellen Mechanismus,
um diese Spekulationsblase zu kontrollieren. Paul Volcker (vormaliger Präsident
der Fed) sagte einmal, seine größte Sorge sei, daß es eine wachsende Zahl von
Menschen gibt, die an der Instabilität des Geldes interessiert sind, um
spekulieren zu können. Früher gab es eine Übereinstimmung zwischen Regierungen
und Reichen, daß das Geld stabil sein sollte. Jetzt sind nur noch die
Regierungen daran interessiert, weil heute auch die Banken mit der
Geldspekulation Geld verdienen. Georges Soros sagte dazu: die Spekulation verläuft
exponentiell, deshalb muß das System der flexiblen Wechselkurse zusammenbrechen.
Das die letzten Krisen in Brasilien, Asien, Rußland stattfanden, soll uns nicht
glauben machen, daß wir in Europa stabil sind[2]. Für den Welthandel
sind die Währungsschwankungen allerdings Gift; wenn z.B. eine holländische
Firma ein Schiff in Südkorea bestellt, dauert es mehrere Jahre bis zur
Lieferung. In der Zeit schwanken die Währungen ständig, so daß eine vernünftige
Kalkulation von Kosten und Gewinn nicht möglich ist. Und viele mögliche
Geschäfte deshalb nicht zustande kommen.
2. Das kurzfristige Denken in Unternehmen entspringt dem
heutigen Geldsystem
Alte ökonomische
Lehrbücher sagen, daß die Konzerne um Märkte und Ressourcen kämpfen. Das
stimmt heute nicht mehr. Sie kämpfen um Geld und benutzen Märkte und Ressourcen
dazu. Deshalb der Blick durch die Kurzsichtbrille: solange man das Geld unter
dem Gesichtspunkt des Zinses ansieht, wird die Zukunft irrelevant. Solange man
Zinsen bekommt, will man das Geld immer jetzt, um die Zinsgewinne
einzustreichen. Mit dem Liegegeld
wird die Zukunft wieder interessanter, weil das Geld in der Zukunft weniger
wert wird.
Ein Beispiel: Sie
wollen etwas für die Zukunft Ihrer Kinder tun. Wenn Sie einen Wald besitzen,
so lohnt es sich heute, die Bäume zu fällen und das Geld auf die Bank zu bringen.
Mit einem Liegegeld sieht die Sache völlig anders aus: wenn Sie Geld haben,
würden Sie damit
einen Wald pflanzen, um ihn später verkaufen zu können, da er da wesentlich mehr wert ist als das Geld.
Es gab zwei
Zivilisationen, die über Jahrhunderte ein solches Schwundgeld hatten: das Pharaonische Ägypten, und das Europa des
Hochmittelalters (ca. 1.000 bis 1.300 n.Chr.).
Wie hat in Ägypten
das Geldsystem funktioniert? Es gab ein duales Geldsystem. Das eine System galt
für den Handel über große Entfernungen und bestand aus Währungen aus seltenen
Materialien, z.B. Gold- oder Silbermünzen oder kostbaren Hölzern.
Das zweite System
wurde nur lokal in Ägypten benutzt und war um die Tempel herum organisiert.
Die Bibel-Geschichte von Josef, der in guten Jahren Vorsorge für die schlechten
Jahre traf, ist unvollständig: die Bibel sagt nicht, daß Josef das ägyptische
Geldsystem erfunden hat. Das wird in einer Studie des deutschen Forschers
Preisigke klar ("Das Ägyptische Geldsystem"; 3 Bände, 1902). Wenn
jemand Ernteüberschüsse im Tempel einlagern wollte, wurde auf Tonscherben die
Menge der Waren notiert. Wollte jemand seine Ware, z.B. Getreide, wieder
abholen, bekam er weniger zurück – es wurden Lagerkosten abgezogen. Diese
Scherben konnten dann als Geld verwendet werden, z.B. 10 Sack Weizen als
Notierung auf einer Scheibe gegen ein Schaf. Die Preise wurden vom Markt
festgelegt. Dieses System erfüllte alle Voraussetzungen, die Bernard Lietaer
auch von TERRA erwartet: es war 100%ig mit Waren gedeckt, die Lagergebühr wurde
vom Geldhalter bezahlt, und es war robust – es wurde erst nach 1.600 Jahren
militärisch durch die Römer beendet.
Damals kam niemand
auf die Idee, Reichtum in Form von Geld anzuhäufen; man dachte langfristig,
investierte in Dinge, die lange hielten, und man baute auch langfristig -
alles ohne daß jemand eine grüne Fahne hochhalten oder an die Zukunft gemahnen
mußte: die Kathedralen und Pyramiden stehen heute noch. Das Einzige, was von
uns in 1.000 Jahren noch bleiben wird, sind die Atomendlager. Das duale
ägyptische Geldsystem ist das Vorbild für TERRA.
3. Mit TERRA schaffen wir ein Geldsystem für
"Nachhaltigkeit" und langfristiges Denken: Die Umsetzungsstrategie
John Naisbitt, Autor
von "Megatrends", sagt: "Ein Wechsel wird nur dann passieren,
wenn die ökonomische Notwendigkeit mit einem Wertewandel zusammenkommt, sonst
nicht."
Der Systemkonflikt
existiert momentan zwischen den kurzfristigen Interessen der Aktionäre und den
langfristigen der Gesellschaft. TERRA bietet die Lösung dieses
Interessenkonflikts; es ist eine Sicherheitsmaßnahme, ein Ersatzreifen, der
erst zum Einsatz kommt, wenn er benötigt wird.
4. Umsetzung der TERRA-Währung: Die nächsten Schritte
Bernard Lietaer berichtet
von einer Konferenz in London Anfang Juni 2000, wo sich internationale
Barter-Gesellschaften aus 15 Ländern trafen (aus Deutschland war niemand da),
die per Internet weltweit Güter über Verrechnungskonten tauschen.
-
Die Bartergeschäfte machen heute weltweit
ein Viertel des gesamten Welthandels aus (ca. 670 Milliarden Dollar in 1997).
-
2/3 der größten 500 Gesellschaften der
Welt machen täglich Bartergeschäfte.
-
In den USA gibt es seit 1982 Gesetze für
Bartergeschäfte. Man zahlt Steuern für Bartergeschäfte genauso wie für
Geschäfte, die über Geldzahlungen abgewickelt werden (im Gegensatz zu
Deutschland, wo es keine solche Gesetzgebung gibt).
-
Die Hälfte der amerikanischen Werbespots
laufen über Barter. Wenn United Airlines eine Werbekampagne bei CBS machen
will, dann bezahlt sie z.B. mit
Flügen.
-
Es gibt in den USA bereits 600 Firmen,
die Barter für Kleinkonsumenten anbieten.
-
Für Barter wird zwar auch das Internet
benutzt, meistens geschieht es jedoch über eine normale Buchhaltung.
-
Das Bartervolumen wächst z.Zt. um das
dreifache schneller als der Handel über Geld; 15 - 20 Prozent beträgt die
Wachstumsrate pro Jahr.
Die Gründe dafür
sind:
1. Währungsinstabilität.
2. Es
gibt viele Länder ohne harte Währungen. In der Mongolei gibt es z.B. keine Dollars, also bezahlt man mit Waren.
3. Es reduziert die Kosten für
Umlaufkapital.
4. Zusätzliche Umsätze und damit eine
bessere Betriebsauslastung.
Das heißt: mit TERRA
erfindet man nichts Neues, sondern knüpft an die Vorzüge des heutigen
Bartergeschäfts an; sie ist eine Standardisierung von Barter.
TERRA funktioniert auf folgende Weise:
•
TERRA orientiert sich an einem bestimmten
definierten Warenkorb.
•
Es gibt eine TERRA-Allianz, die TERRA
ausgibt.
•
Man bekommt TERRA, wenn man eine
bestimmte Ware hinterlegt. Eine Firma verpfändet also ihre Lagerhaltungen.
Die TERRA ist ein Lagerschein für eine Warenmenge. Genauso wie man an
Warenbörsen mit den Waren handelt in Dollar, so tut man dies dann in TERRA.
•
Dies läuft elektronisch.
•
Das Neue an TERRA ist: die Lagerhaltungskosten werden auf den Geldhalter
übertragen. Es gibt also eine Liquiditätsgebühr.
• Die Menge der
ausgegebenen TERRA muss also der Menge der produzierten Waren entsprechen.
Mehr kann nicht ausgegeben werden. (Wenn es einen Lagerbrand oder ähnlichen
Schaden gibt, dann ist der Ausfall von einer Versicherung gedeckt.)
•
Wenn sich der Preis der hinterlegten
Waren auf dem Weltmarkt ändert, dann ändert sich auch der TERRA-Preis.
Charakteristika von TERRA:
• Sie ist eine
inflationssichere Währung par excellence. Inflation wird immer gegenüber einem
Warenkorb gemessen. Wenn der Warenkorb aber die Basis der Währung ist, dann gibt es keine Inflation.
•
Die Annahme der TERRA ist freiwillig; sie
wird nur dann angenommen, wenn sie sich als vorteilhaft erweist. Man kann auch
teilweise in Dollar und in TERRA abrechnen.
•
Der TERRA-Warenkorb wird international
anerkannt.
•
Im Bartergeschäft spielen die Banken
keine Rolle (man kann z.B. keine Flüge bei der Bank hinterlegen). Wenn das
Bartering durch TERRA eine standardisierte Verrechnungsbasis bekommt, dann
können die Banken wieder einsteigen und TERRA-Konten anbieten (ähnlich dem
heutigen ECU). Mit TERRA kommt der durch Barter verlorene Marktanteil wieder
zu den Banken zurück.
•
TERRA ist ein reines Tauschmittel. Es
kann nicht als Wertspeicher funktionieren. Wer sparen will, wird wieder in die
nationalen Währungen gehen.
•
Es gibt aus der Sicht der TERRA zwei
Arten von Firmen: Die Erzeuger des Warenkorbes (the backers), bzw. der Güter,
die an die TERRA-Allianz verkauft werden (nicht physisch, sondern in der Form
von Quittungen für den Bestand), und die Nutzer (the users) der TERRA, also
Käufer und Verkäufer.
•
Vorteile für die Warenerzeuger: Sie
verlagern die Lagerhaltungskosten auf die Geldhalter.
• Vorteile für die TERRA-Nutzer: TERRA ist ein
stabiles, beständiges und inflationsfreies Geld im internationalen aber auch
nationalen und lokalen Zahlungsverkehr.
• Vorteile für Banken: mit TERRA gewinnen sie
das Umsatzvolumen des Bartergeschäfts zurück.
Geld hat nach der
klassischen Definition drei Aufgaben: Wertmaßstab, Austauschmittel,
Wertaufbewahrungsmittel. Durch das Freigeben der Wechselkurse gibt es seit 1973
im internationalen Handel kein festes Maß mehr. Dieser internationale
Wertmaßstab wird durch TERRA neu geschaffen, d.h. diese Währung bringt eine
neue Absicherung gegen die Risiken von Wechselkursschwankungen. Außerdem hat
TERRA eine antizyklische Wirkung, im
Gegensatz zum normalen System: wenn es der Wirtschaft und einem Unternehmen gut
geht, dann bekommt ein Unternehmen heute viel Geld von der Bank; wenn es der
Wirtschaft und einem Unternehmen schlecht geht, bekommt es weniger Geld von der
Bank. Banken fördern also betriebs- und – zusammengenommen - volkswirtschaftliche
Schwankungen. TERRA wirkt dagegen ausgleichend bzw. antizyklisch. Wenn eine
Rezession ansteht, sinken die Rohstoffpreise; deshalb versuchen die
Rohstoffproduzenten, ihre Rohmaterialien abzusetzen, um liquide zu bleiben und
um weiter fallenden Preisen zuvor zu kommen. Nun können sie ihre Lagerhaltungen
in TERRA liquidieren und ausgeben. Wenn damit mehr TERRAs zur Verfügung stehen
und in Umlauf kommen, werden auch die Geschäftsaktivitäten wieder belebt.
Es gibt jetzt ein
Projekt (unter Beteiligung eines Instituts in Oxford, des Ifo-Instituts in
Deutschland und eines japanischen Instituts), das untersuchen will, wie TERRA
auf die Konjunkturentwicklung der letzten 30 Jahre gewirkt hätte, wenn es sie
bereits gegeben hätte. Dazu wird entweder das Oxford- oder das Fuji-Modell für
Ökometrik benutzt. Gefördert wird das
Projekt von drei Stiftungen: der Gaia-Foundation aus Dänemark, der Hübner
Stiftung (Kassel) und der Schweisfurth Stiftung (München). Ein weiterer Antrag
auf Unterstützung liegt der Volkswagen Stiftung derzeit vor. Außerdem versucht
Bernard Lietaer, eine strategische Allianz zwischen größeren Firmen aufzubauen.
Der derzeitige Stand ist, daß mehrere große Konzerne in Deutschland und Japan
Interesse haben, bei einem Modellprojekt mitzumachen – aber z.Z. keiner will
der erste sein. Gedacht ist an ein Modell wie das der Visa-Card. Es gibt keine
Visa-Zentrale, man kann keine Visa-Anteile kaufen. Visa besteht aus 20.000
Verträgen zwischen Banken und Firmen nach einem bestimmten Muster. Jede Nation
hat eine Visa-Gesellschaft, die die Karten ausgibt. Wer die Visa-Regeln
befolgt, kann am Visa-System teilnehmen. Genauso wie Visa aus bestimmten Regeln
besteht, die von Banken und Firmen freiwillig befolgt werden, genauso wird
TERRA für ausgebende Firmen bestimmte Regeln aufstellen, die dann auch nicht
mehr von einzelnen geändert werden können.
Antworten von Prof. Lietaer auf weitere Fragen der
Teilnehmer
• Die TERRA -Allianz
gibt nur die Lagerscheine aus, sie kauft nicht und verkauft nicht.
• TERRA ist kein Tauschhandel, sondern es bietet nur ein
anderes, besseres Währungssystem zur Verrechnung für den internationalen Handel
an.
•
Waren und Dienstleistungen werden in TERRA berechnet, indem man die vorhandenen
Marktpreise in DM oder Dollar auf TERRA umrechnet.
•
Die TERRA hat einen Wechselkurs gegenüber anderen Währungen wie die Währungen
untereinander auch.
•
Einwand: Der Außenwert der TERRA ist
instabil, der Innenwert auch, denn wenn z.B. der Ölpreis sinkt, dann muss man
mehr TERRA für Brot aufwenden. Antwort von Prof. Lietaer: Die Instabilität der
TERRA entspricht nicht der Instabilität der anderen Währungen. Sie schwankt in
einem wesentlich geringerem Maße.
• TERRA allein wird die Umwelt nicht retten. Es braucht
zusätzlich ein Besteuerungssystem, das alle Umweltkosten in die Preise mit
einzukalkulieren hilft.
• Die Vorteile von
TERRA für den Kleinverbraucher bestehen vor allem in seiner Stabilität und
seiner allgemeinen Geltung.
• In dem Moment, wo die großen Konzerne sich
entschließen, TERRA zu benutzen, werden sie es einfach machen; niemand wird
sie daran hindern können. Für die lokalen Tauschwährungen hätte das eine
Schutzfunktion, nach dem Motto: wenn die das können, warum sollen wir das dann
nicht auch machen dürfen?
•
Wenn die TERRA-Allianz TERRA ausgeben
will, dann muss sie die Waren besitzen. Das heißt, wenn jemand z.B. eine große
Menge Weizen hat, dann muß er diese über einen Broker an die Allianz verkaufen.
Diese Waren bleiben dann solange im Lager, bis jemand diese haben will. Aber
die TERRA wird immer weniger im Laufe der Jahre, weil die Lagerhaltungskosten
auf die Geldhalter übertragen werden.
•
Einwand: Durch TERRA werden die Konzerne
und die reichen Länder unterstützt, diese benötigen aber keine Unterstützung.
Antwort: Ohne die Konzerne kann man die Welt heute nicht ändern. Aber durch
TERRA wird das Wachstum eines Baumes konkurrenzfähig zum Wirtschaftswachstum.
Und die Konzern-Manager können endlich langfristig denken, da sich dies
auszahlt.
•
Bernard Lietaer: Das offizielle
Geldsystem wird innerhalb der nächsten fünf bis zehn Jahre zusammenbrechen. Da
brauchen wir nichts dazu tun, es zerstört sich selbst. Wir können nur hoffen,
daß es nicht völlig brutal passiert – es würde mehr Leid produzieren als der 2.
Weltkrieg. Die Wirtschaftskrise der 30er Jahre betraf ja nur Nordamerika und
Europa – Asien und Lateinamerika waren nicht betroffen. Und heute? Man stelle
sich einen totalen Zusammenbruch des Dollar vor: allein Deutschland hat das
Doppelte seines Sozialproduktes in Amerika investiert! Wir bekommen aber sehr
wahrscheinlich eine schwere Depression in den nächsten Jahren - dann brauchen
wir ein Auffangsystem, und das soll TERRA sein.
Weitere Fragen und Antworten zum TERRA-System:
• Ist die Deckung einer Währung durch Waren
nicht ein überholtes Konzept wie die Deckung durch Gold? – Im Gegensatz zum
Gold kann die TERRA-Deckung durch alles geschehen, was einen allgemein
akzeptierten Wert hat.
•
Sollen wir nicht besser auf eine Kursänderung des gesamten Geldsystems hinarbeiten,
als den Bau von Rettungsbooten (lokale Geld-Systeme plus TERRA) zu betreiben?
- Beides ist gut!
• Wann wird die Liegegebühr fällig? - Die
Liegegebühr wird nie extra bezahlt, sondern wird später beim Verkauf der Waren
abgezogen.
• Was mache ich jetzt mit meinen Schulden? - Da
ist mit TERRA nichts zu machen. Wenn wir in eine schwierige Phase für unsere
Währung eintreten, dann ist es wichtig, keine persönlichen Schulden zu haben.
• Wäre eine Sabotage durch das eine Prozent der
Superreichen denkbar, und wie kann das verhindert werden? Wenn es möglich ist,
daß diese die heutige Währung mißbrauchen, warum dann nicht auch TERRA? Zum
Beispiel durch monopolistischen Aufkauf von Rohstoffen? - Ein monopolistischer
Ankauf von Rohstoffen ist nicht machbar; die Familie Baker aus Texas hat es
z.B. mit Silber versucht, ist aber gescheitert. Es gibt zuviel Konkurrenz unter
den Reichen.
• Bietet Terra auch die Möglichkeit
langfristiger Kredite? Wenn nicht, dann ist nicht begründbar, warum es mit
TERRA langfristiges Denken geben soll. - Es gibt im Moment noch keine
langfristige Kreditmöglichkeit, aber die gab es auch im Hochmittelalter nicht.
• Kleine Unternehmen zahlen regelmäßig Zinsen,
große Unternehmen profitieren meistens von Zinsen. Warum sollten die großen
Unternehmen dann eine Währung ohne Zinsen einführen wollen? - Die Konzerne
können beide Systeme benutzen. Wenn ihnen TERRA Vorteile bietet, dann verwenden
sie es auch.
• Welche Rolle könnten der Staat und die
Öffentlichkeit übernehmen, um bei den Großunternehmen die Akzeptanz der TERRA
zu erhöhen? - Bei der Einführung des ECU waren die Deutschen besorgt, nicht den
Interessen der Amerikaner zu widersprechen. Selbst wenn wir die Regierung in
Deutschland überzeugen könnten, würde sie am Ende sagen: wir können es nicht
machen. Vergesst besser die Regierungen, wenn es um eine Geldreform geht!
• Ist es ethisch vertretbar, wenn wir Güter, die
gebraucht werden, horten? - Alle Güter werden wieder in den
Wirtschaftskreislauf gebracht; es wird nur gelagert bis zum Verbrauch, nicht
gehortet.
• Wie wird die Höhe der Lagerhaltungskosten
festgelegt? – Durch die tatsächlichen Kosten der Lagerhaltung.
REFERATE
Die
folgenden Texte stammen zum größten Teil von den jeweiligen Autoren; bei ihren
Vorträgen im Lebensgarten in Steyerberg
hielten sie sich – zum Teil dem Zeitdruck geschuldet, zum Teil auch wegen der
regen Fragen der Teilnehmer – nicht immer an ihr Manuskript. Soweit die
Abweichungen wichtige Ergänzungen erbrachten, sind sie weitgehend
dokumentiert.
Helmut Creutz
Kurzbiographie:
Jahrgang 1923.
Arbeitsdienst, Militärzeit, russische Gefangenschaft. Nach 1949 Techniker und
Betriebsleiter in Deutschland und Rußland. Ab 1972 freier Architekt und
Erfinder, Fluglehrer und Schriftsteller. Seit 1982 als Wirtschaftsanalytiker
und Publizist tätig.
Seit den 60er Jahren
gesellschaftspolitisch aktiv, u.a. bei Antikriegs-, Umweltschutz-, Dritte-Welt-
und Wählerinitiativen. 1979/80 Mitbegründer der Alternativen Liste und der
Grünen in Aachen und NRW.
Helmut
Creutz versuchte in seinem Vortrag, Klarheit zu bringen in die unterschiedlichen
Begriffe, Funktionen, Größenordnungen und Zusammenhänge, denen wir in der
umfassenden Thematik GELD immer wieder begegnen. Der Teil seines Referates,
der sich mit dem Buch von Bernard Lietaer und im besonderen mit der Theorie der
multiplen Geldschöpfung durch die Banken beschäftigte, findet sich in einem
gesonderten Kapitel auf Seite 64.
Helmut
Creutz
MONETÄRE GRÖßENORDNUNGEN UND ZUSAMMENHÄNGE
Der
Bereich Bargeld, Nachfrage, Ersparnisse, Kredite und Wirtschaftsleistung
Weil über die Größen und Zusammenhänge
im Bereich der geldbezogenen Bestände und Vorgänge oft nur vage Vorstellungen
bestehen, wird in der Darstellung der Versuch gemacht, sie einmal optisch zu
veranschaulichen. Bezogen auf die deutschen Gegebenheiten des Jahres 1997,
sind darum in der Grafik die absoluten Beträge sowohl in Mrd. DM als auch in
den jeweiligen Flächengrößen wiedergegeben.
Der Balken A am Kopf der Grafik steht
dabei für die Bargeldmenge, die von der Bundesbank insgesamt herausgegeben
wurde. Darunter, in Feld B, sind die Zentralbankgeldguthaben eingetragen, die
von den Banken als Liquiditätspuffer bzw. - soweit vorgeschrieben - als
Mindestreserven bei der Notenbank gehalten werden müssen. Diese
Zentralbankgeldguthaben sind vor allem für die Abwicklungen aller Geschäfte
zwischen den Banken erforderlich. Sie erfüllen also - gewissermaßen auf einer
höheren Ebene - eine ähnliche Aufgabe
wie die Sichtguthaben der Bankkunden für deren Geschäftsabwicklungen. Zusammen
mit dem Bargeld werden diese Zentralbankgeldguthaben als Zentralbankgeldmenge,
Geldbasis oder Geldmenge MO (M Null!) zusammen gefaßt.
Wie die Aufteilung des Balkens A
erkennen läßt, wurden die in Deutschland in Umlauf gesetzten Bargeldbestände
zu knapp zwei Dritteln über Kredite an die Banken herausgegeben. Das restliche
Drittel ist durch Direktgeschäfte der Bundesbank in den Wirtschaftskreislauf
geflossen, vor allem durch Ankäufe von Gold, Devisen und Wertpapieren. Soweit
über die Banken in Umlauf gebracht, ist das Geld über die Bankkassen (C) gelaufen,
in denen etwa zehn Prozent der gesamten Bargeldmenge als Puffer gehalten
werden. Die übrigen 90 Prozent des Bargeldes befinden sich in den Händen der
Nichtbanken (D). Diese erwirtschaften damit (soweit nicht für kürzere oder
längere Zeit gehortet), direkt oder indirekt über Umwandlungen in Giralgeld,
jedes Jahr das sogenannte Bruttosozial- oder Bruttoinlandsprodukt (BSP/BIP),
das größenmäßig mit der unteren Fläche E wiedergegeben ist. Dabei läuft das
bei den Banken nachgefragte Bargeld meist nur einmal in der Wirtschaft um, da
es von den Empfängern überwiegend am gleichen Abend wieder bei den Banken
auf den Girokonten bzw. Sichtguthaben (Fläche E) eingezahlt wird. Außer für
den Zweck unbarer Zahlungsabwicklungen, müssen die Sichtguthaben auch als eine
Art Ansparbecken für längerfristige Anlagen gesehen werden, immer mehr aber
auch als Spekulationskasse.
Die Ergebnisse längerfristiger
Ersparnisse spiegeln sich in der Fläche G wider, die allerdings nur die bei
Banken angesammelten Geldvermögensbestände wiedergibt. Die gesamten deutschen
Geldvermögen, zu denen auch Versicherungs- und Fondseinlagen sowie Aktien
gezählt werden, lagen in dem herangezogenen Jahr - wie in Klammern angeführt -
mit rund 8.800 Mrd. DM um rund ein Drittel höher. Die in der Grafik wiedergegebenen
Relationen lassen die geringe Größe der Bargeld- bzw. Zentralbankgeldmenge
deutlich werden, die jedoch die Grundlage aller monetären Vorgänge und Größen
in der Wirtschaft ist. Dabei ist zu beachten, daß die Zentralbankgeldmenge
etwa im Gleichschritt mit der Wirtschaftsleistung zunimmt, die Ersparnisse und
Geldvermögen des Publikums jedoch drei- bis viermal rascher, so daß die Größen
zwischen Geld- und Guthabenbeständen immer mehr auseinanderdriften.
Geldmenge
und Geldvermögen
Trotz ihrer unterschiedlichen
Funktionen werden Geld und Geldguthaben immer noch miteinander verwechselt
bzw. gleichgesetzt. Ihre Unverwechselbarkeit geht jedoch bereits aus ihrer
Entstehung und ihren Auswirkungen hervor: Die Menge des Geldes (also der
Zahlungsmittel), hängt letztlich von den Aktivitäten der geldausgebenden
Notenbank ab, die sich zum Erhalt der Geldkaufkraft an der Entwicklung der wirtschaftlichen
Leistung orientieren muß.
Die Menge des Geldvermögens (also der
Ersparnisse) hängt von den Aktivitäten der Marktteilnehmer ab, ebenso die
Menge der Ersparnisse, die sie anderen - direkt oder über Banken - als Kredite
überlassen. Durch diese Überlassungen werden die Ersparnisse zu Guthaben, denen
in gleicher Höhe Rückzahlungsverpflichtungen gegenüber stehen. Auf die
Geldkaufkraft und die Nachfrage in der Wirtschaft haben diese Geldüberlassungen
keine Auswirkungen, wohl aber auf den Grad der Verschuldung und auf die
Geldvermögenskonzentrationen.
Die Unterschiede zwischen Geld und
Guthaben gehen aber nicht nur aus ihren unterschiedlichen Funktionen hervor,
sondern auch aus ihren Entwicklungen und Größen. In der Darstellung sind diese
Entwicklungen in Deutschland - in Fünfjahresabständen und Prozenten des BSP -
wiedergegeben. Wie daraus zu entnehmen, sind die Geldüberlassungen an Banken
von 1950 bis 1998 auf mehr als das Sechsfache angestiegen. Während die
Marktteilnehmer (lt. Bundesbank: "Nichtbanken", lt. EZB:
"Publikum") 1950 erst Ersparnisse in Höhe von knapp 30 Prozent des
BSP bei den Banken untergebracht hatten, lagen diese Bestände 1998 mit 190
Prozent gut beim Sechsfachen des Anfangsbestandes und damit fast beim Doppelten
der Leistungsgröße. Die im gleichen
Maßstab zwischengeschobenen Entwicklungen der Zahlungsmittel bewegten sich
dagegen - zusammengefaßt in der Geldmenge M1 - bis 1985 schwankend zwischen 16
und 18 Prozent praktisch auf gleichbleibender Höhe. Erst in der zweiten Hälfte
der 80er Jahre und vor allem in den 90er Jahren stiegen sie bis auf etwa 27
Prozent und damit um die Hälfte an.
Für diese überproportionale Zunahme
der Geldmenge war - wie erkennbar - die Ausweitung der Giralgeldmenge
verantwortlich. Deren Anstieg wiederum dürfte in erster Linie mit den
Eskalationen an den Börsen zusammenhängen, die zwangsläufig mit größeren
Bestandshaltungen in den Spekulationskassen verbunden waren. Da diese zusätzlichen
Kassenhaltungen jedoch nicht der normalen Nachfrage dienen, ist damit auch kein
inflationärer Einfluß auf die allgemeine Kaufkraft des Geldes gegeben. Eher
ist das Gegenteil der Fall, da diese Kassen zu Lasten der übrigen Bankeinlagen
aufgefüllt wurden und somit Kaufkraft aus dem Kreditsektor entzogen haben.
Betrachtet man jetzt die Bargeldmenge,
dann wird erkennbar, daß diese bis in die 70er Jahre von etwa acht auf etwas
über fünf Prozent des BSP zurückging, während die Giralgeldmenge leicht zunahm.
Ab 1970 verblieb die Bargeldmenge relativ konstant knapp über fünf Prozent, um
dann vor und nach 1990 nochmals etwas anzusteigen. Ursache dieser Anstiege
dürften die zunehmenden DM-Bargeldhaltungen im Ausland gewesen sein, vor
allem in Jugoslawien und den ehemaligen Ostblockstaaten.
Auswirkungen
der Zinshöhe auf die Geldhaltung
Der enge Zusammenhang zwischen den
Geldhaltegewohnheiten und den Schwankungen der Zins- und Inflationsrate wird
erkennbar, wenn man die Entwicklungen über längere Zeiträume verfolgt.
Besonders deutlich treten diese Beziehungen hervor, wenn man dabei - wie in
der Darstellung geschehen - die jährlich sich verändernden Werte der verschiedenen
Geldmengen und Zinsraten übereinander schiebt.
Im unteren Teil der Darstellung wurden
in die Zinsschwankungen auch noch die Veränderungen der Lebenshaltungskosten,
also die Inflationsraten, eingeblendet. Daraus wird ersichtlich, in welchem
Maß die Zinsschwankungen von jenen der Preise beeinflußt werden. Konkret: In
welchem Umfang sich die Sparer auf Kosten der Allgemeinheit gegen
inflationsbedingte Verluste absichern. Die im oberen Teil der Darstellung
wiedergegebenen Schwankungen der Geldmengen-Bestandsveränderungen wiederum
lassen die Veränderungen der Liquiditätsvorliebe erkennen, die mit sinkenden
Zins- und Inflationsraten ab- und mit steigenden zunimmt. Besonders deutlich
wird das, wenn man einmal die Höchst- und Tiefstpunkte beider Kurvenverläufe
miteinander vergleicht. Aus der Darstellung geht ebenfalls der relativ hohe
Rückgang der Bargeldmenge in den 60er Jahren hervor und der dadurch bedingte
schwächere der Geldmenge M1, in der neben dem Bargeld auch die Sichtguthaben
enthalten sind. Ebenso ist die relative Stabilität in den anschließenden 15
Jahren bis 1985 ersichtlich, in denen die Bargeldbestände um den Satz von 5,5
Prozent des BSP schwankten und die Sätze von M1 um 17 Prozent. Mit dem
deutlichen Einbruch der Zins- und Inflationsraten in der zweiten Hälfte der
80er Jahre und noch einmal Mitte der 90er Jahre, kam es dann zu zwei steilen
Anstiegen beider Geldmengen. Dieser Anstieg wurde beim Bargeld durch die
damaligen Zunahmen der DM-Haltungen im Ausland noch überzeichnet. Die ebenfalls
übermäßige Zunahme der Geldmenge M1 dürfte dagegen mit den Entwicklungen an
den Börsen und den damit einhergehenden Ausweitungen der Spekulationskassen
im Bereich der Sichtguthaben zu erklären sein.
Insgesamt geht aus der
Gegenüberstellung noch einmal hervor, welche Bedeutung einer Stabilisierung der
Kaufkraft für die Zinshöhe zukommt und über diese wiederum für die
Schwankungen der Geldhaltung. Da nach übereinstimmenden Erfahrungen der
Deutschen Bundesbank wie auch der Schweizerischen Nationalbank den überproportionalen
Ausweitungen der Geldmenge nach etwa zwei bis zweieinhalb Jahren ein erneuter
Inflationsschub folgt, ist der nächste Inflations- und Zinsanstieg also mit
jeder Geldmengenausweitung gewissermaßen vorprogrammiert, damit aber auch die
entsprechenden Folgen für die Konjunktur und den Arbeitsmarkt. So lange also
die Notenbanken die wiederkehrenden übermäßigen Liquiditätshaltungen nicht
verhindern können und mehr Geld herausgeben als auf Grund der
Wirtschaftsentwicklung eigentlich zu verantworten ist, werden wir an den sich
wiederholenden konjunkturellen Wechselbädern nicht vorbeikommen.
Größen
und Zusammensetzung der Zinsströme im Bereich der Banken
Zur Vermittlung dieser Größen sind in
der Darstellung die Gegebenheiten der deutschen Banken aus dem Jahr 1986
herangezogen worden, einem Jahr, in dem die Inflation praktisch bei Null lag
und damit die Real- und Nominalzinsen weitgehend identisch waren. Die Flächen
in der Grafik geben in etwa optisch auch die jeweiligen Größen wieder, die von
der Deutschen Bundesbank für 1986 in Mrd. DM ausgewiesen wurden.
Die gesamte Fläche A entspricht dabei
den Zinserträgen der Banken in Höhe von 231 Mrd. DM, die wiederum mit den von
der Wirtschaft aufzubringenden Kreditzinslasten identisch sind. Die Fläche B
steht mit 161 Mrd. DM für die Zinsbeträge, die von den deutschen Banken an
ihre Kunden ausgeschüttet wurden. Die Differenz von 70 Mrd. DM schließlich
gibt den Betrag wieder, der bei den Banken als Bankmarge verblieb. Bezogen auf
die Zinserträge lag diese Bankmarge also bei 30 Prozent, einem Satz, der bei
höheren Nominalzinsen durchweg niedriger ist und langfristig um 25 Prozent
schwankt. Die in der Darstellung eingetragenen Abstufungen geben in der Breite
jeweils die Laufzeit-Anteile der Einlagen- bzw. Kreditbestände wieder, die
auf den horizontalen Maßlinien abgetragen sind. Die Höhe der Abstufungen
stehen für die unterschiedlichen Durchschnittszinssätze dieser Anteile.
Wie zu erkennen, stimmen die
Laufzeiten der Kredite nicht mit jenen der Einlagen überein. Konkret: Ein Teil
der Kredite wird längerfristiger vergeben, als es den Einlagezeiten entspricht.
Da aber die tatsächlichen Einlagezeiten die vereinbarten durchweg deutlich
übersteigen (Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist liegen im Schnitt
länger als ein Jahr auf den Konten!), ist diese sogenannte
Fristentransformation weitgehend unbedenklich und von der Bankenaufsicht
gestattet. Zu Schwierigkeiten könnte es jedoch dann kommen, wenn die Banken
bei einem Ansturm der Sparer die Einlagen rascher auszahlen müssen, als sie das
Geld von den Kreditnehmern zurückerhalten, sofern das überhaupt in solchen Krisenlagen,
in denen jeder sein Geld festhält, möglich ist.
Aus den Höhendifferenzen im Bereich C
ist auch gut zu erkennen, in welchem Maße die Bankmarge mit den Laufzeiten der
Einlagen und Kredite geringer wird, oder anders ausgedrückt: daß die Zinsen
bei den kurzfristigen Kreditaufnahmen die höchsten und bei den kurzfristigen
Einlagen die niedrigsten sind. Die sich daraus ergebende große Bankmarge
spiegelt sowohl den höheren Arbeitsaufwand bei solchen Kurzläufern wider als
auch das meist höhere Risiko. Bei den überwiegend vertretenen Langläufern dagegen
sinkt die Bankmarge durchweg auf ein Prozent der Kreditsummen ab. Weder in der
oft als Problem beschworenen Fristentransformation noch in der lohnkostendominierten
Bankmarge liegen also die eigentlichen Probleme unseres Geld- und
Kreditsystems. Vielmehr resultieren diese einmal aus dem Tatbestand, daß die
Guthabenzinsen - auch in inflationsfreien Zeiten und bei gesättigten
Kapitalmärkten - nicht marktgerecht gegen Null absinken, zum zweiten daraus,
daß aufgrund dieser über Null verbleibenden Guthabenzinsen die Geldvermögen
und mit ihnen die Kredite und Zinsströme ständig zunehmen. In welchem Maße das
der Fall ist, zeigt sich an den konkreten Zahlen: Von 1986 bis 1998 sind in
Deutschland die Zinserträge der Banken von 231 auf 603 Mrd. DM angestiegen,
also um 161 Prozent, während das Sozialprodukt nur um 94 Prozent zugelegt hat.
Professor Dr. Eckhard
Grimmel
Kurzbiographie:
Jahrgang 1941
Schule 1948 – 1960 in Niedersachsen
Studium 1960 – 1968 in Hamburg (u.a.
Geographie, Geologie, Philosophie, Anglistik)
Schuldienst 1968 – 1970 in Hamburg
Universitätsdienst ab 1970
Promotion 1971 über “Geomorphologische
Untersuchungen in der nordöstl.
Lüneburger
Heide”
Professur seit 1977 am Institut für Geographie der
Universität Hamburg
Forschungsgebiete
u.a.: Endlagerung radioaktiver Abfälle; Behandlung nichtradioaktiver Abfälle;
seismische Gefährdung kerntechnischer Anlagen; Grundlagen einer umwelt- und
sozialverträglichen Ökonomie.
Prof. Grimmel erklärt zunächst, daß er mit gewissen
Hemmungen die Einladung zu diesem Expertengespräch angenommen habe, sei er doch
kein Wirtschaftsfachmann, sondern eher ein kritischer Frager auf diesem Gebiet.
So habe er sich schon seit längerem Gedanken gemacht, wie eigentlich das Geld
in die Welt komme, wer es schöpft, wer es verteilt, und nach welchen Prinzipien
dies geschieht. Bei der Klärung dieser Frage, zu deren Beantwortung Prof.
Grimmel sich Grundgesetz, Bankgesetz und Rechtswörterbuch zu Hilfe nahm, kamen
ihm immer mehr Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Zentralbanken auf der
Welt. Im Folgenden führt Prof. Grimmel seine Gedanken am Beispiel Deutschlands
aus.
Eckhard Grimmel:
ZUM RECHTSSTATUS DER
DEUTSCHEN BUNDESBANK UND
DER EUROPÄISCHEN ZENTRALBANK
Ist die Deutsche Bundesbank eine staatliche oder eine
private Institution?
Leider kann diese einfache Frage nicht
eindeutig beantwortet werden. Denn der Gesetzgeber der Bundesrepublik Deutschland hat es versäumt, den Rechtsstatus
der so genannten Deutschen Bundesbank eindeutig festzulegen, was mit der
folgenden Begriffsanalyse belegt werden kann:
Der Bund errichtet eine Währungs- und Notenbank als
Bundesbank. Ihre Aufgaben und Befugnisse können im Rahmen der Europäischen
Union der Europäischen Zentralbank übertragen werden, die unabhängig ist und
dem vorrangigen Ziel der Preisstabilität verpflichtet (Grundgesetz, Artikel 88).
Die Deutsche Bundesbank ist eine bundesummittelbare
juristische Person des öffentlichen Rechts. Ihr Grundkapital im Betrage von
zweihundertneunzig Millionen Deutsche Mark steht dem Bund zu. .....(Gesetz über die
Deutsche Bundesbank, § 2).
Eine juristische Person ist eine
Personenvereinigung oder ein Zweckvermögen mit vom Gesetz anerkannter
rechtlicher Selbständigkeit. .....
Über das Wesen der juristischen Person ..... herrscht
viel Streit. .....
Man unterscheidet juristische Personen des Privatrechts
und des öffentlichen Rechts. .....
Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind
Rechtsubjekte, die auf öffentlich-rechtlichem und auf privatrechtlichem Gebiet
Rechtsfähigkeit besitzen. .....
(Rechtswörterbuch, S.
704-706).
Grundkapital ist der bei der Gründung einer
Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien von den Aktionären
mindestens aufzubringende Kapitalbetrag...... (Rechtswörterbuch, S. 591).
Die Deutsche Bundesbank ist verpflichtet, unter Wahrung
ihrer Aufgabe die allgemeine Wirtschaftspolitik der Bundesregierung zu
unterstützen. Sie ist bei der Ausübung der Befugnisse, die ihr nach diesem
Gesetz zustehen, von Weisungen der Bundesregierung unabhängig. (Gesetz über die
Deutsche Bundesbank, § 12).
Die Deutsche Bundesbank hat das ausschließliche Recht,
Banknoten im Geltungsbereich dieses Gesetzes auszugeben. ..... Sie sind das
einzige unbeschränkte gesetzliche Zahlungsmittel. ..... (Gesetz über die
Deutsche Bundesbank, § 14).
Die Deutsche Bundesbank darf mit Kreditinstituten im
Geltungsbereich dieses Gesetzes folgende Geschäfte betreiben: 1. Wechsel und
Schecks kaufen und verkaufen, ..... (Anm.: insgesamt 9 Punkte) (Gesetz über die
Deutsche Bundesbank, § 19).
Kreditinstitute sind ..... Unternehmen, die
Bankgeschäfte gewerblich oder in einem Umfang betreiben, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten
Geschäftsbetrieb erfordert. .....
(Rechtswörterbuch, S. 775).
Aus der obigen
Begriffsanalyse ergibt sich eindeutig, daß die Rechtsposition der Deutschen
Bundesbank nicht
eindeutig und deshalb korrekturbedürftig ist: Teils erscheint die Bundesbank
im Gewand einer Behörde, teils im Gewand einer Personenvereinigung, teils im
Gewand einer Aktiengesellschaft, teils im Gewand eines Monopolunternehmers, der
Banknoten produziert, und teils im Gewand eines Händlers, der mit privaten
Banken Geschäfte betreibt.
Prof. Grimmel erinnerte dann an einen der
zentralen Vorschläge Gesells, der bereits 1892 eine Verstaatlichung des Geldes
forderte, da Geldschöpfung, Umlaufsicherung und Mengensteuerung nur vom Staat
sicher gestellt werden könne. Die Reichsbank sollte in ein Reichswährungsamt
umgewandelt werden, das Geld bei einem Überschuß einzieht, bei einem Mangel
über den Finanzminister ausgibt, der es durch Steuerreduzierung an die
Bevölkerung weitergibt. Das Währungsamt selbst solle keine Geldgeschäfte betreiben
– man bräuchte also keine große Behörde, sondern nur jemand, der den Geldbedarf
berechnet, sowie „eine Geldpresse (für das neue) und einen Ofen (für das alte
Geld)“. In dieser Richtung zu arbeiten, hält Eckhard Grimmel für wichtiger als
die Entwicklung komplementärer Währungen.
Zur heutigen Situation meinte Prof. Grimmel
weiter:
Leider macht es keinen Sinn
mehr, wenn sich der deutsche Gesetzgeber jetzt bemühen würde, die rechtlichen
Defizite der Deutschen Bundesbank zu beseitigen, da mit Ablauf des Jahres 1998
die Zuständigkeit für die deutschen Währungsangelegenheiten an die Europäische
Zentralbank abgetreten worden ist. Jetzt ist der Gesetzgeber der Europäischen
Union aufgerufen, die rechtlichen
Grundlagen für ein wirtschafts- und gesellschaftsverträgliches Funktionieren
der Euro-Währung zu schaffen. Dazu bräuchten nur die folgenden Vorgaben
gesetzlich verankert zu werden:
A. Die
Europäische Union errichtet eine staatliche Notenbank, die den Namen
“Europäische Zentralbank” trägt.
B. Die Europäische Zentralbank steht unter der
Aufsicht des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rechnungshofs.
C. Die Europäische Zentralbank hat folgende
Aufgaben:
1. Geldschöpfung
2.
Geldmengenregulierung
3.
Geldumlaufsicherung
4.
Spargeldannahme
5.
Kreditgeldvergabe
6.
Geldüberweisung
7.
Wechselkursregulierung
D. Die Europäische Zentralbank hat die unter C.
aufgeführten Aufgaben folgendermaßen zu erfüllen:
1. Geldschöpfung
Die
Europäische Zentralbank gibt Bargeld schulden- und zinsfrei entweder an die
Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union aus oder verteilt es
als Kopfgeld gleichmäßig auf die Bevölkerung der Mitgliedsstaaten oder hält es
als Kreditgeld verfügbar.
2. Geldmengenregulierung
Die
Europäische Zentralbank hält den durchschnittlichen Preisstand auf Dauer fest,
indem sie die umlaufende Geldmenge vermehrt oder vermindert, je nachdem, ob
die vom Europäischen Amt für Statistik ermittelten Preisindizes Neigung zum
Sinken oder zum Steigen aufweisen.
3. Geldumlaufsicherung
Die
Europäische Zentralbank sichert den stetigen Umlauf des Geldes, indem sie
regelmäßig oder unregelmäßig, häufiger oder seltener - je nach Erfordernis und
Erfahrung - bestimmte Geldstückelungen (z.B. 500-Euro-Scheine) oder bestimmte
Serien solcher Stückelungen zum Umtausch gegen neue Banknoten aufruft und Geldumtausch-, d.h. Geldhortungsgebühren
erhebt.
4. Spargeldannahme
Die
Europäische Zentralbank nimmt Spargelder gebührenfrei an und zahlt diese auf
Wunsch gebührenfrei wieder aus. Geldhortungsgebühren werden auf Spareinlagen
nicht erhoben. Zinsen werden nicht gewährt.
5. Kreditgeldvergabe
Die
Europäische Zentralbank vergibt aus Spargeldern und Bargeldschöpfungen
zinsfreie Kredite, erhebt aber kostendeckende Verwaltungsgebühren. Eine
„Giralgeldschöpfung“ ist nicht zulässig, wohl aber Giralgeld mit 100 %iger
Bargelddeckung.
6. Geldüberweisung
Die
Europäische Zentralbank führt Geldüberweisungsaufträge aus und erhebt dafür
kostendeckende Verwaltungsgebühren.
7. Wechselkursregulierung
Die
Europäische Zentralbank setzt innerhalb angemessener Zeitabschnitte die
Wechselkurse des Euro gegenüber anderen Währungen unter Beachtung der
Produktivitätsentwicklungen im Einvernehmen mit den zuständigen Notenbanken
fest.
E. Die bisherigen privaten Geschäftsbanken in den
Mitgliedsstaaten der Europäischen Union können als Filialen der Europäischen
Zentralbank in die staatliche Geldverwaltung integriert werden.
Seine Vorschläge hat Prof. Grimmel der europäischen
Kommission als offenen Brief vorgelegt; in der Antwort hieß es u.a., daß sie
„sehr weitreichend“ seien, und daß sie zu „tiefgreifenden Veränderungen“ führen
würden. Die Kommission steht aber auf dem Standpunkt, daß sich die vorhandene
Geldverfassung bewährt hat und es keinen Grund gebe für eine solch
weitreichende Veränderung.
Das europäische Parlament hat über seinen
Petitionsausschuß mitgeteilt, daß sie die „äußerst interessante“ Petition an
den Ausschuß für Wirtschaft und Währung weitergeleitet hat.
LITERATUR:
Bankrecht
(1997), 25. Aufl., München (Beck).
Gesell, Silvio (1916): Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch
Freiland und Freigeld. 10. Aufl., Lauf (Zitzmann).
Grimmel, Eckhard (1999): “Forderung an den Gesetzgeber:
Artikel 88 (Bundesbank) des Grundgesetzes korrigieren!” - Der Dritte Weg,
30, Heft 12, S.22-24, Treuchtlingen.
Grimmel, Eckhard (2000): “Das Geld muß verstaatlicht werden!
Anmerkungen zum Freigeld Silvio Gesells” - Der Dritte Weg, 31, Heft 5, S.
24-25, Treuchtlingen.
Grundgesetz
(1999), München (Beck-dtv).
Rechtswörterbuch
(1999), 15. Aufl., München (Beck).
Univ.-Doz. Mag.
Dipl.Ing Dr. Erhard Glötzl
Kurzbiographie:
Geboren 1948 in Wels.
Studium an der Universität Wien, Hauptfach Chemie, Nebenfach Physik; Studium
Technische Mathematik an der Universität Linz; von 1972 bis 1981
Universitätsassistent am Mathematischen Institut der Universität Linz;
Habilitation in technischer Mathematik an der Universität Linz. Von 1981 bis
1992 Leiter des Amtes für Umweltschutz der Stadt Linz und damit maßgeblich
mitverantwortlich für die umweltmäßige Sanierung der Linzer Großindustrie.
Seit 1992 Technischer Vorstandsdirektor der SBL ‑ Stadtbetriebe Linz
GmbH. Nebenberuflich längere Zeit Lehrtätigkeit an der Pädagogischen Akademie
(Chemie) und an der Universität Linz (Betriebliche Umweltinformationssysteme).
Zu
Beginn seines Referates berichtete Dr. Erhard Glötzl folgende kurze Anekdote
von einer Begegnung mit dem damaligen österreichischen Vizekanzler Schüssel
während des Wahlkampfes 1995:
Als ich den
Vizekanzler, der immer soviel vom "Sparen, sparen, sparen" redete,
zufällig auf der
anderen Straßenseite sah, ging ich zu ihm und sprach ihn an:
"Herr
Vizekanzler, sind Sie bereit für ein kurzes intellektuelles Gespräch?" -
Die Antwort:
"Ja".
"Herr
Vizekanzler, wenn ich Ihnen 1.000 Schilling gebe, dann
haben Sie 1.000
Schilling Schulden, und ich habe 1.000 Schilling Guthaben. Stimmt das?" -
Die Antwort:
"Ja."
"Herr
Vizekanzler, also: Die Gesamtheit der Guthaben ist immer gleich hoch wie die
Gesamtheit der Schulden!" - Die Antwort: "Na ja, na ja..."
"Also: Wenn wir
die Gesamtheit der Schulden vermindern wollen, geht das nur, wenn gleichzeitig
auch die Gesamtheit der Guthaben vermindert wird." - "Ja, so ein
Blödsinn."
"Herr
Vizekanzler, aber das steht doch auf der ersten Seite in den Lehrbüchern, daß
sich die Buchhaltung immer ausgehen muß!" -
Der Vizekanzler zu
seiner Begleitung: "Nein, nein - gell, Herr Landeshauptmann, das ist
wirklich ein Blödsinn, was der sagt!"
Inzwischen ist Herr
Schüssel Bundeskanzler.
In seinem Vortrag erklärte Dr. Glötzl, daß es analog der
Wärmelehre in der Physik auch in der Volkswirtschaft zwei Hauptsätze gäbe: 1.
Die Gesamtheit der Schulden ist gleich hoch wie die Gesamtheit der Guthaben. 2.
Beide Gesamtheiten nehmen im bestehenden geschlossenen Geldsystem stets
zu. Zudem definierte er das Fundamentalparadoxon
über die Ohnmacht der Schuldner, welches
lautet: die Höhe der Schulden wird nicht durch die Schuldner, sondern durch die
Gläubiger bestimmt. Dazu im Detail:
Erhard Glötzl:
WELCHE
PROBLEME KÖNNEN KOMPLEMENTÄRWÄHRUNGEN LÖSEN?
1. Geld
Die Voraussetzung für materiellen Wohlstand
ist eine arbeitsteilige
Wirtschaft. Eine Arbeitsteilung ist aber nur dann effizient, wenn
Leistung und Gegenleistung zu verschiedenen Zeiten (und an verschiedenen
Orten) stattfinden können[3],
was gleichbedeutend mit der Möglichkeit zur Begründung von Schuldverhältnissen ist.
Diese sind aber nur dann möglich, wenn der Leistungserbringer darauf vertrauen darf,
daß er für seine Leistung auch eine entsprechende Gegenleistung erhält[4].
Dieses Vertrauen kann gestärkt werden durch
- soziale Bindungen im
allgemeinen oder
- ein Kreditwesen im
besonderen.
Ein Kreditwesen
ist dadurch charakterisiert, daß Leistungen und Gegenleistungen in Maßsystemen
gemessen werden können. Die einfachsten Systeme beruhen auf dem Messen von
Warenmengen (z.B. Anzahl von Schafen, Kilogramm Weizen, Stunden Arbeitsleistung
usw.).
Ein Kreditwesen ist dann besonders effizient, wenn es mit
einem einzigen Meßsystem auskommt, das geringe Transaktionskosten hat und in
dem alle Leistungen gemessen werden können. Ein solches Tauschmittel nennt man
Geld.
2. Die
Unterlegenheit der Schuldner in einer “Geld”-Wirtschaft
Das wesentlichste
Kriterium, durch das die verschiedenen arbeitsteiligen Wirtschaftsformen
charakterisiert sind, ist daher die Art, wie Schulden gemessen werden und
damit die Art, in der Schulden
zurückgezahlt werden können und müssen:
- soziale Schulden
- Warenschulden
- Geldschulden (bzw. Tauschmittelschulden)
Dabei ist zu beachten, daß die Guthaben
als Gegenstück zu den Schulden immer gleichzeitig mit den Schulden und immer in
gleicher Höhe wie die Schulden entstehen (1. Hauptsatz der
Volkswirtschaftslehre).
In einer “Sozial”-Wirtschaft entstehen durch
soziale Leistungen (z.B. Nachbarschaftshilfe) soziale Guthaben und soziale
Schulden (die in der Regel nicht gemessen sondern nur beschrieben werden
können). Es steht in der Macht des
Schuldners, seine sozialen Schulden durch soziale Leistungen zu tilgen.
In einer “Waren”-Wirtschaft entstehen durch
Warenleistungen Warenguthaben und Warenschulden. Die Warenguthaben werden dabei
in der Form von Warengutscheinen gemessen und stellen Ansprüche bzw.
Forderungen auf Waren dar. Es steht in der Macht
des Schuldners (durch Fleiß), diese Waren zu erzeugen und die Schulden
damit zu tilgen.
Im Gegensatz zu “Sozial”-Wirtschaft
und “Waren”-Wirtschaft ist die Situation in einer “Geld”-Wirtschaft um eine Stufe komplexer, woraus sich
schwerwiegende Konsequenzen ableiten. Volkswirtschaftliche Leistungen werden in
Geld gemessen. Geld stellt einen Anspruch auf entsprechende
volkswirtschaftliche Gegenleistungen dar. In der zweiten wesentlicheren Stufe
wird Geld verliehen. Dabei entstehen Geldguthaben und Geldschulden;
Geldguthaben stellen Ansprüche bzw. Forderungen auf Geld dar. Im Gegensatz zur
“Sozial”-Wirtschaft und “Waren”-Wirtschaft, in denen der Schuldner allein durch
seinen Fleiß die Schulden tilgen kann, weil die Einheit, in der die Schulden
gemessen werden, unmittelbare volkswirtschaftliche Leistungen sind, steht es
in der “Geld”-Wirtschaft nicht allein in der Macht des Schuldners, seine
Geldschulden durch Erbringung von volkswirtschaftlichen Leistungen zu tilgen,
weil die Einheit, in der die Schulden gemessen und daher auch bezahlt werden
müssen, Geld ist.
Der Schuldner muß
nämlich zuerst einen Abnehmer finden, der bereit ist, für seine Leistungen Geld
zu bezahlen. Diese Tatsache bezeichnen wir als die Unterlegenheit der Schuldner. Die herkömmliche Ökonomie geht aber
von dem Dogma aus, daß es ausschließlich eine Frage des Preises ist, daß er
einen Abnehmer für seine Leistungen findet. Diese Annahme ist vielleicht noch
in einer jungen, von Mangel geprägten Volkswirtschaft zulässig, in der die
Kapitalvermögen noch niedrig sind, oder in einer Volkswirtschaft ohne
zinsbedingte Kapitaleinkommen. Unter den heutigen Umständen ist dieses Dogma
aber keinesfalls richtig bzw. zulässig.
3. Zinsen
Der Hauptgrund, warum
eine Diskussion über Zinsen im Rahmen der traditionellen Volkswirtschaft sehr
schwierig zu führen ist, liegt darin, weil herkömmlich
- nicht konsequent zwischen Habenzinsen und Sollzinsen unterschieden wird
- nicht konsequent zwischen erwünschten Funktionen und unerwünschten Auswirkungen von Zinsen unterschieden wird und
- die Möglichkeit der Entkopplung von Habenzinsen und Sollzinsen nicht in Betracht gezogen wird (Kreditgebühr!)
Die erwünschte und notwendige Funktion der Habenzinsen ist die Aufrechterhaltung des Geldkreislaufes. Der Habenzins ist der Anreiz
dafür, daß Geld, wenn es nicht durch Kaufvorgänge weitergegeben wird, durch
Verleihen weitergegeben wird und somit nicht durch Hortung ("Halten von
Realkassa") dem Geldkreislauf entzogen wird.
Eine zweite
wesentliche positive Eigenschaft von Habenzinsen besteht darin, daß sie in
einer Marktwirtschaft die Voraussetzung sind, daß Arbeitsteilung in hohem Umfang und langfristig möglich ist. Denn
diese setzt die Möglichkeit der Bildung von hohen und langfristigen Schulden
voraus, was ohne Habenzinsen kaum möglich ist. Die unerwünschte Auswirkung positiver Habenzinsen ist, daß sie zu positiven
Rückkopplungen, exponentiellem Wachstum und damit langfristig zwingend zu
Destabilisierung von Ökonomie, Politik, Ökologie und Sozialbereich führen.
Die erwünschte und notwendige Funktion der Sollzinsen ist es, einen sparsamen Umgang mit knappen Ressourcen
zu erzielen. Würden die Sollzinsen nämlich Null werden, würde sich jedermann
beliebig viel Geld ausleihen oder es müßte die Kreditverteilung unter
Ausschaltung eines Marktes rationiert werden. Dieser wichtigen Funktion der
Sollzinsen wird meines Erachtens in der klassischen Freiwirtschaftslehre zu
wenig Beachtung geschenkt. Dies ist einer der Gründe, warum die Freiwirtschaft
von der traditionellen Volkswirtschaftslehre weitgehend abgelehnt wird.
Die unerwünschten Auswirkungen der Sollzinsen liegen wegen der Abzinsung
künftiger Geldflüsse in einer
systematischen Abwertung der Zukunft,
mit sich daraus ergebenden Problemen für die Ökologie und für den schonenden
Umgang mit Ressourcen, was am ehesten mit einer Besteuerung der Ressourcen bzw.
einer ökologischen Steuerreform beherrscht werden könnte.
4. Die Ohnmacht
der Schuldner
Da Zinsen zu einem
automatischen Anwachsen der Schulden führen, ergibt sich aus den Zinsen für den
Schuldner der Zwang, seine Schulden zurückzuzahlen. Dieser zinsbedingte Zwang zur Schuldentilgung führt im Zusammenhang
mit der für eine Geldwirtschaft charakteristischen Unterlegenheit der Schuldner
zur sogenannten Ohnmacht der Schuldner. Die Ohnmacht der Schuldner ist die
Ursache für Wachstumszwang, Wettbewerb und Konkurrenz in einer “Geld”-Wirtschaft
mit Soll- und Habenzinsen.
Wenn
die Kapitalgeber (Geldvermögensbesitzer) nicht bereit sind, Waren oder
Dienstleistungen im Ausmaß ihrer Zinseinkommen zu kaufen, d.h. ihr
Kapitaleinkommen zu verkonsumieren oder zu verinvestieren, müssen die
Geldvermögen systemnotwendig rascher wachsen als das Bruttosozialprodukt.
Dies hat eine
einfache mathematische und damit systemnotwendige Ursache. Das BSP ist
eine Flußgröße, von dem jährlich ein bestimmter Anteil immer zur Erhöhung des
Kapitalstockes bzw. der Geldvermögen herangezogen wird. Dies hat zur Folge, daß
die Geldvermögen als akkumulierende (integrale) Größe immer um eine Potenz
rascher wachsen müssen als das BSP. D.h. wäre das BSP konstant, würden die
Geldvermögen linear wachsen bzw. wächst das BSP linear, müssen die Geldvermögen quadratisch wachsen
(Ú x dx = x2)[5]. In der klassischen
Ökonomie geht man fälschlicherweise von dem Dogma exponentiellen Wachstums aus,
was gleichbedeutend mit der Annahme konstanter Wachstumsraten ist. Nur unter
dieser Voraussetzung könnten BSP und Geldvermögen gleich schnell wachsen, denn
nur für die Exponentialfunktion gilt, daß das Integral gleich der
ursprünglichen Funktion ist ((Ú ex dx = ex).
Da mit den
Geldvermögen auch die Kapitaleinkommen
rascher wachsen als das BSP und damit auch schneller als das Volkseinkommen, muß dies zwangsweise ab einem gewissen
Zeitpunkt zu einem Sinken der
Arbeitseinkommen führen. Dies führt notwendigerweise zu der im folgenden
Kapitel näher ausgeführten kapitalismusbedingten Arbeitslosigkeit, welche das
eigentliche aber bisher zu wenig diskutierte Problem von alternden
Volkswirtschaften darstellt.
Da die
Kapitalvermögen und damit die Kapitaleinkommen sehr ungleich verteilt sind, führt dies mit zunehmendem Alter einer
Volkswirtschaft zu einer immer größeren Umverteilung der Einkommen zugunsten
der Kapitaleinkommensbezieher.
Je größer die
Guthaben und Schulden geworden sind, ohne daß die Zinsen im gleichen Ausmaß
gesunken sind, was durch den Liquiditätsvorteil von Geld und der Möglichkeit,
Geld in die Finanzmärkte zu transferieren, verhindert wird, desto schwieriger
wird es, die Zinsen durch Wirtschaftswachstum zu bedienen, denn einerseits
sinkt wegen der wachsenden Umverteilung und der Möglichkeit, Geld in die
Finanzgütermärkte zu transferieren, die Nachfrage nach Realgütern und
andererseits ist exponentielles reales Wirtschaftswachstum grundsätzlich nicht
möglich.
Die Höhe der Guthaben und Schulden stößt dann an
eine Grenze, wenn Zinsen wegen mangelnder Wachstumsmöglichkeiten nicht mehr
gezahlt werden können oder Sicherstellungen für die Schulden im Zuge einer
Rezession oder Deflation abgewertet werden müssen und daher die Schulden
fällig gestellt werden. Schuldner können von sich aus aber wegen der Ohnmacht
der Schuldner nur Schulden durch Senkungen von Ausgaben (z.B. Lohnkosten)
begleichen, was letztlich zu einem entsprechenden Nachfrageausfall und damit
einer Rezession führen muß. Da die Schulden dabei in der Folge noch schwerer
zurückgezahlt werden können, schaukelt sich diese Situation bis zum Zusammenbruch immer weiter auf.
Ein Neubeginn
ist erst möglich, wenn durch Crash‑Ereignisse
wie Krieg, Rezession, Hyperinflation oder Währungsreform die Guthaben und Schulden soweit vernichtet worden sind, daß sie wieder
eine für die Volkswirtschaft verkraftbare Größe erreicht haben. Was dem
heutigen System also fehlt, ist eine systemverträgliche Methode, Guthaben und
Schulden ohne Crash-Ereignisse abzubauen. Eine entsprechende umfassende
Kapitalbesteuerung ist aus meiner Sicht die einzige dazu geeignete Methode
(siehe Kapitel 7).
5. Arbeitslosigkeit
Das gesamte
Volkseinkommen setzt sich genauso wie das Einkommen jedes Einzelnen aus
Kapitaleinkommen (Zinsen + Gewinne) und Arbeitseinkommen (selbständige +
unselbständige Arbeit) zusammen. Zu
unfreiwilliger Arbeitslosigkeit kommt es genau dann, wenn die Arbeitseinkommen
insgesamt sinken, ohne daß gleichzeitig die Löhne sinken.
Sinkende Arbeitseinkommen bei allen oder
Teilen der Bevölkerung können unfreiwilligerweise dann und nur dann entstehen, wenn entweder
1) das gesamte Volkseinkommen konjunkturbedingt sinkt, oder
2) Arbeitseinkommen zu Kapitaleinkommen hin umverteilt werden, oder
3) es innerhalb der Arbeitseinkommen strukturbedingt zu Umverteilungen kommt,
oder
4) bei Mängeln in der Organisation der
Arbeitsteilung.
Da unfreiwillige Arbeitslosigkeit also
immer durch unfreiwillig sinkende Arbeitseinkommen in Verbindung mit
unflexiblen Löhnen ausgelöst wird, hat Arbeitslosigkeit letztlich genau die
gleichen Ursachen wie niedrige Arbeitseinkommen und kann daher in die gleichen
Typen eingeteilt werden:
1) Konjunkturbedingte
Arbeitslosigkeit
2) kapitalismusbedingte
Arbeitslosigkeit
3) strukturellbedingte
Arbeitslosigkeit
4) organisationsbedingte
Arbeitslosigkeit
Alle heutigen Maßnahmen
richten sich ausschließlich gegen konjunktur-, strukturell- und
organisationsbedingte Arbeitslosigkeit. In alternden Volkswirtschaften stellt
allerdings die kapitalismusbedingte Arbeitslosigkeit ein systemimmanentes
Problem dar, das notwendigerweise in einer Geldwirtschaft mit Zinsen durch das
dadurch ausgelöste, raschere Wachstum von Geldguthaben und Kapitaleinkommen
verursacht wird.
6. 2. Hauptsatz
der Volkswirtschaftslehre
Die
oben dargestellten Konsequenzen lassen sich als 2. Hauptsatz der Volkswirtschaftslehre
zusammenfassen:
Die Gesamtheit der Guthaben und die Gesamtheit der
Schulden nehmen in einem geschlossenen Geld‑ und Wirtschaftssystem der
bestehenden Art stets zu. Sie können nur durch unerwünschte Ausnahmezustände
wie Depression, Krieg, Hyperinflation oder Währungsreform abgebaut werden.
7. Therapie
Eine langfristig
wirksame und nachhaltige Therapie
kann nur in Maßnahmen liegen, die
verhindern, daß Guthaben und Kapitaleinkommen rascher wachsen als das BSP. Das
kann sein:
- eine Besteuerung der Kapitalvermögen
- eine Besteuerung von Kapitalerträgen
- eine Besteuerung liquider Mittel
- Steuern in der Art der Tobin‑Steuer
- eine Förderung von Pensionsfonds (allerdings mit gewissen Einschränkungen).
8. Komplementärwährungen
Komplementärwährungen
im Sinne von Lietaer unterscheiden sich nur in einem wesentlichen Punkt von
herkömmlichen Geld: es gibt keine Zinsen.
Zinsen stellen im
herkömmlichen Geldsystem einen Anreiz dar, um Geld zu verleihen und damit eine
arbeitsteilige Wirtschaft zu ermöglichen. Der Anreiz besteht in der Schaffung
von leistungslosem Einkommen durch Zinsen. Bei Komplementärwährungen entsteht
der Anreiz zum Geldverleihen dadurch, daß dabei soziale Bindungen geknüpft werden, die für die Menschen als soziale
Wesen ein gewisses Grundbedürfnis darstellen und entsprechende Vorteile
schaffen.
Entstehen beim
Geldverleihen in herkömmlichen Geldsystemen beim Geldverleihen Geldschulden und
Zinsschulden, so entstehen auch bei
Komplementärwährungen Geldschulden in gleichem Maße. Allerdings treten anstelle
der Zinsschulden soziale Schulden.
Der wesentliche Nachteil bei Komplementärwährungen liegt
darin, daß dabei die Bildung von hohen
und langfristigen Schulden nicht möglich ist und damit eine hochgradige
und langfristige Arbeitsteilung nicht möglich ist.
Ein hoher materieller
Wohlstand ist daher nur im Rahmen des bestehenden Geldsystems möglich.
Komplementärwährungen können daher nur als positive
Ergänzung, niemals aber als Ersatz für ein herkömmliches Geldsystem gesehen
werden.
Da ein herkömmliches
Geldsystem - wie ausgeführt - jedoch immer zum Zusammenbruch führen muß (2.
Hauptsatz!), geht kein Weg an einer wesentlichen Änderung des bestehenden
Systems vorbei.
Die unmittelbare
Ursache für den Zusammenbruch liegt darin, daß die Geldvermögen schneller als
das BSP wachsen müssen. Ohne Verlust der anderen positiven Eigenschaften des
bestehenden Geldsystems kann dies nur durch
eine Besteuerung von Kapitalvermögen, Kapitaleinkommen, Kapitaltransaktionen
und liquiden Mitteln verhindert werden.
Die Art und Weise, wie Geld geschöpft wird, ist dabei von
untergeordneter Bedeutung. Auch wenn „Fiat“-geld über zinsbehaftete Kredite
(Diskontzins usw.) geschöpft wird, ist die Höhe der dadurch ausgelösten
Zinsströme unbedeutend gegenüber den durch Geldverleih ausgelösten Zinsströmen
(höchstens im Verhältnis 1:10). Da der überwiegende Teil dieser Zinseinnahmen
auch bei Notenbanken mit privaten Eigentümern von der Notenbank an den Staat
abgeliefert werden muß, haben diese Zinszahlungen fast ausschließlich den
Charakter einer Steuer.
Zusammenfassend läßt sich daher festhalten:
Komplementärwährungen tragen bei zur
• Lösung sozialer
Probleme, weil sie soziale Bindungen fördern und zur
• Bekämpfung organisationsbedingter Arbeitslosigkeit, weil sie die
Arbeitsteilung im kleinen Rahmen
fördern;
Komplementärwährungen bringen keinen wesentlichen Beitrag zur Verhinderung von
• konjunkturbedingter,
kapitalismusbedingter und strukturellbedingter Arbeitslosigkeit
• Umweltzerstörung
und
• Währungskrisen,
weil sie herkömmliches Geld nicht
ersetzen, sondern nur ergänzen können, die genannten Probleme aber durch
herkömmliches Geld verursacht werden.
Wenngleich eine durch Güter gedeckte
Währung und eine Währung mit einer Liquiditätssteuer (Nutzungsgebühr) Vorteile
gegenüber einer herkömmlichen Währung haben, können diese beiden Maßnahmen
allein ohne Kapitalbesteuerung die anstehenden Probleme nicht lösen.
Teilweise
ausführlichere Darstellungen in:
[1] Erhard Glötzl: „Über die (In-)Stabilität
unseres Geld- und Wirtschaftssystems aus der Sicht eines Technikers“;
erweiterte Fassung eines Vortrages, gehalten am 13.11.1995 vor dem KdF – Kreis
der Führungskräfte der Voest.
[2] Erhard Glötzl: „Arbeitslosigkeit – Über die
kapitalismusbedingte Arbeitslosigkeit in alternden Volkswirtschaften und warum
Keynes recht hatte und doch irrte“; erweiterte Fassung eines Vortrages,
gehalten am 11.10.1997, Workshop „Zur Entkoppelung von Güter- und Finanzmärkten
im Prozeß der Globalisierung“ im Rahmen eines Projektes des Institutes für
Internationales Management der Universität Graz (im Internet über
www.geldreform.de).
[3] Erhard Glötzl: „Das Wechselfieber der
Volkswirtschaften – Anamnese, Diagnose, Therapie“; Diskussionsbeitrag für die
Arbeitsgruppe Finanzwirtschaft des Föhrenbergkreises.
Professor Dr.
Johannes Heinrichs
Kurzbiographie:
Geb. 1942 in
Duisburg-Rheinhausen.
Nach
Jesuiten-Noviziat Studium von Philosophie, Theologie, Germanistik und
Psychologie in München, Bochum, Bonn, Frankfurt, Paris.
1972 Promotion summa
cum laude in Bonn mit einer Hegel-Studie, für die er den Geffrub-Preis der
Universität Bonn erhielt.
1975 Habilitation für
Philosophie an der Jesuitenhochschule St. Georgen in Frankfurt.
Nach Verzicht auf
eine Jesuitenprofessur 1978 lebte Johannes Heinrichs als Lehrstuhlvertreter,
Forschungsbeauftragter, Referent und Schriftsteller in der Umgebung von Bonn.
Seit Wintersemester
1998 / 99 Professor für Agrar-Kultur und Sozialökologie (Nachfolge Rudolf
Bahro) an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Veröffentlichungen:
13 wissenschaftliche Bücher und Sachbücher, 75 Aufsätze in Fachzeitschriften
und Sammelwerken, außerdem literarische Essays.
Prof. Heinrichs erklärt zu Beginn, daß auch er kein
Geldexperte sei – sein Gebiet ist die Sozialphilosophie. Sein Hauptanliegen ist
die Unterscheidung der Subsysteme des Sozialen, also Wirtschaft, politisches
System, Kultursystem (Bildung), sowie Religion und Weltanschauung. Wir brauchen
auch Nachhaltigkeit in der Gesellschaft, d.h. nicht Bestimmung durch einen Automatismus
im Bereich der Wirtschaft, sondern eine Bestimmung der Wirtschaft durch die
Politik, die wiederum unter kulturellen Voraussetzung stehen muß.
Johannes Heinrichs:
ANMERKUNGEN UND
FRAGEN ZU BERNARD A. LIETAER:
“Das Geld der Zukunft
- Über die destruktive Wirkung des existierenden Geldsystems und die
Entwicklung von Komplementärwährungen”
Dieses Werk atmet nicht nur
Insider-Souveränität, zumindest in Bezug auf das eigentliche Thema, es ist
auch sprachlich souverän verfaßt. Ginge es um eine Rezension, müßten seine
Qualitäten ausführlich dargelegt und müßte der reichhaltige Inhalt erst
zusammengefaßt werden, auch der Inhalt dessen, was über die Konklusion eines zu
wünschenden viergestuften Währungssystems im Jahr 2020 hinausgeht. Ich möchte
mich auf einige kritische Anmerkungen und Fragen aus sozialtheoretischer Sicht
beschränken.
1. Nur noch leichte Spuren von “Ökonomismus”
Im Vergleich zur
früheren Typoskript-Fassung (die mir
leider nicht mehr vorliegt, so daß ich nicht sicher vergleichen kann, ob es nur
meine neue Lektüre ist) scheint B. Lietaer von einem ökonomistischen Zungenschlag Abstand genommen zu haben: davon, das
Geld als den Dreh- und Angelpunkt der Menschheitsgeschichte schlechthin,
zumindest des gesellschaftlichen Menschen, darzustellen, so als würde die
Reform des Geldsystems automatisch alle anderen gesellschaftlichen Probleme,
z.B. das Rechts- und Demokratieproblem, lösen.
Ein wenig klingt diese Sicht
noch nach, wenn etwa behauptet wird, Geld sei unser ältestes, am weitesten
verbreitetes und universellstes Informationssystem (41). Selbst wenn es stimmen
sollte, daß sogar die Schrift in Mesopotamien ursprünglich zur Buchführung
erfunden wurde (was ich bestreite, wenn man Runen und andere Buchstaben-Arten berücksichtigt), dann
doch nicht die Sprache, um lediglich eines der formalisierten Kommunikationsmedien zu nennen, zu denen auch Geld
gehört. Nicht die Geld-Fähigkeit, wohl aber die Sprachfähigkeit kennzeichnet
den Menschen von Anfang an und wird ihn noch charakterisieren, wenn wir keine
Währung mehr brauchen sollten (was Lietaer gegen Ende seines Buches in Betracht
zieht).
Ich halte übrigens
Geld, Recht, Sprache und religiöse Riten/Lehren für die miteinander
vergleichbaren formalisierten Interaktions-Medien der entsprechenden vier
sozialen Subsysteme: Wirtschaft, Politik, Kultur und Weltanschauung/Religion.
Daneben gibt es nicht-formalisierte Interaktionsmedien wie Macht, Vertrauen
usw., die selbst von prominenten Sozialtheoretikern (wie Luhmann, Habermas)
mit den genannten formalisierten Medien verwechselt werden. Lietaers Buch
handelt über Geld als Medium der Wirtschaft und in gewisser Weise als Basis des gesamten Gesellschaftssystems
– und hält sich erfreulicherweise über die anderen Systemebenen zurück, ohne
deshalb seine Art von Integralität, d.h. Ausrichtung aufs Ganze des Sozialen
einzubüßen (vgl. 400 ff: Integrierte
Wirtschaft). Wenn es aber wiederum heißt: “Letzten Endes ist Geld
Vertrauen, und Vertrauen lebt (und stirbt) in den Köpfen von Menschen”(105),
dann muß das eher rhetorisch als streng definitorisch verstanden werden. Denn
es gibt andere, zentralere, durchaus anders symbolisch dargestellte Formen von
Vertrauen. Dahin deuten auch Lietaers eigene, wenngleich terminologisch
fragwürdige, Ausführungen über die
Zerstörung von “Geschenk-Gemeinschaften” durch das Geld (301 ff).
2. Wirtschaftsimmanente Reform des Geldsystems und
Barter-System
Den Optimismus des
Verfassers, daß die Unternehmen selbst zu einer menschenfreundlichen (im
Wesentlichen: zinsfreien) Geldwirtschaft übergingen, daß es also zu einer
völlig wirtschaftsimmanenten Selbstreform ohne gesetzgeberische Maßnahmen (also
vom sozialen Medium Recht her) komme, vermag ich nach den bisherigen
Erfahrungen mit dem Zynismus der multinationalen Unternehmen so noch nicht zu teilen. Dazu müßte
gezeigt werden, daß ein internet-gestütztes Barter-System wirtschaftsimmanent
das bisherige Währungssystem unterlaufen kann. Dies ist die m.E. einen
wesentlichen Schritt weiter gehende Sichtweise und Intention von Michael Köhne. (Von diesem liegt mir ein
bislang unveröffentlichtes Papier “Investment-Banking
im Internet” vor. Seine offenbar von ihm selbst überholten Geld-Bücher wie
„Das unendliche Zittern“ sind derzeit vergriffen.)
Bernard Lietaer
referiert, daß man unter Barter-System den “Austausch
von Gütern und Dienstleistungen ohne jegliche Währung” verstehe (282).
Auch ein Barter-System braucht jedoch eine Verrechnungs-Einheit, in diesem
Sinne also ein Geld. Kann solches Geld auch Währung
genannt werden? Oder beginnt Währung
erst damit, daß das Geld als Verrechnungseinheit und Tauschmittel selbst
Aufbewahrungsmittel und sogar Gegenstand des Handels wird? Gerade letzteres
scheint beim Barter-Tauschhandel ausgeschlossen zu sein: die Verselbständigung
des ursprünglichen Tauschmediums Geld, wie immer man die Wortdefinitionen von Geld und Währung fassen mag.
Nebenbei: Lietaers Arbeitsdefinition von Geld leuchtet mir
ein: “Geld ist eine Übereinkunft innerhalb
einer Gemeinschaft, etwas als Tauschmittel zu verwenden”(119). Mit
dieser Definition steht die Funktion des Geldes als Tauschmittel, auch als
Wertmaßstab und Wertaufbewahrungsmittel und u.U. als eigener
Handlungsgegenstand in Einklang. Ich verstehe jedoch nicht, inwiefern es dann allgemein erst als Bankdarlehen seine
Existenz beginnt und aus dem Nichts geschöpft werden soll: “Jeder Dollar, jeder
Euro und jede andere im Umlauf befindliche Währung hat als Bankdarlehen
begonnen.” Die Schöpfung des Geldes “buchstäblich aus dem Nichts” sei “die
wahre Geburtsstunde des Geldes”(127). Doch alle akademischen Gelddefinitionen
und quasi-theologischen Geld-Schöpfungs-Erklärungen verblassen gegenüber der
Frage, die heute – aufgrund der Welternährungs- und Weltwährungskrisen wie
zugleich aufgrund der überraschend neuen technischen Möglichkeiten –
vordringlich ist: Wie kann das Geld am
reinsten auf seine Funktion als Tauschmittel und Wertmaß zurückgeführt werden? Übereinstimmung
besteht darüber, daß die jetzige Auffassung von einem sich selbst
vermehrenden, vermeintlich selbst arbeitenden Geld kein gangbarer Weg in eine
Zukunft mehr ist.
Lietaer erwähnt zwar
mehrmals die wachsende Bedeutung des computergestützten direkten
Tauschhandels (des Barter-Handels, der übrigens von theosophischer Seite seit
den achtziger Jahren konkret als die kommende Geld- und Wirtschaftsform der
Menschheit vorausgesagt wird). Er geht aber vermutlich nicht weit genug, wenn
er neben der Zunahme des
Barter-Handels noch ein viergestuftes System von internationalen, multinationalen,
nationalen und komplementären
Währungen gelten läßt! Zunächst und vor allem wird mir in den letzten Partien
des Buches die Funktion einer Weltwährung im Verhältnis zu Idee und Möglichkeit
eines Barter-Systems nicht recht verständlich. Welche Art von Weltwährung ist
gemeint? Ist TERRA als eine reine
(neutrale) Tausch- und Wertmaß-Währung gedacht? Wie soll sie dann durchsetzbar
sein? Wodurch läge sie neuerdings im Eigeninteresse der internationalen
Konzerne?
3. Friedliches Nebeneinander von offiziellen und Komplementär-Währungen?
Was die Idee einer Stufung von Währungen
angeht, so wäre eine Diskussion von Silvio Gesells Idee einer Internationalen Valuta-Association mit
einer im doppelten Sinne neutralen
Weltwährung und festen Wechselkursen zu nationalen Währungen hilfreich und
historisch gerecht. Gerade als Nicht-Ökonom wünschte man sich mehr
Informationen über die Notwendigkeit und Funktionsweise dieser Stufung, sei es
unter der Voraussetzung eines im Wesentlichen zinsfreien neutralen Währungssystems, sei es unter der gegenteiligen
Voraussetzung. Dieser Unterschied entscheidet natürlich das Meiste.
Was besonders die
lokalen komplementären Währungen angeht, so fragt man sich, ob sie nicht –
unter der einstweiligen Voraussetzung eines nicht-neutralen, zinsbelasteten
offiziellen Währungssystems - die hinhaltende Funktion haben sollen, ein im
ganzen unmenschliches System dennoch menschlich lebbar zu machen – und ob sie
dann eine systemaufweichende oder im
Gegenteil eine systemstabilisierende Funktion hätten. Vor allem in
systemstabilisierender Rolle und zudem wegen ihrer quantité négligeable werden sie offenbar bisher vom offiziellen
Bankensystem und vom staatlichen Fiskus geduldet. Bei ihrem Erstarken wären
Kämpfe mit ähnlichem Ausgang wie in den dreißiger Jahren des vorigen
Jahrhunderts vorauszusehen. Denn die Kräfte sind zu ungleich.
Bei einem künftigen
kampffreien Nebeneinander von Komplementärwährungen und offiziell geltenden
Währungen fragt man sich, warum es überhaupt diesen Dualismus geben muß – es sei
denn im Sinne der gestuften Anpassung des Geldes an die realen wirtschaftlichen
Gegebenheiten (Wertschöpfungen und Bedürfnisse). Im übrigen, der Umgang mit
vielen Währungen macht vielleicht einem professionellen Banker Spaß. Für die
meisten anderen Zeitgenossen dürfte eine Mehrfachstufung der Währungen ebenso
lästig sein wie der Umgang mit den bisherigen Nationalwährungen; das
Nebeneinander von Gemeinschafts- und offiziellen Gesellschaftswährungen scheint
mir überhaupt nur mit ausgesprochenem Krisen- und Übergangsbewußtsein
erträglich.
4. Nochmals die Hauptfrage
Diese Erwägungen
führen auf die unter 2. gestellten Fragen zurück, besonders diese: Ist angesichts der heraufkommenden,
computergestützten Barter-Wirtschaft eine immanente Selbstreform der internationalen
Geldwirtschaft vornehmlich von unternehmerischer Seite zu erhoffen oder muß
von der staatlich-rechtlichen Ebene nicht bloß reaktiv reguliert, sondern die
wirtschaftsrechtliche Initiative ergriffen werden? Zum Glück besteht kein
striktes Entweder-Oder. Denn unsere demokratischen Entscheidungsstrukturen sind
– gerade wegen der unzulässige Dominanz der Wirtschaft über das gesamte
soziale System - nicht minder reformbedürftig als die Währungsstrukturen. Nur
gesteht man es sich derzeit noch weniger
ein. Die Durchbrechung dieses Teufelskreises aus der wirtschaftlichen Dynamik
selbst heraus wäre mehr als wünschenswert.
Ob und wie dies in angedeuteter Form friedlich gelingen kann, diese Frage bleibt in Bernard Lietaers so
optimistisch gestimmten Werk noch offen. Ohne solche derzeit zum Greifen nahe
Chance einer Veränderung des währungspolitischen mainstreams selbst (durch die
Nutzung neuer technischer Möglichkeiten) haben alternative
Komplementärwährungen m. E. noch weniger Chancen als die zum Teil
einflußreichen NGOs auf politisch-rechtlicher Ebene.
Nachtrag:
Ich hege nach der Tagung von
Steyerberg die Befürchtung, daß in der freiwirtschaftlichen Diskussion die
enormen Chancen eines von den Zinswährungen unabhängigen internationalen
Internet-Barterb-Verrechnungssystems (vgl. z.B. Neue Zürcher Zeitung vom
14.7.2000, S. 37: “Die enorme Sprengkraft der Internet-Revolution”) zugunsten akademisch-semantischer Diskussionen
über Geldschöpfung verschlafen werden – ebenso wie auch die Gefahren einer
machtmäßigen Okkupierung dieses Bereichs über neue, von interessierten Kreisen
erwirkte Rechtsbestimmungen. Jedenfalls wurde die Information und Diskussion
über solche aktuellen Perspektiven, die viel weiter über die traditionellen
freiwirtschaftlichen Fragen hinausführen als die Frage der kleinen Komplementärwährungen, im Laufe der Tagung
eher ausgebremst als gefördert.
Professor Dr.
Wolfgang Gebauer
Kurzbiographie:
Jahrgang 1942
1965 Diplom-Volkswirt, Universität
Heidelberg
1966 –
1967 Doktorand, Cornell University, USA
1969 Dr. rer. pol., Universität Heidelberg
1969 -
1980 Hauptabteilung Volkswirtschaft,
Deutsche Bundesbank, Frankfurt am Main
1973 -
1974 Gastprofessor, Carnegie-Mellon
University, USA
1982 Habilitation im Fach
Volkswirtschaftslehre, Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
1982 -
1983 Economic Adviser, Kommission der
Europäischen Gemeinschaften, Generaldirektion Wirtschaft und Finanzen, Brüssel
1983 -
1986 Assistenzprofessor, Europäisches
Hochschulinstitut, Florenz
seit
1986 Universitätsprofessor für
Volkswirtschaftslehre, insbesondere Geld und Währung, am Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am
Main
1992 -
1995 Direktor des Instituts für
Kapitalmarktforschung an der J.W. Goethe-Universität, Frankfurt am Main
1999 -
2000 Prädekan, Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften
2000 -
2001 Dekan, Fachbereich
Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Prof.
Gebauer meint, er solle hier sozusagen die Schulsicht der Dinge vertreten. Er
sieht es als wichtig an, die Termini klar zu definieren und zu benutzen, weil
bestimmte Sprachkonstruktionen, die innerhalb einer Gruppe (wie z.B. der
Freiwirtschaft) verstanden werden, in Gesprächen z.B. mit einem Zentralbanker
mißverstanden werden. Nur so aber könne man die Fähigkeit zur Kommunikation
verbessern. Weiter ist ihm wichtig, daß wir zur Kenntnis nehmen, in welchem
Umfeld wir uns eigentlich heute befinden – und das ist die europäische
Währungsunion. Sein Beitrag befaßt sich mit den Grundlagen einer globalen
Währungsordnung und ist Teil seines in Arbeit befindlichen Buches über Geld
und Währung.
GLOBALE WÄHRUNGSORDNUNG
Die globale Währungsordnung geht prinzipiell
über regionale, z.B. europäische Ordnungssysteme hinaus, indem sie sich auf
weltumspannende internationale Aspekte bezieht. Gegenstände einer globalen
Währungsordnung sind inhaltlich, in grober Einteilung, die drei Gebiete
• Internationales
Geld,
• Währungsreserven und
• Währungssysteme
(vgl. Abb. 1).
Diese Bereiche stehen
wiederum in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Dabei nimmt das
internationale Geld - analog zur Geldordnung auf nationaler Ebene - eine hervorgehobene
Stellung ein, da die internationalen Geldfunktionen ein zentrales Element der
beiden anderen Gebiete darstellt. Internationales Geld ist hier generell definiert
als Geld, das für grenzüberschreitende wirtschaftliche Transaktionen allgemein,
d.h. global (weltweit) akzeptiert wird.
Abb. 1: Elemente der globalen
Währungsordnung
a) Internationales Geld
(1) Systematik
Internationales
Geld ist nationales Geld, das für private und öffentliche grenzüberschreitende
Transaktionen allgemein (global) akzeptiert wird. Die allgemeine Akzeptanz äußert
sich in der internationalen Verwendung des Geldes als Zahlungsmittel,
Recheneinheit und Wertaufbewahrungsmittel (traditionelle Geldfunktionen).
Grenzüber-schreitende Transaktionen sind alle in der Zahlungsbilanz der
beteiligten Länder erfaßten wirtschaftlichen Transaktionen; sie werden
üblicherweise in den (güterwirtschaftlichen) Leistungsverkehr und den
(geldwirtschaftlichen) Kapitalverkehr grob untergliedert. Die Gleichsetzung von
"international" mit "grenzüberschreitend" bedeutet aus
nationaler Sicht, daß Transaktionen zwischen Gebietsansässigen und
Gebietsfremden gemeint sind. Gebietsansässig ist dabei jedes
Wirtschaftssubjekt, das den Schwerpunkt seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im
Inland hat.[6]
Die
folgende Systematisierung orientiert sich sprachlich an der Gleichsetzung von
"Währung" mit "Geld in internationaler Verwendung".
Die
Übersicht (Abb. 2) ist "von oben nach unten" zu lesen wegen der
hervorgehobenen Bedeutung der Zahlungsmittelfunktion des Geldes. Außerdem
sollte sie "von links nach rechts" gelesen werden wegen der
prinzipiellen Dominanz privater (Markt-) Kriterien: Schon historisch
betrachtet muß Geld originär als zwischenmenschliche Schöpfung betrachtet
werden.
GELD- |
S E K T O R |
|
FUNKTION |
Privat |
Öffentlich |
Zahlungsmittel |
Transaktions- Währung (Transaction
Currency) |
Interventions- Währung (Intervention
Currency) |
Recheneinheit |
Fakturierung/Preise,
Kurse (Invoicing
currency) |
Nominaler
Anker für Wechselkursregime (Reference
currency) |
Wertaufbewahrungsmittel |
Anlage-
und Emissionswährung (Asset
Currency) |
Reservewährung (Reserve Currency) |
Abb. 2: Geld in internationaler Verwendung
(2) Theorie: Währungswettbewerb vs.
Währungssubstitution
Die Währungstheorie
postuliert generell ein Verhalten von Wirtschaftssubjekten zur Minimierung der
Kosten grenzüberschreitender Transaktionen. Ein hier relevanter Bestandteil
sind Informations- bzw. Suchkosten bezüglich der Währung (der Geldeinheit), die
als Zahlungsmittel oder zur Ausfertigung der Rechnung (Fakturierung) verwendet
werden soll. Diese Informations- bzw. Suchkosten gelten ihrerseits als im
Zeitverlauf abhängig von Wechselkurserwartungen, Risikoüberlegungen sowie dem
Volumen der grenzüberschreitenden Transaktion. Letztlich wird argumentiert, daß
die Verwendung einiger weniger Währungen bei internationalen Transaktionen
zunehmend zu 'economies of scale' führt: Je mehr eine Währung als
internationales Geld verwendet wird, desto vertrauter wird man im Umgang damit,
und desto geringer werden daher die währungsspezifischen Informationskosten.
Banktechnisch gesprochen: Durch die Verwendung von internationalem Geld
wächst die Wahrscheinlichkeit, eine geschlossene Fremdwährungsposition
(currency matching position) zu erreichen.
Bilden sich gemäß der
obigen Argumentation einige wenige "Schlüsselwährungen" (key
currencies) als internationales Geld heraus, so kann man eine Zone des
Währungswettbewerbs (currency competition) zwischen diesen Währungen sowie
Währungsmonopolzonen konzipieren und analysieren (vgl. Abb. 3).
Die Analyse des
Währungswettbewerbs einer (international nicht verwendeten) Landeswährung mit
dem regional dominierenden internationalen Geld erfolgt in der Literatur unter
der Bezeichnung Währungssubstitution; sie ist von der Thematik des
Währungs-Wettbewerbs genau zu trennen.
Abb. 3: Währungswettbewerb zwischen
internationalem Geld
(3) Praktische
Entstehungsgründe
Die drei wichtigsten
in der Literatur[7] genannten
Entstehungsgründe von internationalem Geld in der Praxis sind:
• Vertrauen
in die langfristige Wertstabilität einer Währung, d.h. in eine stabile
Kaufkraft, die wiederum Preisstabilität im Emissionsland der Währung bedeutet.
Gemäß Kaufkraftparitäten-Theorie (s.u. Abschnitt E) führt Preisstabilität im
Inland langfristig auch zu einem festen Außenwert der Inlandswährung
("harte Währung").
• Offenheit,
Breite und Tiefe der Finanzmärkte
Hier kennzeichnet "Offenheit" die
Freiheit von Kapitalverkehrsbeschränkungen, "Breite" die Vielfalt der
gehandelten Finanzinstrumente und "Tiefe" die Existenz gutentwickelter
Sekundärmärkte (Liquiditätsaspekt).
• Wirtschaftliche
Größe und politisches Gewicht
Diese beiden Faktoren gelten als
"natürliche Basis" für eine mengenmäßig große Nachfrage nach der
Währung eines Landes. Wirtschaftliche Größe wird üblicherweise gemessen am
Anteil des Bruttoinlandsproduktes (BIP) am globalen (Welt-) BIP. Als Indiz für
politisches Gewicht gilt, neben der wirtschaftlichen Größe, u.a. die
Stabilität der politischen Verhältnisse. Im Zusammenhang mit Finanzkrisen
(s.u.) gilt die Währung eines wirtschaftlich großen und politisch stabilen
Landes als "sicherer Hafen" für Kapitalanlagen. Heute sind das vor
allem der US-$ sowie - mit Abstand - Euro und Yen (s. Abb. 3).
Im
praktisch-historischen Kontext ist es eine wichtige Frage, wie lange eine
nationale Währung als internationales Geld verwendet wird. Einen
Erklärungsansatz des offensichtlichen Beharrungsvermögens einiger historischer
'key currencies' liefert die Theorie: Wegen 'economies of scale' erscheint
eine Tendenz zur Konzentration auf eine Währung auch dann noch sinnvoll, wenn
die Gründe für deren internationale Verwendung langsam wegfallen (z.B.
Weiterverwendung des Pfund Sterling nach dem ersten Weltkrieg als
internationales Geld trotz Hegemonieverlust des britischen Empires).
b) Währungsreserven
Währungsreserven sind prinzipiell
internationales Geld in den Händen der Zentralbank. Dieses internationale Geld
wird überwiegend in Form kurzfristiger und verzinslicher finanzieller Aktiva
gehalten.[8] Daher kann man auch -
praxisnäher - Währungsreserven definieren als jederzeit mobilisierbare und
international uneingeschränkt zu Zahlungszwecken verwendbare finanzielle
Aktiva einer Zentralbank.
Währungsreserven sind international
verwendbares Geld, das die nationale Zentralbank nicht selbst schaffen kann. Dieses Geld wird - als Bestandteil der
Weltwährungsreserven - von den Zentralbanken generell in drei Formen gehalten:
als konvertible Devisen, als Sonderziehungsrechte und IWF-Reserveposition sowie
in Form von Gold. Analytische Grundfragen
beziehen sich u.a. auf die optimale Diversifikation solcher Reserveformen nach
Anlagewährungen sowie auf Bestimmungsgründe und Auswirkungen mengenmäßig
veränderter Währungsreserven; hierbei wird auch nach ihrem optimalen Volumen
gefragt.
(1) Konvertible
Devisen
Devisen sind Sichtguthaben in Fremdwährung (fremde Valuta). Kann eine fremde Valuta
jederzeit frei und unbeschränkt von staatlichen Regelungen in die nationale
und/oder eine dritte Währung umgetauscht werden, dann handelt es sich um
vollkommen konvertible Devisen. Die vollkommene Konvertibilität bezieht sich
auf eine nationale Währung sowohl in der Hand von Gebietsansässigen als auch
Gebietsfremden, und sie erstreckt sich auf den privaten internationalen
Kapitalverkehr ebenso wie auf grenzüberschreitende Transaktionen zwischen öffentlichen
Stellen (z.B. Währungsbehörden oder Regierungen). Gut 80 % der
Weltwährungsreserven werden von den Zentralbanken bzw. Währungsbehörden als
konvertible Devisen gehalten. Über die Hälfte davon lautet auf US-$ (ist in
US-$ denominiert). Hieran knüpft die Frage nach den theoretischen und
praktischen Gründen für die dominierende Rolle des US-$ als internationales
Geld (u.a. economies of scale; Vertrauen in stabile Kaufkraft; offene, breite
und tiefe Finanzmärkte sowie wirtschaftliche Größe und politisches Gewicht).
(2) Sonderziehungsrechte
(SZR) und IWF-Reserveposition
Die Sonderziehungsrechte sind als ein
Währungskorb definiert, der seit Januar 1999 4 Währungen enthält: US-Dollar,
Euro, Yen und Pfund Sterling (vgl. Abb. 4).
Korbkomponente |
Währungsbetrag |
Gewicht in % |
Euro
(Frankreich) Euro
(Deutschland) Japanischer
Yen Pfund
Sterling US Dollar |
0,1239 0,2280
27,200 0,1050 0,5821 |
11 21 18 11 39 |
Abb. 4: Sonderziehungsrechte
Wie man sieht,
dominieren US-$ und Euro mit 39 bzw. 32 % Gewichtsanteil. Für den Fall eines
Beitritts Großbritanniens zum
Euro-Währungsgebiet würde der Euro mit einem voraussichtlichen
Korbgewicht von 43 % den US-$ überflügeln.
Die Analyse der
Sonderziehungsrechte ist mit der emittierenden Institution, dem Internationalen
Währungsfonds (IWF) untrennbar verbunden: Der Gouverneursrat des IWF beschließt
die Zuteilung von SZR an die Währungsbehörden der Mitgliedsländer. Ein
typisches Kennzeichen des SZR-Währungskorbes ist dessen nur mittelbare
Verwendungsmöglichkeit für Interventionen am Devisenmarkt: SZR müssen vorher
erst in eine "marktfähige" Interventionswährung (d.h. in internationales
Zahlungs-mittel) beim IWF umgetauscht werden. Dies hat entsprechende
Rückwirkungen auf den SZR-Bestand der jeweiligen Emissionsländer konvertibler
Devisen. Im Hinblick auf die Verwendungskategorien des internationalen Geldes
(s.o. Abb. 2) fungieren SZR also lediglich als öffentliche Recheneinheit und internationales
Reservemedium - nicht aber als Zahlungsmittel. Da SZR nicht am Devisenmarkt gehandelt
werden, haben sie auch keinen aus Angebot und Nachfrage ermittelbaren
Marktpreis, sondern nur einen aus den Korbkomponenten abgeleiteten Kurs.
Ein immer wieder
diskutiertes währungspolitisches Thema bezieht sich auf die Menge und
Terminierung von neu zu schaffenden SZR. Dabei geht es aus der Sicht der westlichen
Industrieländer um befürchtete globale Inflationseffekte aufgrund übermäßiger
internationaler Liquidität. Hinzu kommen Fragen der öffentlichen Finanzen von
Entwicklungsländern, zumal SZR generell zur Begleichung internationaler
finanzieller Verpflichtungen einzelner Länder verwendet werden können.
(3) Gold
Mit der zunehmenden
Verwendung von SZR als internationales Reservemedium ging eine entsprechende Demonetisierung des Goldes einher: Heute
ist Gold für den IWF nur noch ein Vermögenswert, der sich aus früheren
Einzahlungen der Mitgliedsländer auf gut 100 Mio. Feinunzen summiert. Insofern
ist Gold ein Teil der sog. IWF-Reserveposition eines Landes, die sich im
wesentlichen zusammensetzt aus dessen Einzahlungen (Subskription) beim IWF in Form von Gold, konvertiblen Devisen
sowie SZR.
Demonetisierung bedeutet, daß Gold nicht mehr als
Bezugsgröße für Wechselkurse (Währungsparitäten) oder als Recheneinheit
international verwendet wird. Es gibt keinen offiziellen Goldpreis mehr, keine
obligatorischen Goldzahlungen der IWF-Mitgliedsländer, und auch keine
Goldankaufs- bzw. Verkaufspflicht der nationalen Währungsbehörden. Wie SZR kann
Gold allerdings in international akzeptierte Währungen eingetauscht und dadurch
mittelbar zu Zahlungszwecken verwendet werden. Gold spielt heute nur noch eine
Rolle als privates und öffentliches Wertaufbewahrungsmittel und ist insofern
kein internationales Geld. Gold erfüllt somit die Urfunktion des
Schatzgeldes.
Analytisch ist die
historische Verwendung des Goldes als Gelddeckung (realer Anker) zu thematisieren. Diese Problematik führt zur
Untersuchung von Währungssystemen sowie zur Diskussion der Vor- und Nachteile
von “fiat money”, das ja als Vertrauensgeld
u.a. gerade durch das Fehlen einer (Gold-) Deckung gekennzeichnet ist.
c) Währungssysteme
Die Währungssysteme
bestehen im Kern, wie Abb. 5 schematisch verdeutlicht, aus drei Elementen:
Wechselkursregime, Charakteristika des internationalen Kapitalverkehrs
(Konvertibilität, Kapitalmobilität) sowie Regelungen zur Abgrenzung bzw.
Schaffung von internationaler Liquidität (d.h. global akzeptierter
Zahlungsmittel in den Händen der Währungsbehörden).
Abb. 5:
Ordnungspolitische Charakteristika internationaler Währungssysteme
(1) Internationale Liquidität besteht zum Teil aus
Währungsreserven, die auch als aktuelle internationale Liquidität bezeichnet
werden können. Hinzuzurechnen sind die Möglichkeiten einer Beschaffung von
Währungsreserven auf dem Kreditwege ("Kreditlinien" bzw.
"Fazilitäten") als potentielle internationale Liquidität. Eine
Grundfrage zielt hier auf die Bestimmungsgründe einer optimalen (globalen)
Schaffung von Liquidität - eine Problematik, die Parallelen zur Analyse der
"optimalen Geldmenge" für eine geschlossene Volkswirtschaft
aufweist.
(2) Mit Wechselkursregime
bezeichnet man Bestimmungen über Niveau und Veränderungen bzw.
Schwankungsbreiten nominaler Wechselkurse. Zum Verständnis der entsprechenden
Gestaltungsmöglichkeiten der Währungsbehörden finden sich in der Literatur
Fallstudien historischer Währungssysteme, insbesondere für den klassischen
Goldstandard (1870-1914), das Bretton Woods-System (1945-1973) sowie für das gegenwärtige,
mit dem IWF vereinbarte System, das eine Vielzahl von Wechselkursregelungen mit
mehr oder weniger Flexibilität vorsieht.
Analytisch geht es hier zunächst um die
Frage, warum einzelne Länder bestimmte Wechselkursregelungen vorziehen. Hier
taucht die grundsätzlich akademische Auseinandersetzung um feste oder flexible
Wechselkurse auf. Die entsprechenden analytischen Argumente führen
unmittelbar zur internationalen monetären Ökonomie offener Volkswirtschaften.
Neben dieser traditionellen Wechselkursdebatte werden heute zunehmend auch noch
institutionelle Aspekte beachtet, so etwa die Frage der Einführung eines
“currency board” (Währungsamtes) als
Spielart eines festen Wechselkursregimes bei Verzicht auf eine autonome
nationale Zentralbankpolitik. Theoretisch und praktisch bedeutsam ist auch die
Frage nach der inneren Vereinbarkeit (Konsistenz) eines bestimmten
Wechselkursregimes mit anderen monetären Ordnungsaspekten.
(3) Kapitalmobilität und Konvertibilität
Das Konzept
vollkommener (perfekter) Kapitalmobilität
sagt aus, daß sich jede tatsächliche Zusammensetzung eines Portfolios
finanzieller Aktiva sofort und vollständig der gewünschten Zusammensetzung
anpasset.[9] Vollkommene Konvertibilität bedeutet die freie und
unbeschränkte Umtauschbarkeit nationaler Währungen nach innen und außen. Sie
ist eine notwendige (aber keine hinreichende) Bedingung für vollkommene
Kapitalmobilität. Kapitalmobilität ist Teil des - praxisorientierten -
Konzeptes Finanzielle Liberalisierung,
das im Teilgebiet Internationale
Finanzmärkte eine Rolle spielt (s.u.).
Heute werden Fragen des internationalen
Kapitalverkehrs u.a. in drei Problembereichen diskutiert. Einmal werden
Argumente für eine Abkehr vom Ziel einer vollkommenen Kapitalmobilität
vorgebracht, insbesondere von Entwicklungsländern im Zusammenhang mit
Finanzkrisen. Zweitens steht nach wie vor Tobins Vorschlag einer Steuer auf
Kapitalverkehrstransaktionen im Raum, und drittens wird die gleichzeitige
Verträglichkeit (Kompatibilität) von
perfekter Kapitalmobilität mit verschiedenen Wechselkursregimen bei
unterschiedlicher nationaler geldpolitischer Autonomie analytisch geprüft -
vgl. (1). Als moderner Ausweg aus einer drohenden Inkonsistenz dieser Elemente
erscheint schlicht die Abschaffung der nationalen Geldeinheit - sei es
zugunsten einer regionalen (z.B. europäischen) Einheitswährung Euro, sei es
zugunsten der dominierenden internationalen Geldeinheit, des US-$ (Dollarisierung).
Betrachtet man die beiden wichtigsten Merkmale
eines internationalen Währungssystems, nämlich Wechselkursregime und
Kapitalmobilität, aus dem Blickwinkel der nationalen Geldpolitik, so zeigt
sich, daß nicht alle möglichen Ausprägungen dieser Merkmale mit dem Wunsch nach
geldpolitischer Autonomie vereinbar sind. Insbesondere ist geldpolitische
Autonomie inkompatibel, d.h. nicht dauerhaft vereinbar, mit perfekter
Kapitalmobilität und festen Wechselkursen. Dementsprechend lautet die Aussage
des "inkompatiblen Dreiecks": Perfekte Kapitalmobilität, feste
Wechselkurse und geldpolitische Autonomie sind nicht simultan realisierbar bzw.
passen nicht gleichzeitig zueinander: Eines der drei Merkmale muß weichen, um
auf Dauer ein in sich verträgliches (kompatibles) Währungssystem zu gewährleisten.
Beispielweise würden autonome geldpolitische Entscheidungen (z.B. isolierte
nationale Zinssenkungen) zu einer Veränderung der Angebots-/Nachfrageverhältnisse
am Devisenmarkt führen, so daß ein fester Wechselkurs gefährdet bzw. auf Dauer
unhaltbar wird. Die kompatiblen bzw. inkompatiblen Kombinationen können am
besten graphisch erläutert werden (vgl. Abb. 6).
Zur Konstruktion und innerer Logik der
Graphik sind drei Aspekte zu beachten:
• Ausgehend von den drei Eckpunkten des äußeren
(auf der Basis stehenden) Dreiecks wird graduell, mit zunehmender Entfernung
vom Ausgangspunkt, der jeweilige Gegensatz (Gegenpol) verwirklicht, und zwar
optisch beim "Auftreffen" auf die jeweils gegenüberliegende
Seitenlinie des Dreiecks Beispiel: Ausgehend von völlig flexiblen Wechselkursen
(Eckpunkt rechts unten) kommt man über verschiedene Mischformen (Linie nach
links oben) letztlich zum Punkt völlig fester Wechselkurs.
Abb. 6: Das inkompatible Dreieck
• Das
äußere Dreieck bildet den konstruktiven Rahmen, der das inkompatible Dreieck in
sich enthält - und zwar als lineare Verbindung der drei Seitenmittelpunkte. Es
entsteht ein inneres, auf der Spitze stehendes Dreieck, welches seinerseits in
den Eckpunkten die oben genannte inkompatible Kombination feste Wechselkurse,
perfekte Kapitalmobilität und geldpolitische Autonomie realisiert.
• Kompatible
Dreierlösungen entstehen, wenn man die Eckpunkte des äußeren Dreiecks als
Zirkelpunkte betrachtet und jeweils 1/2 Seitenlänge abträgt. So ist, um zwei Lösungen der oben genannten spezifischen
Instabilität zu nennen, geldpolitische Autonomie erstens bei flexiblen
Wechselkursen und völliger Kapitalmobilität realisierbar (Zirkelpunkt rechts
unten). Oder man kombiniert geldpolitische Autonomie mit festen Wechselkursen,
führt aber Kapitalverkehrskontrollen ein (Zirkelpunkt oben bei
Finanzmarkt-Autarkie).
Abgesehen von den bisher genannten Aspekten enthält die
Darstellung alle möglichen Mischformen,
wenn man vom Rand des äußeren Dreiecks ins Innere vordringt - einschließlich
des in der Mitte liegenden Schnittpunktes der eingezeichneten
Verbindungslinien. Eine spezifische Diskussion derartiger Merkmalskombinationen
kann hier allerdings nicht erfolgen.
Auf die Frage, ob die Suche nach alternativen Währungen
lohnenswert sei, antwortet Prof. Gebauer, daß die Geldmengensteuerung
vermutlich nicht praktikabel ist; was die Rolle der Banken und die Zinsnahme
angeht, so sieht er eine Veränderung in diesem Bereich als etwas so
Revolutionäres an, das es vielleicht eine Generationenaufgabe werden könnte.
Er selbst hat aber vor, die Probleme, die es im Geldbereich gibt (auch wenn sie
nicht monokausal gesehen werden dürfen), immer wieder anzusprechen, auch auf
die Gefahr hin, als Außenseiter und Spinner zu gelten. Die “Blindheit” seiner
Kollegen führt Prof. Gebauer darauf zurück, daß zum Erreichen einer führenden
Position eine solche Konzentration auf ein Spezialgebiet nötig ist, auf dem man
dann mit brillanten Leistungen glänzen muß, daß man später kaum mehr anders
kann, als alles kritiklos stehen zu lassen.
Dr. Hugo T.C.
Godschalk
Kurzbiographie:
1974 – 1979 Studium der Volkswirtschaftslehre an der Uni
Münster/Westfalen mit Abschluß Diplom-Volkswirt
1982 Promotion über die
geldordnungspolitischen Probleme des Computergeldes
1979 - 1984 wissenschaftliche Forschungs- und
Lehrtätigkeit am Institut für Geld und Währung
der Uni Münster mit Forschungsschwerpunkten im Bereich der bargeldlosen
Zahlungsverkehrssysteme
1984 - 1990 Tätigkeit bei der GZS zunächst als
wissenschaftlicher Mitarbeiter zur Begleitung der EFTPOS-Pilotprojekte
des deutschen Kreditgewerbes, später als Leiter der
betriebswirtschaftlichen Abteilung im Controlling der
Unternehmensbereiche Eurocard, eurocheque und Zahlungssystementwicklung
1990 - 1993 Senior Consultant, Bereich
Finanzdienstleistungen beim Beratungsunternehmen Ordina (Deutschland)
GmbH
seit 1993 Gründung der PaySys GmbH mit Barbara Füller
und geschäftsführender
Gesellschafter der PaySys GmbH
Dr.
Godschalk weist zu Beginn darauf hin, daß nicht nur von Tauschringen
alternative Währungen eingeführt wurden, sondern auch Banken bereits
Parallelwährungen in Form des elektronischen Geldes ausgeben; sie nennen es
meist “Bonus-Punkte”. z.B. gibt es in Eichstätt eine lokale Währung in
Zusammenarbeit der Banken und der örtlichen Geschäftswelt.
Hugo Godschalk:
“DAS
GELD DER ZUKUNFT”
VON BERNHARD LIETAER
Während der Lektüre dieses Buches habe ich
mich auf kritische Fragezeichen als spontane Randnotizen beschränkt. Diese
Stellungnahme ist im wesentlichen eine Komprimierung dieser Fragezeichen.
Insgesamt aber überwiegt das Ausrufezeichen; eine weitgehende Zustimmung zur
Diagnose des heutigen Geldsystems und zur strategischen Forderung nach
Zulassung und Etablierung alternativer Währungssystemen als Therapieansatz.
Kernthese
(S.
55 – die Seitenzahlen beziehen sich auf die erste Auflage 1999)
Die Kernthese Lietaers ist die
Instrumentalisierung der Komplementärwährungen
(KW) zur Abwendung der drohenden Krise und zur Schaffung des nachhaltigen
Wohlstands: “Bewährte Währungsinnovationen können die vier „Geldfragen“ von
Abb. 3 lösen und den nachhaltigen Wohlstand schon innerhalb einer Generation
verwirklichen. Der Schlüssel dazu liegt in der Einführung von
Komplementärwährungen...” (S. 55).
Die 4 Geldfragen seien: Währungsinstabilität,
Überalterung der Bevölkerung, Klimaveränderung & Artensterben und die
Informationsrevolution (S. 38).
Eine Komplementärwährungsordnung bedeutet
Co-Existenz von herkömmlichen Landeswährungen und Alternativ-Währungen, “die
solche sozialen Funktionen erfüllen, die für das offizielle Währungssystem
nicht vorgesehen sind” (S. 55).
Es geht nicht darum, “die herkömmlichen
Landeswährungen zu ersetzen” (S. 55). In einem Szenario konkretisiert Lietaer
das Potential der KW in Höhe von 20% des Binnenhandels (S. 432).
Kommentar
zur Kernthese:
Auch wenn man die These akzeptiert, daß das
Geld im Zentrum der “Zeitkompressionsmaschine” steht (S. 38), stellt sich die
Frage, ob die KW in ihrer Nische-Funktion einen wesentlichen Beitrag zur Lösung
der 4 Geldfragen liefern kann bzw. einen nachhaltigen Wohlstand initiieren
kann. Wenn KW nur als Reparaturbetrieb
des herkömmlichen Geldsystems dienen und nur die soziale Funktionen wahrnehmen,
die das heutige Geldsystem außer Acht lassen, werden wir die zerstörende
Wirkung des heutigen Systems nur etwas mildern oder verzögern. Es ist eine third-best-Lösung, die den Status Quo in
der Kernökonomie unangetastet läßt und keine Revolution bewirkt.
KW sind nur dann sinnvoll, wenn sie einen
Keim für ein anderes, neues Geldsystem in sich tragen. KW sollen die Embryos
einer neuen Geldordnung sein. Sie sollen zumindest ein Evolutionsprozeß
einleiten. KW sollen die traditionellen Währungen in einem Wettbewerbsprozeß
beeinflussen, zu Innovationen im herkömmlichen System führen oder
gegebenenfalls die alten Währungen ersetzen. In diesem Ausleseprozeß sollen
sich die besten Konzepte durchsetzen. Systemverbesserung durch Wettbewerb
konkurrierender Währungen.
Statt einem komplementären Verhältnis zwischen Nationalwährungen und KW mit jeder
für sich abgegrenzten Wirkungsbereiche, brauchen wir ein konkurrierendes Verhältnis, das Substitutionsprozesse auslöst.
In dieser Marktordnung wäre statt
Komplementärwährung[10] eher der Begriff
Konkurrenzwährung angebracht. Dieser Wettbewerb der Währungen soll ein fairer
Wettbewerb sein. Als eine von der jeweiligen Zentralbank im günstigsten Fall
tolerierte KW kann kein fairer Wettbewerb entstehen. Demnach hat eine KW auch
kaum Chancen ihrem Nische-Dasein zu entkommen und ihre erhoffte nachhaltige
Wirkung voll zu entfalten. Die Situation wäre vergleichbar mit den Chancen von
nicht-subventionierten regenerierbaren Energien in einem de-facto-staatlichen
Monopol für Kernenergie mit subventionierten Preisen.
Traditionelle Nationalwährungen versus
Komplementärwährungen
Eine wichtige Argumentation zur Begründung
seiner Kernthese ist die Gegenüberstellung von herkömmlichen Nationalwährungen
und KW. Die Klassifizierung Lietaers ist wie folgt (S. 124/S.140):
traditionelle
Nationalwährung |
Komplementärwährung |
Zinsexistenz mit folgenden Nebenwirkungen:
einseitige Förderung von Konkurrenz, Wachstumszwang und Akkumulation |
• Zinslos • Kooperationsfördernd • Stärkung des Gemeinsinns • Soziale Funktion |
(National)staatliches Geld |
Keine Landeswährung (S. 282) |
Fiat-Geld bzw. ungedecktes Geld (aus dem
Nichts geschaffen) |
Fiat-KW (z. B. Ithaca Hours) und wechselseitige
Kreditsysteme (z. B. LETS) (S. 354) |
Geldschöpfung durch Bankdarlehen |
|
Regulierung durch Zentralbank; Erzeugung
künstlicher Knappheit (S. 129) |
Nur im Fall wechselseitiger Kreditsysteme
keine Regulierung notwendig, da Selbstregulierung der Geldmenge; keine
künstliche Knappheit (S. 129); keine Inflationsgefahr (wenn richtig konzipiert
(S. 340) |
Kommentar zur Abgrenzung des Begriffs
Komplementärwährung
Lietaer definiert eine KW als „eine
Vereinbarung, innerhalb einer Gemeinschaft, eine Währung, die keine
Landeswährung ist, als Tauschmittel zu akzeptieren“ (S. 282). Diese neutrale Definition ist sinnvoll und
kann zugestimmt werden. Zusätzlich verknüpft Lietaer qualitative Eigenschaften mit
KW, wie soziale Funktionen und die Kooperationsförderung. Er räumt allerdings
ein, daß eine KW nicht per Definition seine positive Wirkungen entfaltet,
sondern richtig konzipiert sein muß. Er befürwortet in diesem Zusammenhang die
Systeme auf Basis wechselseitiger Kredite (S. 283).
Wie bei einer Nationalwährung die
Konkurrenzförderung nicht systemimmanent ist, ist auch die Förderung der Kooperation keine
systembedingte Eigenschaft einer KW. So gibt es durchaus KW, die wie die
herkömmliche Landeswährung konkurrenzfördernd und keine sozialen Funktionen innehaben. Die von Lietaer selbst genannten
Bonuspunktesysteme sind ein gutes Beispiel für solche KW. Ein
Bonuspunkte-System wie z. B. Miles & More fördert den Konsum, appelliert an
den Sammel- und Kumulierungstrieb des Menschen und ist ökologisch schädlich.
Diese KW – offensichtlich ohne soziale Funktion - liefert also kaum einen
Beitrag zum nachhaltigen Wohlstand. Das gleiche gilt z. B. für kommerzielle
Barter-Systeme zwischen Unternehmen (Ziel: Umsatzförderung und Auslastung
nicht-genutzter Kapazitäten). Das neutrale Abgrenzungskriterium nach Emittent (Staat oder privat) bedarf also
einer qualitativen Ergänzung. Die Existenz von KW ist also nicht ausreichend
für die Zielsetzung (Lösung der 4 Geldfragen bzw. Sicherung des nachhaltigen
Wohlstands). Es stellt sich also die Frage nach der richtigen KW.
Begünstigt durch IT-Innovationen und Internet (Senkung der Informations- und
Transaktionskosten bzw. Umgehung der nationalen Regulierung) ist das Aufkommen
von Privatwährungen innerhalb
geschlossener Nutzergruppen ein
durchaus realistisches Szenario. Eine Voraussetzung ist der Bedarf innerhalb der
Privatwirtschaft. Es ist zu erwarten, daß die Motive zur Nutzung dieser Privatwährungen
rein kommerzieller Natur sind (wie z. B. Loyalty Systeme). Derartige KW werden
aber das Tor für eine neue Geldordnung öffnen, die gegebenenfalls das Ende der
Nationalwährungen bedeuten kann. Diese Toröffnung
ist gleichzeitig auch die Chance für die KW mit sozialen Funktionen, die sich
ebenfalls etablieren und entfalten können. Es stellt sich die Frage, ob die in
diesem Wettbewerbsprozeß ausgelösten Innovationen im herkömmlichen System die
Nachfrage nach KW mit Sozialfunktionen nicht wieder rückgängig machen. Oder
anders gesagt: Ist die heutige Existenzberechtigung von KW mit sozialen
Funktionen nicht bedingt durch die fehlerhaften Konstrukte im herkömmlichen
Geldsystem?
Es ist ein vielkolportiertes Mißverständnis,
daß bei wechselseitigen Kreditsystemen - wie LETS - die Währung nicht knapp wäre, nicht reguliert würde bzw. inflationsfrei wäre (S. 50 / S. 129 / S.
284). Die Geldmenge innerhalb solcher Systeme ist aber bedingt durch die
gesetzten Kontoüberziehungsspielräume. Nur wenn man die Teilnehmerkonten
unbegrenzt überziehen könnte, wäre die Geldknappheit aufgehoben. Das bedeutet,
daß man auch in wechselseitigen Kreditsystemen eine Regulierung kennt. In
Bezug auf das Inflationsproblem stellt sich die Frage, ob die Geldmenge innerhalb
eines LETS nur durch die Summe der Positiv-Guthaben definiert sei. Es sei zu
bedenken, daß die Einräumung eines Überziehungslimits zusätzliche Kaufkraft zur
Folge hat. Im Vergleich zur Ausgangssituation bedeutet die Einführung eines
LETS mit z. B. einem Limit von minus 500 Einheiten (1 Einheit = 1 Euro) für
100 Teilnehmer zusätzliche Kaufkraft in Höhe von 50.000 Euro, die durchaus
innerhalb der Gruppe inflationär wirken kann (z. B. durch Nachfrageüberhang).
Eine „versteckte“ Inflation kann ebenfalls durch ein unzureichendes Angebot
auftreten (z. B. bedingt durch Maximumpreise), wonach die Teilnehmer auf ihren
LETS-Währungseinheiten sitzen bleiben.
Außerdem setzt die These der Inflationsfreiheit innerhalb der KW-Systeme
stillschweigend voraus, daß Inflation ein ausschließlich monetär bedingtes
Phänomen ist.
Das herkömmliche Geld wird – bedingt durch
das Zinsphänomen – als konkurrenzfördernd gekennzeichnet. Im Gegensatz dazu
seien – so Lietaer - die KW kooperationsfördernd. Weitere Nebenwirkungen des
Zinses sind der Wachstumszwang und die Akkumulation. Die systembedingte Nebenwirkung Konkurrenzförderung sollte allerdings
kritisch hinterfragt werden. Lietaer begründet seine These durch die
Geschichte des elften Lederstücks (S. 132 ff.). Seine Schlussfolgerung der
“unbeabsichtigten Nebenwirkung, daß sie die traditionelle spontane
Hilfsbereitschaft im Dorf hemmte” (S. 134), wird nicht weiter begründet. Die
Gemeinschaft steht unter zinsbedingtem Wachstumszwang, aber gerät damit nicht
zwangsläufig unter einen systembedingten Konkurrenzdruck bzw. unter einen
Rückgang der Kooperationsbereitschaft. Der zinsbedingte Mehrwert kann auch
mittels freiwilliger Kooperation oder in einer Kommandowirtschaft produziert
werden. Die Wirtschaftsform „Konkurrenz“ ist also nicht geld- bzw.
zinssystembedingt. Außerdem räumt Lietaer kurz danach ein, daß die Annahme der
Lederstück-Geschichte, innerhalb des Jahres würde alles beim alten bleiben,
unrealistisch sei (siehe auch Fußnote 94 / S. 465). In Wirklichkeit wird die
Zentralbank die notwendige Geldmenge zur Erwirtschaftung der zusätzlichen
Produktion bereitstellen, womit der Zins aus dem Mehrwert bedient werden kann.
Die angenommene Kausalkette Zins –
Wettbewerb verliert damit ihre Plausibilität und verlangt eine weitere
Begründung.
Weitere
Randbemerkungen:
• Fax-Effekt
(S. 147): “Informationen mit zunehmender Verfügbarkeit werden auch
wertvoller...” Informationen werden in der Regel nicht wertvoller mit
zunehmender Verfügbarkeit. Mit dem Fax-Effekt ist vielmehr gemeint, daß sich
mit Zunahme der Kommunikationsteilnehmer der Nutzen des einzelnen erhöht (auch
als Verbundeffekte oder economies of
scope bezeichnet).
• Elektronisches Komplementärwährungssystem LETS
in UK (S. 51):
Nicht
nur in Großbritannien, sondern weltweit können die meisten LETS (noch) nicht
als elektronische Währungssysteme bezeichnet werden. Die Wertübertragung ist
meist beleghaft und nicht elektronisch, nur die Kontoführung ist in der Regel
beleglos.
•
(Internet-)Zahlungssysteme, die ausschließlich auf Landeswährungen basieren,
werden strukturell benachteiligt“ (S. 160): die Aussage leuchtet nicht ein.
• SmartCards in Minneapolis seit 1997 (S. 160)
bzw. 1998 (S. 431): Soweit bekannt plant Hodroff den Einsatz von Chipkarten.
Das System basiert bis heute noch auf Magnetstreifenkarten.
• Änderung der Natur des Geldes durch E-Money
(SmartCards oder Internetgeld) (S. 169/170): E-Money ändert die Natur des Geldes.
Es ist eine neue Form neben dem herkömmlichen Bar- und Buchgeld. “Eine
Neugestaltung des Geldes würde die Motivation für die meisten unserer
Handlungen verändern” (S.170). Warum führt eine Veränderung der Natur des
Geldes zu einer Verhaltensänderung? Die Aussage leuchtet nicht ein.
• Unternehmenswährung über 30 Mrd. $ in 1995
(S. 180): Wo gab es zu dieser Zeit eine KW mit einem Volumen über 30 Mrd. $???
• 30 Mio. wieheraufladbare SmartCards in
Frankreich in 1995 (S. 180): Frankreich hatte damals zwar SmartCards, aber
keine wieheraufladbaren electronic purses auf Basis der Chipkartentechnik.
Diese werden erst derzeit (zögernd) eingeführt.
•
First Data Ressources als Kreditkartenanbieter (S. 183): FDR ist kein
Kreditkartenanbieter, sondern ein Kreditkartenprozessor. Anbieter ist in der
Regel eine Bank oder eine Finanzinstitution.
• Unbedenklichkeitsnachweis bei E-Money (S.
183): Gerade beim E-Money entfällt die Identitätsüberprüfung des Inhabers, da
E-Money „prepaid“ ist und eine direkte Wertübertragung stattfindet (wie beim
Bargeld). Bei E-Money wird nur die Echtheit des Mediums bzw. der elektronischen
Werteinheiten überprüft. Im Gegensatz zur Debit- oder Kreditkarte bleibt der
Kaufvorgang in der Regel anonym (Vgl. Nr. 2 / S. 184).
• Zylstra als prominenter Vertreter des
Freigeldes (S. 273): Keine historische Primär-Quelle weist daraufhin, daß
Charles Zylstra ein Vertreter des gesellianischen Freigeldes war.
• Die meisten Anwendungen in den USA waren
richtig konzipiert (S. 273): Nur wenige Anwendungen in den USA folgten dem richtigen Ansatz des Schwundgeldes
(dated stamp scrip). Dennoch waren die falschen
Ansätze durchaus erfolgreich.
• Verbot der Notwährungen in den USA (S. 274):
In den USA gab es während der Weltwirtschaftskrise nur für eine sehr kurze Zeit
(während der Bankenschließung) ein von Roosevelt verhängtes Verbot der
Notwährungen. Bis 1937 wurde depression scrip – ohne Verbot - emittiert.
• KW in Form des elektronisches Geldes in
Schottland, Holland und Spanien (S. 295): Bei den genannten Projekten handelt
es sich nicht um E-Money im Sinne der international üblichen Definition
(elektronische Werteinheiten gespeichert auf einem Datenträger als Forderung
gegenüber dem Emittenten).
• Erfolg der Notwährungen mit
Anti-Hortungsgebühr in Hunderten von Fällen in den 30-er Jahren (S. 357): Neben
Wörgl gab es nur wenige Experimente mit dieser Art des Notgeldes. Die meisten
wurden gestoppt bevor sie Erfolg zeigen konnten. Siehe auch Randbemerkungen zu
Stamp Scrip in den USA.
Zum e-Geld sagt Dr. Godschalk noch: Die EZB hat Angst davor;
deshalb beschäftigt sie sich bereits mit Fragen der Regulierung, obwohl es das
e-Geld in der Praxis noch kaum gibt.
Zur Klärung definiert er den Begriff „e-Geld“:
Definition von “e-Geld”:
- monetäre Einheiten, die nicht im Bank-Computer
vorhanden sind;
- elektronische Werteinheiten, die sich auf
meinem Datenträger befinden;
- diese Werteinheiten müssen nicht DM oder Euro
sein;
- übertragbar auf andere Datenträger;
- entweder „Vorausbezahlung“ eines herkömmlichen
Zahlungsmittels oder als Bonus-Punkte (Belohnung);
- kann aus dem Nichts geschaffen werden (z.B.
Ausgabe an Stelle von Rabattmarken);
- nicht personengebundene und nicht
kontogebundene Forderung des Inhabers an den Herausgeber.
Es
gibt so genannte 2-seitige Systeme (z.B. die Telefonkarte, die man bei der
Telekom kauft und die man per Telefonieren bei der Telekom einlöst), und es
gibt 3-seitige Systeme (wenn man z.B. mit der Telefonkarte auch das örtliche
Transportnetz benützen könnte), bei denen Ausgabe- und Akzeptanzstellen nicht
mehr identisch sein müssen. Diese Form darf nur von Banken ausgegeben werden.
Die EU-Kommission hat sich 1998 dafür ausgesprochen, daß auch Nichtbanken
e-Geld ausgeben dürfen; die Zentralbanken in USA und GB sehen das ebenfalls
locker. Doch die EZB und die Bundesbank sind bisher dagegen. Eine Richtlinie
soll noch in diesem Jahr verabschiedet werden.
Professor Dr. Bernd Senf
Kurzbiographie:
Jahrgang 1944, lehrt seit 1973 als
Professor für Volkswirtschaftslehre an der FH für Wirtschaft in Berlin. Der
Titel seiner Dissertationsarbeit
Wirtschaftliche Rationalität – gesellschaftliche Irrationalität; die
Verdrängung gesellschaftlicher Probleme durch die bürgerliche Ökonomie stieß
an der TU auf wenig Gegenliebe und
wurde erst an der FH angenommen. Sein besonderes Interesse gilt einem tieferen
Verständnis lebendiger Prozesse und ihrem Verhältnis zur herrschenden
Wissenschaft, Ökonomie, Technologie und Moral. Neben seinen Seminaren zum Thema
Geld führt er auch immer wieder in die Arbeiten von Wilhelm Reich ein.
Zwischen dem Fließen des Geldes im sozialen Organismus einer Wirtschaft und dem
Fließen der Lebensenergie im Organismus eines Menschen sieht er erstaunliche
funktionelle Identitäten: Die Blockierung des Fließprozesses macht den
betreffenden Organismus krank und destruktiv. Daraus folgt für ihn: Die
Lösung (der Blockierung) ist die Lösung.
Bernd Senf:
WEISER ALS
“DIE WEISEN”
- zum Buch “Das Geld
der Zukunft” von Bernard A. Lietaer
Das Geld der Zukunft von Bernard A. Lietaer hat mich in
mehrfacher Hinsicht tief beeindruckt. Zunächst einmal deswegen, weil es von
einem Autor stammt, der selbst höchste Funktionen in der internationalen
Finanzwelt bekleidet hat und dabei zu einer äußerst kritischen Einschätzung
des bestehenden Geldsystems gelangt ist. Er scheint mir damit weiser zu sein
als die fünf Weisen (der
Sachverständigenrat zur Begutachtung gesamtwirtschaftlicher Entwicklung, das
höchste wirtschaftspolitische Beratungsgremium der Bundesregierung), die - wie
die meisten Fachökonomen - am Geld- und Zinssystem gar nichts Problematisches
finden, sondern ihm vielmehr den wissenschaftlichen Segen erteilen.
Beeindruckt bin ich auch über den Mut und die
Klarheit, mit der Lietaer seine kritische Analyse in die Öffentlichkeit trägt.
Denn es gehört heute noch Mut dazu, das bestehende Geld- und Zinssystem
grundlegend in Frage zu stellen und sich damit dem Mainstream von
Wirtschaftswissenschaftlern und Finanzexperten, aber auch der allgemeinen öffentlichen
Meinung entgegen zu stellen - und sich damit der Gefahr auszusetzen, nicht mehr
ernst genommen oder gar heftig attackiert zu werden. Als Laie kann man sich
vielleicht noch unbeschadet öffentlich zu diesem brisanten Thema äußern, aber
als Wirtschaftsexperte riskiert man seinen
guten Ruf und gerät leicht in die Rolle des Ketzers.
Lietaer hat sich über derlei Bedenken und
Risiken offensichtlich hinweg gesetzt, und die Lektüre seines Buches läßt
spüren, wie ernst es ihm bei diesem Thema ist. Er hat es sogar riskiert, als Fachmann
eine einfache, klare und allgemein verständliche Sprache zu wählen - und
manchmal auch bei aller sachlicher Klarheit seine emotionale Betroffenheit
durchschimmern zu lassen. Er verwendet auch Bilder, Karikaturen, Anekdoten und
konkrete Szenarien, also ein breites Repertoire an Stilmitteln, um die
Problematik des Zinssystems und seiner destruktiven Dynamik sowie mögliche
Alternativen von verschiedenen Seiten her zu beleuchten und den LerserInnen
näher zu bringen. Damit setzt er sich der Gefahr aus, unter Wissenschaftlern
als unseriös und unwissenschaftlich zu gelten - und allein schon deshalb von ihnen
ignoriert zu werden. Ich rechne es ihm hoch an, daß er es dennoch getan hat,
denn das Thema, um das es in seinem Buch geht, ist viel zu wichtig, als daß es
nur einem kleinen Kreis von Experten vorbehalten bleiben - oder gar von ihnen
unterschlagen werden sollte.
Noch aus einem weiteren Grund bin ich vom Geld der Zukunft tief beeindruckt: Es
ist vom Inhalt her nicht nur ein ökonomisches Buch, sondern entwickelt im
besten Sinne des Wortes eine ganzheitliche
Sichtweise, die die traditionellen Disziplingrenzen der
Wirtschaftswissenschaft hinter sich läßt. Auch dazu gehört Mut, aber auch dies
erscheint mir notwendig, wenn es um ein tieferes Verständnis der dramatischen
Fehlentwicklungen geht, die das Zinssystem in der Geschichte immer wieder
hervor getrieben hat und bis heute hervor treibt. Die oftmals nur noch
abstrakt-mathematischen Modelle und die rein
ökonomische Betrachtungsweise der herrschenden Wirtschaftslehren
(insbesondere der Neoklassik) scheinen mir längst den Kontakt zur Realität
sozialer, ökologischer und emotionaler Krisen der Wohlstandsgesellschaft und des globalen Kapitalismus verloren zu
haben - und werden doch in ihren Grundaussagen vom Neoliberalismus mittlerweile
weltweit als Heilslehren nachgebetet - wie eine neue Weltreligion, aber im
Gewand von Wissenschaft. Lietaer geht mit seiner Analyse nicht in diese Falle,
sondern vermeidet jeden mathematischen Formalismus und eröffnet einen klaren
Blick auf die vielfältigen Probleme, die das bestehende Geldsystem auf
verschiedenen Ebenen verursacht oder verstärkt.
In einem weiteren Punkt fühle ich mich mit
Lietaer verbunden: Das er das Zinssystem
und den von ihm ausgehenden permanenten
Druck auf die Schuldner als Ausdruck
eines viel umfassenderen Prinzips deutet, nämlich des Patriarchats, das es nicht immer und überall gegeben hat. In
der Rückbesinnung auf nicht-patriarchale Kulturen und Lebensweisen scheinen
auch mir wesentliche Grundlagen für andere Formen des menschlichen Miteinander
zu liegen (anstelle des Gegeneinander) - und damit auch für andere Formen von
Tausch und Geld; und sei es auch erst einmal komplementär zu den immer noch
dominierenden patriarchalen Strukturen.
Das Lietaer mit seinem Buch die Suche nach
Alternativen zum bestehenden Geldsystem anregt und darüber hinaus auch
dokumentiert, wie viele alternative Geld- und Tauschsysteme es in der
Geschichte gegeben hat, aber auch in der Gegenwart schon wieder gibt, halte
ich für außerordentlich wichtig - auch wenn ich inhaltlich nicht mit allen
seinen Positionen übereinstimme. Während er zum Beispiel die alternativen
Systeme als komplementär, also ergänzend zum bestehenden Zinssystem verstanden
wissen will, sehe ich es als langfristige Herausforderung an, das als destruktiv erkannte Zinssystem
insgesamt zu überwinden. Und daß eine zinsfreie globale Referenzwährung
„TERRA“ zum Wohl der Allgemeinheit ausgerechnet von den transnationalen
Konzernen auf den Weg gebracht werden sollte, die mit dem “Multilateralen
Abkommen über Investitionen” (MAI) gerade ihre Kontrolle über den Globus
langfristig absichern und ihre Kapitalinteressen gegen soziale und ökologische
Standards durchsetzen wollten, diese Vorstellung fällt mir doch einigermaßen
schwer.
Aber ich verstehe das Buch von Lietaer auch
nicht als fertige Antwort, sondern als wichtigen konstruktiven Beitrag auf
der Suche nach Alternativen zum Zinssystem. Es wäre zu wünschen, daß das
Beispiel Lietaer Schule macht und sich auch andere aus den höheren Etagen von
Wissenschaft, Politik, Kirchen, Gewerkschaften und Finanzwelt, aber natürlich
auch eine wachsende Zahl ganz normaler
Bürger zu diesem bisher weitgehend verdrängten Zinstabu öffentlich äußern. Denn wir benötigen nicht nur einen Ausstieg aus der atomaren Kernspaltung, sondern auch
aus der “monetären Kernspaltung”, aus einem Geldsystem mit destruktiven
Kettenreaktionen, das die Gefahr eines Super-GAUs des Weltfinanzsystems in sich
trägt.
Lietaer zeigt auf, daß alternative Geld- und Tauschsysteme, wenn sie bestimmte Kriterien
erfüllen, mindestens die Funktion von
Auffangnetzen erfüllen könnten, die es rechtzeitig zu spannen gilt. Sie
können überdies auch wichtige Aufgaben der wirtschaftlichen Wiederbelebung
strukturschwacher Regionen sowie der Einbeziehung von Menschen übernehmen, die
aus dem Beschäftigungssystem mehr oder weniger herausgefallen sind. Es ist zu
hoffen, daß auch politische Entscheidungsträger durch die von Lietaer angeregte
Diskussion die sozialpolitische Funktion solcher Modelle erkennen und sie
fördern - anstatt sie zu behindern.
Reinhard Deutsch
Kurzbiographie:
Geboren 1936 in
Quedlinburg (Harz).
Volksschule in Taucha
bei Leipzig. Dann 1950 mit 14 Jahren in den Westen, weil ich als
"Kapitalistenkind" (Vater hatte einen Milchladen) nicht zum Gymnasium
durfte.
Abitur in Frankfurt.
Zwei Jahre Lehre als Buchhändler und Verlagskaufmann.
Studium der
Betriebswirtschaft in Frankfurt/Main - Abschluß als Dipl.Kfm.
Danach selbständiger
Unternehmer. Aufbau mehrerer Firmen im In- und Ausland, die größte davon Video
Games GmbH in Lich mit über 80 Mitarbeitern.
Heute
Rentner-Wirtschaftsberatung, Anlageberatung, Depotverwaltung, Bücher und
Artikel schreiben. Eintreten für freie Marktwirtschaft - freien Kapitalismus
mit privatem Geld. Libertärer - Hayek, Mises etc. (Entstaatlichung des
Geldes). Spezialgebiet Geldtheorie/Goldstandard.
Reinhard Deutsch:
FALSCHGELD
– Anmerkungen zum “Geld der Zukunft”
Ich möchte zunächst Herrn Bernard Lietaer zu
seinem Buch Das Geld der Zukunft ausdrücklich
gratulieren, wie auch den Initiatoren des Expertengespräches im Lebensgarten
Steyerberg . Mit etwas Glück ist das Jahr 2000 genau der richtige Zeitpunkt für
eine solche Initiative – Kairos läßt grüßen. Ich denke, daß die Ereignisse
dieses Jahres eine neue intensive Diskussion über Geldfragen auslösen werden
und grundsätzliche Überlegungen zu diesem Thema wieder gefragt sind.
In meinem Beitrag möchte ich mich auf ein einziges Thema
beschränken, daß mir sehr wichtig erscheint. Ein altes chinesisches Sprichwort
besagt “Der erste Schritt zur Weisheit ist es, die Dinge beim richtigen Namen
zu benennen.” Das Geld, das wir heute
weltweit haben, hat einen Namen, nämlich fiat money. Überraschenderweise gibt
es keine deutsche Übersetzung für diesen Begriff. Wörtlich übersetzt müßte es
wohl heißen, “es werde Geld”, aber das ist natürlich kein klarer Begriff. Mit Zaubergeld
oder Ersatzgeld
könnte man es vielleicht übersetzen , aber das trifft nicht den Sachverhalt,
der eigentlich gemeint ist. Die beste Übersetzung, die mir eingefallen ist und
die am klarsten in deutscher Sprache zum Ausdruck bringt, was eigentlich damit
gemeint ist, lautet: Legales
Falschgeld. Und in der Tat ist genau das der ganze schäbige Trick, der
hinter unserem heutigen Geldsystem steckt, die Erzeugung von legalem
Falschgeld. Obwohl dieser Trick eigentlich uralt ist und sich in der
Geldgeschichte ein staatlicher Geldbetrug an den anderen reiht, der mit diesem
Trick durchgeführt wurde, funktioniert er erstaunlicherweise immer wieder neu
und auch heute wieder.
Wenn der Landesherr früher Kupfer in die
Edelmetallmünzen mischen ließ, so war das nichts anderes als die Erzeugung von
legalem Falschgeld. Manche Geldtheoretiker behaupten zwar, der Landesherr
handele nur rational und wirtschaftlich, wenn er versucht, aus dem vorhandenen
Edelmetallvorrat durch Beimischung soviel Münzen wie möglich herzustellen. Aber
das ist, denke ich, eine jener intellektuellen Verwirrungen in Gelddingen, für
die Wirtschaftswissenschaftler nicht unerhebliche Verantwortung tragen. Die
Beimischung wurde dem Publikum ja nicht mitgeteilt. Das Kupfer wurde heimlich
in die Münzen gemischt, eben um das Publikum zu täuschen und deshalb war es
legales Falschgeld.
Dieser Trick läuft heute zwar raffinierter
und ist deshalb sehr viel schwerer zu erkennen, aber am Grundprinzip hat sich
nicht viel geändert. In meinem Buch Die
Geldfalle erkläre ich ausführlich, wie dieser Trick im Laufe der
Geschichte immer mehr verfeinert wurde und wie er heute funktioniert.
Das wir seit etwa 30 Jahren erstmals in der
Geschichte ein weltweites Geldsystem haben, daß ausschließlich auf fiat money, also auf legalem Falschgeld
aufgebaut ist, wird in Fachkreisen kaum bestritten. Dieses Geldsystem ist aber
nicht vom Himmel gefallen, sondern in einem langen geschichtlichen Prozeß von
vielen klugen Leuten erst allmählich entwickelt worden, allerdings nicht unter
dem Begriff Falschgeld. Vielmehr wurde diese Entwicklung immer als
geldtechnischer Fortschritt verkauft und zwar so gut, daß auch heute die
Menschen nicht glauben wollen, daß es legales Falschgeld überhaupt geben kann,
obwohl sie doch, besonders in Deutschland, immer wieder neu mit legalem
Falschgeld vom Staat betrogen worden sind.
Einer der ganz wenigen Geldtheoretiker, die
offen und klar sagen, daß es bei ihrem Geld um Falschgeld geht, ist Silvio
Gesell. In seinem Buch: Die natürliche
Wirtschaftsordnung schreibt er: “Europa verdankt seinen Aufstieg der
größten Erfindung aller Zeiten - dem Falschgeld. Die Falschmünzerei hat in der
Renaissance Rom und ganz Europa aus dem mittelalterlichen Winterschlaf
geweckt.” Falschgeld kann in der Tat Wunder bewirken. Das Beschäftigungswunder
der Nationalsozialisten beruhte auf Falschgeld, das sie über die Mefo Wechsel
erzeugten. Das amerikanische Beschäftigungswunder und der weltweite Börsenboom
heute beruhen ebenfalls auf Falschgeld. Man sieht also, es funktioniert, aber
es hat eben auch eine Schattenseite. Jeder Geldfälscher bringt erst einmal
Wohlstand und Prosperität in die Gemeinde, in der er sein Falschgeld unter die
Leute bringt, jedenfalls solange niemand merkt das es Falschgeld ist. Es
entstehen Arbeitsplätze, die Nachfrage steigt und Handel und Wandel werden
belebt, ganz so wie es Goethe im Faust II beschreibt:
Damit
die Wohltat allen gleich gedeihe
So
stempelten wir gleich die ganze Reihe
Zehn,
Dreißig, Fünfzig, Hundert sind parat
Ihr
denkt Euch nicht, wie wohl‚s dem Volke tat
Seht
Eure Stadt, sonst halb im Tod verschimmelt
wie
alles lebt und lustgenießend wimmelt
Das Problem ist nur, daß es Wunder nicht gibt
und daß die Leute nicht wissen, daß das Wunder
nur auf Falschgeld beruht, weil die Dinge eben nicht beim richtigen Namen benannt
werden. Der Grund dafür ist natürlich auch klar. Wenn man es Falschgeld nennen
würde, funktionierte das Wunder nicht
mehr. Warum ist fiat money Falschgeld? Einfach weil es Geld ist, daß ohne
Leistung erzeugt wird. Vom Gelderzeuger wird auch keine Leistung versprochen.
Eine Bank die fiat money aus dem Nichts erzeugt, schuldet für dieses Geld
selber nichts. Banken lösen ihr Schuldversprechen ein, indem sie immer neue
Schuldversprechen geben. Die Bank selbst braucht den versprochenen Umtausch in
reale Güter nie zu leisten, anders als etwa bei einem Wechsel. Bei einem
Wechsel wird zwar auch Kreditgeld aus dem Nichts erzeugt, aber der Gelderzeuger
selbst verpflichtet sich mit seiner Unterschrift, eine Leistung zu erbringen.
Auch wenn er seine Wechselverpflichtung nur mit Geld erfüllt, so muß er, anders
als die Bank, doch eine konkrete Leistung erbringen, um an dieses Geld zu
kommen.
Auch Bernard Lietaer will in seinem Buch fiat money nicht grundsätzlich
verdammen. Er zeigt nur auf, daß es nicht das einzig mögliche Geld ist, wie
heute vielfach geglaubt wird, sondern eben nur ein Geld unter vielen und
vielleicht nicht das Beste. Aber letztlich soll der Markt entscheiden, ob auch
solches Geld gewünscht wird. Eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem
heutigen Falschgeld schlägt er allerdings doch vor. Er zeigt, daß man auch für
Falschgeld weder Staat noch Banken braucht, daß die Menschen auch Falschgeld
selbst machen können. Wenn man schon fiat
money verwenden will, wie das bei Kreditgemeinschaften, wie z. B. der
Schweizer WIR ja auch teilweise der Fall ist, so muß man sich dieses
Falschgeld nicht gegen Zinsen von den Banken leihen, sondern die
Tauschgemeinschaft kann es zinslos selbst machen. Genau das ist ja auch das
eigentlich Revolutionäre an dem Reformvorschlag von Silvio Gesell und nicht
etwa das Schwundgeld. Der wirklich belebende Effekt beruhte eben auch in Wörgl
nicht etwa auf dem vergleichsweise mageren Schwundgeldeffekt sondern auf dem
wuchtigen Falschgeldeffekt, wie es die Nationalsozialisten ja dann auch klar demonstriert
haben.
Dr. Gero Jenner
Kurzbiographie:
Als Asienwissenschaftler
und Soziologe arbeitete und forschte Gero Jenner in Indien und lebte längere
Zeit in einem Tempel in Japan. Dann begann er sich für das moderne Japan zu
interessieren, für seine wirtschaftliche Entwicklung. Damals schrieb er
„Nippon, eine untergehende Sonne?“. Heute arbeitet er als freier Autor in der
Steiermark.
Dr. Jenner beschäftigte sich sehr ausführlich mit dem
Phänomen des Monopols. Dieses geht zurück bis zur Agrarrevolution, die der
Beginn der Überflußgesellschaft ist. Hier kam es zu großen Ungleichgewichten
durch die Zusammenballung bei wenigen, die ihren Besitz dann so lange
verteidigen, bis es zum Zusammenbruch kommt. Die Gesellschaften haben
Strategien entwickelt, wie sie mit dieser Entwicklung umgehen können. Die
wichtigste war das Verbot der Veränderung durch Einrichtung einer statischen,
nachhaltigen Gesellschaft. Der reinste Fall findet sich im indischen
Kastenwesen: hier war die Gesellschaft ebenso heilig und unantastbar wie die
Natur. Es findet kein Wettstreit statt, allerdings ist die Kooperation
verordnet und unfrei. Das Motto „Freiheit und Gleichheit“ bringt einerseits den
Wettbewerb zwischen den Menschen, andererseits wird die Natur vogelfrei. Die
modernen Gesellschaften sind in dauerndem Umbruch, weshalb genau wieder das da
ist, was früher vermieden werden sollte: die Möglichkeit des Ungleichgewichts.
In dynamischen Gesellschaften ist das Gleichgewicht der mathematisch
unwahrscheinlichste Zustand. Deshalb stehen wir heute vor der Herausforderung
der Herstellung eines dynamischen Gleichgewichts, eines Gleichgewichts im
ständigen Wandel.
Der folgende Beitrag
findet sich auch im Buch Das Ende des
Kapitalismus.
Gero Jenner:
DER
MYTHOS VOM ÖKONOMISCHEN GLEICHGEWICHT
Es erscheint schwer
begreiflich, wie die Wirtschaft einseitig als ein sich selbst regulierendes
System aufgefasst werden konnte – so viele elementare Gegenbeispiele gibt es.
Genau genommen wirkt die Mechanik des Gleichgewichts nicht einmal in jenem
Bereich, auf den sich schon die klassischen Ökonomen beziehen: bei Nachfrage
und Angebot. In allen modernen Staaten wachen Kartellbehörden darüber, daß es
nicht zu Absprachen über die Preise oder zur Bildung von Monopolen kommt. Sie
tun dies genau deshalb, weil Nachfrage und Angebot sich eben nicht automatisch
zum Nutzen der Allgemeinheit auf dem bestmöglichen Niveau einpendeln.
Kartellbehörden verhindern, dass private Interessen auf Kosten der
Allgemeinheit erfolgreich sind. Die Eingriffe der Allgemeinheit mit dem Ziel,
private Interessen daran zu hindern, dem Allgemeinwohl zu schaden, reichen
aber nicht aus, um ein Gleichgewicht herzustellen. Es ist durchaus möglich, daß
private Interessen zwar nicht im direkten Konflikt zu den Zielen einer
Gesellschaft stehen, aber auf diese dennoch eine schädliche Wirkung ausüben.
Dies ist z.B. der Fall, wenn sie anderen Interessen hemmend entgegenstehen, die
der Gesellschaft einen größeren Vorteil verschaffen. Anders gesagt, bestimmte
gesellschaftliche Ziele bedürfen eines ausdrücklichen Schutzes, damit ihre
positiven Wirkungen zur Geltung gelangen. Hierzu gehört in erster Linie das
Leistungsprinzip. Die persönliche Leistung spielt in der freien Marktwirtschaft
eine überragende Rolle. Auf den ersten Blick scheint hier eine Motivationskette
vorhanden zu sein, die den Einzelnen zu immer größerem
Einsatz ermuntert:
Leistung ‡ Erfolg
(aufgrund höheren Einkommens) ‡ Steigerung der Leistung etc.
Je größer der Erfolg,
den finanzielle Belohnung und soziale Achtung verschaffen, um so höher fällt
die Steigerung der Leistung aus, die sich wiederum in finanziellen Belohnungen
auswirkt etc. Wie im Fall von Nachfrage und Angebot pendelt sich das Ausmaß der
Leistung schließlich auf einer für den Einzelnen maximalen Ebene ein. Den
Gewinn an finanzieller Belohnung und sozialem Prestige verrechnet er mit dem
jeweiligen Einsatz an Zeit und Kräften, d.h. mit seinen Kosten. Er wird daher
die Leistung an einem Punkt begrenzen, wo Gewinn und Einsatz für ihn ein
angemessenes Verhältnis erreichen. Diese Entscheidung bleibt ganz allein ihm
selbst überlassen, ganz in der Art wie sich auch Nachfrage und Angebot ohne
äußeren Eingriff regulieren.
Dennoch hängt diese
Motivationskette stark von äußeren Umständen ab. Es genügt, daß andere Faktoren
als die persönliche Leistung zu viel höheren Einkommen führen, in diesem Fall
wird sie nur noch eine untergeordnete Bedeutung besitzen. Dies trifft etwa auf
Gesellschaften zu, in denen der einzelne seinen Aufstieg vor allem Beziehungen
und politischem Einfluß verdankt. Die obige Motivationskette gilt unter
derartigen Verhältnissen nicht mehr. Selbst wenn es weiterhin möglich ist,
durch persönliche Leistung Vorteile zu erringen, wird man versuchen, den
einfacheren Weg
der Beziehungen
einzuschlagen.
A. Leistung ‡ Erfolg (geringe
Einkommenssteigerung) ‡ Steigerung der Leistung usw.
B. Beziehungen ‡ größerer Erfolg (große
Einkommenssteigerung) ‡ mehr Beziehungen usw.
Es sind letztlich die
Rahmenbedingungen einer Gesellschaft, die das persönliche Handeln in viel
höherem Maße bestimmen als bestimmte Zusammenhänge der Motivation. Denn in
unserem Beispiel wird die zweite der beiden Motivationsketten deutlich
bevorzugt werden. Eine solche Gesellschaft wird sich gewiß nicht auf einem
Gleichgewichtszustand mit maximaler persönlicher Leistung einpendeln, sondern
es wird in ihr eine stete Verschiebung in Richtung auf Beziehungen und
Korruption eintreten. Anders gesagt, wenn eine Gesellschaft die persönliche
Leistung nicht ausdrücklich schützt und begünstigt, wird diese schließlich nur
noch eine untergeordnete Rolle spielen. Die moderne Marktwirtschaft ist zwar
auf dem Prinzip der persönlichen Leistung begründet. Ihm verdankt sie ihre
spektakulären Erfolge. Aber sie ist gegenwärtig dabei, in ein Wirtschaftssystem
umzuschlagen, das statt der Leistung das Vermögen begünstigt - das System des
Kapitalismus. Die Motivationskette der Leistung ist nicht etwa außer Kraft gesetzt
- das ist gar nicht nötig, um das Leistungsprinzip zu schwächen. Es genügt,
daß eine andere Motivationskette immer mehr an Bedeutung gewinnt:
A. Leistung ‡ Erfolg
(geringe Einkommenssteigerung) ‡ Steigerung der Leistung etc..
B. Vermögen ‡
größerer Erfolg (große Einkommenssteigerung) ‡ mehr Vermögen etc.
Wie sich diese
Verschiebung konkret auswirkt, zeigt das folgende Beispiel. 140 000 abhängig
Beschäftigte der Gruppe Peugeot erwirtschafteten im ersten Halbjahr 1998 einen
Gewinn von 2,2 Milliarden Francs oder 330 Millionen Dollar (bei einem Kurs von
6 Francs zu einem Dollar) - ein Rekorderfolg. Im gleichen Zeitraum brachten es
aber ganze 340 Händler der Citibank mit ihren Devisenspekulationen zu einem
Gewinn von 552 Millionen Dollar - pro Person entspricht dies einem 400 mal so
großen Erfolg! Reale volkswirtschaftliche Leistung und Einkommen auf ihre
Kosten verhalten sich hier also wie 1 zu 400! Kein Wunder, daß die Spekulation
ein exponentielles Wachstum verzeichnet, weil die reale Leistung unter diesen
Bedingungen immer weniger zu motivieren vermag. Diese Entwicklung ist in
höchstem Grade gefährlich, weil ein sozial wünschenswertes Gleichgewicht dadurch
in immer weitere Ferne gerückt wird. Die persönliche Leistung verschafft
zunehmend weniger , das Vermögen zunehmend mehr Erfolg. Ohne den Eingriff der
Gesellschaft muß dieses System an seiner Instabilität und den inneren
Widersprüchen zerbrechen.
WORKSHOPS
Aus den vier Workshops kamen folgende
Ergebnisse:
e-Money:
Dies ist eine weitere Geldart neben Bargeld
und Buchgeld, die über das Internet abgewickelt werden kann. Damit eröffnet
sich ein großes Potential für Parallelwährungen, wenn z.B. große Firmen ihre
Bartergeschäfte auf diesem Weg abwickeln.
Öffentlichkeitsarbeit:
Als Vorschläge für
die zukünftige Arbeit, deren Hauptziel das Vermitteln unseres Anliegens einer
Geldreform ist, wurden formuliert: Vernetzung der bereits Informierten (Bündnis für Geldreform); gemeinsame
Aktionen und Projekte sowie breitere Informationen nach außen; Einbeziehen
aller Sinne, also über Hören + Sehen + Fühlen; Verpacken in und mit anderen
relevanten Themen, um nicht mit der gebetsmühlenhaften Zinskritik zu verschrecken
(Mehr Demokratie; Equilibrismus).
Auch sollten verstärkt Schulen und Schüler angesprochen werden. Unter dem
Stichwort Soziale Homöopathie wurden
auch spektakuläre Aktionen vorgeschlagen, z.B. die Einrichtung einer Kapelle
zur Geldanbetung oder eine öffentliche Geldverbrennung.
Eine wichtige Rolle
kommt dem Internet zu; ein Vorschlag aus der Runde wurde gleich nach dem
Symposium in die Tat umgesetzt: die Einrichtung eines gemeinsamen Portals unter
www.geldreform.net, unter dem Links zu allen Geldreform-Homepages
aufgelistet sind. Dieses Portal sollte bei allen sich bietenden Gelegenheiten
publik gemacht werden, z.B. auf T-Shirts, Kappen etc; ein Vorschlag war auch
die Anfertigung eines Stempels, mit dem dann Geldscheine gestempelt werden
könnten.
Visionen:
Diese Gruppe hatte
herausgefunden, daß wir so sehr im Aktuellen verhaftet sind, daß Visionen
schwer zu entwickeln sind. Der gemeinsame Nenner bei den dann doch noch
gefundenen Visionen war Bewußtseinsänderung.
Bei der Vermittlung des Geldproblems sollten Emotionen nicht außen vor gelassen
werden, da Emotionen auch eine Rolle spielen bei der Vermittlung des im
Geldsystem steckenden Problems, vor allem die Unsicherheit, die wir damit
auslösen. Die Menschen, die schon ein Problembewußtsein haben, sollten sich
stärker vernetzen für gemeinsame Aktionen, z.B. über Mehr Demokratie e.V.. Und: jeder sollte seinen individuellen Weg
der Vermittlung wählen, also von verrückt und spektakulär bis vernünftig und
einfühlsam, denn so vielfältig wie wir Reformer sind auch die Adressaten
unserer Vorschläge.
Geldschöpfung:
siehe zu diesem
Workshop die folgenden Kapitel:
Das
unerschöpfliche Thema: GELDSCHÖPFUNG
Wegen der Komplexität und der
Bedeutung dieses Themas, das in der Literatur und vor allem in hitzigen
Debatten z.B. auch in Internet-Foren dafür sorgt, daß viel Zeit und viele
Energien absorbiert werden, sind die dazu gehörenden Beiträge in diesem Kapitel
zusammengefaßt.
Zunächst folgt eine grundlegende
Stellungnahme, die Helmut Creutz vor dem Symposium vorgelegt hatte. Danach geht
er auf einige besonders häufig in den Diskussionen geäußerte Einwände ein.
Auf Anregung von Prof. Margrit Kennedy
wurde beschlossen, das Dauerbrenner-Thema der Geldschöpfung, dessen Kernproblem für viele schon wegen der unterschiedlichen
Sprachregelung nicht verständlich ist, in eine Expertengruppe zu verlagern.
Diese sollte zunächst einmal klären, woran sich der Streit immer wieder
entzündet, und dann versuchen, einen Lösungsansatz zu finden. Das Ergebnis
dieser Experten-Diskussion faßt Dr.
Erhard Glötzl am Schluß dieser Dokumentation zusammen.
Helmut Creutz:
Zu Das Geld der Zukunft, besonders zur
Theorie der multiplen Geldschöpfung durch die Banken
Das Buch von Bernard Lietaer wird kein
Leser ohne wesentliche Zugewinne an Informationen und Erkenntnissen aus der
Hand legen. Das trifft nicht nur auf die detaillierten Beschreibungen
alternativer Geld- und Verrechnungssysteme in aller Welt zu, sondern vor
allem auch auf die vielen Beiträge, die über die im Titel des Buches angesprochene
Thematik hinausgehen.
Da diese positiven Seiten des Buches
in allen mir bekannten Rezensionen ausführlich gewürdigt wurden, kann ich auf
eine detaillierte Wiederholung mit eigenen Worten verzichten. Als jemand,
der sich seit mehr als 20 Jahren mit Analysen unseres Geldsystems befaßt,
möchte ich vielmehr auf einige spezielle Punkte eingehen, die aus meiner
Sicht einiger Anmerkungen und Ergänzungen bedürfen.
So scheint mir z.B. die Beschreibung
der "destruktiven Wirkung des existierenden Geldsystems", vor allem
gemessen am Umfang der den Komplementärwährungen eingeräumten Buch-Anteile,
etwas zu kurz gekommen zu sein. Vor allem, wenn man berücksichtigt, daß erst
die genauere Beschreibungen dieser Destruktivitäten dem Leser den Sinn und die
Notwendigkeit alternativer Wege verdeutlichen dürften. Außerdem hatte ich persönlich
an dieses Buch eines Insiders die Hoffnung geknüpft, über das allgemeine
Informationsniveau hinausgehende neue Details über das existierende Geldsystem
erfahren zu können.
Neben diesen eher allgemeinen
Bemerkungen möchte ich nachfolgend einige bestimmte Aussagen bzw. Textstellen
aus dem Buch kritischer beleuchten. Dies trifft vor allem auf die mehrfach
wiederholten Verknüpfungen des Geldbereichs mit Begriffen wie Alchemie, Magie
oder Mysterium zu. Solche Begriffe könnten m.E. viele Leser, die mit dem
Nachvollzug monetärer Vorgänge sowieso ihre Schwierigkeiten haben, zusätzlich
verwirren bzw. auf falsche Fährten lenken. Das gilt vor allem auch für die
mehrfach angeführte und nachfolgend von mir behandelte Theorie der so genannten
multiplen Geldschöpfung, die auch
immer noch durch die meisten Lehrbücher geistert.(1)
Die
Theorie der multiplen Geldschöpfung durch die Banken
Nach dieser Theorie können - wie es im
Kasten auf Seite 68 des Lietaer-Buches heißt - aus "ursprünglich 100
Millionen der Zentralbank 900 Millionen als `Kreditgeld´ entstehen".
Diese wundersame Geldvermehrung wird dann durch die Darstellung auf Seite 69
noch optisch untermauert.
Um die Fragwürdigkeit dieser
Schöpfungstheorie besser vermitteln zu können, gebe ich diese Darstellung
nachfolgend noch einmal detaillierter wieder:
Schema
der sogenannten multiplen Geldschöpfung
Geht man den Vorgängen einmal von der
Theorie unbelastet nach, dann zeigt sich, daß:
1. jeder
erneuten Verwendung der als Anfangssumme eingesetzten 100 Millionen jedes mal
auch eine erneute Einlage irgendeines Bankkunden voraus geht.
2. die
wiederholte Reservebildung und Kreditgewährung durch die Banken nur möglich
ist, wenn und so lange der Einleger über sein Guthaben nicht selbst durch
Abhebung oder Überweisung verfügt.
3. es bei
den dargestellten Vorgängen zu keiner wie auch immer gearteten Vermehrung der
in Umlauf gegebenen 100 Millionen kommt, die sich auf jeder Stufe aus den
bisher gebildeten Reserven und dem zuletzt gewährten Kredit immer wieder auf
100 addieren.
4. es nicht
nur zu keiner Vermehrung der Geldmenge kommt, sondern, bezogen auf die in der
Wirtschaft aktive Geldmenge, sogar zu einer ständigen Verringerung, da die
gesamten 100 Millionen nach und nach in den Reserven verschwinden.
5. sich
durch eine wiederholte Verwendung von Geld, ob zum Kaufen, Verleihen oder
Schenken, niemals das Geld vermehrt, sondern lediglich die Summe der nacheinander
getätigten Kauf-, Verleih- und Schenkungsvorgänge.
Diesen Tatbeständen kommt man sehr
schnell auf die Schliche, wenn man in der Ablaufkette statt der Banken einmal
eine Kette von Geschäften einsetzt, und statt der Verleihvorgänge Verkaufsvorgänge.
Auch hier würden sich, wenn jeder Geschäftsinhaber zehn Prozent in die Reserve
nimmt und der Rest in einem weiteren Laden kaufend eingesetzt wird, die
gleichen Ergebnisse an Reserven und Umsätzen ergeben. Kaum jemand käme hierbei
jedoch auf die Idee, daß aus 100 Millionen Zentralbankgeld 900 Millionen
Kaufgeld entstehen und sich damit das Geld vermehren würde. Denn was sich hier
im Gleichschritt mit den Durchläufen des Geldes durch die Läden vermehrt, sind
immer nur die Kauf-Umsätze. Nicht anders aber vermehren sich auch bei den
Durchläufen des Geldes durch die Banken immer nur die Verleih-Umsätze und
damit Guthaben und Schulden, nicht aber das Geld.
Eine solche Vermehrung des Geldes ist
den Banken auch schon deshalb nicht möglich, weil sie für jeden
Geschäftsvorgang in gleicher Höhe über Zentralbankgeld verfügen müssen. Das
gilt nicht nur für die Auszahlungen an den Bankkassen, sondern auch für alle
Überweisungen, gleichgültig ob im Auftrag eines Sparers oder Kreditnehmers.
Denn auch dazu muß die überweisende Bank in entsprechender Höhe
Zentralbankgeld zur Verfügung haben und an die empfangende Bank übertragen.
Dieses Zentralbankgeld aber können die Banken nicht selbst schaffen oder
vermehren.(2)
Der
grundlegende Fehler bei der Geldschöpfungstheorie ist, daß dabei die Menge des
Geldes mit der Menge der damit getätigten Vorgänge verwechselt bzw. zusammen
addiert wird. Oder anders ausgedrückt: daß man die Verwendung des Geldes mit
seiner Vermehrung gleichsetzt, also das Transportmittel mit dem Transportvolumen.
So wenig aber wie es durch eine wiederholte Verwendung von Waggons für
Transportzwecke zu einer Vermehrung der Waggons kommt, so wenig kommt es bei
einer wiederholten Verwendung von Geld für Kauf- oder Verleihzwecke zu einer
Vermehrung des Geldes.
Geldschöpfung
für Regierungen
Auch die in dem Kasten auf Seite 68
angeführte Inumlaufsetzung von Zentralbankgeld zur Begleichung staatlicher
Rechnungen muß den Leser verwirren, weil sich in keinem halbwegs zivilisierten
Land eine Regierung ihre Ausgaben von der Notenbank bezahlen lassen kann.
Nach Artikel 21 des Maastrichter Vertrags ist der EZB und den nationalen
Zentralbanken die Kreditvergabe an öffentliche Haushalte sogar ausdrücklich
verboten, selbst der unmittelbare Erwerb öffentlicher Schuldtitel.
Gehen die Ausgaben einer Regierung
über die Einnahmen hinaus, erhalten diese also kein zusätzlich herausgegebenes
Geld von der Notenbank, sondern sie müssen sich das fehlende Geld von ihren
Bürgern leihen, gleichgültig ob aus deren Ersparnissen bei den Banken oder
durch den Verkauf von Schuldverschreibungen. Haben die Bürger nicht genügend
Ersparnisse gebildet, bleibt den Regierungen allenfalls noch die Kreditaufnahme
in anderen Ländern, die über Ersparnis-Überschüsse verfügen.(3)
Schulden
gleich Geld
Ebenfalls verwirrend erscheint mir die
Darstellung des Geldes als Schuldschein bzw. Schuldanerkenntnis. Wenn ich einen
Handwerker für eine Reparatur mit einem 100-DM-Schein bezahle, schuldet mir
weder dieser etwas noch ich ihm. Vielmehr begleiche ich mit dem Schein meine
Schuld bei dem Handwerker, für den wiederum der Schein eine Bestätigung für
eine eingebrachte Leistung ist, die er seinerseits bei einem Dritten gegen eine
Leistung einlösen kann.
Irritierend ist auch die
Gleichstellung von Geld und Schulden als "die beiden Seiten einer
Münze" (S.70). Denn Schulden sind kein Geld, sondern das Ergebnis einer
Geld-Ausleihe und die Verpflichtung zu seiner Rückgabe. Und diesen Schulden
steht auf der Ausleiher-Seite ein gleich hohes Guthaben gegenüber. Mit der
Rückzahlung der Schuldensumme verschwindet darum auch kein Geld, sondern lediglich,
zusammen mit den Schulden, das mit der Ausleihe entstandene Guthaben. Das bei
dem Ausleihe-Vorgang benutzte Geld wandert bei der Tilgung also nur wieder an
denjenigen zurück, der es übrig und ausgeliehen hatte. Das gilt auch dann,
wenn der Vorgang in zwei Schritten über Banken abläuft. - Auch hier wird
offensichtlich wieder das Transportmittel Geld mit den Transportvorgängen bzw.
Geld mit Guthaben verwechselt!
Geld verschwindet nur dann aus dem
Kreislauf, wenn sich bei den Banken mehr Zentralbankgeld ansammelt als laufend
wieder bei ihnen abgefragt bzw. von ihnen für Überweisungen und neue Kredite
eingesetzt wird. In diesem Fall würden die Geschäftsbanken dieses
überschüssige Geld zur Senkung ihrer Schulden an die Zentralbank zurückgeben,
womit sich die Geldmenge verringert.
Einnahmen
der Banken
Zweifellos nehmen die Umsätze und
Gewinne zu, die von den Banken außerhalb der allgemeinen Kreditgeschäfte
erwirtschaftet werden. Der auf Seite 71, dritter Absatz, erweckte Eindruck,
daß diese Kreditgeschäfte nur noch von geringer Bedeutung wären, trifft jedoch,
zumindest in Europa, nicht zu. So weisen die von der Deutschen Bundesbank jährlich
veröffentlichten Geschäftsergebnisse der deutschen Banken für 1998 einen
Überschuß aus dem zinsabhängigen Geschäft von 148 Mrd. DM aus, für den aus
Provisionsgeschäften nur von 36 Mrd. DM.(4)
Auch nach der Definition der EZB ist
die wirtschaftliche Tätigkeit der Geschäftsbanken immer noch dadurch
gekennzeichnet, "Einlagen des Publikums entgegenzunehmen und Kredite auf
eigene Rechnung zu gewähren und/oder in Wertpapieren zu investieren."(5)
ERWIDERUNG
AUF DIE ARGUMENTE DER GELDSCHÖPFUNGS-BEFÜRWORTER
Gegen die Ablehnung der Schöpfungstheorie werden von ihren
Befürwortern immer wieder bestimmte Argumente vorgebracht. Da diese auch bei
der Tagung in Steyerberg angesprochen wurden, soll hier auf die wichtigsten
kurz eingegangen werden:
1.
Argument:
Schon die Goldschmiede im Mittelalter
haben für die eingelegten Goldmünzen mehrere umlauffähige Quittungen
ausgestellt, ausgehend von der Erfahrung, daß diese nicht gleichzeitig zur
Einlösung vorgelegt werden. Ebenso können heute auch die Banken auf eine
Einlage mehrere Kredite vergeben, da nur wenige in Bargeld abgefordert werden.
Hier bleibt wieder unbeachtet, daß die Banken nicht nur bei einer Inanspruchnahme
des Kredits durch Barabhebungen über Zentralbankgeld verfügen müssen, sondern
auch bei allen Überweisungen (siehe Anmerkung 2).
2.
Argument:
Über Sichtguthaben können sowohl die
Einleger als auch die Banken gleichzeitig verfügen, womit sich die Nachfrage
bzw. das Geldvolumen in der Wirtschaft verdoppelt. Hier wird übersehen, daß
die Banken nur zwischenzeitlich über die Einlagen verfügen können, bis das
die Einleger selbst tun. Es gibt also keine gleichzeitige Nutzung, sondern nur
eine nacheinander. Damit kommt es aber zu keiner Ausweitung der Geldmenge, sondern
nur zu einer effektiveren Nutzung.
3.
Argument:
Die multiple Geldschöpfung der Banken
ist zwar nicht mit Bargeld möglich, wohl aber mit Giralgeld. Wie schon beim ersten Argument, wird auch
hier der Tatbestand außer Acht gelassen, daß die Vorgänge auf den Kundenkonten
gewissermaßen nur Schatten der ablaufenden Zentralbankgeld-Übertragungen
sind. Konkret: Wenn die Bank B in der Schemadarstellung von der Bank A keine 90
Geldeinheiten in Zentralbankgeld erhält, wird dieser Betrag auch niemals auf
dem Kontoauszug des Kunden als Gutschrift erscheinen. Es ist darum völlig gleichgültig, ob man den
Durchlauf des Geldes in der Schemadarstellung mit Bargeld oder Giralgeld
durchspielt oder auch mit einem mehrfachen Wechsel der Zahlungsmittelarten.
4.
Argument:
Der Dissens in der Geldschöpfungsfrage
resultiert aus den unterschiedlichen Auffassungen, was als Geld gesehen wird,
ob Bargeld, M1, M2 oder M3. Die Wahl
des Geldbegriffs ist für das anstehende Problem völlig ohne Belang.
Gleichgültig welche Geldmenge man als zutreffend ansieht: Entscheidend für die
Schöpfungsfrage ist alleine, ob die Banken aus den Einlagen ihrer Kunden mehr
machen können. Im übrigen gehören Kredite - ob geschöpft oder nicht - niemals
zu irgendwelchen Geldmengen. Sie geben lediglich, wie auch die Guthaben, den
Stand der offenen Rückzahlungsverpflichten wieder. Darum ist auch die Addition
von Zahlungsmitteln und Guthaben als Geldmenge - zumindest in M2 und M3 - eine
mehr als fragwürdige Angelegenheit.
Anmerkungen:
(1) z.B. H. Dettmer, Volkswirtschaftliche
Grundbildung, Gehlen, Bad Homburg v.d.H.
(2) "Die Banken untereinander akzeptieren kein
Girogeld, sondern erwarten den Ausgleich ihrer Geldmarktforderungen in Zentralbankgeld".
- Wendelin Hartmann, Mitglied des Direktoriums der Deutschen Bundesbank, 1994
(3) "Deutschland ist in den Jahren nach der
Vereinigung zu einem Kapitalimporteur geworden. Zwischen den Ersparnissen der
Deutschen und der Nachfrage nach Finanzmitteln klafft eine Lücke, die durch
ausländische Kapitalgeber geschlossen werden muß." - Otmar Issing,
Chefvolkswirt der EZB, FAZ vom 7.
Febr. 1995
(4) Gewinn- und Verlustrechnungen der
Kreditinstitute, Monatsbericht Juli 1999, S. 50
(5)
Monatsbericht Mai 1999 der EZB, S. 36
Erhard Glötzl
GELDSCHÖPFUNG
- Die Verwirrungen um die vermeintliche
Giralgeldschöpfung durch Geschäftsbanken
1. Einleitung
Geschäftsbanken
können kein selbstgeschöpftes Geld kaufkraftwirksam verleihen. Sie können nur
Geld, das sie von der Notenbank oder von Einzahlern bekommen haben, kaufkraftwirksam
weiter verleihen. Sie können Geld zum kaufkraftwirksamen Verleihen also nur
bekommen
- durch
Verkauf von Gold, Devisen oder Wertpapieren an die Notenbank (dabei wird
Notenbankgeld geschöpft);
- auf
Kredit von der Notenbank gegen Hinterlegung von Wertpapieren und Bezahlung von
Zinsen an die Notenbank (dabei wird Notenbankgeld geschöpft);
- durch
Geldeinzahlungen von Kunden, denen sie in der Regel dafür Zinsen zahlen müssen
(wenig wenn der Kunde sein Geld auf ein Girokonto einzahlt, mehr wenn ein Kunde
sein Geld auf ein Sparbuch einzahlt). Dabei wird kein Notenbankgeld geschöpft.
Es entstehen dabei Guthaben, die aus verschiedenen Gründen in der Literatur oft
zur Geldmenge gezählt werden;
- durch
Einsatz von Eigenkapital.
Warum diese im Bankwesen unbestrittene
Tatsache in verschiedenen Kreisen immer wieder in Zweifel gezogen und damit
unnötig Verwirrung gestiftet wird, hat folgende Ursachen:
- Die
Darstellungen, die sich in Büchern im Zusammenhang mit der Ablösung von Gold
als Geld durch Papiergeld finden;
- die
unpräzise Verwendung der verschiedenen Begriffe von Geld;
- durch
die Verwendung des Begriffes der aktiven
Giralgeldschöpfung (im Gegensatz zum Begriff der passiven
Giralgeldschöpfung) und der damit im Zusammenhang stehenden englischen
Buchungsmethode, die heute bei der Vergabe von Krediten verwendet wird;
- Mißverständnisse
beim Vorgang der multiplen Geldschöpfung.
2. Das Mißverständnis bei der Entstehung von Papiergeld
In Büchern findet man
oft sinngemäß folgende Darstellung:
Anstelle von Gold
haben die Goldhändler Lagerscheine ausgegeben. Diese haben sich als bequemeres
Zahlungsmittel als echtes Gold erwiesen. Als sie merkten, daß die Leute diese
Lagerscheine nur mehr selten gegen das gelagerte Gold tauschten, weil sie
Vertrauen in diese Lagerscheine gewonnen hatten, gaben sie zusätzliche
Lagerscheine aus, die nicht mehr durch das Gold im Lager gedeckt waren. Das
Verhältnis zwischen Lagerscheinen einerseits und Gold im Lager andererseits war
derart, daß sie die wenigen Leute, die ihre Lagerscheine in Gold tauschen
wollten (im Normalfall!), noch sicher bedienen konnten. Leider steht in den
Büchern an dieser Stelle meist nicht dabei, daß dieser Vorgang nichts anderes
bedeutet als die Herstellung von ungedecktem Falschgeld und daß der Vorgang der
Geldschöpfung heute nicht in Analogie dazu abläuft.
Aus der Analogie
allerdings, daß es heute bequemer ist mit Giralgeld (Sichtguthaben) als mit
Bargeld zu zahlen, wird daher oft der falsche Schluß gezogen, daß Giralgeld
heute in der gleichen Weise wie dieses Papiergeld als Falschgeld geschöpft
wird, was natürlich nicht der Fall ist.
Auch beim Übergang
von einer 100 % gedeckten Goldwährung zu einer nur teilweise gedeckten
Goldwährung waren die zusätzlichen Geldscheine nicht ungedeckt sondern etwa
durch Wertpapiere gedeckt. Durch die Aufgabe des Goldstandards hat sich an der
Deckung der Währung nichts Grundsätzliches geändert, nur wurde die Garantie
aufgegeben, einen Geldschein jederzeit bei der Notenbank in Gold tauschen zu
können.
3. Die unpräzise Verwendung der verschiedenen Begriffe
von Geld
Umgangssprachlich
spricht man oft in verschiedenem Sinn von Geld:
Vom Geld in der
Brieftasche, vom Geld am Girokonto, vom Geld am Sparbuch oder auch vom Geld, das
man in Wertpapieren oder auch in Aktien angelegt hat. Mit dem Geld in der
Geldtasche, also den Banknoten und Münzen, dem sogenannten Bargeld, kann man
jederzeit einkaufen. Mit Bargeld ist man daher immer liquid, Bargeld hat die höchste Liquidität. Dasselbe gilt für
Giralgeld.
Auch wenn es in der
täglichen Praxis den Anschein hat, daß man mit dem Geld am Sparbuch auch
jederzeit einkaufen kann, weil man es ja vom Sparbuch abheben kann und damit in Bargeld umwandeln kann, liegen die
Verhältnisse hier etwas anders. Geld am Sparbuch ist mindestens mit der
gesetzlichen Bindungsfrist von 3 Monaten oder länger gebunden. D.h., daß
im Fall, wenn die Bank nicht liquide ist (was nur in Ausnahmesituationen der
Fall ist), das Abheben von Bargeld oder Giralgeld vom Sparbuch und damit der
Einkauf erst nach dieser Bindungsfrist möglich ist. Sparbuchgeld ist daher
weniger liquide.
Geld, das man in
Wertpapieren oder Aktien angelegt hat, ist eigentlich gar kein Geld, weil man
erst einen Käufer finden muß, der einem die Wertpapiere oder Aktien abkauft,
bevor man mit dem Geld, das man aus dem Verkauf erlöst hat, einkaufen kann.
Wertpapiere oder Aktienbestände werden daher auch bei der Verwendung von sehr
umfassenden Geldbegriffen nicht zur Geldmenge gezählt.
An diesen Beispielen
erkennt man, daß der Begriff “Geld” sehr unterschiedlich verwendet werden
kann. So kann im allgemeinsten Fall alles, was eine Tauschmittelfunktion (z.B.
Zigaretten im Krieg) oder eine Wertaufbewahrungsfunktion hat, als Geld
bezeichnet werden oder der Begriff kann auch nur ganz eng für Bargeld
verwendet werden. Die Widersprüchlichkeiten in vielen Diskussionen zum Thema
Geld ergeben sich sehr häufig aus der unpräzisen Verwendung des Begriffes Geld.
Um Verwirrungen zu vermeiden, sollte daher der Begriff “Geld” ohne präzisierende Zusatzbezeichnungen nicht
verwendet werden. Aus diesem Grunde seien hier die wichtigsten Geldbegriffe
(ohne technische Details) angegeben:
Das von der
Zentralbank geschaffene Geld heißt Zentralbankgeld. Es setzt sich zusammen aus
dem Bargeld (Banknoten und Münzen) und den Guthaben der Banken bei der
Zentralbank (die Guthaben der Nichtbanken bei der Zentralbank kann man vernachlässigen).
Die Banken halten diese Guthaben bei der Zentralbank in Form von Sichtguthaben
(= täglich fällige Guthaben), um unter anderem ihren Verpflichtungen zur
Haltung einer Mindestreserve nachzukommen.
Zahlt ein Kunde bei
einer Bank Bargeld ein, so entstehen je nach Bindungsfrist Sichtguthaben (keine
Bindungsfrist, täglich fällig), Terminguthaben oder Sparguthaben. Guthaben
werden auch als Buchgeld bezeichnet. Da diese Guthaben zu der M3‑Geldmenge
zählen (siehe weiter unten) wird beim Einzahlen von Bargeld Buchgeld geschöpft.
Dieser Vorgang wird als passive
Buchgeldschöpfung bezeichnet, weil Einzahlungen auf der Passivseite der
Bankbilanz verbucht werden.
Selbstverständlich
kann ein Kunde auch die Bindungsfristen ändern und so Sichtguthaben in
Sparguthaben und umgekehrt umwandeln. In jedem Fall stellt ein Guthaben eine
Forderung auf Bargeld dar.
Sichtguthaben
entstehen in der gleichen Weise wie Sparguthaben, mit Ausnahme der Vorgänge im
Zusammenhang mit der englischen Buchungsmethode bei Kreditvergaben, auf die in
Kapitel 4 eingegangen wird und die in der Literatur verwirrender weise
als aktive Giralgeldschöpfung
bezeichnet werden. Sichtguthaben haben aber gegenüber den Sparguthaben den
Vorteil, daß sie als bargeldloses Zahlungsmittel dienen können und damit die
gleiche Liquidität wie Bargeld haben. Der Ausdruck „bargeldloses
Zahlungsmittel“ verleitet allerdings zur Annahme, daß Zahlungen mit
Sichtguthaben (Giralgeld) grundsätzlich ohne Einsatz von Notenbankgeld
ablaufen, was natürlich falsch ist. Wenn Herr A beim Fahrradhändler X
ein Fahrrad durch Überweisung von seinem Girokonto auf das Girokonto von X
bezahlt, muß man zwei Fälle unterscheiden: Wenn A und X das Girokonto bei der
gleichen Bank haben, ist das ein reiner bankinterner Buchungsvorgang, ohne daß
Notenbankgeld fließt. Wenn allerdings A das Girokonto bei der A-Bank hat und X
das Girokonto bei der X-Bank hat, muß gleichzeitig mit der Buchung auf den
Girokonten eine Übertragung von Notenbankgeld von der A-Bank auf die X-Bank
erfolgen. In der Regel findet diese Notenbankgeldübertragung von der A-Bank zur
X-Bank nicht durch Übertragung von Bargeld sondern durch die Übertragung von
Sichtguthaben bei der Notenbank statt (Sichtguthaben bei der Notenbank sind
Teil des Notenbankgeldes!). Da statistisch die Buchungen von der A-Bank an die
X-Bank täglich ähnlich hoch sind wie die Buchungen der X-Bank an die A-Bank,
ist der tatsächlich zu buchende Saldo relativ zur absoluten Höhe der
Transaktionen verhältnismäßig klein.
4. Mißverständnisse beim Vorgang der sogenannten „aktiven
Giralgeldschöpfung“
Von einer aktiven Giralgeldschöpfung spricht man
in der Literatur, wenn die Entstehung von Buchgeld vordergründig durch
Aktivitäten ausgelöst wird, die auf der Aktivseite der Bilanz verbucht werden,
das heißt aber keinesfalls, daß dadurch beispielsweise Kredite aus dem Nichts
ohne passivseitige Einlagen kaufkraftwirksam vergeben werden können.
Eine – wenn auch in
der Praxis nicht häufige – Möglichkeit einer aktiven Giralgeldschöpfung ist der
Wertpapierkauf durch eine Geschäftsbank. Verkauft beispielsweise ein
Unternehmen ein Wertpapier an eine Geschäftsbank, wird dem Unternehmen der
Kaufpreis in der Regel auf einem Girokonto gutgeschrieben. Dieser Vorgang wird
als aktive Buchgeldschöpfung
bezeichnet, weil Wertpapiere auf der Aktivseite der Bankbilanz verbucht werden.
Dieser Vorgang ist inhaltlich aber nichts anderes als eine
Hintereinanderausführung eines normalen Kaufes (nämlich des Wertpapierkaufes in
Bargeld) und einer passiven Buchgeldschöpfung (durch Einzahlung des Bargeldes
auf ein Girokonto).
Besonders
erläuterungswürdig ist der Vorgang der aktiven
Buchgeldschöpfung durch Kreditvergabe. Anstoß dazu wird durch einen
Kreditnehmer gegeben. Da vergebene Kredite einer Bank Forderungen der Bank
darstellen und somit auf der Aktivseite verbucht werden, wird dieser Vorgang aktive Buchgeldschöpfung genannt. Zur
Klarstellung des Vorganges ist es wichtig, die Kreditvergabe in die zwei
logischen Teile, aus denen sie besteht, nämlich die Kreditzusage und die
kaufkraftwirksame Inanspruchnahme des Kredites, zu unterteilen.
Bei der sogenannten kontinentalen Buchungsmethode wird die
Kreditzusage nicht verbucht, sondern nur der tatsächlich in Anspruch genommene
Teil des Kreditrahmens. Gehen wir vom gleichen Beispiel wie vorher aus:
Herr A erhält von der
A-Bank eine Kreditzusage von Euro 1.000 für ein Fahrrad. Das Fahrrad
kostet Euro 800, die er dem Fahrradhändler X überweisen will. Hat der
Fahrradhändler sein Konto bei der X-Bank, muß die A-Bank gleichzeitig mit der
Überweisung des Rechnungsbetrages einen Betrag von Euro 800 Notenbankgeld
in der Regel in Form von Sichtguthaben bei der Notenbank an die X-Bank
überweisen. Diese zu überweisende Notenbankgeldmenge kann die A-Bank jedenfalls
nur dann überweisen, wenn sie über eine entsprechende Einlage eines Kunden auf
der Passivseite verfügt oder durch ein Wertpapiergeschäft mit der Notenbank
Notenbankgeld geschöpft wird. Eine kaufkraftwirksame Kreditschöpfung aus dem
Nichts ist also nicht möglich. Dies käme einer Bilanzfälschung gleich.
Hat der
Fahrradhändler sein Konto ebenfalls bei der A-Bank, überweist die Bank den Rechnungsbetrag
vom A-Konto auf das X-Konto, ohne daß Notenbankgeld fließt. Inhaltlich bedeutet
in diesem Fall die Erhöhung des X-Kontos des Fahrradhändlers nichts anderes,
als die Hintereinanderausführung eines Bargeldkredites, eines normalen
Bargeldkaufes und der anschließenden Einzahlung des Bargeldes auf ein Konto,
also die Kombination eines Bargeldkredites mit einer passiven
Buchgeldschöpfung.
Anlaß zu einer
möglichen Verwirrung gibt nur die heute meistens angewandte sogenannte englische Buchungsmethode, bei der nicht
der kaufkraftwirksam in Anspruch genommene Teil des Kreditrahmens sondern der
gesamte Kreditrahmen sofort bei Kreditzusage verbucht wird. In diesem Fall hat
es vordergründig den Anschein, daß die A-Bank vorübergehend Buchgeld aus dem
Nichts erschaffen hat. Aber auch in diesem Fall kann bei der Inanspruchnahme
des Kredites selbstverständlich die Rechnung nur überwiesen werden, wenn
gleichzeitig ein entsprechender Notenbankgeldbetrag an die X-Bank überwiesen
wird.
Inhaltlich unterscheiden sich
kontinentale und englische Buchungsmethode daher nicht. Da bei der englischen
Buchungsmethode der zwischenzeitig nicht ausgeschöpfte Kreditrahmen zwar als
Buchgeld aufscheint, dieser aber nicht „kaufkraftwirksam“ ist, sollte man aber
auch in diesem Fall diesen Vorgang besser nicht als Giralgeldschöpfung der
Geschäftsbanken bezeichnen, weil das nur zur Verwirrung führt.
5. Mißverständnisse beim Vorgang der sogenannten multiplen Geldschöpfung
In der Literatur
findet man immer wieder Aussagen, daß Banken im Wege der multiplen Geldschöpfung zwar kein Zentralbankgeld aber doch
Buchgeld schöpfen können.
Tatsächlich kann
ausgehend von einem Betrag von z.B. 1 Million Euro Notenbankgeld, den
eine Bank zur Verfügung hat, durch einen wiederholten Ablauf des Vorganges
- Kreditvergabe
von A-Bank an A
- A
kauft ein Produkt von X
- X
legt den erhaltenen Rechnungsbetrag ein und erhält dafür ein Guthaben
ein Vielfaches von 1
Million Euro an Krediten vergeben werden. Die Höhe dieses Vielfachen, der
sogenannte Geldmengenmultiplikator,
wird im wesentlichen bestimmt durch
- die
Mindestreservepflichten der Banken (Verhältnis der Sichtguthaben der Bank bei
der Zentralbank zu täglich fälligen Verbindlichkeiten der Bank)
- Begrenzungen
durch die Höhe des Eigenkapitals der Banken (Verhältnis von Eigenkapital zu
vergebenen Krediten)
- Liquiditätserfordernisse
der Banken
- Liquiditätspräferenzen
der Kunden
- usw.
Die Aussage, daß das
Bankensystem durch diesen Prozeß Geld schöpft ist also insofern irreführend,
als durch diesen Prozeß genauer gesagt
- die
M1-, M2- und M3-Geldmenge erhöht wird, ohne Erhöhung der Zentralbankgeldmenge,
was aber im wesentlichen nichts anderes heißt, als daß das gesamte
Guthabensvolumen wächst und dadurch das gesamte Kreditvolumen wachsen kann;
- das M1-,
M2- und M3-Geld nicht durch die Banken geschöpft wird, sondern durch
Einzahlungen von Kunden auf Konten, nämlich Sichtguthaben, Terminguthaben und
Sparguthaben, die zur M1-, M2- und M3-Geldmengen zählen.
6. Zusammenfassung
Heutzutage sind immer
mehr Menschen über die zunehmende Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich
und die zunehmende Instabilisierung unserer Wirtschaft durch die
Finanzwirtschaft berechtigterweise beunruhigt. Intuitiv verspüren sie
richtigerweise, daß diese Fragen eng mit unserem Geldwesen, den Krediten und
dem Zinssystem zu tun haben. Die Vorgänge um die Geldschöpfung und die
Zusammenhänge zwischen Notenbankgeld und Buchgeld sind sehr komplex und daher
schwer verständlich. Darüber hinaus werden in der Literatur sehr unglückliche
irreführende Formulierungen verwendet, die manche veranlassen zu glauben, daß
die Hauptursache für die oben genannten Probleme in der heutigen Form der
Geldschöpfung und insbesondere in der Buchgeldschöpfung durch Geschäftsbanken
liegt.
Dem ist nicht so. Im
Vorangehenden wurde versucht zu zeigen, daß sowohl das Zentralbankgeld durch
Aktiva der Zentralbank als auch das Buchgeld der Geschäftsbanken durch Aktiva
der Geschäftsbanken gedeckt sein müssen und nicht beliebig aus dem Nichts
geschaffen werden können. Das heißt natürlich nicht, daß der Wert des
Notenbankgeldes oder der Wert des Buchgeldes (z.B. Sparguthaben) hundertprozentig
gesichert ist. Die Sicherheit ist nur in dem Ausmaß gegeben, wie sicher die
Aktiva sind, d.h. z.B. wie sicher einbringlich die von den Banken vergebenen
Kredite sind.
Der Begriff des
Geldes kann sehr weit gefaßt werden. So kann z.B. auch ein Schuldschein den A
von B erhält, gegen die Übergabe von 1 Sack Weizen als Geld betrachtet werden
und von anderen anstatt einer Zahlung entgegengenommen werden. Geld muß aber in
jedem Fall durch eine konkrete Forderung, in diesem Fall nach 1 Sack
Weizen, gedeckt sein. So ist das auch bei allen heutigen Geldbegriffen. Wenn A
einen Schuldschein von B fälscht, indem er 1 Sack Weizen auf 2 Sack Weizen
ausbessert, hat er Falschgeld erzeugt. Im heutigen Geldwesen würde die
Produktion von Falschgeld einer Bilanzfälschung entsprechen, vor der uns die
Instrumente unseres Rechtsstaates ausreichend schützen sollten.
Die wahre Ursache für
die Instabilisierung unserer Gesellschaft liegt darin, daß die Geldguthaben und
damit die Kapitaleinkommen in unserem Wirtschaftssystem notwendigerweise
rascher als das Bruttosozialprodukt wachsen müssen, was ich als 2. Hauptsatz
der Volkswirtschaftslehre formuliert und begründet habe (siehe dazu [1]) und
was wegen der starken Ungleichheit des Kapitalvermögens zu einem
Auseinanderdriften von Arm und Reich führen muß. Dieser Ansatz geht in seinem
Grundverständnis auf Helmut Creutz [2] zurück, der sich schon lange mit den
Fragen der Geldschöpfung befaßt (siehe dazu [3]) und dem ich in diesem
Zusammenhang auch für die Unterstützung bei der Verfassung dieses Artikels
danken möchte.
Die angesprochene Instabilisierung
unserer Gesellschaft kann nur durch geeignete Kapitalsteuern verhindert werden
und nicht durch Modifikationen im Geldschöpfungsprozeß. In diesem Sinne hoffe
ich, mit dem vorliegenden Artikel einen Beitrag dazu zu leisten, daß alle
Kräfte von einem Scheinproblem abgelenkt und wieder auf die Lösung der Hauptprobleme
fokussiert werden.
Literatur:
[1] Erhard Glötzl: “Welche Probleme können
Komplementärwährungen lösen?”
Diskussionsgrundlage für das Expertengespräch
zum Thema Für einen neuen Geldpluralismus
von 15.-18.06.2000 in Steyerberg/Hannover
[2] Helmut Creutz: Das Geldsyndrom – Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft (Wirtschaftsverlag Langen Müller/Herbig,
1993)
[3] Helmut Creutz: “Geldschöpfung durch
Geschäftsbanken – Theorie oder Wirklichkeit?”:
Zeitschrift für Sozialökonomie 108/1996,
Gauke-Verlag, Lütjenburg
Bernard A. Lietaer
MYSTERIUM GELD
– Emotionale Bedeutung und Wirkungsweise eines Tabus
Da das
Yin-Yang-Konzept bei Bernard Lietaer eine zentrale Rolle bei der Beurteilung
der Währungen einnimmt und deshalb seine beiden Bücher eigentlich als eines
konzipiert war, gab er zum Ende des Symposiums eine kompakte Zusammenfassung
seiner Thesen und Untersuchungen, die (mit vielen Grafiken) ausführlich auch im
Internet zu finden sind: www.futuremoney.de. Um die Hintergründe für seine
Theorie zu verstehen, sollte man allerdings sein Buch lesen.
Drei
Fragen
Prof. Lietaer benennt
zunächst drei Fragen, die er sich zu Beginn seiner Arbeit gestellt hat:
1. Warum
ist Geld ein Tabu? Man kann heute eher jemand fragen, mit wem sie/er letzte
Nacht im Bett war, als nach dem Kontostand. Sex ist als Tabu weitgehend
gefallen, geblieben sind Tod und Geld als starke Tabus.
2. Warum
hat jede moderne Gesellschaft – ob in China, Rußland, USA oder Afrika – das
derzeitige Geldsystem als normal und quasi naturgegeben akzeptiert?
3. Warum
erscheint heute eine Veränderung möglich?
Zur Beantwortung
dieser Fragen beschäftigte sich Prof. Lietaer mit dem Konzept der Archetypen
nach C.G. Jung und der asiatischen Lehre des Yin und Yang.
Yin-Charakteristika sind z.B.: männlich – Zukunft – Leistung – haben –
rational – Technik – Expansion – Unabhängigkeit – Hierarchie – zentrale
Autorität – Kontrolle – Teile erklären das Ganze.
Yang-Charakteristika hingegen beinhalten
z.B.: weiblich – Gegenwart –
Lebensqualität – sein – intuitiv –
zwischenmenschliche Fähigkeiten – Erhaltung –Interdependenz –
Gleichberechtigung – gegenseitiges Vertrauen – Chaos – das Ganze erklärt Teile.
So kam Bernard
Lietaer zu einer philosophischen Geld-Unterscheidung:
a) Yang-Währungen
fördern den Wettstreit; sie sind hierarchisch aufgebaut; sie werden von
staatlichen Autoritäten garantiert. Stichwort: Knappheit.
b) Yin-Währungen
fördern die Kooperation und führen zu einer egalitären Geschenkgesellschaft, zur community
(cum = zusammen, munere = geben). Stichwort: ausreichende Verfügbarkeit.
Die Rollen von
Komplementärwährungen wären dementsprechend:
a) Nationale
Währungen ermöglichen eine Wettbewerbsökonomie mit einem Austausch auf
kommerzieller Basis;
b) Komplementäre
Währungen ermöglichen eine kooperative Ökonomie mit einem Austausch auf Gegenseitigkeit.
Bisher gibt es
Ansätze für Yin-Währungen nur im Bereich der Tauschringe; ansonsten herrscht
seit Jahrhunderten das Yang-System. Diesen Zustand vergleicht Prof. Lietaer mit
dem Fahrradfahren: man kann auch mit einem Einrad fahren, aber es ist viel instabiler
und weniger effektiv als auf zwei Rädern.
Die archetypische
Psychologie ist das einzige intellektuelle Instrument, das wir heute haben, um
das kollektive Unterbewußte zu erforschen.
Zwei Begriffe benötigen
wir zum Verständnis der archetypischen Psychologie:
- Muster:
z.B. der Krieger, der/die Herrscher(in), die Große Mutter;
- Schatten:
hiermit wird die Manifestation eines unterdrückten Archetypen bezeichnet; z.B.
sind die Schatten des unterdrückten Herrschers entweder der Tyrann oder der
Schwächling, also entweder ein Übermaß oder ein Mangel. Der gemeinsame Nenner
beider Schatten ist die Angst. Die Heilung erfolgt nicht durch Unterdrückung,
sondern durch Integrierung beider Schatten.
Im gegenwärtigen
Währungssystem werden von den fünf Archetypen des Menschen nur drei aktiviert:
Herrscher, Krieger und Magier. Der Liebhaber sowie die Große Mutter sind
unterdrückt.
Die positiven Seiten
des Kriegers, des Herrschers und des Magiers haben zur Beherrschung der Technik
ebenso wie zur Idee der Menschenrechte und der persönlichen Freiheit geführt.
Die Vernachlässigung des Liebhabers und der Großen Mutter brachten den Zerfall
der Gemeinschaft und den fahrlässigen Umgang mit unserer Umwelt.
Der Archetyp, der
beim Geld eine wichtige Rolle spielt, ist die Große Mutter (Ernährer). Wenn
dieser Archetyp in der Gesellschaft unterdrückt wird, äußert sich dies in der
Entstehung der beiden Schatten Gier und Knappheit, die durch die Angst
miteinander verbunden sind. Wir leben in einer Gegenwart, in der der Großteil
der Menschheit durch die Verknappung des Geldes unterdrückt wird.
Anhand der fünf
Bewußtseinsstrukturen nach Jean Gebser und ihrer historischen Abfolge zeigt
Bernard Lietaer, daß heute ein Schritt zur Veränderung eingeleitet ist:
• Die archaische
Bewusstseinsstruktur begann vor ca. 1 Million Jahren bei den Hominiden; das
Leben fand nur im Hier und Jetzt statt.
• Die magische
Struktur entwickelte sich vor ca. 150.000 Jahren mit der Vorstellung von
Zeit und Tod und der Ausbildung von Ritualen.
• Die mythische
Struktur schloss je nach Region vor 25.000 bis 3.000 Jahren an. Mit dieser
Periode begann das Patriarchat, und in ihr wurde das Geld erfunden.
• Die rationale
Struktur entwickelte sich vor 3.000 Jahren und verstärkte sich in den
letzten 500 Jahren. Ihren Höhepunkt erreichte sie im Westen während der letzten
zwei Jahrhunderte mit dem Monopol der Wirklichkeitsinterpretation durch die rationale Reflexion.
• Die Herausbildung der integrativen Struktur hat gerade erst in Subkulturen eingesetzt.
In den USA hat Paul
Ray zum ersten Mal Zahlenmaterial dazu gesammelt: Umfragen bei 100.000 Bürgern
ergaben, daß die Traditionalisten nur noch ein knappes Viertel der Bevölkerung
ausmachen, die Modernisten mit 47 Prozent immer noch den größten Anteil stellen
– aber eine neue Subkultur, die Anfang der 60er Jahre noch unbekannt war, in
den letzten 20 Jahren einen Zuwachs auf 29 Prozent der Bevölkerung erfahren
hat.
• Zu den Traditionalisten
gehören die religiös Konservativen und der rechte politische Flügel. Ihr
Durchschnittsalter liegt bei 53 Jahren, und sie weisen den niedrigsten
Bildungsstand auf.
• Die Modernisten
sind geprägt von der Vorstellung, die Welt so zu sehen, wie sie ist. Also zählt
nur, was meßbar ist. Werte sind: Leistung, persönliche Leistung, Konsum,
Technik. Entscheidungen werden nach ökonomistischen Kriterien getroffen.
• Die junge Gruppe der kulturell Kreativen zählen zur mittleren bis oberen Mittelklasse;
ihr Durchschnittsalter beträgt 42 Jahre, 30 Prozent haben einen
College-Abschluss. Ihr Wertesystem besteht auf der persönlichen Ebene in der
Selbstverwirklichung, auf der kollektiven Ebene in der Stärkung des
Gemeinsinns.
Das Besondere an
dieser stark wachsenden Gruppe ist die Isolation, in der sich die meisten
ihrer Mitglieder wähnen: zum einen gibt es keine Massenbewegung, die diese
Stimmen eint, zum anderen gehören die Medien zur Gruppe der Modernisten und nehmen
die kulturell Kreativen nicht wahr. Innerhalb dieser Gruppe der kulturell
Kreativen lassen sich zwei Typen unterscheiden: die „grünen“ kulturell
Kreativen, die sich mit der Umwelt und sozialen Aspekten beschäftigen; sie
machen etwa 16 Prozent der Bevölkerung aus. Die „integrierten“ bzw.
„integrativen“ kulturell Kreativen sind sowohl an ihrer eigenen inneren
Entwicklung als auch am Umweltschutz interessiert. Das Verhältnis von Männern
zu Frauen liegt hier bei 1:2. Diese Gruppe macht 13 Prozent der Bevölkerung aus
und damit 24 Millionen Amerikaner, die fast alle denken, sie seien allein mit
ihrer Einstellung.
Die Yang-Währungen
dominieren heute die Welt und bestimmen damit unsere Gesellschaftsformen, aber
die Natur kennt nicht nur das Yang-, sondern auch das Yin-Prinzip.
Das könnte sich heute
langsam ändern aus den oben genannten Gründen:
- wir
haben momentan eine hohe Instabilität im bestehenden Yang-System;
- wir
haben im Ansatz die komplementären (Yin-) Währungen
- und wir haben ein neues Bewußtsein, die
kulturell Kreativen.
BÜCHER DER REFERENTEN
ZUM THEMA GELD
UND WIRTSCHAFT
Creutz,
Helmut: Das Geldsyndrom – Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft;
Langen-Müller 1993; Ullstein 1997 (4. Auflage); (Neuauflage bei Econ Ende 2000)
Deutsch,
Reinhard: Die Geldfalle - weitere
Informationen unter www.chartdoc.de/zaubergeld.htm
Gebauer,
Wolfgang: „Geld und Währung“ (Buch
ist in Arbeit)
Grimmel,
Eckhard: Kreisläufe und Kreislaufstörungen der Erde; Rowohlt, Reinbek 1993
Heinrichs,
Johannes: Sprung aus dem Teufelskreis – Logik des Sozialen und Natürliche
Wirtschaftslehre; Vita Nuova, Wien 1997
Jenner,
Gero: Das Ende des Kapitalismus – Triumph oder Kollaps eines
Wirtschaftssystems; Fischer, Frankfurt 1999
Die arbeitslose Gesellschaft; Fischer, Frankfurt 1997
Kennedy,
Margrit: Geld ohne Zinsen und Inflation - ein Tauschmittel das jedem dient;
Goldmann, München 1987; in 17 Sprachen übersetzt
Kennedy,
Margrit : Interest and inflation free money - creating an exchange medium that
works for everybody and protects the earth; Seva International, Okemos,
Michigan & Bombay, 1995
Lietaer,
Bernard A.: Das Geld der Zukunft – über die destruktive Wirkung des existierenden
Geldsystems und die Entwicklung von Komplementärwährungen; Riemann, München
1999
Mysterium Geld – Emotionale Bedeutung und Wirkungsweise eines Tabus;
Riemann, München 2000
Senf,
Bernd: Der Nebel um das Geld – Zinsproblematik, Währungssysteme,
Wirtschaftskrisen; Gauke, Lütjenburg 1996
[1] www.chartdoc.de/zaubergeld.htm
[2] Laut einer Studie des IIE in Washington haben sich
zwischen 1970 und 1995 87 Währungskrisen und
29
Bankenkrisen in kleinen Industriestaaten und großen Entwicklungsländern
ereignet – V.F.
[3] Eine reine Tauschwirtschaft ist daher aus diesem
Grunde nicht effizient.
[4] Diese Gegenleistung muss nicht immer materiell sein. Sie kann auch in einem guten Gewissen oder einem Leben nach dem Tode liegen.
[5] Da Eigenkapitalrenditen (inkl. Wertzuwachs) immer
höher sein müssen als Kapitalmarktzinsraten,
gilt
dasselbe auch für Einkommen aus Eigenkapital (siehe auch 3. Hauptsatz der
Volkswirtschaftslehre
in
<3>).
[6] Auch ein "Gastarbeiter" mit z.B. türkischem
Pass gilt demgemäss als Gebietsansässiger.
[7] Frenkel/Goldstein
(1998).
[8] Z.B. hält die Deutsche Bundesbank konvertible US-$
Devisen in Form von verzinslichen 'treasury bills' des US-Schatzamtes.
[9] Fügt man noch die Annahme einer Indifferenz gegenüber
der Währungszusammensetzung eines solchen Portfolios hinzu, so resultiert das
Konzept einer perfekten Substituierbarkeit.
[10] Am Rande stellt sich hier die Frage, ob es sich bei
den heutigen Nebengeldformen (z. B. LETS), die von Lietaer als KW bezeichnet
werden, um „echte„ Währungen handelt. In den meisten Fällen brauchen diese
Geldformen die Existenz einer Nationalwährung. Meist nutzen diese Systeme die
Nationalwährung weiterhin als nationale Recheneinheit. Außerdem entsteht die
Umsatzwirkung dieser Systeme erst durch die höhere Umlaufgeschwindigkeit des
Nebengeldes aufgrund der Wirkung des Greshamschen Gesetzes. Das Nebengeld mit
der geringeren Liquidität steht demnach unter einem höheren Umlaufdruck. Also:
„Parasitär-Währung„ statt Komplementär-Währung?