Auszug aus: Klaus Schmitt: Silvio Gesell - "Marx" der Anarchisten?;
Karin Kramer Verlag ; Berlin; 1989; ISBN 3-87956-165-6

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Randbemerkungen und Literaturhinweise

1 Will Noebe, Um die Güter der Erde, Rudolf Zitzmann Verlag, Lauf bei Nürnberg 1960,
S. 100ff.

2 Fritz Dettmer, Regelung der künftigen Wirtschaft, in: Die Internationale - Z. f. d. re-
volutionäre Arbeiterbewegung (DI) 10/Aug. 1931; H. Drews, Idee und Organisation im
Lichte konstruktiver Planung des Sozialismus, in: ID 12 u. 13/1931; Santillan Peiró, Ökono-
mie und Revolution, Verlag Monte Verita, Wien 1986

3 In Benjamin R. Tucker, Was ist Sozialismus?, Berlin 1912, S. 5

4 Silvio Gesell, Der abgebaute Staat - Leben und Treiben in einem gesetz- und sittenlo-
sen hochstrebenden Kulturvolk, A. Burmeister Verlag, Berlin-Friedenau 1927, S. 4

5 Who is the Somebody?, erschienen in Liberty vom 6. 8. 1881; zit. u. von Ricarda Buch
übersetzt aus: Benjamin R. Tucker, Instead of A Book, S. 178

6 S. a. D. Dillard; Proudhon, Gesell and Keynes - An Investigation of some "Anti-Marxian
Sozialist" Antecedents of Keynes' General Theorie of Employment Interest and Money,1940;
ders., Keynes and Proudhon, in: Journal of Economic History, Vol. II, 1942, p. 63

7 In Deutschland versuchte der ehemalige Berliner Redakteur der FAUD-Zeitschrift
Syndikalist, Sekretär der Internationalen Arbeiterassoziation in Barcelona während des spa-
nischen Bürgerkrieges und Freund Rudolf Rockers, Helmut Rüdiger, unmittelbar nach dem
Zweiten Weltkrieg diese klassische anarchistischen Tradition durch Anpassung an die neuen
Gegebenheiten fortzuführen. Seine (allgemein gefaßten) wirtschaftspolitischen Ziele: "Bre-
chung des Bodenmonopols - Überführung der Schlüsselindustrie in offene Genossen-
schaften - Abschaffung der Macht des Finanzkapitals - Allgemeine Zugänglichkeit des
Kredits". Er wollte eine Mischung von kollektiver und privater Wirtschaft auf der (Grund-
lage von Markt und Wettbewerb. Außerdem forderte er den Wettbewerb der Ideen, eine Al-
lianz demokratischer, liberaler und anarchistischer Kräfte und eine gesamteuropäische Fö-
deration gegen das Hegemonialstreben der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten. Den
Klassenkampf hielt er für eine unleugbare Tatsache, Marxens Schema hier Bourgeosie, dort
Proletariat, jedoch für zu simpel (aus: Günter Bartsch, Anarchismus in Deutschland, Bd. I,
1945 -1965, Fackelträger-Verlag, Hannover 1972, S. 68ff.).

8 Pierre Joseph Proudhon, Organisation des Kredits und der Cirkulation und Lösung der
sozialen Frage, in: Ausgewählte Schriften, Hg.: Arnold Ruge u. Alfred Darimon, Faksimile
der Ausgabe Leipzig 1851, Scienta Verlag, Aalen 1973, S. 68

9 Organisation der Kredits, S. 100

10 Proudhon, Was ist das Eigentum?, Verlag von B. Zack, Berlin 1896, S. 67ff.

11 Zit. bei Gesell, Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld
(NWO), R. Zitzmann Verlag, Lauf 1949, S. 235

12 Proudhon, Organisation des Kredits; ders., Die Tauschbank, Verlag Monte Verita,
Wien 1985; William B. Green, Mutual Banking, Bosten/New York 1870. - In einer Wer-
bung für Proudhons Schrift Die Volksbank in Befreiung heißt es: "Die Diskussion um die
Ökobank ist in aller Munde, jedoch ist die Ökobank nichts anderes als ein Miniaturverschnitt
aller herkömlichen Banken, von den Strukturen und Zielen dem Schicksal einer Raiffeisen-
bzw. Gewerkschaftsbank zugedacht. (...) Wer von Ökobank redet, aber die 'Volksbank'
nicht kennt, lebt noch im ökonomischen Mittelalter." So urteilte bereits Proudhon über ent-
sprechende Arbeiterbanken: "Die Arbeiter mögen sich darüber klar sein. Ihre Bank, die
in Kontokorrent mit der Bank von Frankreich stehen und ihre Kapitalien teuer bezahlen, so
daß es ihnen um so weniger möglich ist, sie billig auszuleihen, sind nicht in der Lage, gegen
den Kapitalismus Krieg zu führen" (Kapital und Zins - Die Polemik zwischen Bastiat und
Proudhon, Hg.: Arthur Mülberger, G. Fischer Verlag, Jena 1896, S. 41 ).

13 Siegfried Fröhlich, Geschäftsidee, in: Capital 10/1983, S. 29

14 Hugo Godschalk, Die geldlose Wirtschaft - vom Tempeltausch bis zum BarterClub,
Basis Verlag, Berlin 1986, S. 43; ders., Pilotprojekte zur neutralen Liquidität - WIR-Wirt-
schaftsring-Genossenschaft, in: zeitschrift für sozialökonomie/mtg (z. f. soz.ök.) 68/März
1986, S. 19ff.; Handel wie in alten Zeiten, in: Impulse 7/1984, S. 92ff.; J. Mayer-List, Neue
deutsche Welle, in: Die Zeit 37/ 9. 9. 1983, S. 22.

15 NWO, S. 281 u. 37; im übrigen würdigt Gesell die Geldanalyse Proudhons meist zu-
stimmend in der NWO, S. 33 - 38, 227, 237, 281- 287 u. 314 und widmete Proudhon die er-
sten Auflagen seines Hauptwerkes.

16 NWO, S. 186 - 188 - Oft wird der Einwand erhoben, es gäbe, neben dem Geld
und Gold, noch andere Güter, die keine Durchhaltekosten verursachen würden, z. B. Juwe-
len, und sogar Güter, deren Werte im Laufe der Zeit zunähmen, deren Durchhaltekosten
also negativ seien, z. B. Boden und Wein. Für den Boden trifft das uneingeschränkt zu, ein
wichtiger Grund, ihn zu sozialisieren (s. Kap. 8 u. 9). Güter wie Juwelen, Edelmetalle usw.,
die nicht als Geld fungieren, werfen jedoch keine Probleme für die Zirkulation auf und kön-
nen keinen Zins erpressen (vergl. die Zinsformeln von Geld und Juwelen in Kap. 6). Die
Ware Wein bestätigt die Richtigkeit der Gesellschen Warenanalyse; das könnte der Leser
selbst herausfinden, was ihm ein tiefgehendes Verständnis dieses Zusammenhangs vermit-
teln würde: Vom Naturprodukt Boden und einigen wenigen anderen Gütern abgesehen, ge-
hen in alle Produkte, die zu ihrer Herstellung, Lagerung und Verteilung unum-
gänglichen Durchhaltekosten in ihren Arbeitswert und damit auch in ihren Preis ein. Diese
Durchhaltekosten trägt also ihr Käufer. Nur die darüber hinausgehenden Durchhaltekosten,
wenn die Produkte also länger als zu ihrer Herstellung und zu ihrem Vertrieb notwendige
Zeit zurückgehalten werden, kann ihr Produzent und Verkäufer (von außerordentlichen
Marktsituationen abgesehen) nicht auf ihren Preis draufschlagen: diese trägt allein der Her-
steller und Händler. Wenn nun die Qualität eines Gutes durch Lagerung steigt (ein negativer
Wertschwund eintritt), dann steigt auch sein Gebrauchswert, seine Nachfrage und im Zu-
sammenhang mit den notwenigen Lagerungskosten auch sein Preis. Da dieses bei Wein oft
der Fall ist, werden viele Winzer und Weinhändler diese Produktionsweise der Lagerhaltung
zur Herstellung von Qualitätsweinen anwenden. Dann aber sind die hieraus resultierenden
Lagerungskosten Produktionskosten! Ihre Höhe entspricht der Produktionskostendifferenz
zwischen einem jungen, jedoch weniger gut schmeckendem Wein und seiner abgelagerten,
besseren Variante. Auch diese Kostendifferenz zahlt der anspruchsvolle Weinkenner und
-konsument im entsprechend höheren Preis. - Was aber geschieht nun, wenn ein Wein
über jenen Zeitpunkt hinaus gelagert wird, in dem seine Qualität nicht mehr zunimmt und
er schließlich sogar zu Essig wird, ein Produkt, das überall billig zu haben ist? Jetzt entstehen
die Durchhaltekosten, die wiederum allein der Produzent und Händler des Weines trägt und
diese nachhaltig zwingt, ihn auf dem Markt anzubieten! Das sind jene Durchhaltekosten,
auf die es Gesell ankommt. Zu diesen Durchhaltekosten gehören in unserem Wein-Beispiel
1. jene Lagerungskosten, die vom Konsumenten nicht mehr bezahlt werden, weil auch bei
diesem Produkt durch längere Lagerzeit kein Qualitätszuwachs mehr zu verzeichnen ist,
und 2. der Preisverfall dieser Ware, bedingst durch ihren natürlichen Qualitäts-"Schwund".
Das, was Gesell unter "Warenschwund" versteht, setzt also dann ein, wenn ein Produkt län-
ger im Produktions- und Verteilungsprozß verbleibt, als nach dem Stand der Entwicklung ei-
ner Volkswirtschaft für die Erzeugung einer bestimmten Qualität und für ihren Vertrieb im
allgemeinen und im Durchschnitt notwendig ist. Das gilt für unbeschränkt produzierbaren
alten wie jungen Wein, für Kartoffeln wie Kühlschränke. Das gilt nicht mehr in gleicher
Weise für seltene und daher schwer beschaffbare und daher auch oft monopolisierte Uralt-
Weine (Briefmarken, Münzen etc.), die einen hohen Gebrauchswert für Sammler haben
und die dafür - unabhängig von ihren Produktions- und Vertriebskosten - auch hohe
Liebhaberpreise bezahlen. Und das gilt erst recht nicht für den unvermehrbaren Boden (s.
Kap. 8) und für das gegenwärtige Geld bei Festwährung und Deflation (s. Kap. 5). Hundert-
jährige Weine und seltene Briefmarken sind jedoch konjunkturell und sozialpolitisch irrele-
vant, nicht aber knapper und unvermehrbarer Boden und knappes und nicht beliebig ver-
mehrbares Geld.

17 NWO, S. 313ff. u. 399

18 NWO, S. 308ff.

19 In seiner Auseinandersetzung mit Bastiat über den Zins schildert Proudhon folgende
Parabel: Ein Kapitalist ist ins Wasser gefallen und droht zu ertrinken. Ein potentieller Le-
bensretter am Ufer will ihm aber nicht um sonst einen Rettungsring zuwerfen. Der Ertrin-
kende will jedoch aus Gründen der Leistungsgerechtigkeit nur die Arbeitsleistung für das
Zuwerfen des Ringes entgelten (Tauschwert = Arbeitswert = Tauschgerechtigkeit). Die Per-
son am Ufer kann jedoch die Zwangslage und gleichzeitig den Reichtum des Ertrinkenden
ausnutzen, weil er allein am Ufer steht, also eine Monopolstellung im Tauschverhältnis ein-
nimmt. Er fordert vom Kapitalisten daher jenen Tauschwert (= Preis), den der Ertrinkende
auf Grund seiner finanziellen und physischen Lage zahlen kann und muß: einen Wucher-
preis, der weit über den Wert der geleisteten Arbeit hinausgeht und in seiner Höhe nur vom
Lebenswillen und der Zahlungsfähigkeit des Ertrinkenden begrenzt wird (Kapital und Zins,
S.123 -128).

20 Siehe Proudhons Briefwechsel mit Bastiat in Kapital und Zins u. Marx' Definition
des Mehrwerts in Das Kapital, Bd. III. Dietz Verlag, Berlin-Ost 1968, S. 840f.

20a Helmut Creutz, Bauen, Wohnen, Mieten - Welche Rolle spielt das Geld?, 1987,
Gauke Verlag, Lütjenburg

21 In den Aufsätzen Wohnungswirtschaftliche Selbstverwaltung und Selbstfinanzierung
- eine ideengeschichtliche Montage (Leviathan - Z. f. Soz. wiss.1/1982, S. 41- 67) u. An-
merkungen zum Verhältnis von Trägerformen und Finanzierungsalternativen (Arch plus,
Febr.1982; faksimiliert in agit 883 90/1983) hat Klaus Novy gezeigt, wie z. B. der Wohnungs-
markt durch ein nicht-kapitalistisches Finanzierungssystem aus der Zinsknechtschaft her-
ausgenommen werden kann.

21a Am 16.12. 1987 berichtete die Tagesschau, daß das Wohngeld die Steuerzahler mit
4 Mrd. DM im Jahr belastet.

22 Helmut Creutz. Die fatale Rolle des Zinses im gegenwärtigen Wirtschaftssystem, in:
z. f. soz.ök. 61/Mai 1984, S. 9 u.12

23 Auf Grund des bargeldlosen Zahlungsverkehrs können die Privatbanken Buchgeld
(Konten-Geld) schöpfen, indem sie auf der Basis von Kundeneinlagen mehr neues Buch-
geld verleihen, als sie von ihren Kunden an Bar- und Buchgeld erhalten. Das ist möglich,
weil die Kunden sich nur einen Bruchteil ihrer Kredite in Bargeld auszahlen lassen, weil sie
nur einen Bruchteil ihres Zahlungsverkehrs in Bargeld abwickeln und weil durch diesen bar-
geldlosen Zahlungsverkehr andere Banken Buchgeld-Guthaben erhalten, die sie wiederum
als Grundlage für Kreditvergaben in Buchgeld verwenden können. Begrenzt wird dieser
Geldschöpfungsmultiplikator durch notwendige und gesetzlich vorgeschriebene Sicher-
heitsrücklagen (s. H. C. Recktenwald, Wörterbuch der Wirtschaft, Körner Verlag, Stutt-
gart 1981; S.192f.). Anders als Proudhon und die meisten heutigen Ökonomen, bestreitet
Creutz allerdings die Möglichkeit der Geldschöpfung durch Privatbanken (Creutz,· Buch-
geldschöpfung und Bankenwirklichkeit, in: Fragen der Freiheit 178/Jan.1986).

24 Die folgenden Zahlen sind aus: Creutz, Die Zinsbelastung in der Bundesrepublik
Deutschland - Zinsen und ihre Behandlung in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung,
in: z. f. soz.ök. 64/April 1985, S. 25 - 31

25 Ralf Flücks, Zwischen Sachzwängen und Utopie - Haushaltspolitik am Beispiel Bre-
men, in: Kommune 6/1984, S.12, Sp. 3

26 Felix G. Binn, Verfassungsanspruch und Verfassungswirklichkeit, in: z. f. soz.ök.,
Sonderdruck: Sozialökonomische Beiträge, S. 8f.

27 Die fatale Rolle des Zinses... , S. 23, Sp. 2

28 Manfred Holthus, Die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer - Fakten,
Probleme, Lösungen, HWWA-Institut für Wirtschaftsforschung, Hamburg 1987, in: Ent-
wicklungspolitik - Materialien Nr. 76, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammen-
arbeit, Bonn, S.10 (Tabelle); s. a. Alexander Schubert, Die internationale Verschuldung, ed.
suhrkamp, NF 347/1985, S. 116 u. 134

28a "Zwischen 1970 und 1986 haben die Brasilianer über 153 Milliarden Dollar für ihren
Schuldendienst aufbringen müssen. Nur knapp 64 Milliarden davon dienten der Rückzah-
lung des geborgten Kapitals. Über 89 Milliarden Dollar gingen für Zinsen drauf. - Die
Schulden sind in dieser Zeit auf 108 Milliarden Dollar geklettert, die Zinslast wuchs auf 9
Milliarden jährlich." (Walter Knips, Aus der Zinsknechtschaft, Wirtschaftskommentar im
Spiegel 9/1987, S.150). Knips meint nun, die Banken "sollten nun endlich Einsicht zeigen".
Bezeichnend seine Begründung: "Die Kuh, die sie (die Finanzkapitalisten; K. S.) so kräftig
gemolken haben, braucht ein wenig Ruhe." Was da so nett gesagt wird, kann wohl nichts an-
deres heißen, als daß die Menschen in Brasilien - um solche handelt es sich bei dieser
"Kuh" - nur deshalb etwas "Ruhe" haben sollen, damit sie bald bei frischen Kräften weiter-
hin "gemolken" werden kann. Gegen die "Zinsknechtschaft" selbst haben die liberalen
Opportunisten der Ökonomenzunft mit Wissenschaftlichkeitsanspruch noch nie etwas ein-
zuwenden gehabt...

29 Die Zinsbelastung... , S. 30, Sp.1

30 Die fatale Rolle des Zinses..., S.17, Sp.1

31 Der Spiegel 48/1984, S. 84 (s. a.: Der Spiegel 49/1986, S. 77 -100, zur Konzentra-
tion) - Das Startkapital hat sich Horten bei der "Arisierung" jüdischer Vermögen in der
NS-Zeit unter den Nagel gerissen.

32 Folglich ist es Unsinn, wenn behauptet wird, daß die 1987 von der Mehrheit der
"Volksvertreter" in Bonn beschlossene Steuererleichterung für die Reichen und Superrei-
chen zu höheren Investitionen und damit zur Reduzierung der Arbeitsslosigkeit führen
würde. Bei steigenden Einkommen sinkt die Konsumquote und steigt die Sparquote, wie
Keynes lehrt und das Beispiel Horten zeigt; ein immer größer werdender Anteil am Einkom-
men wird nicht für den die Wirtschaft belebenden Konsum ausgegeben. Da außerdem die
dem Staat nun fehlenden Finanzmittel bei den unteren Einkommensschichten und durch
Ausgabenkürzungen bei den Gemeinden wieder reingeholt werden müssen, werden jetzt
gerade jene Einkommen und Einnahmen reduziert, die fast vollkommen für den Konsum
und vollkommen für Nachfrage ausgegeben werden. Die Folge: die volkswirtschaftliche Ge-
samtersparnis steigt, und weil der "Bedarf ohne Geld" (Dieter Suhr) dasteht, sinkt die Ge-
samtnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und die Arbeitslosigkeit nimmt zu. Bei
der Steuererleichterung für die Reichen geht es nicht um Vollbeschäftigung, sondern um
Klasseninteressen. Was notwendig ist, um die Wirtschaft zu beleben, ist gerade eine hohe Be-
steuerung der Reichen, und zwar nicht nur ihrer Einkommen, sondern auch ihres Grundei-
gentums und vor allem ihrer Geldvermögen. Bei einer Besteurung ihrer Liquidität wird
"Geld ohne Bedarf" (Suhr) reduziert, dieser Steueranteil tritt dann als öffentliche Nach-
frage auf, und außerdem treibt die Geldsteuer die Ersparnisse der Reichen teils in den Kon-
sum, teils als zinsfreie Kredite auf den Investitionsgütermarkt. Das alles steigert die Nach-
frage nach Gütern und Arbeitskräften, die Arbeitslosigkeit sinkt. - In dem (von Creutz
empfohlenen und in einem Papier kritisch kommentierten) Buch Die große Rezession von
1990 (Heyne-Verlag, 1988) vertritt der US-Ökonom Prof. Ravi Batra ebenfalls die Auffas-
sung, daß die riesigen Einkommen und Vermögen einiger weniger Kapitalisten die "Kata-
strophen" der "Depressionen" bewirken.

32a Der Spiegel 12/1988, S.194, Sp. 3

33 Creutz, Wachstum bis zur Selbstzerstörung?, in: Creutz/Suhr/Onken, Wachstum bis
zur Krise? - Drei Aufsätze, Reihe: Ökonomie Alternativ, Basis Verlag, Berlin 1986, S. 7f.;
s. a. Werner Braunbek, Die unheimliche Wachstumsformel, Paul List Verlag, München 1973

33a Eine ähnliche Einschätzung hat der ehemalige Bundesvorstandssprecher der Grü-
nen in Bonn, Dieter Burgmann: "Jeder Kapitalanleger erwartet für seinen Kapitaleinsatz
Gewinn bzw. Zinsen, die meist weit über das hinausgehen, was er selbst zum Leben braucht
und die deshalb wieder investiert werden und wieder Gewinne bringen müssen, so daß das
Kapital nach dem Zinseszins-System ständig wachsen muß. - Dieser Kapitalsteigerung
(soll sie nicht zur reinen Inflation werden) muß eine entsprechende Steigerung der Waren-
produktion gegenüberstehen, was wiederum nur bei wachsendem Markt oder durch Ver-
drängung Schwächerer möglich ist. - So entsteht die Kapital-Akkumulation, die zur Mo-
nopolbildung führt. Spätestens dann kann Wachstum nur noch durch Ausdehnung des Mark-
tes gewährleistet werden. Im Zins-System liegt also ein unabdingbarer Zwang zum Wach-
stum." (Zit. aus: Anders leben - anders wirtschaften, Dez. 1987, S. 13)

34 So in dem von den Grünen aus dem Bundestag veranstalteten Seminar "Geldord-
nung und Wirtschaftsprozesse" am 28 u. 29.1.1984 in Hannover und in: Dieter Suhr, Auf Ar-
beitslosigkeit programmierte Wirtschaft - Diagnose und rechtstechnische Behandlung des
Mehrwertsyndroms, in: Creutz/Onken/Suhr, Wachstum bis zur Krise?, S. 59 (Nachtrag)

35 Von dem Marxisten Andre Gorz, dem Öko"libertären" Thomas Schmid, dem Libera-
len Ralf Dahrendorf, dem Christdemokraten Wolfgang Engels, dem Konservativen Milton
Friedman u. v. a.

36 Auch Gorz sieht in der Automatisierung und Roboterisierung der Produktion die
Chance für radikale gesellschaftliche Veränderungen. Allerdings leitet er diese Einschät-
zung aus der marxistischen Wirtschaftstheorie ab. Er meint, die "mikroelektronische Revo-
lution" würde "das Ende der Arbeitsgesellschaft" bedeuten, weil sie zu so geringen Kosten
der Produktion führt, daß das Wertgesetz verschwinden und damit der Markt überflüssig
werden würde; "die Masse des Mehrwerts sowie seine Rate (ließe) sich nicht mehr rekapita-
lisieren: die Möglichkeit, ihn rentabel neuzuinvestieren, verschwindet" (A. Gorz, Wege ins
Paradies, Rotbuch Verlag, Berlin 1983, S. 52). Nun hat sich jedoch gezeigt, daß das Finanz-
kapital immer wieder Wege gefunden hat, akkumuliertes Geld anzulegen und dafür Voraus-
setzungen zu schaffen, z. B. mit dem von Reagen projektierten, Hunderte von Milliarden
Dollar verschlingenden SDI-Programm. Außerdem ist die Vorstellung, Roboterprodukte
könnten fast kosten- und damit preislos produziert und ihre Produkte per "Plan" verteilt
werden, marxistische Ideologie, die kommunistischem Wunschdenken entspringt. Auch Ro-
boterprodukte verursachen Kosten und haben somit einen "Wert": die Roboter selbst verur-
sachen Kosten bei ihrer Herstellung, die Herstellung ihre Produkte wiederum erfordert Ma-
terial, Energie, Verwaltungs- und Vertriebskosten usw., und da Gorz den Zins nicht abschaf-
fen will, werden Roboter-Investitionen mit hohen Kreditkosten belastet sein. Desweiteren
ist auch die These, wir könnten irgend wann einmal von jeglicher Arbeit befreit sein, höchst
fragwürdig. Tendentiell wird die Arbeit seit den ersten Tagen der Vertreibung aus dem (ar-
beitslosen) Paradies "abgeschafft", und trotzdem ist sie seit dem Drei- bis Vier-Stunden Tag
der Sammler und Jäger um das Doppelte angestiegen, ausgerechnet zu Anfang des Indu-
striezeitalters sogar auf das drei- bis vierfache. Warum? Weil erstens mit der Produktivitäts-
steigerung der menschlichen Arbeitskraft pro Zeiteinheit durch die Technik in gleichem
Maße auch die Bedürfnisse der Menschen und ihr Verbrauch angestiegen sind: gestern fuh-
ren sie allenfalls ein eigenes Fahrrad und verlebten ihre Freizeit in der Kneipe nebenan,
heute rasen sie in einem eigenem Auto in den Süden oder buchen eine Reise zu den Bermu-
das, morgen fliegen sie vielleicht in einem eigen Flugzeug und machen Ferien auf dem Mars.
Der zweite Grund: weil heute das Vielfache an Menschen als zu prähistorischen Zeiten auf
dem gleichen beschränkten Raum der Erde versorgt werden muß, wird ein Teil der Produk-
tivitätssteigerung durch teure Intensivwirtschaft aufgehoben: statt sammeln mit den nack-
ten Händen, Ackerbau mit der Hacke, dann mit dem Pflug; statt in der alten Schmiede, am
Hochofen stehen (wo die Krise die Arbeit "abschafft"!); statt auf dem eigenen Buckel und
mit den eigenen Füßen, mit dem Esel, dem Karren, der Postkutsche, der Eisenbahn, dem
Auto, dem Jet Güter transportieren; statt den eigenen Kopf anzustrengen, mit dem Compu-
ter rechnen usf. Die Roboter nun endlich das Licht am Ende des schweißgeträngten Tunnels
der Arbeit? Man denke nur einmal an die außerordentlich hohen Kosten einer Weltraumbe-
siedlung, wie sie zur Milderung einer Übervölkerung der Erde bereits von einigen Forschern
geplant wird (R. Breuer, Kontakte mit den Sternen - Leben auf anderen Planeten?, Ull-
stein, Frankfurt 1981, S. 328ff.), um zu begreifen, daß des Menschen Arbeit kein
Ende nimmt. Und schließlich sagt Gorz selbst, daß es neben der roboterisierten Industrie
noch den großen Bereich der Dienstleistungen und des Kleingewerbes geben wird, der
durch Roboterisierung und Großindustrie nicht zu ersetzen ist. Wird auch hier das Wertge-
setz aufgehoben und der Markt überflüssig werden? Und was ist mit der Dritten Welt? Wird
es auch in diesen angeblich unterentwickelten Ländern in Kürze kein Wertgesetz und keine
Arbeit mehr geben? Selbstverständlich kann und muß die Arbeitszeit verkürzt werden. Er-
heblich reduziert werden kann sie jedoch nur, wenn der Konsum und die Weltbevölkerung
nicht wesentlich zunehmen. Doch damit können wir gegenwärtig nicht rechnen. Die Weltbe-
völkerung auf den gegenwärtigen Stand zu begrenzen, bedeutet außerdem, potentielles Le-
ben an der Realisierung seiner Existenz zu hindern - ein lebensfeindliches Konzept.

37 John Maynard Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des
Geldes (Allg. Theorie), Dunker & Humbolt, Berlin 1955, S. 191-195; Gesell: "Also, je
mehr Ware erzeugt wird, desto mehr wachsen die Anlagen zur Erzeugung von mehr Ware,
vermehren sich die Sachgüter (das sogenannte Realkapaital). - Aber von diesen Anla-
gen, vom Realkapital, erwartet man Zins, und Zins fällt in dem Maße, wie das Realkapital
im Verhältnis zur Bevölkerung wächst. Viele Wohnungen (und wenig Mieter; K. S.) - nied-
riger Hauszins. Viele Fabriken und wenig Arbeiter - niedriger Fabrikzins. - Fällt also
der Zins des Realkapitalien infolge der neuen Anlagen unter das herkömmliche Maß, so wird
kein Geld mehr für solche Anlagen hergegeben. Kein Zins, kein Geld! - (... ) - Und
weil das Geld sich zurückzieht, weil die Nachfrage fehlt, gehen die Preise herunter und der
Krach (die Krise) ist da. - Gesetzmäßig muß also der Krach ausbrechen, wenn als Folge
vermehrter Realkapitalien der Fabrik- und Hauszins (die Rendite; K. S.) heruntergeht.
(NWO, S.198f.) - Diese Theorie bestätigt, daß Arbeitslosigkeit nichts mit "Ausländer-
schwemme" zu tun hat - im Gegenteil: ein großes Angebot an bedürftigen Arbeitern ist
gleichbedeutend mit einem großen Potential an Nachfrage nach Produkten, die durch eben
diese Arbeiter - direkt oder indirekt - selbst erarbeitet werden müssen.

38 Kap. III, S. 370

38a S. entsprechendes Proudhon-Zit. in NWO, S. 33, u. Gesell, aa0., S. 352

39 Der Zins des Geldes und der vermehrbaren Produktionsmittel und Waren (die Ren-
dite) sind die Kriterien, durch die der Kapitalismus als solcher zu definieren ist. Obwohl es
Kapitalismus seit Einführung des zinserpressenden Geldes gibt, haben die technische Ent-
wicklung und die gigantische Vermehrung der Produktionsmittel in der jüngeren Geschichte
erst dem Geld- und Kapitalzins die gewaltigen Akkumulationsmöglichkeiten eröffnet, die
zu einer Gesellschaft geführt haben, die wir die kapitalistische nennen. Die private Aneig-
nung des Zinses aus dem unvermehrbaren Produktionsmittel Boden (die Rente) ist ein Re-
likt aus der feudalistischen Agrargesellschaft und kein eigentliches Kriterium des Kapita-
lismus. Für Marx steht jedoch nicht der Zins, sondern die Ware im Mittelpunkt seiner Kapi-
talismusanalyse. Hans-Jürgen Krahl bringt Marxens Kapitalismusverständnis auf den
Punkt, wenn er schreibt: "(...) die Ware bildet die Zellform der bürgerlichen Gesellschaft,
und der Zins, die fetischistische Gestalt des Kapitals, führt eine prähistorische Existenz"
(Konstitution und Klassenkampf, Verlag Neue Kritik, Frankfurt 1977, S. 85). In Folge dieser
Betrachtungsweise läßt sich in Marxens 2.500 Seiten langer Fleißarbeit Das Kapital auch
keine klare und für eine sozialistische Praxis nützliche Definition des Kapitalismus finden.
So verwundert es nicht, daß das Mitglied einer dreiköpfigen Kapital-Arbeitsgruppe am
Ende eines elfjährigen Studiums der drei berühmtesten der blauen Bände gesteht: "Wenn es
uns wirklich auf den Nägeln gebrannt hätte, den Kapitalismus zu verstehen, dann hätten wir
schon lange aufgehört, das Kapital zu lesen" (taz vom 24.12.1986, S. 5). Offenbar kann die-
ses gigantische Werk Linken nur zur intellektuellen Onanie dienen. Eine Konkurserklärung
der marxistischen Kapitalanalyse (s. a. Simone Weil, Über die Widersprüche des Marxismus
in Unterdrückung und Freiheit - Politische Schriften, Tausendundeins, 1987, S. 265ff.).

40 Einen Zusammenhang von hoher Verzinsung von Wertpapieren ("Rendite") und
niedriger Beschäftigung hat Adolf Weber bereits für den Zeitraum von 1899 bis 1913 ausge-
macht. In diesem Zeitabschnitt ging der Zinsanstieg der Arbeitslosigkeit immer voraus (s.
Grafik), was empirisch belegt, daß steigender Zinsfuß Arbeitslosigkeit bewirken kann. Da
es sich in Webers Beispiel um festverzinsliche Wertpapiere und nicht um Aktien mit schwan-
kenden Dividenden handelt, haben wir es hier primär mit dem Geldzins und nicht mit der
eigentlichen Rendite des Produktivkapitals zu tun.

40a Joseph Hüwe, Zwingt die traditionelle Geldordnung zur Rüstungsexpansion?, Ber-
lin 1987 (eine kleine Broschüre)

41 Nach einem Rechenexempel von L. Stadelmann, Nicht ausweglos!, Verlag Neues Le-
ben, Bad Goisern 1987, S. 41.

41a Die Anthroposophen haben diesen Zusammenhang begriffen und erwarten Zins-
verzicht von den Einlegern bei ihrer Bank (Rundbrief 39/1987, Org. d. Netzwerk Selbsthilfe
e. V, S. 20, Sp.1). Dem Vorschlag ihres Meisters Rudolf Steiner ein Geld zu fordern, das
sich "abnutzt", um so auf die Geldbesitzer einen Angebotsdruck auszuüben, folgen sie je-
doch nicht.

41b Freiherr Karl von Vogelsang, zit. bei Adolf Damaschke, Geschichte der National-
ökonomie, Bd. I, S. 144

42 Equality, S. 37; zit. bei: J. Martin, Männer gegen den Staat - Die Vertreter des Indivi-
dualanarchismus in Amerika 1827 - 1908, Bd. I, Verlag der Mackay-Gesellschaft, Hamburg/
Freiburg i. Br.1980, S. 213

43 Diese Entwicklung eines die gesamte Volks- und Weltwirtschaft beherrschenden Fi-
nanzkapitals hat der Marxist Rudolf Hilferding in den 10er Jahren in Das Finanzkapaital be-
schrieben. Dieses Werk ist von manchen Interpreten als der "vierte Band" des Kapitals be-
zeichnet worden. Entsprechend der marxistischen Theorie erwartet Hilferding die Überwin-
dung der Bankenherrschaft von einer naturwüchsigen kapitalistischen Wirtschaftsentwick-
lung über die Konzentration des Kapitals bis hin zur zentralgelenkten und geldlosen "Plan-
wirtschaft". Die marxistisch orientierten Ökosozialisten Thomas Ebermann und Rainer
Trampert behandeln die Bankenmacht im Zusammenhang mit der Verschuldung und Zins-
ausbeutung in der Dritten Welt in Die Zukunft der Grünen - Ein realistisches Konzept für
eine radikale Partei, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1985, S. 84 -115. Ein realistisches
Konzept zur Brechung der finanzkapitalistischen Macht haben sie allerdings nicht entwik-
kelt.

44 Fritz Schwarz, Morgan, der ungekrönte König der Welt, Verlag des Pestalozzi-Fellen-
berg-Hauses, Bern 1927, S. 47ff.; Kurzfassung in: ders., Segen und Fluch des Geldes in der
Geschichte der Völker Bd. I, Genossenschaft Verlag für freiwirtschaftliche Schriften, Bern
1945, S. 225ff.

45 So in einem Vortrag in dem erwähnten Seminar der Wirtschafts-AG der Grünen in
Hannover 1984.

46 Die folgenden Zahlen und Zitate sind dem deutschen Titel Die Mächtigen und die Su-
permächtigen, rororo, Reinbek 1978, entnommen.

47 Die Mächtigen... , S. 35

48 Die Mächtigen..., S. 214

49 Der Spiegel 42/1985, S.178

50 Selbstverständlich lassen sich nicht alle Wissenschaftler korrumpieren. Das zeigt ein
Beispiel, über das mir der Freiwirt Heinz-Peter Neumann aus Berlin berichtete. Zur Zeit
der Weimarer Republik wurde der Ökonom Dr. Franz Hochstätter von einem Wirtschafts-
verband beauftragt, ein negatives Gutachten über Gesells Freiwirtschaftslehre zu erstellen.
Beim Studium dieser Lehre kam er jedoch zu dem Schluß, daß sie richtig ist, trat von seinem
Auftrag zurück, wurde Anhänger dieser Lehre und schrieb das interessante Buch Geld und
Kredit als Störer der monetäre Tauschwirtschaft, erschienen zunächts (1933) merkwürdiger-
weise im Militär-Verlag in Berlin, dann (1936) im R. Zitzmann Verlag in Lauf.

51 Über die Macht des westdeutschen Finanzkapitals berichtet der Spiegel 7/1985 in der
Titelgeschichte Weltmacht Deutsche Bank.

52 Daß das in der BRD nicht viel anders aussieht, zeigt z. B. der Flick-Skandal (Der
Spiegel 4/1983, 44/1984 u. 50/1985)

53 Die Verschwörungstheorie vertreten z. B. Gary Allen, Die Insider - Wohltäter oder
Diktatoren?, VAP, Wiesbaden 1980, und Eustace Mullins, Die Bankenverschwörung, Verlag
für ganzheitliche Forschung, Wobbenbüll 1980. Allen will die Bankenmacht durch die "An-
archie" überwinden, die er ganz rechts außen im politischen Spektrum ansiedelt (s. Grafik
aaO. , S. 38). Das Interesse der Linken an der IWF und Weltbank begnügt sich mit einer Kri-
tik an den Handlangerdiensten dieser Institutionen für das Finanzkapital, analysiert aber
nicht das Finanzkapital selbst, schon gar nicht seine Basis: das zinserpressende Geld. Völlig
realistisch begreift Kurt Zausel (in einem Kommentar in der tageszeitung vom 27. 8. 1988)
immerhin Politik als "Geisel der Ökonomie" und Zinserhöhungen als Katastrophe für die
verschuldeten Länder der Dritten Welt und des "realen Sozialismus".

53a Raoul Wallenberg stammt aus der reichsten, einer finanzkapitalistischen, Familie
Schwedens; er rettete während des Krieges zehntausende ungarische Juden vor der Verga-
sung durch die NS-Rassisten. Beim Einmarsch der Sowjetarmee in Ungarn wurde er von
Stalins Schergen in die GULags verschleppt und ist dort verschollen. - Der Millionär Jan
Philipp Reemtsma unterhält ein linkes Forschungsinstitut in Hamburg und setzte sich 1987
für die Hausbesetzer in der Hafenstraße ein. - Es geht auch gar nicht darum, ob schlaue
Leute die ihnen durch die ökonomischen Verhältnisse gegebenen Chancen nutzen, sondern
darum, ob wir dumm genug sind, ihnen diese einzuräumen, z. B. indem wir das zinserpres-
sende Geld akzeptieren oder das Privateigentum am Naturprodukt Boden anerkennen.

54 S. z. B. Ebermann/Trampert, Die Zukunft der Grünen, S. 84ff., u. den interessanten
Aufsatz von Karl Georg Zinn, Pecunia quo Vadis? in: Sozialismus, 2/1987, abgedruckt in: z.
f. soz.ök. 76/März 1988, S. 19ff., der sich mit der Zinseszinsakkumulation im Zusammen-
hang mit der Dritten Welt beschäftigt. - Diagnosen - Das Zeitkritische Magazin, das (in
Heft 1 u. 2/1984) auch über die Freiwirtschaftslehre berichtet, neigt zur Irrationalität.

55 Allg. Theorie, S. 271ff.

56 Das Recht des Einzelnen auf den vollen Arbeitsertrag hält Gesell allerdings für ein
"Hirngespinst"; es bezieht sich auf das Recht aller Produzenten als Klasse, auf ihren "ge-
meinsamen" vollen Arbeitsertrag (NWO, S. 40f.).

57 Allg. Theorie, S. 316 f.

58 Es ist höchst bemerkenswert, wie der Rechtsextremist Heinz Quester 1930 seine Kri-
tik an dem "Sozialismus der Nationalsozialisten" begründete: Eine Abschaffung bzw. Ab-
schöpfung des Geld-, Kapital- und Bodenzinses werde "das Eigentum in einem Maße aus-
höhlen (..), wie es ähnlich bei der Bodenreformbewegung (Damaschkes; K. S.) der Fall ist.
Es bleibt die Schale des Eigentums, während man den Kern (Grundrente, Leihzins, Pacht-
zins usw ) wegnimmt" (Standarte 1/Mai 1930, S. 492). Quester, intelligenter Vertreter des Ka-
pitals, hat vorzüglich erkannt, was den meisten Sozialisten und Kommunisten schwerfällt,
nämlich, was passiert, wenn Kredit- und Produktionsmittel keinen Zins mehr abwerfen: sie
sind dann kein Kapital mehr! Doch vor den Methoden, die Gottfried Feder zur "Brechung
der Zinsknechtschaft" anwenden wollte, wie z. B. die "Volkserziehung", brauchten sich
Quester und seine kapitalistischen Freunde nicht zu fürchten (s. Uhlemayrs Kritik des NS-
Wirtschaftsprogramms; Anm. 179), ganz abgesehen davon, daß Feders geliebter Führer
Adolf Hitler sowieso nie die Absicht hatte, die Zinsknechtschaft zu brechen, und seinen An-
hängern verbot er die Beschäftigung mit der Freiwirtschaftslehre. (Werner Zimmermann:
"Kapital ist zinstragendes Eigentum, (...) nicht einfach eine Sache, sondern (..) bedingt
durch einen Zustand, den Mangel" an "Geld", "Häusern, Fabriken" usw.; Sozialismus in
Freiheit, R. Zitzmann Verlag, Lauf 1946, S.16.)

59 Nocolas A.L. J.Johannsen, DieSteuer der Zukunft und ihre Einwirkung auf geschäft-
liche Depressionen und volkswirtschaftliche Verhältnisse, Puttkammer & Mühlbrecht, Berlin
1913. - Das Prinzip der Noteneinziehung vertrat auch Arthur Ph. D. Dahlberg, When Capi-
tal goes an strike, New York 1938.

60 Irving Fisher, Mastering the Crisis - With Additional Chapters on Stamp Scrip, Ge-
org Allen & Unwin LTD, London 1934; Gustav Landauer, Aufruf zum Sozialismus, Marcon-
Block-Verlag, Köln 1923, S.121; Erich Mühsam, Ein Wegbahner, in: Fanal 7/Apr. 1930; Ru-
dolf Steiner, Die Kernpunkte der sozialen Frage in den Lebensnotwendigkeiten der Gegen-
wart und Zukunft, Verlag der Rudolf Steiner-Nachlaßverwaltung, Dornach/Schweiz 1961, S.
130 -133; ders., Nationalökonomischer Kurs - Vierzehn Vorträge (von 1922), ebd.1965, S.
165f., 174 u. 202, faksimiliert in: agit 883 90/1983, S.14. S. a. Santiago Fernandes, Die Dialek-
tik des Gleichgewichts bei BOISGUILLEBERT, bestätigt durch Karl Marx und die von
ihm abgeleiteten ökonomischen Gesetze, in: z. f. soz.ök. 64/April 1985, S. 16ff.
61 Nach einer Mitteilung von Werner Onken und Hans Weitkamp wurde dieses Kno-
chengeld-Konzept von Archille Dauphin-Meunier in "Danque a travers les ages" dargestellt.
Dieses Buch hatte jedoch nur eine Auflage von 275 Exemplaren und ist kaum noch aufzutrei-
ben.

61a Christel Neusüß u. Marlene Kück, Die Geldgeburten sind prekär geworden, in: taz,
10. 2.1984

62 NWO, S. 235 - 256

63 Allg. Theorie, s. 196

64 Werner Onken, Ein vergessenes Kapitel der Wirtschaftsgeschichte - Die Selbsthilfe-
aktionen mit Freigeld, in: Creutz/Onken/Suhr, Wachstum bis zur Krise?, Basis Verlag, Berlin
1986, S. 63ff (Nachdruck aus: z. f. soz.ök. 57-58/Mai 1983). S. a. Fritz Schwarz, Das Experi-
ment von Wörgl, Genossenschaft Verlag, Bern 1951; Alex von Muralt, Der Wörgler Versuch
mit Schwundgeld, in: Ständisches Leben 6/1933, 306ff., s. Text 6; Artikelserie über Wörgl
mit einem Interview mit einem Assistenten von Irving Fischer über Schwundgeld-Experi-
mente in USA in der Berner Zeitschrift Geld und Arbeit - Illustriertes Monats-Magazin 1/
Jan. bis 6/Juni 1933; Claude Bourdet, Das "Wunder von Wörgl", in: agit 883 90/1983, S. 5f.,
eine Übersetzung aus der Pariser Illustrierten L'Illustration vom 9. Sept. 1933; Alfred Hor-
nung, Das Ergebnis des Wörgler Schwundgeldversuchs, in: Tiroler Studien 2/1934 (eine kriti-
sche, 70 Seiten lange Analyse mit reichem Zahlenmaterial); F Schwarz, Das Wära-Wunder
von Schwanenkirchen, in: ders., Vorwärts zur festen Kaufkraft des Geldes und zur zinsfreien
Wirtschaft!, Genossenschaft Verlag, Bern 1931, S. 57 - 64; Rolf Spier, un solustion - ein
ausweg, Eigenverlag,1961 (über Experimente in Frankreich u. Brasilien).

65 Karl Walker, Die Umlaufsicherung des Geldes, Vita-Verlag, Heidelberg-Ziegelhausen
1952

66 Der englische Kaufmann und Schatzkanzler Sir Thomas Gresham (1519 -1579) hat
festgestellt, daß "schlechtes" Geld "gutes" aus der Zirkulation verdrängt. "Gutes" Geld ist
jenes, das eine feste oder gar steigende Kaufkraft besitzt. Dieses Geld verschwindet aus der
Zirkulation und wird als Spar- und Spekulationsmittel gehortet, während jenes Tauschmittel
umläuft, dessen Kaufkraft sinkt, also "schlechtes" Geld ist. Dieser Vorgang konnte bei Dop-
pelwährungen beobachten werden, also dort, wo Edelmetallgeld existiert und wo sich der
metallische Eigenwert z. B. der Silbermünzen gegenüber den Goldmünzen verändert.
Steigt z. B. der Preis für Silber oder fällt der Goldpreis, dann werden die Wirtschaftssubjekte
geneigt sein, nur mit Goldmünzen zu zahlen und Silbermünzen zurückzuhalten, solange
diese Veränderung der Preisrelation anhält. Denn der Preisanstieg für Silber bedeutet, daß
die Besitzer von Silbermünzen mit diesen in der Zukunft mehr kaufen können als mit Gold-
münzen. Entsprechendes gilt, wenn sich die Legierung der Edelmetallmünzen verändert.
Daß das "schlechte" Geld angenommen wird, liegt daran, daß die Produzenten und Händler
produzieren und verkaufen, um zu leben, und weil ihre Produkte und Waren ebenso
"schlecht" oder "schlechter" sind als dieses Geld: sie unterliegen ebenfalls einem Wert-
schwund.

67 Dieter Suhr, Geld ohne Mehrwert - Entlastung der Marktwirtschaft von monetären
Transaktionskosten, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt 1983, S. 41f. u. 77f.

68 Hans Weitkamp, Das Hochmittelalter - ein Geschenk des Geldwesens, HMZ-Ver-
lag, Hilterfingen 1983/85, S. 73

69 Richard Geattens, Inflation - Das Drama der Geldentwertung vom Altertum bis zur
Gegenwart, Richard Pflaum Verlag, München 1955, S. 40. Für Rocker reicht diese Periode
vom 9. bis zum 15. Jahrhundert; er berichtet über sie in: Die Entscheidung des Abendlandes,
Bd. I, Verlag Friedrich Oetinger, Hamburg 1949, S. 109ff.

70 Adolf Damaschke, Geschichte der Nationalökonomie - eine erste Einführung, Bd.
I, G. Fischer-Verlag, Jena 1922, S. 85 - 109

71 Fritz Schwarz, Die Brakteaten, das Freigeld des Mittelalters, in: ders., Vorwärts zur fe-
sten Kaufkraft... , S. 46 - 56, faksimiliert in: agit 883 90/1983, S. 10f.; Karl Walker, Das Geld
in der Geschichte, Zitzmann Verlag, 1959. S. a. P. Nagel, Schwundgeld im Mittelalter, in: Die
Freiwirtschaft 9/1926, u. Schwarz, Segen und Fluch des Geldes·in der Geschichte der Völker,
2. Bd.

71a Horst Karasek, Die Kommune der Wiedertäufer (1534), Wagenbach Taschenbücher
16, Berlin 1983, S. 101-105

72 Die Quantitätsformel macht noch etwas anderes deutlich. Sie beweist, daß die Ideo-
logie von der Lohn-Preis-Spirale - soll heißen: Lohnerhöhungen haben Preissteigerungen
zur Folge - leeres Geschwätz ist, das lediglich die Funktion hat, Stimmung gegen Lohnfor-
derungen zu machen und die Arbeiter in ihren Lohnkämpfen zu entmutigen. Solange die
Lohnabhängigen ihre Einkommen nicht durch das Drucken von Falschgeld aufbessern, be-
deuten Lohnerhöhungen nichts anderes, als daß das gesamte Einkommen von Arbeitern
und Unternehmern umverteilt wird zu Gunsten der Lohnempfänger und zum Nachteil der
Gewinnmacher. Erst wenn durch Geldschöpfung der Notenbank und/oder der Geschäfts-
banken oder durch den Zufluß von ausländischem Geld der Geldumlauf ausgeweitet wird,
steigen die Preise - und verwässern die Kaufkraft der Lohnsteigerungen. Die Wirklichkeit
hat immer wieder gezeigt, daß in der Regel zuerst das allgemeine Preisniveau steigt und daß
dann Lohnerhöhungen folgen: sie hinkten der realen Kaufkraftminderung der Löhne durch
die schleichende Inflation hinterher. Wir hatten es also mit Preis-Lohn-Spiralen zu tun!

73 Über Mord, Selbsttötung und bewaffneten Widerstand US-amerikanischer Farmer be-
richtet Der Spiegel 4/1986, S. 116f., denn: "Mit über 200 Milliarden Dollar stehen die 2,4 Mil-
lionen US-Farmer bei ihren Banken in der Kreide (...). Wenigstens 350.000 Farmer, vermu-
tet das US-Landwirtschaftsministerium, befinden sich in akuten Finanzschwierigkeiten,
mindestens 5.000 seien 'praktisch insolvent' " (aaO.). "Die Gesamtschulden aller US-Bür-
ger betragen bereits heute mehr als sieben Billionen Dollar - fast das doppelte dessen, was
das Land in einem Jahr als Sozialprodukt erwirtschaftet" (Der Spiegel 42/1986, S. 196).

74 Prof. Ortlieb in einer Vorlesung an der Akademie für Wirtschaft und Politik in Ham-
burg Anfang der 60er Jahre.

75 "Liquiditätsfalle (liquidity trap) entsteht im Keynes-Modell, in welchem die Nach-
frage nach Geld nicht nur vom Einkommen (Umsatzmotiv), sondern auch vom Zins (Speku-
lationsmotiv) abhängig ist, dann, wenn eine erhöhte Geldmenge vollständig in inaktive Spe-
kulationskassen (Gesell: "Horte"; K. S.) fließt, weil man bei sehr niedrigem Zins für die Zu-
kunft mit steigenden Zinssätzen rechnet und daher nicht bereit ist, Liquidität gegen Wertpa-
piere einzutauschen. (...)" (Horst C. Recktenwald Wörterbuch der Wirtschaft, Alfred Krö-
ner Verlag, Stuttgart 1981, S. 353).

76 Friedrich A. von Hayek, Entnationalisierung des Geldes - Eine Analyse der Theorie
und Praxis konkurrierender Umlaufmittel, Verlag J. C. Mohr, Tübingen 1977

77 Clifford Hugh Douglas, Sozial Credit, London 1924 (s. dazu Willem P. Roelofs, A Cri-
tical and Economical Study in "Sozial Credit", 'S-Gravenhage 1951); Douglas, Economic
Democracy with The Delusion of Super-Production (mit vollst. Liste seiner Schriften), Eng-
land 1974; Heinrich Rittershausen, Der Neubau des deutschen Kreditsystems, Berlin 1932;
Henry Meulen, Free Banking - An Outline of a Policy of Individualism, London 1934

78 Urjo Ray, Geldanarchie, Effiziens-Verlag, Leipzig 1931, S.14 -19, Kap.: Monopol-
geld oder Freies Geld?

79 Der abgebaute Staat, S. 5, 58 u. 60

80 Allg. Theorie, S. 298 - 302. Lawrence R. Klein bringt eine allgemeine Kritik an Ge-
sell an, die auf Keynes Theorie hinweist: "Was Gesell zu sagen hatte, war durchaus gut und
enthält viel Wahres, aber er ging nicht weit genug. Er hätte die Wirkung des Freigeldes auf
Konsum, Sparen, Investition und Einkommen analysieren sollen. Er war mehr in Gedanken
an Preise und Zinsen als an Beschäftigung und Einkommen vertieft. Es stimmt wahrschein-
lich, daß Freigeld sich vorteilhaft sowohl auf den Konsum als auch auf die Investitionen aus-
wirken wird und auf diesem Weg ein höheres Einkommen erzeugt (s. dazu N. Johannsen,
Die Steuer der Zukunft, S. 227 - 231; K. S.). Aber Gesell überging dieses Problem zum gro-
ßen Teil" (Zit. aus der z. f. soz.ök. 72/1987, S. 2).

81 NWO, s. 365 - 359

82 Folgende Grafik zeigt die einzelnen Anteile auf, aus denen sich der Preis für Liquidi-
tät - der "Kredit-" oder "Bruttozins" (Bankenzins) - zusammensetzt:
XXXXXXXXXXXXXXXXXX
Die "Kreditverwaltungskosten" der Kreditinstitute (Banken, Sparkassen etc.) werden
durch die relativ unveränderlichen Kosten bestimmt, die das Kreditgeschäft verursacht.
Dazu gehören in der Zinswirtschaft auch die Zinsen des Eigenkapitals der Bank, die jedoch
nur einen geringen Anteil am Kreditpreis ausmachen. Die "Risikoprämie" kompensiert Ver-
luste, die z. B. durch Zahlungsunfähigkeit der Kreditnehmer eintreten; deren Höhe ist vor
allem vom störungsfreien Funktionieren der Volkswirtschaft abhängig. Der inflationistische
Kaufkraftschwund des Geldes kann sich der Kreditgeber in der Regel vom Schuldner bezah-
len lassen, da die durch die Inflation angeheizte Kunjunktur zu entsprechendem Anstieg der
Kreditnachfrage und damit zu steigenden Zinsen führt. Heute trägt auch die Staatsnach-
frage nach Krediten (Staatsverschuldung) erheblich zu Zinssteigerungen bei. Gesell nennt
diesen konjunkturell bedingten Zinsanteil die "Hausseprämie" (NWO, S. 353ff.). In Aus-
nahmefällen können die inflationistischen Durchhaltekosten aber auch bewirken, daß die
Inflationsrate den "Nominalzins" übersteigt, so daß die Kreditgeber auch dann draufzahlen,
wenn sie gegen Zins verleihen. Diesen realen Negativ-Zins hat es kurzfristig in den 70er Jah-
ren zweimal beim Yen und zweimal beim US-Dollar gegeben (s. Spiegel-Grafik, Anm. 231).
Den als Leitzins für Kreditzinsen gedachte "Diskontzins" erhebt die staatliche Zentralno-
tenbank für Geldmittel, die die Geschäftsbanken bei ihr anfordern, um sie an ihre Kunden
weiterzuverleihen. Der Diskontsatz betrug Anfang 1982 7,5 % und wurde bis Ende 1987 stu-
fenweise auf 2,5 % gesenkt. Der "Urzins" ist der eigentliche Zins: das arbeitsfreie Einkom-
men aus dem "Bonus" (Keynes), den Geld auf dem Markt besitzt. Würde der Diskontsatz
wesentlich unterhalb der drei- bis vierprozentigen Urzinsrate liegen und hätten alle Kredit-
nehmer unbeschränkten Zugang zu diesem billigen Notenbankkredit, dann würde er die Ur-
zinsrate entssprechend der Rate des Diskontzinses hinabdrücken. Das gleiche gilt, wenn Ge-
schäftsbanken, genossenschaftliche Kreditinitiativen, Ökobank oder private Anleger aus-
reichend zinsbillige oder zinsfreie Kredite zur Verfügung stellen könnten und wollten. Das
ist in der Regel jedoch nicht der Fall, weil die Sparer und insbesondere die Finanzkapitisten
ihre Liquidität nicht ohne eine "Liquiditäts(verzichts)prämie" zur Verfügung stellen. Eine
zum Zwecke der Zinssenkung über die volkswirtschaftliche Sparsumme hinausgehende
Kreditschöpfung führt jedoch zur Inflation und bewirkt (s. oben) die zinstreibende Hausse-
prämie. Ansonsten ist die untere Grenze der Urzinsrate von 2,5 bis 3% auch die untere
Grenze, für die angesammelte Gelder zu Kreditzwecken locker gemacht werden, also die un-
tere Grenze der Liquiditätsprämie - wenn diese Liquidität nicht mit einer negativen Liqui-
ditätsprämie: mit Durchhaltekosten im Sinne Gesells und Johannsens, belastet wird. Vor-
übergehend können zwar auch diese Kosten die Hausseprämie und damit den Kreditzins
hochtreiben, doch nach erreichtem Gleichgewicht von Angebot an Investitonsmit-
teln und Nachfrage nach Produkten und Dienstleistungen, bei erreichter "Vollinvestition"
(Keynes), verschwindet auch die Hausseprämie aus dem Bruttozins. Ein Knappheitszins
entsteht auch durch Bankenmonopole, doch das ist ein besonderes Thema und bleibt hier
unberücksichtigt. Ein "Deflationsgewinn" ist selbstverständlich nur bei Deflation möglich,
was Inflation und damit einen "Inflationsausgleich" ausschließt. Während die Inflation un-
ter bestimmten Umständen (keine Kompensation der Inftationsrate durch die Hausseprä-
mie) den Kreditnehmer auf Kosten des Kreditgebers bereichert: weil der Schuldner Zinsen
und Schuldentilgung mit entwertetem Geld bezahlt, macht bei Deflation der Geldgeber auf
Kosten des Geldnehmers einen arbeits- und leistungslosen Gewinn entsprechend der Defla-
tionsrate: einmal wegen des realen Kaufkraftgewinns des nominell stabilen Zinssatzes ("De-
flationsgewinn" = "Brutto-" minus "Nominalzins"), zum anderen bei Rückzahlung der no-
minell gleichen, aber in der Kaufkraft gestiegenen Kreditsumme. Die Belastungen bzw Ge-
winne aus der Instabilität einer Währung plus ein Teil des Diskontsatzes plus ein Teil der Ri-
sikopränie sind der "systemdedingte Zinsanteil" des heutigen Geld- und Währungssystems;
die Kreditverwaltungskosten und ein Teil der Risikoprämie sind in keinem Geld- und Wäh-
rungssystem zu vermeiden. Sie lassen sich allerdings durch entsprechend hohe Durchhalte-
kosten für Liquidität u. U. auf den Geldgeber abwälzen. Laut Bundesbank betrug der Real-
zins (Creutz: "Grundzins") in der BRD 1986 etwa 6%, der durchschnittliche Realzins von
1968 bis 1986 3,8%, der niedrigste Satz betrug 2,6 % und zwar 1971 und '73.

83 So zit. Suhr Gesell in seinem Aufsatz Silvio Gesell als Liquiditäts- und Transaktions-
kostentheoretiker, in: z. f. soz.ök. 74/Sept.1987, S. 26, Sp.1 (NWO, S. 317).

84 AaO., S. 25f. (NWO, S. 321)

85 Fisher, Stamp scrip, in: Mastering the crisis, S. 147 -168

86 Ernst Winkler, Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung - Die drei Gesetze des
wirtschaftlichen Gleichgewichts und die natürliche Wirtschaftsentwicklung, Vita·Verlag, Hei-
delberg-Ziegelhausen 1952, S. 139f.

87 Allg. Theorie, S. 302 u. 195

88 Allg. Theorie S. 188f.

88a Auf Grund der Transaktionskostenersparnis, die der volkswirtschaftliche Einsatz
des Geldes bewirkt, können wir auch das Geld als produktiv betrachten. Dann erscheint die
Ersparnis als positiver Wert bei q. Wir betrachten dann das Geld ebenso wie Realkapital ein-
schl. Boden und menschliche Arbeitskraft als Produktionsfaktor. Daraus müssen wir jedoch
nicht die Schlußfolgerung ziehen, den Eigentümern von Kapital, Boden und Geld stünden
die Produktivität dieser Güter, die als Zins erscheint, moralisch zu. Hier wird - ganz will-
kürlich! - davon ausgegangen und dafür gekämpft, daß auch diese Produktivität allein dem
menschlichen Produktionsfaktor, also dem Lohnarbeiter, dem Unternehmer und jedem an-
deren Arbeiter, zusteht und zufließt. Darauf stellen wir unsere Wirtschaftspolitik ab.

88b Dieter Suhr Durch Selbsthilfe zu Wirtschaftsbelebung und Arbeitsplätzen, in: ders.,
Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus, Basis Verlag, Berlin 1986, S. 61- 76

89 Keynes, Proposals for an International Clearing Union, in The Collectes Writings of
John Maynard Keynes, Vol. XXV (1940 - '44), Macimillian, Cambridge, S.168 -195; über-
setzt ins Deutsche von H. Harborth und Kommentiert von D. Archibugi u. J. A. Kregel in:
Letre International 2/1988. S. a. den übersetzten Auszug Die Lösung der internationalen
Währungsprobleme auf der Basis des KEYNES-Plans aus Ouro, a Reliquia Borbara von dem
Währungsexperten der Brasilianischen Notenbank, Santo Fernandes, in: Z. f. Soz.ök.
40 -41/1979, S. 24ff., u. Wilhelm Hankel, John Maynard Keynes, Pieper, München/Zürich
1986, S. 70.

89a Auszug aus der Rücktrittserklärung des IWF- u. WB-Funktionärs Davison L. Bud-
hoo in der taz vom 20., 21., 22. u. 23. 9.1988, S. 8 bzw. 6. - S. a. R. Tetzlaff, Die Weltbank,
München 1980; P Sandner u. M. Sommer, IWF - Weltbank, Stuttgart 1988; E. Altvater u.
a., Die Armut der Nationen, Berlin 1987

90 Kap. III, S. 351

90a Kap. III, S. 412

90b NWO, S. 314, Fußn. 2

90c Kap. III, S. 370

91 Der Freiwirt Karl Walker ist der Ansicht, daß einerseits die Dollarkäufe der Zentral-
bank zur Inflation in der BRD und andererseits die staatlichen Steuersubventionen für un-
ternehmerische Investitionen zu hohen Zinsen, zu radikaler Einkommensumverteilung zu
Gunsten der Reichen, damit zu mangelnder Konsumgüternachfrage durch die Kaufkraft-
schwäche der Bedürftigen und folglich zu kunjunktureller Stagnation geführt haben (s. Wal-
kers 1972 vor dem Parteitag der Liberalsozialistischen Partei Schweiz gehaltenen und immer
noch aktuellen Vortrag Zur Krisenlage unserer Wirtschaftsordnung, Hg.: Sozialwissen-
schaftliche Gesellschaft 1950 e. V, Sekretariat: Gelsenkirchen-Horst, Postfach 3).

92 Dieter Suhr, Geld ohne Mehrwert (s. Anm. 67), Auf Arbeitslosigkeit prorammierte
Wirtschaft (s. Anm. 169), Plädoyer für eine neue Geldordnung - Eine keynesianische Alter-
native zum Keynesianismus (s. Anm. 222), Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus,
Basis Verlag, Berlin 1986; ders. u. Hugo Godschalk, Optimale Liquidität - eine liquiditäts-
theoretische Analyse und ein kredittheoretisches Wettbewerbskonzept, Fritz Knapp Verlag,
Frankfurt 1986. (Schriften von Suhr werden bereits in Jugoslawien und Polen veröffent-
licht!)

93 z. f. soz.ök. 61/Mai 1984, S. 44ff.

93a Eine glasklare, in einzelne Begriffe und Theoreme aufgegliederte, auch für Laien
verständliche Analyse der Gesellschen Freiwirtschaftslehre lieferte Anfang der 50er Jahre
Ernst Winkler mit seinem Werk Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung (s. Anm. 86).

94 NWO, S. 49

95 Das hat Marx sehr penibel in Kap. III, S. 659ff., dargestellt. Eine leicht verständliche
und flott geschriebene Boden- und Renten-Analyse bringt Adam Smith in dem Kapitel Die
Grundrente in Eine Untersuchung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes

96 Der Spiegel 45/1986, S. 127; Der Tagesspiegel (Tsp), 13. 7.1985
97 Wachstum bis zur Selbstzerstörung, S. 13

98 Auch Proudhon vergleicht die Absurdität des Privateigentums an Grund und Boden
mit dem Gedanken einer Privatisierung der Luft (und des Wassers; Was ist das Eigentum?,
Berlin 1896, S. 68). In der agit 883 90/1983 erschien dazu eine Satire unter dem Titel Privati-
siert die Luft! Die Comic-Figur Dagobert Duck, so wurde mir erzählt, habe allerdings einen
Weg gefunden, anderen die Nutzung der Atemluft in Rechnung zu stellen: er verpaßt den an-
deren Figuren Gasmasken mit einem Gaszähler, der die eingeatmete Luft registriert.

99 Hans Weitkamp, Wider die Geschichtslosigkeit der Ökonomie - Eine Erinnerung an
Alexander Rüstow, in: z. f. soz.ök. 65/Juni 1985, S. 9ff.

100 40 - 80% nach einem Bericht des Senders Freies Berlin II vom 26.1.1987

101 Informationsquellen zu den drei vorhergehenden Abschnitten: Boris Goldberg, La-
teinamerika und die kubanische Revolution, S. 475ff.; Marcel Niedergang, 20 mal Lateina-
amerika -'Von Mexiko bis Feuerland, Pieper, München 1966, S. 365f.; Der Spiegel vom 4.8.
1954; Süddeutsche Zeitung vom 28. 5. 1965. - In diesem Zusammenhang ist auch die Präsi-
dentschaft der Großgrundbesitzerin Corazon Aquino auf den Philipinen zu sehen. Zur Ver-
quickung von Erdöl und Politik s. Der Spiegel 48/1987, S. 156ff.

102 Tsp., 24. 3. 1987, S. 9,. Sp. 4

103 taz, 22. 3. 1988, S. 7

104 Norbert Greinacher, Theologe, in: Der Spiegel 52/1985, S. 54

105 NWO, S. 77

106 Der Spiegel 34/1986, S. 183

106a In der Frankfurter Innenstadt sind die Bodenrenten so stark gestiegen, daß die Ca-
féhaus-Besitzer dichtmachen müssen; das Grundlach muß für seine Hinterhoflage in der
Zeil 8.100 DM Kaltmiete im Monat bezahlen. Um das "urbane Leben in der Innenstadt" zu
erhalten, werden von den Politikern u. a. "Hilfen bei hohen Mieten", also Rentensubventio-
nen, gefordert (Frankfurter Rundschau (FR), 5. 6.1987, S.18).

107 Die folgenden Zahlen sind dem Aufsatz von Creutz, Leistungslose Einkünfte aus
Bodenbesitz und ihre Verwendung als Lohn für Erziehungsarbeit, in: z. f. soz.ök. 69/Juni
1986, S. 30ff., entnommen.

107a "(.. ) vor allem die Betreuung der Kinder wird im Steuerrecht grob vernachlässigt"
beklagt der ehem. Bundesverfassungsgerichtspräsident Wolfgang Ziedler in einem Ge-
spräch im Spiegel (50/1984, S. 58); der Staat habe jedoch "in den letzten Jahrzehnten einige
hundert Milliarden dadurch verschenkt, daß er darauf verzichtet hat, die ungeheuren Ver-
mögen, die im Grundeigentum stecken, in keiner auch nur annähernd angemessenen Weise
zu besteuern. (...) In den letzten Jahrzehnten sind in den deutschen Ballungsgebieten (...)
große neue Verkehrsverbindungen im öffentlichen Nahverkehr geschaffen worden, mit der
Folge, daß die Grundstücke, die günstig lagen, enorm im Wert gestiegen sind. Kein Mensch
ist je ernsthaft darum bemüht gewesen, diese gewaltigen Wertzuwächse steuerlich anzuzap-
fen."

108 S. z. B. Micha Ulsen u. Susanne Claasen, Das Abschreibungs-Dschungelbuch, Lit-
Poll, Berlin 1982

109 Der Spiegel 52/1985, S. 72; Sp. 3

109a Da Boden nicht produziert werden kann, hat er keinen (Arbeits-)"Wert", wohl
aber einen Preis! Letzteres bestreitet Marx: Er "hat keinen Wert, weil er keine in ihn verge-
genständlichte Arbeit darstellt und daher auch keinen Preis (...)" (Kap. III, S. 660). Wie wir
aus Erfahrungen wissen, hat der Boden sehr wohl einen Preis; die Werttheorie läßt sich of-
fensichtlich nicht auf jedes Wirtschaftsgut anwenden, z. B. nicht auf den Boden, aber auch
nicht auf das Geld (s. Anm. 189) und die menschliche Arbeitskraft (s. Kap. 11). Der Boden
verliert erst dann seinen Preis, wenn Rente und Wertzuwachs restlos abgeschöpft werden.
Denn der Tauschwert oder Preis des Naturprodukts Boden wird allein von seiner Rente und
seinem Wertzuwachs bestimmt, der des "künstlichen" Produkts vor allem von seinem Ar-
beitswert und seinen Zinsbelastungen, der des Geldes von seiner Kaufkraft und der der
menschl. Arbeitskraft von seiner Leistung minus Zinsen.

110 Adolf Damaschke, Die Bodenreform - Grundsätzliches und Geschichtliches zur
Erkenntnis und Überwindung der sozialen Not, Verlag von Gustav Fischer, Jena 1923 (20.
Auflage!), S. 92ff. - Der gelernte Schriftsetzer Henry George, dessen Werk Fortschritt
urd Armut ,;in Millionenauflage verkauft wurden" hat 1886 nur knapp die Wahl zum Ober-
bürgermeister von New York verfehlt (Paul A. Samuelson, Volkswirtschaftslehre, Bd. II,
1972, S. 245f.; ausführlich über George bei Damaschke, aaO., S. 304 - 333). - Gesell
kritisiert die Bodenreformer, weil sie glauben, mit der Lösung der Bodenfrage auch das
Geldzins- und Krisenproblem lösen zu können (NWO, S. 122f.). Er empfiehlt die Lektüre
seines Mitarbeiters Ernst Frankturth, Das arbeitslose Einkommen, Verlag Junginger, Arosa.

111 Proudhon, Was ist das Eigentum?, Berlin 1896, S. 67ff.; Marx in Das kommunistische
Manifest; Yoshito Otani, Ausweg 3 - Die Bodenfrage und ihre Lösung, Arrow Verlag, Neu
Ulm 1981, S. 30; Otto u. Gregor Strasser in Punkt IV A 1 ihres Programmentwurfs Der natio-
nale Soziaismus von 1925 ("Bamberger Programm"): "Grund und Boden sind Eigentum der
Nation! (Baulichskeiten gehören zum Inventar. Inventar bleibt Privateigentum.)", in Otto
Strasser, Mein Kampf - Eine politische Autobiografie (mit einem Vorwort von Gerhard
Zwerenz und einem Interview von Planète mit O. Strasser über neofaschistische Tendenzen
in der BRD, verkörpert in der Kanzlerschaft Kiesingers (aus: Beate Klarsfeld, Die Wahrheit
über Kurt Georg Kiesinger), Streit-Zeit-Bücher, Hg.: Horst Bingel, Heinrich Heine Verlag,
Frankfurt 1969, S. 213; zu Pagels: taz,16. 4. 1987, S. 28 - Manche Anarchisten, wie z. B.
Blankerts (s. dazu K. H. Z. Solneman, Endlich!, in: Zur Sache 5/1983, S. 29ff. , lehnen eine
Vergesellschaftung des Bodens ab, weil sie zu Recht eine mächtige Zentralverwaltung be-
fürchten. Ein dogmatischer Antizentralismus darf uns jedoch nicht dazu verführen, die Aus-
beutung der Produzenten durch die Bodenrentner - ein gravierendes soziales Problem der
Dritten Welt - zu ignorieren. Die Bodenfläche könnte (wie im Mittelalter) in das Eigentum
und die Verwaltung der Gemeinden oder regionaler Müttervereinigungen übergehen, so
daß lediglich die Bodenschätze und monopolistischen Naturkräfte und die Bodenrente
zwecks gleichmäßiger Verteilung an alle Bürger oder - besser - an alle Kinder und ihre
Mütter zentral verwaltet werden müßten. Diese Zentralverwaltung muß dann verfassungs-
mäßig abgesicherten Kontrollmöglichkeiten unterworfen werden.

112 Otani, Ausweg 4 - Ursprung und Lösung des Geldproblems, Arrow Verlag

113 Ausweg 3, S. 30

114 NWO, S. 110; Der abgebaute Staat, S. 75ff. (s. Text 7)

114a Das Betreuungsgeld kann selbstverständlich auch gestaffelt nach dem Alter des
Kindes und/oder nach der Anzahl der zu betreuenden Kinder gezahlt werden: für das erste
mehr, für die folgenden weniger. Der konstruktiven Phantasie sind da keine Grenzen ge-
setzt.

115 Umbau der Industriegesellschaft - Programm zur Überwindung der Erwerbslosig-
keit, Armut und Umweltzerstörung (Entwurf), Bundesvorstand der Grünen, Bonn, Febr.
1986, S. 88f. - Ein wesentlich imteressanteres Verfahren zur Befreiung der Mütter von
materieller Abhängigkeit - wenn auch ebenfals nicht aus der Bodenrente finanziert - hat
Hannelore Schröder entwickelt. Sie will eine "Kindheitsversicherung" einführen, die (ähn-
lich der Altersversorgung) aus allgemeinen Beiträgen finanziert wird. Aus diesen Beiträgen
sollen die Kindesbetreuer eine Leistung erhalten, die dem Durchschnittseinkommen aller
Bürger entspricht (Zur Empirie und Theorie ökonomischer Verelendung der Mütter, Teil II,
in: z. f. soz.ök. 71/Dez.1986, S. 12 -19

116 Klaus Wolschner, Hat der Feminismus die Männer verändert?, in taz, 12. 12. 1986

116a Der Spiegel 11/1988, S. 105

117 Retorten-Kommunismus - VR China will mit Hilfe von Samenbanken "wissen-
schaftlichen" Nachwuchs züchten, in: taz, 11. 3. 1986, S. 6 - Gesell hat seine ausdrücklich
staatsfreien und naturverbundenen Eugenik- und "Wahlzucht"-Vorstellungen in der NWO,
S. 16f. u. 110 u. im Abgebauten Staat, S. 11ff. (s. Text 7) propagiert, wegen ihres
darwinistischen Hintergrundes, wegen des späteren verbrecherischen Mißbrauchs durch die
nazistisch-rassistische Menschenzucht-Ideologen und aus durchaus berechtigten aktuellen
Befürchtungen (s. Interview mit dem US-amerikanischen Gentechnik-Kritiker Jeremy Rif-
kin im Spiegel 26/1987, S. 168ff.) sind sie heute in linken Kreisen jedoch äußerst verpönt.
Evolutionistische Theorien sind jedoch nicht von Haus aus nazistisch und rassistisch. Dar-
wins Evolutionstheorie und sogar die Eugenik sind ursprünglich von vielen Liberalen, Sozia-
listen, Kommunisten und Anarchisten begrüßt und gegen den Widerstand konservativer
Kreise verteidigt worden (s. Engels in Dialektik der Natur, MEW 20, Marx bei Alfred
Schmidt, Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx, EVA, Frankfurt 1974, u. Bruno Wille,
Darwinismus und soziale Frage, Abdruck aus dem Freidenker in: Der Sozialist - Organ für
Anarchismus-Sozialismus 1/7. Jan. u. 3/21 Jan.1899. ) Am Grabe von Marx sagt Engels: "Wie
Darwin das Gesetz der Entwicklung der organischen Natur, so entdeckte Marx das Entwick-
lungsgesetz der menschlichen Geschichte." Laut Otto Martin Hoffmann war Karl Kautsky
der bedeutenste Vertreter des Darwinismus. Bereits 1847 gründete der chistliche Kommu-
nist John Humphrey Noyes im Staate New York die jahrzehnte existierende, ökonomisch
und eugenisch erfolgreich Kommune Oneida. Er war "für ein vernünftiges und geregeltes
Fortpflanzungssystem" jenseits der Familie und auf freiwilliger Basis, um "die menschliche
Rasse (..) vor dem (erbbiologischen) Untergang (zu) retten". In einer Untersuchung z.Z.
um 1895 bestätigt Anita MacGee die Erfolge ihres Zuchtwahl-Experiments: die Jungen
waren meist groß und breitschultrig und hatten einen schönen Körper, die Mädchen sahen
besonders gut aus und "einige der Mädchen waren sehr gebildet" (Shalom Wurm, Das Le-
ben in den historischen Kommunen, Bund-Verlag, Köln 1977, S. 155f. u. 158f. ) Anders als bei
Gesell, der seine "Hochzucht"-Vorstellungen oft rüde und provozierend zum Besten gab,
wird die Eugenik von der schwedischen Frauenrechtlerin Ellen Key einfühlsam und gut be-
gründet in ihrem Aufsatz Das Recht des Kindes, eigene Eltern zu wählen (in: E. Kay, Das
Jahrhundert des Kindes - Studien, S. Fischer Verlag, Berlin 1926, 36. Auflage!) propagiert.
Diese Frau, deren Schrift Die Frauenbewegung von dem jüdischen Libertären Martin Buber
in Die Gesellschaft herausgegeben wurde, grenzt sich von einer lust- und lebensfeindlichen,
aus christlich-masochistischer Moral gespeisten Ideologie, wie sie z. B. von Theresia Dege-
ner auf der Antigena im September '86 in Berlin vertreten wurde (taz, 23. 9. 1986, S. 5), im
Sinne einer dem "Glück" aller Menschen dieser Erde verpflichteten Eugenik ab. In Die
Frauenbewegung (S. 46f) fordert Ellen Key außerdem Lohn für die Betreuung der Kinder,
zu finanzieren allerdings aus der Staatskasse. Zu kritisieren ist, daß Kay die damals verbrei-
tete Vorstellung, die Betreuung der Kinder sei eine selbstverständliche, naturgegebene Auf-
gabe der Frauen, auch dann, wenn sie am politichen und Berufsleben teilnehmen, nicht kri-
tisch reflektiert hat. - Wir sollten - ob es uns gefällt oder nicht - zur Kenntnis neh-
men, daß es der naturwüchsige Evolutionsprozeß von Mutation und Selektion war, der den
Menschen geschaffen hat und daß dieser Prozeß nicht abgeschlossen, sondern nur unterbro-
chen ist. Durch den Schutzraum der Kultur ist der Ausleseprozeß ausgeschaltet, die weiter-
wirkenden Mutationen führen jedoch zu überwiegend negativen Veränderung der menschli-
chen Natur: zu Domestikationserscheinungen. (Proudhon: das Elend des Proletariats "habe
sonnenklar bewiesen, daß dieses Elend die Abnahme der öffentlichen Moralität und die Ver-
schlechterung der Rasse zur Folge hat", Kapital und Zins, S. 5). Der Gedanke, das Erbgut
gesund zu erhalten und eventuell den Selektionsprozeß durch bewußtes menschlichen Han-
deln fortzuführen, ist also nicht notwendigerweise menschenfeindlich, wie es nach den Er-
fahrungen mit dem Nationalsozialismus zunächst erscheinen mag, ist im Grunde genommen
eher eine höchst humane Kulturaufgabe. Denn wir kommen kaum um die Erkenntnis von
Konrad Lorenz herum: "Das langgesuchte Zwischenglied zwischen dem Tier und dem wahr-
haft humanen Menschen - sind wir!" (Das sogenannte Böse - Zur Naturgeschichte der Ag-
gression, Dr. G. Borotha-Schoeller Verlag, Wien 1963, S. 323). Die Verwirklichung dieses
Ziels auf eugenischem Wege könnte also gleichbedeutend sein mit einem neuen qualitativen
Sprung in der Evolution: eine Art führt den zufälligen und fremdbestimmten naturgeschicht-
lichen Prozeß seiner eigenen biologischen Entwicklung kulturgeschichtlich, also bewußt
selbstbestimmt und -gesteuert, fort. Angesichts der Tatsache, daß das Sozialverhalten der
menschliche Gattung genetisch in Jahrmillionen auf die Kleingruppe geprägt worden ist und
diese Erbschaft, wie die letzten wenigen tausend Jahre Sklaverei, Krieg, Folter und Massa-
ker zeigen, in den Großgesellschaften nicht in humanem Sinne funktioniert (Lorenz: "Der
Mensch ist gar nicht so böse von Jugend auf, er ist nur nicht ganz gut genug für die Anforde-
rungen des modernen Gesellschaftsleben."; aaO., S. 349) und wir auch nicht allein auf dau-
erhafte humane Sozialisationsprozesse vertrauen können, ist es weniger eine Frage, ob viel-
leicht eines Tages "Hochzucht" betrieben wird, sondern wer sie betreibt und nach welchen
Gesichtspunkten sie (dann) betrieben werden sollte. Eine Wahlzucht mit dem Ziel, die natür-
lichen, auf die Kleingruppe geprägten Gefühle und Instinkte wie Mitempfinden und die Nei-
gung zu sponstaner Hilfsbereitschaft (die z. B. bei Delphinen offenbar stärker ausgeprägt
ist) und das Bedürfnis nach solidarischer Zusammenarbeit so zu stärken, daß die zwischen-
menschlichen Beziehungen verbessert werden, daß diese sozialen Anlagen über die Klein-
gruppe hinausreichen und daß sie gegenüber der unbeständigen Kulturgeschichte gestärkt
und stabilisiert werden, kann wohl kaum als verdammenswert bezeichnet werden. Für ver-
werflich halte ich jedoch Absicht, wie z. B. die der chinesischen Kommunisten, intelligente
Menschen züchten zu wollen, um dem Staat wissenschaftlichen Nachwuchs zu verschaffen.
Falls wir uns für Eugenik entscheiden sollten, darf ihr Ziel jedoch nur sein, das
Glück aller Individuen zu fördern; doch was das ist, können nicht Machteliten, wie z. B. pro-
fitorientierte Konzernherren oder die chinesische Parteiführung, die den Machtkampf des
Massenmörders Pol Pott mit Waffen unterstützt, entscheiden, sondern nur jedes einzelne In-
dividuum selbst; allein seine persönliche Entscheidung muß den Fortpflanzungs- und Ent-
wicklungsprozeß bestimmen. (Welches Unheil eine staatlich betriebene Eugenik auch in ei-
ner (sozial-)demokratischen Gesellschaft anrichten kann, zeigen einige Beispiele aus Schwe-
den; s. Der Spiegel 3/1987, S. 126ff.) Gesells Anliegen war es, das Bewußtsein über die Ver-
antwortung zu schärfen, die die Menschen dieser Generation gegenüber den folgenden ha-
ben - auch in Bezug auf die Erhaltung und Förderung menschlichen Erbgutes, das höchste
Gut, das die Menschheit besitzt. Das ist eine ökologische Angelegenheit ersten Ranges!
Gesell hat seine Eugenik-Gedanken ausführlich differenziert in:
Die Auslese durch das Christentum, den Krieg und den physiokratischen
Frieden, in: Der Physiokrat 6 u. 10/1913, oder
S. Gesell, Gesammelte Werke Bd. 16 (1995), S. 199ff u. 216ff

117a Der abgebaute Staat, S. 15. Eine klare Absage an eine staatlich verordnete Eugenik
finden wir in den Polemiken der Physiokratin Hanna Blumenthal: Soll Ludendorf sterilisiert
werden? (in: Die Freiwirtschaft 6/1925, S. 132 -136) u. Gesells: Im Rachen des Staates (in:
Die Freiwirtschaft 15/1925, S. 297 - 301). In dem Aufsatz Vom Sinn und Ziel der Freiwirt-
schaft. (in: Die Freie Frau, Beilage zu: Der Freiwirt, 1/1933, S. 1f.) erwartet Gesell von die-
ser, daß sie die Frauen materiell in die Lage versetzt, daß sie ihren eigenen Neigungen und
"Trieben" ungehindert nachgeben können und auf diese Weise - gegen und jenseits von
Staat, Kirche, Gesetzen, Moral und "fixen Ideen" (Stirner) - naturwüchsig und selbstbe-
stimmt Eugenik betreiben. In der NWO, S. 16, schreibt er: "Wir stehen vor der Frage, wem
die Fortzucht des Menschensgeschlechts anvertraut werden soll; ob die mit unerbittlicher
Folgerichtigkeit arbeitende Natur die Auslese vollziehen soll, oder ob die irrende Vernunft
des Menschen, und dazu noch des heutigen, heruntergekommenen Menschen, der Natur
diese Aufgabe abnehmen soll. Das ist es, worüber wir zu entscheiden haben."

118 Daniel Ferraro, Anarchismus in der griechischen Philosophie in: Nur die Phantasielo-
sen fürchten die Realität, Karin Kramer Verlag, Berlin 1983, S. 35ff.; Walter Theimer, Ge-
schichte der politischen Ideen Franke Verlag, Bern/München 1959, S. S. 40 - 44. (Gesell
hatte neben vier ehelichen sechs uneheliche Kinder.)

119 Autoren-Kollektiv Kommune 2 - versuch der Revolutionierung des bürgerlichen
Individuums, Edition Ceuta-Press, Luxemburg 1975; s. a. Erfahrungsberichte ehem. Kin-
derladen- und WG-Kinder in: taz, 4.1.1988, S. 18, Tsp.10.1.1988, S. VIII, u. Der Spiegel
5/1988, S. 206ff. (Abdr. aus Otto R. Gaier, Manchmal mein' ich, ich hätt' auf der Welt nix ver-
loren, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg 1988).

120 "Jährlich werden in der Bundesrepublik etwa 280.000 Mädchen und rund 20.000
Jungen von den Vätern oder männlichen Verwandten sexuell mißbraucht. (...) 'Tatort ist
meist die Familie' " (Tsp., 29. 5. 1986), eine, wie Kooper sagt, "Schweineproduktionsfarm"
(Der Tod der Familie; s. a. Zahlenangaben von Silvia Nietschke, Wildwasser, in: taz, 3. 3.
1988, S. 24). - "Mindestens 100 Kinder sind 1984 in der Bundesrepublik zu Tode geprü-
gelt worden. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr etwa 30.000 Kindesmißhandlungen re-
gistriert" (Tsp., 19. 3. 1985). Ein deutscher Arzt schätzt die von ihren Eltern getöteten Kin-
der auf 600 im Jahr, täglich also fast zwei Kinder (Rainer Wolff, Gewalt gegen Kinder - Kin-
desmißhandlung und ihre Ursachen, Hg.: Arbeitsgruppe Kinderschutz, rororo, 1975, S.
13). - Innerhalb eines Jahres (1985) ließen allein in Westberlin ein Ehepaar und eine
Mutter zwei kleine Kinder verhungern; sie kamen mit einer Haftstrafe von jeweils acht, acht
und neun Jahren davon (Tsp., 27. 8. u. 26. 9. 1985 u. 21.1., 30.1., 4. 2. u. 3. 5. 1986). Der
andere Vater wurde offenbar gar nicht belangt. Ein Jahr später (1986) folterte ein 25jähriger
Mann den vierjährigen Sohn seiner Geschlechtspartnerin zu Tode: "Ich hatte richtig Lust,
dieses Kind zu quälen. Ich freute mich auf den Mord. Michael sollte langsam sterben, und
er sollte wissen, daß er umgebracht wird." Der sadistische Mörder erhielt lediglich 15 Jahre
Knast, die Mutter neun Monate auf Bewährung (Der Stern 9/1987, s. 202ff.)! Ich erinnere
mich an einen Zeitungsartikel aus den 70er Jahren, in dem berichtet wurde, daß ein Vater
seinen 16jährigen Sohn im Schlaf tötete, weil dieser lange Haare trug. Der Vater wurde von
zwei US-amerikanischen Schwurgerichten freigesprochen! - In Italien ist die "Sklaven-
haltung" von schätzungsweise 3- bis 10.000 Kindern aufgedeckt worden (taz, 28.10.1986,
S. 7; Philippinen s. Tsp. ,1. 1. 1988, S. 24). Für Organverpflanzungen werden Kinder der 3.
Welt ausgeschlachtet und getötet (taz,16. 2. u. Tsp. , 9. 8. 1988, S. 7 bzw. 16)! Im Fall des ver-
hungerten Parick versagte die Westberliner Aufsichtsbehörde (Tsp,
21. u. 22. 1. 1986). Gegen Mitarbeiter des Kinderschutzbundes in Wiesbaden hingegen
wurde "Umgangsverbot" mit ihren Schützlingen verhängt (taz, 27. 2. 1986, S.11). Interes-
sant ist auch der Bericht des ehem. WG-Kindes Florian über sein Verhältnis zu seiner arri-
vierte Mutter im Spiegel 5/1988, S. 206ff. Die taz veröffentlichte erst unter Druck die interes-
sante Selbstdarstellung der Nürnberger Indianerkommune Gegen die neuen Kampagnen zur
Förderung der Kindesmißhandlung, der Gewalt, der Rechtlosigkeit und der Sexualitäts-Ta-
bus!! - Über Pädofilie, Wunsch und Wirklichkeit (taz, 26. 2. 1986, S. 9; damaliges Spenden-
konto der Kommune: Postgiroamt Nürnberg 203372-854 BLZ 760 100 85).

121 Alice Schlegel, Male Dominance and Female Autonomy, 1972, S. 22 u. 192; Irene
Schumacher, Gesellschaftsstruktur und Rolle der Frau - Das Beispiel der Irokesen, Dunker
& Humbolt, Berlin 1972, S. 44 - 46 u. 53f. - In Galicien (Nordwest-Spanien) sind die (öko-
nomisch bedingten) matristischen Verhältnisse mit denen bei den Irokesen erstaunlich iden-
tisch (GEO - Das Bild der Erde 11/1987, S. 100ff.)!

122 Bemerkenswert ist, daß die irokesischen Mütter der heiratswilligen Kinder - ge-
wollt oder ungewollt - so was wie Wahlzucht betreiben, indem sie Einfluß nehmen auf die
Gattenwahl, orientiert an bestimmten Kriterien. Schumacher: "Die Mütter und Matronen
arrangieren die Ehe. Sie wählen für Söhne und Töchter Ehepartner, deren Fähigkeiten und
Begabungen sie schätzen oder die sie in Temperament und Charakter für passend halten"
(Gesellschaftsstruktur..., S. 125). Bei Gesell betreiben die mutterschaftswilligen Frauen
selbst die Wahl der Vaterschaft ihrer Kinder (NWO, S. 110; Abgeb. Staat, s. Text 7).

123 Gesellschaftsstruktur..., S. 73f.; siehe auch Wolfgang Schmidbauer, Jäger und
Sammler, Selecta-Verlag, Planegg/München 1972, S. 19ff. u. 32ff.

124 Gesellschaftsstruktur..., S. 47

125 Gesellschaftsstruktur... , S. 47; Ruth Benedict, Urformen der Kultur, rororo 7, S. 48 -
103; Uwe Wesel, Der Mythos vom Matriarchat - Über Bachofens Mutterrecht und die Stel-
lung von Frauen in frühen Gesellschaften, Suhrkamp, Frankfurt 1980, S. 107ff u. 101ff.

126 In Anatomie der menschlichen Destruktivität, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart
1974, S. 150f., stellt Erich Fromm die Charakteristika der "lebensbejahenden Gesellschaf-
ten" denen der "nicht-destruktiven" und "destruktiven" Gesellschaften gegenüber; in Trieb-
struktur und Gesellschaft - Ein philosophischer Beitrag zu Sigmund Freud, Suhrkamp,
Frankfurt 1955, entwickelt Herbert Marcuse die Utopie einer "libisinösen" (erotischen) Kul-
tur.

127 Hans Weitkamp, Der Weg der Emanzipation der Frau, in: z. f. soz. ök. 36 - 37/1978,
4 S. Die Kategorie Soziatrix führte Dr. Weitkamp in einem Gespräch ein. - Doris F Jonas
führt die dominante Stellung der Frauen in den Frühkulturen auf ihre biologische Funktion
als Mütter zurück (Aufstieg und Niedergang weiblicher Macht - Biologische Faktoren, in:
Fester/Jonas/Jonas/König, Weib und Macht - Fünf Millionen Jahre Urgeschichte der Frau,
Fischer-Tb., Frankfurt 1983, S. 1983, S.159 - 202). Irenäus Eibl-Eibesfeld hat den Zusam-
menhang von Brutpflegetrieben und -instinkten, Eros und Gruppenbildung in Liebe und
Haß - Zur Naturgeschichte elemantarer Verhaltensweisen (Pieper Verlag, München 1976)
beschrieben.

128 Liebe und Haß, S. 147ff.

129 Earl W. Count, Das Biogramm - Anthropologische Studien, Fischer Verlag, Stutt-
gart 1970, S. 22f. u. 105f., einschl. Anm. 81!

130 Peter Kropotkin hat in Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Menschenwelt (von Lan-
dauer besorgte Ausgabe von 1908, wiederaufgelegt als Faksimile im Karin Kramer Verlag,
Berlin 1975) das vorweggenommen, was später Konrad Lorenz gemacht hat: die sozialen
Antriebe des Menschen mit Hilfe der Tierverhaltensforschung aus seiner biologischen Ab-
stammungsgeschichte als naturgegeben abgeleitet. Das ist ebenfalls ein physiokratisches
Verfahren und eine physiokratisch begründete Kritik am individualistischen Ellenbogenlibe-
ralismus: das menschliche Individuum ist kein von anderen Individuen isoliertes, sonder ein
von Natur aus soziales und daher nicht nur konkurrierendes, sondern ebenso auch ein soli-
darisches und kooperatives Wesen.

131 Siehe dazu Sandor Ferenczi, Zur Nosologie der männlichen Homosexualität (Ho-
moerotik), in: ders., Bausteine der Psychoanalyse, Bd. I: Theorie, Ullstein Materialien,
Nachdruck von 1927, insbes. S. 167ff.

132 Ludwig Feuerbach, Der Eudämonismus, S. W. X, S. 288 bzw. A. M. II, S. 283

133 Max Stirner, Der Einzige und sein Eigentum, Zenith-Verlag, Leipzig 1928, S. 246f.

134 Fromm, Die Kunst des Liebens, Ullstein Buch, Frankfurt/Berlin/Wien 1974, S. 46

134a Schiller, "den Herder 'den geistvollsten aller Kantianer' nannte, lehnt sich gegen
die Entwertung aller natürlichen Neigungen durch die Morallehre Kants auf und verspottet
diese in der herrichen Xenie: 'Gerne dien' ich dem Freund, doch leider tu ich's aus Neigung,
darum wurmt es mich oft, daß ich nicht tugendhaft bin!' (Das sogenannte Böse, S. 353).

135 Bei sexuellem Mißbrauch der Töchter durch ihre Väter und Stiefväter würden die
Mütter häufig zu den Vätern halten, "eine schlimme Erfahrung für das Kind", wie die Berli-
ner FDP-Senatorin Cornelia Schmalz-Jakobsen sagt (Tsp., 29. 5. 1986). Und immer wieder
passiert es, daß Mütter ihre Kinder von Sexualpartnern prügeln lassen, um diese Sadisten
nicht zu verlieren. In Berlin hat eine Mutter ihre vierjährige Tochter Nadine von ihrem
Freier nach "altdeutscher Methode" mißhandeln und schließlich zu Tode foltern lassen (Tsp.
3. 6. 1986). "Zur Frage (des Richters), warum sie der Quälerei zugeguckt und nichts unter-
nommen habe, sagte sie: Liebe zum Freund und Angst vorm Alleinsein hatte sie davon abge-
halten" (taz, s.19); der Täter kan mit sieben Jahren davon (Tsp.,13. 6. 1986)! Diese Art per-
vertierter "Liebe" und "Freundschaft" seelisch verkrüppelter (und vielleicht auch genetisch
defekter?) Mütter ist in unserer Gesellschaft nur die Spitze des berüchtigten Eisberges. Die
Mütter sind nicht alle wie Marianne Bachmeier, die den Mörder ihrer kleinen Tochter im Ge-
richtsaal erschoß. Auch Marianne hatte darunter zu leiden, daß ihre Mutter zum sadisti-
schen Stiefvater hielt. (S. a. Der Stern 9/1985, S.107ff., u. taz, 26. 2. 1986, S. 9).

136 Margaret Mead, Die Bergarapesh, in Jugend und Sexualität in primitiven Gesell-
schaften, Bd. III, dtv München 1974, S. 131f.; zit. bei Marcuse, Triebstruktur..., S. 213. -
Maeds Untersuchungen, speziell ihre erste, die über Samoa, sind vor Jahren durch Derk
Freeman (Liebe ohne Aggression - Margaret Meads Legende von der Friedfertigkeit der Na-
turvölker, Kindler Verlag, München 1983) ins Zwielicht geraten (s. dazu auch die Entgeg-
nung von einem Einwohner von Samoa, dem Film- und Fernsehautoren John Kneubuhl, in:
Der Spiegel 47/1985, S. 216f.). Ihre späteren Beobachtungen und ihre Schilderung des Le-
bens der Arapesh müssen deswegen nicht notwendigerweise falsch sein (die den Arapesh be-
nachbarten Mundudgumor hat sie durchaus nicht als aggressionsfrei und friedliebend ge-
schildert, was auch nicht ihr Anliegen war). Außerdem steht das Bergarapesh-Beispiel stell-
vertretend für viele ähnliche Beobachtungen anderer Ethnologen. Und wenn Freeman, im
Gegensatz zu Mead, die Samoaner als streitsüchtig und grausam darstellt und gleichzeitig
schildert, daß sie bei ihren Kindern als Erziehungsmittel die Prügelstrafe anwenden, dann
bestätigt er eher das, was er an Meat kritisiert: ihre einseitige These vom Kulturdeterminis-
mus sozialen Verhaltens: daß z. B. die Sitte, Kinder zu prügeln, diese konditioniert, später
selbst zu prügeln (s. dazu Alice Miller, Am Anfang war Erziehung, Suhrkamp-Tb., 1983).
Zur matristisch-lebensbejahenden Haltung der Bergarapesh wäre allerdings anzumerken,
daß ihre Kultur nicht von den Frauen dominiert wird, daß sie jedoch von einer stark entwik-
kelten "Mütterlichkeit" auch der Männer geprägt ist.

137 Andreas Paulsen, Allgemeine Volkswirtschaftsslehre III, Produktionsfaktoren,
Sammlung Göschen Bd. 1171, Berlin 1959, S. 155

138 Hans J. Escherle u. Klaus Kaplaner, Wirtschaft zum Nachschlagen, Compact Verlag,
München 1982, S. 348f.

139 Allg. Volkswirtschaftslehre, S. 157

140 Konrad Mellerowicz, Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Bd. IV Göschen 1186/
1186a, 1959, S. 192

141 Kap. III, S. 309

142 Kap. III, S. 51

143 Kap: I, S. 326

144 Kap. III, S. 393

145 Kap. III, S. 395

146 Kap. III, S. 383

147 Kap. I, S.179

148 Kap. III, S. 383

149 Kap. III, S. 613

150 Allg. Volkswirtschaftslehre III, S. 160; Recktenwald, Wörterbuch..., S. 208f.

151 Kap. III, S. 840

151a Nach Proudhon teilt sich die "Nation (...) bezüglich ihrer Interessen in drei Haupt-
kategorien": In die "Bourgeoisis. Unter dieser Klasse begreift sich alles, was vom Kapital-
einkommen, von der Grundrente, vom Privilegium des Amtes, von hohen Pfründen und
Sinekuren mehr als von dem tatsächlichen Ertrag der Arbeit lebt. (...) - Die Mittel-
klasse. Sie besteht aus Unternehmern, Meistern, Kleinhändlern, Fabrikanten, Landwirten,
Gelehrten, Künstlern u. s. w.; diese leben, wie das Proletariat und zum Unterschied vom
Bourgeois weit mehr vom persönlichen Erwerb, als vom Ertrag der Kapitalien, Pfründe und
Güter (...). - Endlich die Arbeiterklasse oder das Proletariat. Diese Klasse lebt mehr von
ihrer Arbeit und ihren Dienstleistungen, als von Kapitalien, besitzt keine industrielle Initia-
tive und verdient in jeder Beziehung die Bezeichnung Lohnarbeiter. (...) (Kapital und Zins,
S. 4f.) - Allerdings besteht für Proudhon auch zwischen dem "Eigentümer, Kapitalisten
und Unternehmer auf der einen, und (den) bezahlte(n) Arbeiter(n) auf der anderen Seite"
ein "flagranter Antagonismus", und zwar, weil sie alle Arbeiter dingen, um mit dem in Kapi-
tal angelegten Geld Waren zu produzieren, die beim Verkauf einen "Ertrag oder Gewinn
(Agio, Zins u. s. w.)" erzielen, "weil nach der Hypothese und Theorie des Zinses Lände-
reien, Häuser und Kapitalien sich nicht umsonst aussleihen, die Garantie und das Ansehen
des Unternehmers sich nicht umsonst hergibt" (aaO., S. 182). Wie bei Marx, erscheint hier
der Unternehmer als Handlanger des "Eigentümers - Kapitalisten". Proudhon ist jedoch
(wie Gesell und Keynes) der Auffassung, daß der Kapitalzins aus den Warenpreisen "ver-
schwindet", wenn der Zins aus dem Geld verschwindet: "Wenn den Unternehmern das
Geldkapital zur Hälfte des jetzigen Zinses Angeboten würde, so müßte auch bald der Zins-
ertrag aller übrigen Kapitalien um die Hälfte heruntergehen..." (zit. in der NWO, S. 33).
Daraus ist die Schlußfolgerung zu ziehen, daß nicht der Unternehmer als solcher und nicht
die Marktwirtschaft, sondern der Geldzins abzuschaffen ist, um die Ausbeutung der Lohnar-
beit durch den Kapitalzins (Marx: "Profit") zu überwinden. Zur Umverteilung des Unter-
nehmergewinns aus "Garantie und Ansehen des Unternehmers" empfiehlt sich, den Arbei-
tern die Chance zu geben, selbst Unternehmer zu werden und/oder Genossenschaften zu
gründen. Der Boden muß sozialisiert werden.

151b Mit welchen Tricks die Arbeiter und Kleinbürger an die Fahnenstange des Kapita-
lismus gefesselt werden, hat Gesell in seiner Polemik Die parlamentarische Majorität der So-
zialisten = ein Traum in: Die Freiwirtschaft 13/1924, S. 349ff., geschildert.

152 Kap. III, S. 392f.

153 Kap. III,·S. 396

154 Marx, Lohn, Preis, Profit, in: Marx - Engels II, Studienausgabe Politische Ökono-
mie, Fischer Bücherei, Frankfurt 1966, S. 167 - 221

155 Bei Gesell wird der Lohn nicht bestimmt von physischen und historischen Elemen-
ten, sondern primär von ökonomischen: Die untere Lohngrenze pendelt sich in jener Höhe
ein, wo es den am niedrigsten bezahlten Lohnarbeitern, den Landarbeitern, lohnend er-
scheint, statt für den von ihren Grundherren angebotenen Lohn plus den zivilisatorischen
Vorteilen ihrer Heimat "Freiland", Land ohne Preis und Rente und ohne diese kulturellen
Vorteile, z. B. in Übersee - vorausgesetzt, sie werden nicht (wie in der DDR) gewaltsam an
einer Auswanderung gehindert - in Besitz zu nehmen, urbar zu machen, zu bebauen und
vom Verkaufserlös ihrer Produkte und beim dortigen kulturellen Angebot mindestens
ebenso recht und schlecht leben zu können, wie als Lohnarbeiter bei ihren Grundherren in
der Heimat. Alle anderen Löhne, wie z. B. die in der Industrie, liegen über diesem Mindest-
lohn. Das Lohnniveau der Lohnarbeiter wird also nicht bestimmt von ihrem Existenzmini-
mum (was langfristig den Mindestlohn ergibt) plus ihrem "traditionellen Lebensstandard"
(der den Lohnzuschlag bewirkt), sondern von der Möglichkeit, auf frei zur Verfügung ste-
henden Boden ausweichen zu können (was den Mindestlohn bewirkt) oder industrielle und
andere günstigere Angebote wahrnehmen zu können (was den Lohnzuschlag bewirkt)
(NWO, S. 66 - 71).

156 Zweifelsohne gibt es Zwischenformen von Lohnarbeit und Sklaverei, in diesen Fäl-
len können wir durchaus von Lohnsklaverei sprechen. Sie finden wir in Länder, in denen ge-
gen Lohnarbeiter physische Gewalt ausgeübt wird, um die Löhne zu drücken. Das gilt für
staatsterroristische Länder wie z. B. Chile, Südafrikanische Republik, Rumänien (s. Anm.
227) und Nord- und Südkorea. Bezüglich Südkorea sind die erfolgreichen Anschläge der
Amazonen und Schwestern der Roten Zora gegen die in Südkorea tätige Bekleidungssfirma
Adler, um die Situation der dortigen Lohnarbeiterinnen zu verbessern (s. taz vom 12. 9.
1987, S.1), also adäquate Mittel gegen die dortigen sklavenhalterähnlichen Gewaltverhält-
nisse.

157 Weitkamp, Entlohnung der Mütterleistung - eine bleibende Utopie oder eine mögli-
che Realität?, in: z. f. soz.ök. 67/Dez. 1985, S. 34f.

158 Josef Kulischer, Allgemeine Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters und der Neuzeit,
Bd. I: Das Mittelalter, R. Oldenbourg, München 1958, S. 135 u. 143

159 Kap III, S. 822

160 Creutz, Die Zinserträge in der Bundesrepublik, in: z. f. soz. ök. 70/Sept. 1986, S. 25f.

160a . Eine Tatsache, die Adam Smith bereits vor mehr als 200 Jahren erkannt hatte: sinkt
der Geldzinsfuß und der "Kapitalprofit", dann steigen die Löhne der Arbeiter. Allerdings
war er der Auffassung, daß Geld- und Kapitalzinsfuß gemeinsam und in gleicher Weise stei-
gen oder fallen würden - der entscheidende Irrtum der Klassiker, wie Proudhon, Gesell
und Keynes erkannt haben und was Marx übersehen hat (s. Adam Smith, Eine Untersu-
chung über Natur und Wesen des Volkswohlstandes Kap. 9: Die Kapitalprofite)!

161 Diogenes (Otto Martin Hofmann), Marx - Gesell, in: Der Ring - Monatshefte für
Jugendbewegung und Politik 1 u. 2/1925 u. 4/1926; ders., Randbemerkungen zu den Glossen
des Gen. Korsch, aaO., 6/1926. Karl Korsch, Der geschichtliche Charakter der marxistischen
Wissenschaft, aaO., 3/1925; ders., Die gesellschaftliche Wirklichkeit des Werts, aaO., 5/1926.
(Diogenes/Hoffmann setzt seine Serie mit dem Titel Marx - Lenin - Gesell in den Heften 8
u. 10/1926 fort.)

161a S. dazu Dieter Suhr über die unterschiedliche Begründung der Ursache des Profits
bei Marx und Proudhon in Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus, S. 14ff.

162 Kap. III, S. 452

163 In ihrem Artikel über Nixdorf, Der knorrige Patriarch der Elektronik, in: Die Zeit
vom 10. 8. 1984, ordnet Nina Grunenberg die Freiwirtschaft "ideologisch zwischen der sozia-
len Markwirtschaft und dem liberalen Sozialismus" ein und erwähnt, daß Nixdorf (offenbar
in Anlehnung an Gesells Mutterrenten-Idee) den ehelichen Müttern seines Unternehmens
für jedes eheliche Neugeborene eine einmaige Beihilfe zahlt - den unehelichen das Dop-
pelte! In einem Brief an Tristian Abromeit bestätigt Nixdorf, "wie sehr mich Silvio Gesell in
meinen jungen Jahren beeindruckt hat". Später befürwortete Nixdorf die "soziale Markt-
wirtschaft" des erfolgreichen, ordoliberalen Wirtschaftsministers Ludwig Ehrhard (CDU).
Nach erneutem Studium freiwirtschaftlicher Schriften schrieb Nixdorf an Abromeit: "Die
Ratlosigkeit der Politiker von heute macht die Arbeiten von Silvio Gesell immer moderner."
(Aus einem Leserbrief an die z. f. soz.ök. 69/Juni 1986, S. 38f.)

164 Joachim Bischoff (Hg.), Die Klassenstruktur der Bundessrepublik Deutschland -
Ein Handbuch zum sozialen System der BRD, VSA-Verlag, Hamburg 1980, S. 87

165 Hans Sveistrup, Stirners drei Egoismen - Wider Karl Marx, Otmar Spann und die
Fysiokraten, Verlag der Mackay-Gesellschaft, Hambugt 1983

166 S. Hans-Martin Tillacks Berichte über Kollektive in Berlin in der taz vom 14., 18. u.
19. 2. 1986, jeweils S. 18.

167 Schmierer, Radikal und Rational - Seiteneinstieg in die grüne Strategiedebatte, in:
Kommune 6/Juni 1984

168 Friedrich Engels, Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft ("Anti-Düh-
ring"), MEW 20 S. 282 - 285

169 Suhr, Auf Arbeitslosigkeit programmierte Wirtschaft, in: Creutz/Onken/Suhr, Wach-
stum bis zur Krise?, Basis Verlag, Berlin 1986, S. 45 - 47

170 "Anti-Dühring", S. 284. Dann würde nach Engels Meinung die Gesellschaft diese
Marken abschaffen und damit "in eine vollkommnere Entwicklungsstufe" eintreten: in den
geldlosen Zustand. Wie der aussehen könnte, beschreibt Engels jedoch nicht (s. dazu God-
schalk, Die geldlose Wirtschaft).

171 Kap III, S. 412

172 Darüber berichtet Jürgen Kremp kommentarlos in seinem Artikel Chinas Wirtschaft
meldet Erfolge in der taz vom 29. 3. 1986, S. 8. - Auch im sozialistischen Angola werden
die Geldbesitzer mit einer Liquiditätsverzichtsprämie geködert, ihre Geldhorte auf Spar-
und Bankkonten anzulegen; diese Prämie besteht aus Motorräder aus der DDR (westdeut-
scher TV Film, im 1. Programm der DDR am 16. 12. 1987 ausgestrahlt). Die schiitischen
"Zinsgegner" im Iran vergeben Preise für die Eröffnung eines Sparkontos; 1. Preis: eine ko-
stenlose Pilgerreise nach Mekka - auch eine Liquiditätsverzichtsprämie (Der Spiegel 52/
1987, S. 98)!

172a 883 oder agit 883 war eine antiautoritär-pluralistische und militante, in Westberlin
erscheinende sog. Untergrundzeitung, die aus der Studentenrevolte der 60er Jahre hervor-
gegangen war. Sie existierte von 1969 bis '71 und erschien mit witzigen Kleinanzeigen (s.
Contraste 45/1988), provozierenden Sprüchen ("Macht kaputt was Euch kaputt macht") und
vielen Karrikaturen, Kneipenanzeigen und Artikeln im Schreibmaschinenflattersatz, an-
fänglich wöchentlich, später monatlich, in einer Auflage von etwa 3.000 bis 6.000 Exempla-
ren. In Westdeutschland erschienen Ableger, in Berlin (nicht mehr ganz autentisch, aber in
antiautoritärer Tradition) noch einmal 1981 eine Kronstadt- und 1984 eine Gesell-Nummer.
Peter Paul Zahl und Bommi Baumann berichten als ehem. Mitarbeiter in Die Glücklichen
und Wie alles Anfing und Tilman Müller in Einst kommt der Tag der Rache in: Trans Atlantik
2/1985 über dieses vier bis 24-Seiten-Blatt im BZ-Format.

173 Stern 32/1984, im Buschhaus-Art.

174 Eva von Hase-Mihalik, Bauern verschaffen sich in Nicaragua Gehör - Stockende
Agrarreform kommt wieder in Schwung - Gratwanderung der Sandinisten zwischen Groß-
grundbesitzern rund Campesinos (FR, 8.10.1986)

174a Der Spiegel 19/1988. S. 50, Sp. 3: s. a. taz 16. 2. 1988, S. 1 u. 7, über die "Währungs-
reform" in Nicaragua, die lediglich darin bestand, ein paar Nullen vor dem Komma zu strei-
chen, ohne - wie sich bald herausstellen sollte - die Inflation zu stoppen.

174b Ralf Leonhard, taz 4. 5. 1988, S. 7; s. a. seinen Kommentar, aaO., S. 4.

175 ln einem Interview über die Verschuldungskrise sagt Fidel Castro, der IWF "ver-
diene es, gerettet zu werden", aber nicht, weil er außerordentlich zinsbillige Kredite vergibt,
sondern weil er ein "Entscheidungsszentrum von Regierungen" - der Staatsorgane! - ist.
Von Keynes' IWF-Konzept ist nirgens die Rede (Leviathan 4/1985, S. 547).

176 Arthur Rosenberg, Geschichte der Weimarer Republik, Europäische Verlagsanstalt,
Frankfurt 1961, S. 199

177 S. die Aufsätze von Gottfried Feder in Kampf gegen die Hochfinanz, Verlag Franz
Eher Nachfolger, München 1933 u. Anm. 58.

178 Feder, Das Radikalmittel, in: Kampf... , S. 38

179 Benedict Uhlemayr, Das Wirtschaftsprogramm der Nationalsozialistischen deutschen
Arbeiterpartei, u. a. in: Die Freiwirtschaft 6 u. 7/Juni u. Juli 1923. - Nach einer Auskunft
von Werner Onken war der Katholik Uhlemayr wegen seiner Schriften bei den Nazis zum Är-
gernis geworden. Als er sich nach Hitlers Machtübernahme weigerte, als Schulleiter seine
Schule mit der Hakenkreuzfahne zu beflaggen, wurde er in Haft genommen und von Julius
Streicher und seiner SA-Horde zum Krüppel geschlagen. An den Folgen dieser Mißhand-
lung sei er 1942 gestorben. - S. a. Feders Kritik an Gesell in Der Deutsche Staat auf natio-
naler und sozialer Grundlage, 1923, S. 171-173

180 Rosenberg, Geschichte..., S. 203f. - "Wenn der Nationalsozialismus ein Auf-
stand war, so einer der Jugend gegen die Alten, der verdrossenen, autoritätssüchtigen Bür-
ger gegen Arroganz und Unfähigkeit der herkömmlichen Parteien, ein diffuser Aufbruch de-
rer, die durch Revolutionsangst und Massenverelendung verunsichert waren" (Heinz
Höhne, Warten auf Hitler, in: Der Spiegel 3/1983, S. 134, Sp. 3; auch als Buch erschienen).
Was die Revolutionsangst anbelangt, waren die Nazis neben den Kommunisten aber auch
die einzigen, die - anders als die Sozialdemokraten - weiterhin die (nationale und so-
ziale) "Revolution" versprachen). (S. a. Hans-Jürgen Degen, Nationalismus, Antifaschis-
mus, in: Schwarzer Faden (SF) 15/3/1984, S. 44 - 49.)

181 Höhne schreibt: Strasser "hatte das Wirtschaftsprogramm entworfen, das mit seinen
Forderungen nach staatlicher Arbeitsbeschaffung und produktiver Kreditschöpfung (!) of-
fenbarte, daß die NSDAP die einzige Partei war, die einen Weg zur Krisenbewältigung
wußte" (Der Spiegel 4/1983, S. 144). - Mit seinen Mefo-Wechseln hat Djalmar Schacht,
der der Weimarer Republik bereits bei der Inflationsbewältigung zu Diensten war, das Hit-
ler-Regime wesentlich bei der Überwindung der Arbeitlosigkeit geholfen, weswegen er von
den Sozis als Steigbügelhalter Hitlers bezeichnet wurde. In der Berliner Stimme vom 6. 8.
1977 berichtet O. M. Hoffmann allerdings, daß Hilferding bereits 1929 eine Anleihe als "pro-
duktive Erwerbslosenfürsorge" auflegen wollte, die jedoch vom Finanzkapital und Schacht
abgelehnt wurde.

182 Gerhard Ziemer, Inflation und Deflation zerstören die Demokratie - Lehren aus
dem Schicksal der Weimarer Republik, Seewald-Verlag, Stuttgart 1971

183 Zit. bei Schwarz, Das Experiment von Wörgl, S.14

184 In Einführung in die Theorie der Wirtschaft, zit. bei Max Leuchtenberg, Pseudonym
für Johannes (Hans) Schumann, Woran Weimar scheiterte - Schicksal oder Schuld?, Hg.:
Freisoziale Union (FSU), Hamburg, S. 12

185 Das freie Wort 24/1930; zit. aus Woran Weimar scheiterte, S. 12

186 General Schleicher versuchte noch im Januar 1933 (nicht ganz ohne Erfolg) ein
Bündnis (eine "dritte Front", eine soziale "Querfront") von Konservativen über Sozialde-
mokraten, Gewerkschaftlern, dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold (dem militanten und
bewaffneten Gegenstück der Sozialdemokraten und vieler Liberaler zur SA der Nazis und
zum Rotfrontkämpferbund der Kommunisten) bis hin zu den linken Nazis um die Gebrüder
Strasser zusammenzubringen, um den "Faschisten" Hitler (Otto Strasser) und seine rechts-
extremen, plutokratischen Hintermänner um Papen und Hugenberg (dem damaligen
"Springer") an der Machtergreifung zu hindern. Dieses Bündnis wurde von der SPD-Füh-
rung torpediert (Höhne, Der Spiegel 5/1983, S. 133f.). Otto Strasser bekämpfte Hitler be-
reits seit Mitte der 20er Jahre, trat 1930 unter der Parole "Die Sozialisten verlassen die
NSDAP" demonstrativ aus der NS-Partei aus und gründete die Schwarze Front und die
Anti-Hitler-Kampfblätter Die deutsche Revolution und Hüttenbriefe. - In diesem Zu-
sammenhang ist erwähnenswert, daß Ende 1930 in Berlin zwei außerordentlich gut besuchte
Diskussionsveranstaltungen mit Rudolf Rocker, Erich Mühsam und Otto Strasser stattfan-
den, auf denen sich die libertären, internationalistischen und staatsfeindlichen und die natio-
nalen und staatsfreundlichen Sozialisten - trotz sachlicher Auseinandersetzung und ge-
meinsamer, gegen die kapitalistische Weimarer Republik, den bolschewistischen Kommu-
nismus und den Faschismus gerichteter Interessen - nicht einigen konnten. Die anarchisti-
sche Zeitschrift Fanal berichtere in Nr. 3/Dez.1930 ("Ein wertvoller Versuch") und 4/Jan.
1931 ("Freunde oder Gegner?") über diese "auf ungewöhnlich hohem Niveau" verlaufenen
Veranstaltungen. - Auch der "Nationalbolschewist", Kampfgefährte Mühsams in der
Münchener Räterepublik und NS-Verfolgte Ernst Niekisch (s. Text 1, Anm. 13), "versuchte
eine Annäherung an Otto Strasser", berichtet Wulf C. Schwarzwäller in Hitlers Geld - Bi-
lanz einer persönlichen Bereicherung, Verlag Arthur Moevig, Rastatt 1986, S. 258. -
Otto Strasser, dessen Bruder beim sog. Röhm-Putsch auf Hitlers Befehl ermordet worden
ist, schrieb (nach Auskunft von Hans-Peter Neumann aus Berlin) noch nach dem Zweiten
Weltkrieg Artikel in der freiwirtschaftlichen Wochenzeitung Der freie Mensch.

187 Zit. aus Woran Weimar scheiterte, S. 12

188 Rudi Ratlos, Wie mächtig sind die Öko-Bankiers? (Manuskript), Frankfurt, Juni
1984

189 Kap. I, S. S. 136 -138. Wie der Boden (s. Anm. 109a), hat auch das Papiergeld kei-
nen (nennenswerten) Arbeitswert, wohl aber einen Preis. Lediglich beim Edelmetallgeld
kann u. U. der Preis der Gold-, Silber- oder Kupfermünze und der auf Edelmetall lautenden
Banknote von den Herstellungskosten des Edelmetalls bestimmt sein. Der Preis dieses Gel-
des kann zwar nicht unter seinem Edelmetallwert, wohl aber über diesem liegen. Beweis
dafür ist der in seiner Kaufkraft weit über den Herstellungskosten liegende Wert des Papier-
geldes. Nicht sein Arbeitswert, sondern seine Kaufkraft, sein Tauschwert, ist der Preis
des Geldes. Z. B.: 1 DM hat den Preis von 8 Zigaretten - gleichgültig, ob diese DM aus Me-
tall, Muschelkalk, Knochen oder Papier besteht. Der Preis einer DM ändert sich nicht durch
veränderte Herstellungskosten für diese DM (der Aufdruck von "1.000 DM" ist nicht teurer
als der von "1 DM"), sondern (wie es die Quantitätsformel des Geldes zeigt) durch die Ver-
änderung der nominell ausgewiesenen und umlaufenden (Nachfrage haltenden) Summe
von DM gegenüber der angebotenen Warenmenge - für den illusionistischen Werttheoreti-
ker Marx, der nichts von Geld und Währung verstand, eine "abgeschmackte Hypothese".

189a Der Spiegel 11/1988, S. 195

190 Gewerkschaftszeitung Metall vom 21. 2. 1953; zit. aus Woran Weimar scheiterte, S. 3.
S. a. die sehr informative Analyse von Michael Greissinger, Die deutsche Wirtschaftspolitik
in der Weltwirtschaftskrise, in: z. f. soz.ök. 76/März 1988, S. 7 -18.

191 Angst vor dem großen Crach, in: Der Spiegel 42/1986, S. 193ff.

192 S. dazu Rudolf Schwendter, Theorie der Subkultur, Kiepenheuer & Witsch, Köln
1973, u. Michael Vester, Solidarisierung als historischer Lernprozeß - Zukunftsperspekti-
ven systemverändernder Praxis im neueren Kapitalismus, in Diethart Kerbs, Die hedonisti-
sche Linke - Beiträge zur Subkultur-Debatte, S. 143 -198

193 taz, 29. 11. 1986, S. 17, Sp. 6

194 "Bei den Gemeindewahlen in Nordrhein-Westfalen im Oktober 1948 erhielt die
RSF (diese damalige, freiwirtschaftlich orientierte Partei; K. S.) in 23 Gemeinden, in denen
sie Kandidaten aufstellte, 69 613 Stimmen = 7,22 % der abgegebenen Stimmen mit 38 Kan-
didaten in 12 Gemeinden (...). Von 0,8 % der Stimmen in Düsseldorf schwankte der Stim-
menanteil bis 29,98 % in Wermelskirchen. (...) - Ihre Stimmenstärke in Niedersachsen
war meßbar in den Gemeindeparlamenten Kreis Osterode mit 13 Sitzen (in Sebexen als ein-
zige Gegenpartei gegen SPD 920 Stimmen und 6 Vertreter gegen 870 Stimmen und 5 Vertre-
ter SPD, also RSF absolute Mehrheit." (RSF - Radikalsoziale Freiheitspartei, Denkschrift
des Vorstandes der SPD, S. 3)

195 Geld und Arbeit 5/Mai 1933, Bern, S. 133 -135; Nachdruck in F. Schwarz, Das Expe-
riment von Wörgl, S. 54 - 61

196 R. Spier, un solution - ein ausweg, S. 24 - 27

197 Fritz Kool u. Erwin Oberländer (Hg.), Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur, Bd.
II: Kronstadt, dtv 1972; Johannes Agnoli, Cajo Brendel, Ida Mett, Die revolutionären Aktio-
nen der russsischen Arbeiter und Bauern - Die Kommune von Kronstadt, Karin Kramer
Verlag, Berlin 1974; Der Aufstand der Kronstädter Matrosen - Eine Dokumentation, Bro-
schüre mit einem Vorwort von Fritz Teufel, an-archia verlag, Wetzlar; Alexander Berkman,
Der Aufstand von Kronstadt, in: agit 883 89/1981; P. Arschinoff, Geschichte der Machno-Be-
wegung (1918 -1921), Karin Kramer Verlag, Berlin 1969/74

198 S. a. Gerhard Schmolze (Hg.), Revolution und Räterepublik in München 1918/19 in
Augenzeugenberichten, dtv, München 1969: Hansjörk Viesel (Hg.), Literaten an der Wand -
Die Münchener Räterepublik und die Schriftsteller, Büchergilde Gutenberg, Frankfurt 1980
(mit einem Interview mit Gesell, S. 69 - 74).

198a Die Freiwirtschaft 11/1924, S. 23

199 Gesell, Erwiderung! - Die anarchistische Zeitung: "Der freie Arbeiter", in: Der
Physiokrat 12/Apr. 1913

200 Gesell, Die Bewaffnung des Proletariats, Kampfverlag, Essen (1923), S. 16 (abge-
setzt wie im Original)

201 George Garvy, Keynesianer vor Keynes, in Der Keynesianismus, Bd. II, Hg.: Bom-
bach, Ramser, Timmermann u. Wittmann, Springer-Verlag, Berlin/Heidelberg/New York
1976, S. 22; Ziemer, Inflation und Deflation..., S. 150, Fußn.; Keynes, Allg. Theorie, S. 300;
Josef A. Schumpeter, 1936, zit. bei Garvy, Keynesianer..., S. 22, Fußn.; Berwald Hahn, In
Memoriam - Silvio Gesell, in: Z. f. d. gesamte Kreditwesen 6/1980, S. 211f. (er empfiehlt
dort Otto Veit, Grundriß der Währungspolitik); Alexandre Kafka, John Maynard Keynes, in:
Finanzierung & Entwicklung, Dez. 1983, S. 37f.

202 Arthur Mülberger (Hg.), Kapital und Zins, Jena 1896

203 Mülberger, Volkswirtschaftliches, in: Versöhnung 19/Jan. 1898, S. 250ff. (s. Text 5);
Gesell, Die Anpassung des Geldes und seiner Verwaltung an die Bedürfnisse des modernen
Verkehrs, Verlag Herpig & Stoeveken, Boenos Aires 1897, 208 S. (die 5. Schrift Gesells)

204 Gustav Landauer, Aufruf zum Sozialismus, Marcan-Block-Verlag, Köln 1923, S.
121ff. ; Auszug: Text 4

205 Erich Mühsam, Ein Wegbahner, Nachruf in Fanal 7/Apr. 1930; Nachdruck: Text 8.
- Zur "Abschaffung" des Geldes s. Godschalk, Die geldlose Wirtschaft, Basis Verlag, Ber-
lin

206 Die Internationale 15 u. folgende, 1931 - Bartsch erwähnt eine Kritik von Hup-
pertz an den "Radikalsozialen" der RSF in der Befreiung 10/1948 in: ders., Anarchismus in
Deutschland, Bd. I, S. 139.

207 Paul Mattick, Marx und Keynes - Die Grenzen des "gemischten Wirtschaftssy-
stems", Raubdruck, S. 13f.

208 Der Linksmarxist und Rätekommunist Otto Rühle hat in seiner Schrift Brauner und
roter Faschismus die Gemeinsamkeiten von Faschismus und Stalinismus gegenübergestellt
(in: ders., Schriften - Perspektiven einer Revolution in hochentwickelten Ländern, Texte des
Sozialismus und Anarchismus, Rowohlt Tb., Reinbek 1971, S. 7 - 71)

209 Ernst Bloch, Freiheit und Ordnung - Abriss der Sozial-Utopie, Aufbau-Verlag,
Berlin 1947, S. 181

210 Silvio Gesell - der Marx der Anarchisten - ein Faschist!, im SF 13/1/1984, S. 29 -
35; s. a. die Leserbriefe, die Anmerkungen der SF-Redaktion u. die Entgegnungen v.
Bernd Siegel u. Günter Bartsch im SF 14/2/1984, S. 58 - 61, u. von Werner Onken im SF 15/3/
1984, S. 50 - 52, zum Blume-Art. Weitere Gesell-Kritik in: Direkte Aktion - Organ der
Freien Arbeiter-Union 41/1983, S. 18; eine positive Gesell-Darstellung in: Alpenanzeiger
131 - 133/1984.

211 Silvio Gesell - der Marx der Anarchisten?, in: agit 883 90/1983, 24. S. - Auf
Grund dieser Gesell-Nummer haben drei Genossen in Genf eine Gesell-Zeitung (mit einem
Text zu C. H. Dougles) in französischer Sprache und eine Straßen-Aktion gemacht, über die
die dortigen Tageszeitungen Le courriere (S.15), Le Martin (S. 8) u. Tribune de Geneve (S.
29), alle vom 1. 5. 1984, berichteten (Kontaktadresse: Nicolas Wirz, 3, rue Vermont, 1202
Genève, Schweiz; Tel.: 0041-22-330877).

212 Peter Elger, Die Wirtschafts- und Gesellschaftsauffassung Silvio Gesells bis Ende der
Weimarer Republik (Dipl.-Arb.), Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Philipps-
Universität Marburg, 1978, rund 270 S.

213 NWO, S. 83

214 Gesell, Der Physiokrat als linker Flügelmann der Parteien, in: Der Physiokrat l/Mai
1913

215 Hans Sveistrup, Stirners drei Egoismen - Wider Karl Marx, Othmar Spann und die
Physiokraten, Verlag der Mackay-Gesellschaft, Freiburg/Hamburg 1983, S. 21ff. u. 35ff.

216 Wilhelm Reich, Massenpsychologie des Faschismus, Raubdruck; Sigmund Freud,
Massenpsychologie und Ich-Analyse, Fischer-Tb. 1972, Gustav LeBon, Psychologie der Mas-
sen (ein Werk, das Hitler fleißig gelesen haben soll); Herrmann Broch, Massenwahntheorie,
Werksausgabe Bd. 12, Suhrkamp 1979; ders., Menschenrecht und Demokratie, Kröner-Ver-
lag, Stuttgart 1982. (Giacomo Leopardi: "Die Masse, welch anmutiges, modernes Wort.")

217 Theophil Christen, Aus den Münchener Revolutionstagen, Verlag des Schweizer
Freiland-Freigeld-Bundes, Bern 1919, S. 14ff.

218 Gesell, Nervus rerum, Fortsetzung zur Reformation im Münzwesen, Selbstverlag,
1891, S. 72

218a Rudolf Jung, Der nationale Sozialismus, 3. Auflage, Deutscher Volksverlag, Mün-
chen 1922, S. 118 - In der Ablehnung Gesells sind sich Kommunisten, Sozialdemokraten
und viele andere "Linke" mit den Nazis einig...

219 Edmund Silberner, Sozialisten zur Judenfrage - Ein Beitrag zur Geschichte des So-
zialismus vom Anfang des 19. Jahrhunderts bis 1914, Colloquium Verlag, Berlin 1962 -
Der "Antisemitismus" der damaligen Sozialisten war allerdings nicht rassistisch motiviert;
schließlich war z. B. Marx selbst Semit.

220 Elger zitiert (S. 10) den berühmten Physiker Albert Einstein, der in einer (vielleicht
englischsprachigen?) Ausgabe von Mein Weltbild geschrieben haben soll: "Ich freute mich
an dem glänzenden Stil von Silvio Gesell." Nach Keynes Ansicht "ist Gesells Hauptwerk in
kühler, wissenschaflicher Sprache geschrieben, obschon es durchweg von einer leidenschaft-
licheren, einer erregenderen Hingabe für gesellschaftliche Gerechtigkeit durchströmt ist,
als manche für einen Gelehrten schicklich finden" (Allg. Theorie, S. 300). Der Erlanger
Ökonom Prof. Oswald Hahn bewertet Gesells Stil in der Z. f. d. gesamte Kreditwesen 6/
1980, S. 212, ähnlich: "Silvio Gesell hat es verstanden, klar und verständlich zu schreiben -
eine Gabe, die sowohl den reinen Theoretikern und Reformern wie auch manchen Prakti-
kern unserer heutigen Zeit weitgehend abgeht." (Vergl. die rund 390 Seiten starke NWO mit
Marxens auf über 2.500 Seiten ausgewalztes Hauptwerk Das Kapital!)

221 In den 70er Jahren galten die freundlichen, lebensbejahenden und aufgeschlosse-
nen Verhaltensweisen der matristischen Naturvölker in der Neuen Linken als vorbildlich. In
einer Tabelle stellt der Soziologe Gordon Rattray Taylor bezeichnenderweise die Eigen-
schaften "progressive Haltung" und "kein Mißtrauen gegen die Forschung" als Charakteri-
stika matristischer Kulturen den Eigenschaften "konservative Haltung" und "Mißtrauen ge-
gen alle Forschung" der Charakteristika patristischer Kulturen gegenüber (zit. bei Joseph
Gabel, Ideologie und Schizophrenie - Formen der Entfremdung, Fischer-Verlag, Frank-
furt 1967, S. 56, u. Robert A. Wilson, Der neue Prometheus - Die Evolution der Intelligenz,
S. 59). - Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß es viele Kritiker auf nichts an-
deres absehen, als neues und befremdliches runterzumachen, um die eitlen und nekrophilen
Bedürfnisse ihrers patriarchalischen Egos zu befriedigen, und nicht, um der Wahrheit auf
die Spur zu kommen und sie für menschenwürdiges Leben nutzbar zu machen (s. dazu Erich
Fromms Analyse der Charakterstrukturen von Heinrich Himmler und Adolf Hitler in Anato-
mie der menschlichen Destruktivität, S. 271- 291 u. 335 - 393).

222 Hansjörk Herr, Zentralbank und Spielräume alternativer Geldpolitik, in Perspekti-
ven ökologischer Wirtschaftspolitik - Ansätze zur Kultivierung von ökonomischem Neu-
land, Hg.: Projektgruppe Grüner Morgentau, Campus Verlag, Frankfurt/New York 1986, S.
462 - 483. Im selben Band: Dieter Suhr, Plädoyer für eine neue Geldordnung - Eine keyne-
sianische Alternative zum Keynesianismus, S. 431 - 461.

223 Geld ohne Mehrwert, S. 132f.

224 Auf Arbeitslosigkeit..., S. 50 - Das weiß auch der Spiegel (51/1987, S. 22):
"Geld, das selbst bei aufwendigstem Lebensstil nicht aufzubrauchen ist, sucht nach rentier-
lichen Anlagen." Die Folgen beschreibt der ehemalige Bundesvorstandssprecher der Grü-
nen, Dieter Burgmann: "Zwang zum Wachstum" (vollst. Zit.: Anm. 33a).

225 Allokation bedeutet optimale Verteilung von Waren, Produktionsfaktoren und Ein-
kommen in der Volkswirtschaft.

226 Befreiung der Markwirtschaft..., S. 43

227 Der Aufstand von Kronstadt, in: Der Spiegel 49/1987, S. 151ff.; taz, 23.11.1987, S.
1, 6 u. 4; taz, 28.11.1987, S. 7; Rumänien macht Westen für seine Misere (Verschuldung; K.
S.) verantwortlich, in: Tsp., 8.12.1987, S. 3

228 Auf Arbeitslosigkeit..., S. 45ff.

229 Plädoyer... , S. 457; s. auch Geld ohne Mehrwert, S. 35 - 37

230 Auf Arbeitslosigkeit..., S. 55

231 Der folgenden Spiegel-Grafik entnehmen wir, daß die realen Zinsen (Bruttozins mi-
nus Inflationsrate) in der BRD immer positiv waren, in den USA von 1973 bis '75 und 1978
bis '80 unter 0%, kurzfristig auf etwa -2%, und in Japan von 1973 bis '78 unter 0%, tiefste
Spitze: rund -12%, sackten:
XXX

231a Prokla - Z. f. politische Ökonomie und sozialistische Politik 63/Juni 1986, Rot-
buch Verlag Berlin, S. 108 -131

231b Herr, Einige kritische Thesen zu Silvio Gesells Freiwirtschaftslehre aus Keynesscher
Sicht, in: z. f. soz.ök. 73/1987, S. 10ff.

232 Eberhard Kröller, Der zweite Wert des Geldes, in: Evolution (Organ der Liberalso-
zialistischen Partei Schweiz) 1/1988, S. 10f.

232a NWO, S. 315f.

232b H. C. Reckenwald, Wörterbuch..., S. 508

232c Diese Forderung nach einem "positiven Zins" erhebt Herr auch in seinem Prokla-
Aufsatz, S. 125. Der (offenbar marxistisch beeinflußte) "keynesianische" Zinsfreund Herr
hat weder Keynes' noch Gesells einleuchtende Geld- und Zinstheorie verstanden, doch das
hindert ihn keineswegs, Gesell von ganz oben herab ganz unten ans Bein zu pinkeln. Und
das hindert auch den Netzwerker Kurt Hübner nicht, in einer Polemik gegen die Schriften
von Creutz, Godschalk, Onken und Suhr in der Berliner Stadtillustrierten zitty (24/1986, S.
62f.) Herrs Glanzstück wissenschaftlicher Analyse und Kritik wärmstens zu empfehlen und
Gesells Schwundgeld - in Ermangelung sachlich begründeter Einwände - lächerlich zu
machen. Als unterhaltsame Lektüre zum Erkenntniswert moderner - auch "linker"-
Wissenschaft und zur "Ignoranz" und "Selbstgefälligkeit" ihrer Vertreter empfehle ich Paul
Feyerabend, Unterwegs zu einer dadaistischen Erkenntnistheorie, in: Unter dem Pflaster
liegt der Strand, Bd. IV, K. Kramer Verlag, Berlin 1977, S. 9 - 88, ebenso den Essay Wissen-
schaft und Sicherheit von Ulrich Beck im Spiegel 9/1988, S. 200f., u. speziell zur Psychologie
kommunistischen Denkens den marxistischen Psychoanalytiker Joseph Gabel, Formen der
Entfremdung - Aufsätze zum falschen Bewußtsein, Fischer Verlag, Frankfurt 1964, S. 53 -
87; zur intellektuellen Leistungsfähigkeit des "Primaten" Homo sapiens sapiens Robert
Ananton Wilsons (trotz allem optimistisches) Buch Der neue Prometheus - die Evolution
unserer Intelligenz.

233 taz vom 28.10.1987

233a Laut taz von Ende 1987

234 In Die Entscheidung des Abendlandes warnt der Anarchist Rudolf Rocker davor,
den ursprünglichen "Liberalismus mit den wirtschaftlichen Anschauungen des sogenannten
Manchestertums in einen Topf zu werfen": die klassischen Liberalen seien ideologisch mit
den Anarchisten verwandt und z. T. Vorläufer der Anarchisten; er grenzt sie nach Links von
den Demokraten ab (Bd. I, S. 185 - 239). - Adam Smith erwartete vom "Menchesterli-
beralismus", daß durch den freien Wettbewerb die "Kapitalprofite" und der Geldzins zu
Gunsten der Arbeiterlöhne weitgehend verschwinden würden (s. Anm. 160a), was bekannt-
lich (aus den von Gesell genannten Gründen; NWO, S. 14ff.) nicht eingetroffen ist. Bezüg-
lich der Bodenrente befürwortet Smith in Natur und Ursachen des Reichtums (s. Da-
maschke, Die Bodenreform, 1923, S. 95) eine Bodensteuer, um die Rente abzuschöpfen.

235 Werner Raith, Das verlassene Imperium - Über den Ausstieg des römischen Volkes
aus der Geschichte, Wagenbach Tb., Berlin 1982, s. 77 u. 103

236 In ihrem Beitrag Garantiertes Mindesteinkommen - Für einen libertären Umgang
mit der Krise in Th. Schmid (Hg.), Befreiung von falscher Arbeit, S. 22

237 Karlsruher Stadtzeitung 32/März 1984, S. 32
238 S. bei Gerhardt u. Weber in Befreiung von falscher Arbeit, S. 39.

238a. Douglas wollte seine "Sozialdividende" für jedermann aus den Renditen aus dem
von vorhergehenden Generationen geschaffenen und allen als gemeinsames Erbe zustehen-
den Kapital und aus der Bodenrente finanzieren. Eine Abschöpfung der Zinsen und Renten
funktioniert allerdings nur, wenn sie direkt vom Geldbesitz und Grundeigentum erhoben
werden und nicht - wie bei der Quellensteuer - vom realisierten Zins- und Renten-Ein-
kommen. Denn dann werden "hortbares" Geld und "hortbarer" Boden aus dem Verkehr ge-
zogen und Zinsen und Renten nach oben getrieben. Nur die Rendite des vermehrbaren und
Durchhaltekosten verursachenden Realkapitals läßt sich durch eine Einkommenssteuer ab-
schöpfen. In diesem Falle würde es den Unternehmern aber erschwert oder gar unmöglich
gemacht werden, zinsfordernde Geldkredite für Investitionen aufzunehmen.

239 Wege ins Paradies, S. 66ff.

240 Raoul Vaneigem, Das Buch der Lüste, Edition Nautilus, Verlag L. Schulenburg,
Hamburg 1984

241 Im Pflasterstrand 211/1. - 14. 6. 1985, S. 34, Sp. 2. Gorz behauptet dort, daß der
Markt, ebenso wie der Staat, "Negation gesellschaftlicher Selbstorganisierung und Selbstbe-
stimmung" ist. 1. sollte es uns nicht um die "Selbstorganisierung" der Gesellschaft, sondern
um die Selbstorganisierung autonomer Individuen gehen, und 2. ist zu fragen, was denn die
"Gesellschaft" so sehr vom Staat unterscheidet. Wird nicht die "Gesellschaft" ebenso über
die Köpfe - auch assoziierter - Individuen hinweg entscheiden, per Mehrheitsbeschlüsse
und gesellschaftliche, den Menschen entfremdete Institutionen? - Nirgens sagt Gorz,
warum ein funktionierender Markt oder eine funktionierende Marktwirtschaft die individu-
ellen Bedürfnisse nicht zufrieden stellen würde. Er geht von einer nicht funktionierenden
Marktwirtschaft aus, die wegen Subventionen, Staatsinterventionen und (was er zu sagen
vergißt) wegen privater Monopole, Zinswirtschaft etc. tatsächlich keine wirkliche Markt-
wirtschaft ist. Statt nun die Forderung aufzustellen, marktwirtschafttiche Verhältnisse herzu-
stellen, fordert er den "Plan" - eine merkwürdige Logik. Auf welcher Grundlage, nach
welchen Maßstäben oder was auch immer soll eigentlich gesamtgesellschaftlich (im mikro-
ökonomischen Bereich tut das bekanntlich der Einzel- und Kollektivunternehmer) geplant
werden? Diese Antwort bleibt uns Gorz schuldig. Offenbar, weil er sich trotz aller anarchisti-
scher Tendenzen nicht von marxistisch-kommunistischer Wirtschaftsideologie befreien
kann.

242 Kap. III, S. 828

243 Der Spiegel 6/1987, s. 15

244 Carsten Bresch, Zwischenstufe Leben - Evolution ohne Ziel?, Fischer-Tb., Frank-
furt 1979; Hermann Haken, Erfolgsgeheimnisse der Natur, Synergetik: Die Lehre vom Zu-
sammenwirken, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1981. S. a. Manfred Eigen, Stufen des
Lebens, Piper Verlag, 1988

245 Diese Position vertritt u. a. der Verhaltensforscher Konrad Lorenz. Er befürchtet je-
doch, daß in der gegenwärtigen Konkurrenzgesellschaft "keine selektiven Vorteile" mehr
am Werk seien, "die heute etwa einen Menschen aus der Stärke seines Verantwortlichkeits-
Gefühls oder aus der besonderen Güte seiner natürlichen Neigungen erwachsen könnten.
Es steht vielmehr ernsthaft zu befürchten, daß die heutige, kommerzielle Gesellschaftsord-
nung unter dem wahrhaft teuflischen Einfluß des zwischenmenschlichen Wettbewerbes
Zuchtwahl in genau umgekehrter Richtung treibt", so daß die natürlichen sozialen Anlagen
also abgezüchtet werden (Das sogenannte Böse, S. 351).

246 S. Gorbatschow zur Umgestaltung der Wirtschaft in: Der Spiegel 46/1987, S. 208f.;
das Interview mit dem Moskauer Ökonomen Leonid Abalkin in: Der Spiegel 28/1987, S.
98ff. u. die Artikel Chinas Wirtschaft meldet Erfolge, in: taz, 29. 3. 1986, s. 8, Hundert Blu-
men blühen in der Reformdebatte, in: FR, 23. 6. 1986, S. 13, Helmut Opletal, Chinas Wirt-
schaft soll Reformwege gehen - Neue Marktmechanismen bauen auf den ungarischen Erfa-
hrungen auf, in: FR, 24.10.1984, S. 9, Kapitalismus in China, Titelgeschichte in: Der Spie-
gel 42/1984, S. 142 -155. - Allerdings gibt es außer Gorz noch andere Marxisten, die
sich immer noch nicht von der marktfeindlichen Ideologie des objektiv kapitalfreundlichen
Marxismus emanzipieren können. So sagt z. B. Ebermann in einem Interview im Stern (49/
1986, s. 82): "Ich bin davon überzeugt, daß zur Marktwirtschaft Arbeitslosigkeit, Ungleich-
heit, Elend, Armut gehören. Diese Wirtschaftsordnung kann weder soziale Gerechtigkeit
noch ökologische Vernunft garantieren. Deswegen will ich sie ändern." - Nicht abschaf-
fen? Und wie ändern, bitte? Mit jenen "plan"wirtschaftlichen Methoden, die in den u. a.
durch diese Methoden ruinierten Volkswirtschaften gerade aufgegeben werden? Volkswirt-
schaften, die nicht nur unter der Zinsknechtschaft leiden (gegen die Ebermann als guter
Marxist offenbar nichts einzuwenden hat, da er sie nirgens kritisiert), sondern außerdem
noch unter der "Planung" bornierter Ideologen und fauler und unfähiger Bürokraten!

247 Günter Saathoff behauptet: "Nicht die Analyse des Kapitalismus und seiner Dyna-
mik war es, was traditionelle Marxisten und Libertärsozialisten trennte, sondern die Strate-
gie zur Überwindung derselben" (graßwurzelrevolution - Für eine gewaltfreie, herrschafts-
lose Gesellschaft, Sonderheft Alternative Ökonomie 90-91 (ohne Angabe des Erscheinungs-
jahres), S. 10. Das trifft jedoch nur für bestimmte anarchistische Flügel zu. Der wichtigste
anarchistische Wirtschaftstheoretiker, Proudhon, lag gerade wegen seines völlig anderen An-
satzes seiner Kapitalismusanalyse im Clinch mit Marx, wie ich in der vorliegenden Arbeit
aufzuzeigen versuche.

248 Selbstorganisation in der Natur bei Bresch: in der Materie, S. 78; in der Biologie, S.
140ff.; bei Haken: beim Laser, S. 66ff.; durch Außensteuerung des Chaos, S. 66ff. Im "'an-
archistischen' Verhalten von Teilchen auf subatomarer Ebene" sieht die Feministin Marie-
louise Janssen-Jurreit "ein Vorbild für eine machtfreie Gesellschaftsorganisation", schreibt
Marilyn French im Spiegel 3/1986, S. 150, bei der Rezension ihres Buches Jenseits der Macht
- Frauen, Männer und Moral, Rowohlt Verlag, Reinbek 1986.

249 Carl Sagan, Unser Kosmos - Eine Reise durch das Weltall, Dromedar Knaur Ver-
lag, München 1982, S. 43

249a S. a. Elimar Rosenbohm, Kybernetisch-anarchische Ordnung, in: z. f. soz.ök./mtg
15/1968, S. 21ff.

250 NWO, S. 20

250a Das fördert sicherlich die Entfremdungserscheinungen im ökonomischen Bereich.
Andererseits läßt sich durch Rationalisierung der Ökonomie die Arbeitszeit erheblich redu-
zieren. In der "disponiblen" Zeit, wie Marx die "Freizeit" nennt, können sich dann alle An-
triebe und Anlagen (sozialer, sportlicher, künstlerischer, intellektueller Art) der Individuen
zweckfrei, d.h. losgelöst von ihren ursprünglichen Zwecke der Selbst-, Gruppen- und Arter-
haltung, spielerisch und lustvoll in frei gewählten und bewußt nach Individuellen Bedürfnis-
sen und Interessen zusamengesetzten und nicht von äußeren Notwendigkeiten und Zufällig-
keiten bestimmten Gruppen entfalten. Manche Not wendende Arbeit wird dann sicherlich
auch als Hobby, also als nicht entfremdete Arbeit, getan werden. Aber das ist nur möglich
unter der Voraussetzung, daß die frustrierende, aber gesellschaftlich notwendige Arbeit
durch den Einsatz menschliche Arbeitskraft sparender, also hochentwickelter technischer
Arbeitsmitteln auf einen möglichst geringen Zeitsraum individuellen Lebens beschränkt
wird - und daß diese Arbeitsersparnis den Produzenten und nicht der "Roboterrendite" (s.
Kap. 2) zugute kommt.

251 "Solche auf dem Eigennutz errichtete Wirtschaftsordnung stellt sich dabei in keiner
Weise den höheren, arterhaltenden Trieben in den Weg. Im Gegenteil, sie liefert dem Men-
schen nicht nur die Gelegenheit zu uneigennützigen Taten, sondern auch die Mittel dazu. Sie
stärkt diese Triebe durch die Möglichkeit, sie zu üben. Hingegen in einer Wirtschaft, wo je-
der seinen in Not geratenen Freund an die Versicherungsgesellschaft verweist, wo man die
kranken Familienangehörigen ins Siechenhaus schiebt, wo der Staat jede persönliche Hilfe-
leistung überflüsssig macht, da müssen, scheint mir, zarte und wertvolle Triebe verkommen"
(NWO, S.13; s. a. Sveistrup, Stirners drei Egoismen, S. 77f.). Der Gesell- und Stirner-Inter-
pret Sveistrup hebt diese Position Gesells, der sich oft auf Stirner beruft, ausdrücklich her-
vor, zeigt aber auch den Unterschied zwischen Stirners und Gesells Begriff Egoismus auf,
der bei Gesell eher in der Nähe "einer volkstümlichen biologischen Weltanschauung" und
Kropotkins läge: "Ganz richtig bemerkt (der Freiwirt; K. S.) Rolf Engert, daß Gesell ganzes
Wesen und Denken getragen sei von einem großen, starken Naturgefühl, während Stirner
durchaus anders als Gesell irgendwie weniger naturhaft, geistiger gewesen sei" (aaO., S. 79
u. 80). Mit seinem naturalistischen Anarchismus (= Physiokratie plus Akratie) hat Gesell
(wie ich bereits in Kap. 9 angedeutet habe) die klassischen Anarchisten, die Kyniker des al-
ten Griechenlands, in modernem Gewande wieder aufleben lassen. Was Gesells Anarcho-
physiokratie jedoch von den asketischen Kynikern (Zynikern) unterscheidet, ist seine hedo-
nistische Position. Auf soziales Verhalten bezogen heißt das, daß dieses durch den sozialen
Anteil des naturgegebenen Freudschen "Es" nach dem Lustprinzip aktiviert wird und nicht
unter dem Druck einer gesellschaftlich vermittelte Zwangsmoral, dem Freudsche "Über-
Ich", zu fustrierenden Pflichtübungen wird. Die aus dem Es-Anteil kommenden Antriebe
und Bedürfnisse können das Individuum dazu motivieren, mit Hilfe seines Verstandes, des
Freudschen "Ich", kultur-unabhängige, also eigenständige, selbstbestimmte und per Ver-
nunft reflektierte Werte, nämlich Ethik, zu entwickeln, was dann zu bewußtem sozialen Han-
deln führen könnte. Dem obigen Gesell-Zitat entsprechend, sind in Not Geratene jedoch
auf jeden Fall von den sozialen Neigungen und dem guten Willen der Freunde und Familien-
angehörigen abhängig. Eine soziale Sicherstellung durch die gesamte Gesellschaft oder -
vielleicht besser noch - durch eine freiwillige Versicherung (im Sinne der Stirnerschen "Ver-
einigung") könnte hingegen das einzelne Individuum von dieser naturwüchsigen (physiokra-
tischen) Abhängigkeit von Freunden und Familienangehörigen (Stirner: von den "Exempla-
ren" einer "Gemeinschaft") befreien.

252 Im Vorwort zur 3. Auflage der NWO, S. 12, heißt es: "Die Wirtschaftsordnung, von
der hier die Rede ist, kann nur insofern eine natürliche genannt werden, als sie der Natur des
Menschen angepaßt ist. Es handelt sich also nicht um eine Ordnung, die sich etwa von selbst,
als Naturprodukt einstellt. Eine solche Ordnung gibt es überhaupt nicht, denn immer ist
die Ordnung, die wir uns geben, eine Tat, und zwar eine bewußte und gewollte Tat."

253 NWO, S. 12

254 "Ich weiss nicht, ob diese Utopie in der Praxis genauso reibungslos wie in der Theo-
rie funktionieren würde, aber meine Bewunderung für Gesell hat einen anderen Grund. Er
setzt auch voraus, dass die Regierung interne Kolonien oder utopische Gemeinschaften zu-
lassen und unterstützen sollte, wo Menschen mit rivalisierenden wirtschaftlichen Vorstellun-
gen sich zusammenschliessen könnten, um die Tragfähigkeit ihrer eigenen Idealvorstellungen
zu beweisen. - Er sagt sogar, dass wenn eine dieser Kolonien sich als besonders erfolgreich
herausstellen sollte, deren Ideen anstelle seiner eigenen eingesetzt werden sollten" (R. A.
Willson, Ist Gott eine Droge oder haben wir sie nur falsch verstanden?, Spinx Verlag, Basel
1984, u. rororo 5854, S. 158f.).

255 Der Physiokrat als linker Flügelmann der politischen Pateien, in: Der Physiokrat 1/
Mai 1913. S. a. Diogenes (Hoffmann), Das Wesen des Urkommunismus, in: Die Freiwirt-
schaft 7/1925, S. 137 -146.

256 "das geselligste aller Tiere" (Anteil der Arbeit bei der Menschwerdung, in Dialektik
der Natur, MEW 20, S. 446)

257 Stirners drei Egoismen, S. 22, Tabelle

258 Eine Interpretation von Gesells Position zu Stirner und zum Kommunismus (und
zur Abschaffung des Geldes) bringt Rolf Engert in der Broschüre Die Freiwirtschaft - Ein
praktischer Ausdruck der Stirnerschen Philosophie, Freiland-Freigeld-Verlag, Bern 1921, S.
18ff., einschl. Fußn.!

258a Der Spiegel 12/1988, S. 171, Sp.1

259 Wolfgang Kaden über Winfried Wolfs Buch Eisenbahn und Autowahn, in: Der Spie-
gel 28/1987, S. 72 u. 74

259a S. dazu den ausgezeichneten Artikel über eine umweltgerechte Steuerpolitik in:
Natur 4/April 1988, S. 16ff.

260 Lawrence R. Klein, The Keynesian Revolution, S.152

261 Neben Gesell, Proudhon, Suhr (Anm. 67, 92, 169, u. 222), Johannsen (Anm. 59),
Dahlberg (Anm. 59), Douglas (Anm. 77), Otani (Anm. 112) und anderen bereits genannten
Außenseitern der Geld- und Kredittheorie wären vielleicht noch die folgenden zu erwäh-
nen: Waddill Catchings und William Frutant Forster, Mony, Bosten/New York 1924; Charles
F. Roos (u. Chatchings), Money, men, and machines, New York 1953; Ludwig Gall, Was
könnte helfen?, referiert u. kommentiert von Karl Georg Zinn in dem Manuskript Zur Früh-
geschichte des "theoretischen Interventionismus", Rheinisch-Westfälische Technische Hoch-
schule Aachen; der linksliberale Unterkonsumtionstheoretiker und Antiimperialist John At-
kinson Hobson, Der Imperialismus (1902), Kiepenhauer & Witsch, Köln/Berlin 1968; Edgar
Milhaud, ref. u. komm. v. Ulrich von Beckerath in Die Durchführung der Vorschläge von
Milhaud, Berlin 1934, und Frederick Soddy, Wealth, virtuel wealth and debet, Alleri & Mer-
win, London 1926. - Die Bodenreformer Damaschke, George u. den von Gesell emp-
fohlenen Frankfurth, Anm. 110, Otani u. a., Anm. 111. Nicht vergessen werden sollte auch
Franz Oppenheimer, der die Freilandlehre mit der Genossenschaftsidee verknüpfte. -
Ein vollständiger Katalog der Freiwirtschaftsliteratur (mit Leseproben und Abbildungen) ist
bei Werner Onken, Freiwirtschaftliche Bibliothek, Friedrich-Wegener-Str. 11, 293 Varel 1
zu haben. (Im Gauke-Verlag erscheint eine Gesell-Gesamtausgabe.)

262 Wahrscheinlich war sein Nachname Martin.


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