Auszug aus: Klaus Schmitt: Silvio Gesell - "Marx" der Anarchisten?;
Karin Kramer Verlag; Berlin; 1989; ISBN 3-87956-165-6

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II. Teil: Kindergeld aus der Bodenrente - ein matristisches Konzept

8. Gegen das Privateigentum an Grund und Boden...

" ..wenn ein Mensch bei seinen Lebzeiten das Recht
seines Grundbesitzes in ein Eigentumsrecht verwan-
deln will, so erkläre ich ihm den Krieg auf Leben und
Tod."
P. J. Proudhon


Das Geld ist nicht das einzige Mittel zur Zinserpressung. Wie uns u. a. die
Keynessche Zinsformel zeigt (s. Kap. 6), hat auch der Boden eine Vor-
machtstellung auf dem Markt. Während jedoch das Geld eine mehrfache
Sonderstellung einnimmt - als "Joker" (Suhr) im Tauschverkehr, wegen
seines Liquiditäts- und Transaktionskostenvorteils und als
nicht beliebig vermehrbares und dazu oft noch hortbares Tausch-, Spar-
und Kreditmittel - treffen für den Boden nur die beiden letztgenannten
Eigenschaften (adäquat) zu: Die Bodenfläche und viele Bodenschätze und
Naturkräfte sind 1. von Natur aus knapp und faktisch unvermehrbar und
können 2. ohne Durchhaltekosten ungenutzt gelassen werden. Mit Ausnah-
me des Bodens in den Agrarländen der Dritten Welt und des Erdöls, ha-
ben die Bodenflächen, die Bodenschätze und die Naturkräfte in den Indu-
striegesellschaften jedoch keine nennenswerte "Riegel"-Funktion in der
Zirkulation. Sie haben jedoch eine erhebliche Ausbeutungsfunktion,
wenn nicht alle Menschen in gleicher Weise über sie verfügen können:
wenn sie sich in der Verfügungsgewalt einiger weniger befinden, also Pri-
vateigentum sind: der Vorteil ihre tendentiell monopolistische Stellung auf
dem Markt, der ihnen dort einen "Bonus" (Keynes) in Form der Boden-
rente verschafft, kommt dann nur diesen wenigen Eigentümern zugute.

Da alle Nichteigentümer auf Naturkräfte, Bodenschätze und insbeson-
dere auf Bodenflächen angewiesen sind, um arbeiten und leben zu kön-
nen, müssen sie - direkt als eigentumslose Bauern, Mieter, Fabrikanten,
Kaufleute usw. oder indirekt als Arbeiter in den Produktionsstätten, Lä-
den, Büros etc. - diese bei jenen nachfragen, die über diese Naturpro-
dukte verfügen. Ist die Nachfrage nach Boden etc. größer als ihr Angebot
(Ungleichgewicht auf dem Markt), so entsteht (ähnlich wie beim unglei-
chen Geld-Ware-Verhältnis) eine Differenz auf dem Markt, die zu dem
Sondergewinn Bodenzins oder Bodenrente führt. Die Nutznießer dieser
Rente sind die Eigentümer des Bodens und der Naturschätze, wobei es
völlig gleichgültig ist, ob sie die Nutzung dieser Naturgeschenke verpach-
ten oder ob sie diese selbst bewirtschaften und ausbeuten (vorausgesetzt,
sie müssen die erzielte Bodenrente nicht als Zins an einen Geldgeber ab-
führen, weil diese Naturprodukte verschuldet sind).

Die Bodenrente ist um so höher, je dichter ein Land besiedelt ist, je rei-
cher seine Bürger sind, je mehr sie also für die Nutzung des Bodens etc.
an Pacht und Mieten zahlen können, und je schwieriger die Auswande-
rungsmöglichkeiten in Länder mit "Freiland, mit kostenlos oder billig
zur Verfügung stehendem Boden sind.

Die Grundrentner profitieren an jedem wissenschaftlichen und techni-
schen Fortschritt, der die Bürger von der Grundrente entlastet. Bauen sie
z. B. Hochhäuser, um den Boden intensiver nutzen und die Bodenrente
auf viele Bodenbenutzer verteilen zu können, dann steigt dort automa-
tisch die Rente pro Quadratmeter Bodenfläche und mit ihr der Grund-
stücksspreis. Die Grundeigentümer profitieren also unverdient an den
wissenschaftlichen, technischen, architektonischen, handwerklichen Lei-
stungen dieser Menschen ebenso, wie am Bevölkerungswachstum und
den entsprechenden Leistungen der Kinderaufzucht, oder was für Lei-
stungen die Bürger auch immer erbringen mögen.

Sogar die von den Bürgern selbst geschaffene Lebensqualität eines
Landes, einer Region oder eines Stadtteils - das Vorhandensein von Ki-
nos, Theatern, Sportplätzen, Konzertveranstaltungen, Festlichkeiten,
Schulen, Kindergärten, Jugend- und Bürgerzentren, Bibliotheken, Ver-
kehrsverbindungen, Elektrifizierung usw. - lassen sich die Grundeigen-
tümer von diesen Bürgern bezahlen. Wenn z. B. Kreuzberg durch teure
"Schicki-Micki-Läden" aufgemotzt wird, dann steigen dort die Miet- und
Bodenpreise und die dortige zahlungsunfähige Bevölkerung wird aus ih-
rem Kiez verdrängt (wofür die selbst betroffenen Mieter der Läden aller-
dings nichts können). Wollen die Menschen nicht auf freiem Land in der
Wildnis leben, im "Idiotismus des Landlebens" (Marx) dann müssen sie
auch für die Teilnahme an den Errungenschaften ihrer Kultur einen Tribut
in Form einer um diese Lebensqualität entsprechend erhöhten Rente an
die Grundeigentümer entrichten. (94) Die Grundrentner profitieren also
von Leistungen, die andere erbracht haben, und sie werden reicher und
reicher, ohne einen Finger krumm zu machen.

Beim Verkauf des Bodens hängt sein Preis von der Höhe der Rente ab,
die jeder Quadratmeter abwirft, und von der Verzinsung, die das in diesen
Boden angelegte Geld einbringen würde, wenn es in anderes Kapital inve-
stiert werden würde. Die Rentenhöhe jedes Quadratmeters hängt von sei-
ner Lage (Verkehrsverbindungen, Laufkundschaft etc.) und Qualität
(Fruchtbarkeit, Vorhandensein von Naturschätzen wie Metalle, Kohle,
Öl usw., und Naturkräften wie z. B. Wasserkraft) ab. Diesen Unterschie-
den entsprechend erscheint der Bodenzins als Differentialrente. (95) Diese
Differenz drückt sich in der unterschiedlichen Preis- bzw. Rentenhöhe der
einzelnen Grundstücke pro Quadratmeter aus, je nach dem, wie weit sie
z. B. von den Arbeits-, Lebens- und Verbraucherzentren entfernt sind. So
kostet ein Quadratmeter Grund und Boden in der Wildnis nichts (Gesell:
"Freiland ersten Grades"), auf dem Lande etwa drei, im Zentrum einer
Großstadt bis zu 30.000 DM, also das zehntausendfache eines entfernten
Ackers. (96)

In den letzten drei Jahrzehnten sind die Bodenrenten und Bodenpreise
in der BRD in fast astronomische Höhen geklettert. Helmut Creutz
schreibt: "(...) der Wert der Baugrundstücke (ist) seit 1950 in jedem Jahr
nominell um ca. 12% und real (nach Abzug der Inflationsrate, K. S.) um
8% angestiegen (qm-Preis 1950: 2,80 DM; 1983: 117 DM). Ein Grund-
stück von 10.000 DM aus dem Jahr 1950 hat heute demnach einen Nomi-
nalwert von etwa 420.000 DM und einen Realwert von 127.000 DM." (97)
Die potentielle Kaufkraft eines Grundstücks aus dem Jahre 1950 hat sich
also um mehr als das 12fache vermehrt - ohne produktive Leistung des
Eigentümers. Ein Geschenk der an Boden eigentumslosen Bürger an die
Grundeigentümer. Nur durch die Rezession seit Mitte der 70er Jahre ist
der Bodenpreisanstieg - vorübergehend - ins Stocken geraten.

Privates Grundeigentum verstößt gegen das Naturrecht...

Boden, Bodenschätze und Naturkräfte sind ein Geschenk der Natur, und
zwar an alle Menschen der Erde. Das Eigentumsprivileg einiger weniger
an diesen Naturgeschenken widerspricht also dem natürlichen Recht aller
Menschen "unseres" (!) Planeten an diesen Naturprodukten - also dem
Naturrecht.

a Als Exemplar der Gattung Mensch ist jedem Menschen - gewisserma-
ßen als "Landtier" - der Boden als Lebensgrundlage ebenso angeboren,
wie jedem Fisch als Wassertier das Wasser. Als Gattungswesen Mensch
hat also jedes einzelne Exemplar des Homo sapiens Anspruch auf diese
Naturprodukte. Die Aneignung und der Verkauf bzw. die Zurverfügung-
stellung der "Mutter Erde" und anderer unvermehrbarer und monopoli-
stischer Naturprodukte gegen eine Nutzungsgebühr, den Pacht- oder
Mietzins, durch eine kleine, juristisch legalisierte Minderheit von Priva-
teigentümern ist die gleiche Absurdität, als wollten sich einige Schlauköp-
fe die Luft aneignen und kubikmeterweise verkaufen oder gegen einen
Luftzins verpachten. Nur weil die überall und unbegrenzt vorhandene
Luft nicht einzuzäunen ist, bleiben wir wohl von der Privatisierung der
Atemluft verschont. (98)

In der Praxis kann sich in einem so dicht besiedelten Land wie die Bun-
desrepublik selbstverständlich nicht jeder nach Belieben Boden und Na-
turschätze aneignen; allgemein anerkannte Regelungen zur Bodennut-
zung und Ausbeutung von Bodenschätzen und Naturkräften und zur Ver-
teilung der Bodenrente sind daher unerläßlich. Das heutige Bodenrecht
ist jedoch nicht aus praktischen Erwägungen und durch die freie Überein-
kunft aller Betroffenen zustandegekommen. Es ist historisch teils aus
dem germanischen Lehnsrecht und den Gewaltverhältnissen des Feuda-
lismus, teils aus dem Unrecht der römischen Sklavenhaltergesellschaft
hervorgegangen. Dieses patriarchalische Bodenrecht hat das vorherge-
hende matristische Bodenrecht verdrängt, wo der Boden das kollektive
Eigentum der Garten- und Ackerbau betreibenden Frauen einer Sippe
war. (99)

... und ist ein Gewaltverhältnis

In den sogenannten Entwicklungsländern ist das private Grundeigentum
und die Bodenrente ein besonders gravierendes soziales Unrecht und
führte dort bereits vor der gegenwärtigen Verschuldungs- und Zins-
knechtschaft immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwi-
schen den Pächtern und Landarbeitern einerseits und den Großgrundbe-
sitzern und dem Staat andererseits.

In vielen dieser Länder müssen die Pachtbauern mehr als die Hälfte ih-
rer Ernte an die Grundeigentümer abführen - und das unter den Bedin-
gungen primitiver Anbaumethoden und daher auch geringer Erträge, so
daß ihnen kaum etwas zum Leben übrigbleibt. Auf den Philipinen, wo ei-
ne Großgrundbesitzerin, Corazon Aquino, Präsidentin ist, müssen die
Pächter sogar bis zu 80% ihrer Ernten an die Landeigentümer ablie-
fern. (100) Wegen ihrer Armut sind viele Pächter bei den Großgrundbesitzern
hoch verschuldet und müssen, außer den hohen Pachtzinsen, hohe Kre-
ditzinsen zahlen. Das macht die Tilgung der Schulden unmöglich, so daß
sie ihr Leben lang in Schuldknechtschaft verbleiben.

Häufig lassen die Großgrundeigentümer riesige Ländereien brachlie-
gen. Dadurch verlieren die Menschen in diesen Regionen ihre Erwerbs-
möglichkeiten, das dortige Wirtschaftsleben kommt zum Erliegen und
viele Menschen verhungern. So wirkt die Macht des privaten und mono-
polistischen Großgrundbesitzes sogar als "Riegel" des Wirtschaftsproze-
ses, obwohl der Boden kein Zirkulationsmittel ist.

In Mittelamerika ist die United Fruit Companiy ein berüchtigter aus-
ländischer Großgrundbesitzer. Diese US-amerikanische Kapitalgesell-
schaft pflegt ihre Bodenprivilegien mit Hilfe der vom US-Steuerzahler fi-
nanzierten "Ledernacken", einer US-Marine-Spezialtruppe, durchzuset-
zen und zu verteidigen. Ihrem finanziellen und militärischen Einfluß in
Zentralamerika haben die dortigen Nationen die Bezeichnung "Bananen-
republiken" zu verdanken. Sie kauft dort Politiker und sorgt dort für den
Sturz demokratisch gewählte bürgerlich-liberaler Reformregierungen.
So hat sie sich z. B. 1954 in Guatemala als Drahtzieher bei der gewaltsa-
men Beseitigung einer frei gewählten Bodenreform-Regierung und der
Installierung einer völkermordenden Militärdiktatur hervorgetan.

Diese Kapitalgesellschaft ist auch Beispielhaft für die Verquickung des
US-Staatsapparats mit dem Kapital, was wiederum die Handlangerdien-
ste des Staates für Kapital und Grundrentner verständlich macht. So war
zur Zeit der US-Intervention in Guatemals John Forster Dulles, ehemali-
ger leitender Angestellter des Anwaltbüros Sullivan & Croomwell, New
York, welches 1930 und 1936 an den Verträgen zwischen der United Fruit
Company und der guatemaltekischen Regierung mitwirkte, Außenmini-
ster der Vereinigten Staaten. Henry Cabott Loige, Teilhaber am (damals)
5.779-Millionen-Dollar-Kapital der United Fruit, war derzeit US-Chefde-
legierter bei der UNO und Gegner einer Einberufung des Sicherheitsrats
wegen der Intervention in Guatemala. Spruille Brude, ebenfalls Aktionär
der "Frutera", war der Wortführer der Propaganda gegen Guatemala, das
als angeblich kommunistisch in der Weltöffentlichkeit madig gemacht
wurde. Der Bruder des US-Außenministers, Allen Dulles, früherer Präsi-
dent der Unites Fruit, war der derzeitige Chef des CIA, der die militäri-
schen Operationen der Intervention gegen die frei gewählte guatemaltki-
sche Regierung vorbereitete und in Gang setzte.

Der Grund der Intervention: Die mit drei Viertel aller abgegebenen
Stimmen gewählte links-liberale Regierung unter Arbenz Guzman wollte
eine Bodenreform durchführen, von der nicht nur der einheimische Groß-
grundbesitz betroffen gewesen wäre, sondern auch das brachliegende
Land der Unitet Fruit - und nur dieses, was eigentlich sehr bescheiden
war. Er nahm sich jedoch die Frechheit heraus, die zu enteignenden Län-
dereien nach dem von den Grundeigentümern selbst festgelegten und
sehr stark unterbewerteten Buchwert des Bodens zu entschädigen und
nicht nach seinem sehr viel höheren Marktwert, für den die Grundeigen-
tümer jedoch nie Steuern bezahlt hatten! (101)

Guatemala ist ein ganz gewöhnliches Beispiel für viele andere. Auch
Aquino hat verkündet, nicht "soziale und wirtschaftliche Reformen, son-
dern Polizei- und Militäraktionen" seien die Antwort auf den "Terroris-
mus von links und rechts". (102) Soll heißen: die Antwort auf die Reformfor-
derungen der landlosen philippinischen Bauern und Pächter gegenüber
dem Großgundeigentum und dessen Staat. Sollte Aquino jedoch wider Er-
warten versuchen, den Staatsapparat für die Durchführung einer Boden-
reform einzusetzen, dann werden sich die Großgrundeigentümer mit ih-
ren (aus der Bodenrente finanzierten) Privatarmeen schon dagegen zur
Wehr zu setzen wissen. (103)

Auch in der Bundesrepublik sind die Gewaltverhältnisse nicht grund-
sätzlich anders. Das beweist z. B. das brutale Vorgehen bürgerlicher Poli-
tiker gegen jugendliche Hausbesetzer und die straffreie Erschießung
Benno Ohnesorgs duch einen Polizeibeamten am 2. Juni 1967.

Das Ausmaß des legalen Bodenunrechts in den Agrarländern derDrit-
ten Welt, aus dem legale Gewalt und legitime Gegengewalt hervorgehen,
machen - neben Elend und Hunger - nüchterne Zahlen deutlich. In
Nicaragua z. B. besaßen vor der Revolution der Sandinistas "zwei Pro-
zent der Grundbesitzer fünfzig Prozent des anbaufähigen Landes, siebzig
Prozent der Bauern aber nur zwei Prozent des Bodens"; zwölfmal in den
letzten hundert Jahren haben dort die USA militärisch interveniert... (104)

Gesell: "Die Zweiteilung des Volkes in Rentner und Lasttiere ist wider-
natürlich und kann darum nur durch Gewalt, körperliche (Polizei, Mili-
tär, Folter; K. S.) und seelische (Religion; Ideologie, Erziehung; K. S.)
aufrecht erhalten werden; sie ist Krieg." (105)

Vom Grundeigentum zum Finanzkapital

Häufig legt die Grundrente, insbesondere die aus Bodenschätzen, den
Grundstein für das Finanzkapital. So wurden z. B. die Rockefeller durch
ihren Erdöl-Reichtum zu mächtigen Finanzkapitalisten. In ihre Fußstap-
fen treten heute die Öl-Scheichs, die sich mit ihren angehäuften riesigen
Grundrentenerträgen als Großaktionäre in Industrie und Banken Euro-
pas und der USA einkaufen. Wohin auch mit dem vielen Geld! In dem
winzigen Öl-Staat Brunei, einem Relikt aus der Kolonialzeit, sprudeln
dem Sultan Muda Hassan al-Bolkiah aus seinen Ölquellen rund 56,6 Mil-
liarden Dollar jährlich aufs Konto (von denen er einige an die antisandini-
stischen Contras abzweigte). (106) Das entspricht der Hälfte des Schwedi-
schen Bruttosozialprodukts von 114 Milliarden Dollar 1980.

Grundrente und Wertzuwächse in der BRD

Auch in der Bundesrepublik ist die Ausbeutung der Produzenten und
Konsumenten durch die Grundeigentümer nicht unerheblich. (106a) Nach
den Angaben von Helmut Creutz betrug 1986 der gesamte Bodenwert der
BRD etwa 2.600 Milliarden DM. (107) Ungefähr ein Drittel dieses Boden-
werts entfällt auf Boden in öffentlicher und gemeinnütziger Hand, ver-
bleibt also ein Bodenwert von mehr als 1.700 Milliarden in privaten Hän-
den. Da wegen der längerfristigen Miet- und Pachtverträge die Boden-
rente zeitlich hinter der Bodenwertsteigerung herhinkt, rechnet Creutz
mit einer Rente von 3,5% des aktuellen Bodenwerts im Jahr. Demnach
entfiel damals (heute sind es schon wieder wesentlich mehr; siehe unten)
allein aus der Bodenrente ein jährliches arbeitsfreies (und nur sehr gering-
fügig besteuertes (107a)) Einkommen an den privaten Grundeigentümer von
rund 60 Milliarden DM. Das sind fast 10 Milliarden mehr, als der damalige
Verteidigungshaushalt der BRD ausmachte.

Hinzu kommt der Werzuwachs des Bodens, der den Eigentümern eben-
falls als leistungsloser Gewinn zufließt. Diesen realisieren sie als arbeits-
freies Einkommen, wenn sie bei Verkauf des Bodens die Gewinnspanne
der Preissteigerungssrate kassieren (Spekulationsgewinn), oder wenn sie
beim Abschluß neuer Miet- und Pachtverträge den Zuwachs der erhöhten
Bodenrente einstreichen (Rentabilitätsgewinn).

Diesen Gewinn kassieren auch jene, die Altbauten mit amtlich festge-
setzten Mietepreisen für den niedrigen Preis entsprechend der derzeitigen
Rentabilität gekauft haben und diese Häuser vermieten oder verkaufen,
wenn die Preisbindung aufgehoben worden ist. - Diese Gewinnspanne
ist ein Geschenk des Staates an Grund- und Hauseigentümer und Speku-
lanten. Und ausgerechnet diese leistungslosen Gewinne werden so gut
wie gar nicht besteuert!

Der Wertzuwachs des privaten Bodens beträgt nach Creutz (unter Be-
rücksichtigung des gegenwärtigen Rückgangs der Bodenpreissteigerung)
120 Milliarden im Jahr. Für jene 60% aller Haushalte in der BRD, die kei-
nen Boden besitzen, bedeutet das, daß sie den Wertzuwachs des Eigen-
tums der anderen 40% Haushalte in den letzten 32 Jahren mit etwa 95.000
DM je Haushalt bezahlen mußten. Dabei hat die große Mehrheit der 40%
Grundeigentümer mehr draufgezahlt, als sie an der Wertsteigerung ihres
kleinen Grundstücks gewonnen hat. Diese mehrstelligen und unversteu-
erten Millionengewinne machen, oft über Nacht, einige wenige Glücks-
pilze und vor allem staatlich geförderte Spekulanten. (108)

Das macht einen mühe- und leistungslosen Gewinn der privaten Grund-
eigentümer aus Renten (60 Mrd.) und Wertsteigerungen (120 Mrd.) von
rund 180 Milliarden DM im Jahr. Er stammt aus dem Arbeitseinkommen
der Produzenten, das diese vor allem als Käufer und Mieter über die Prei-
se ihrer eigenen Produkte, insbesondere im Mietpreis, bezahlen. Dieses
arbeitsfreie Einkommen der Grundeigentümer ist zwölfmal so hoch wie
die 15 Milliarden DM, die der Staat den Müttern und Vätern für ihre pro-
duktive Leistung der Aufzucht ihrer Kinder jährlich als Zuschüsse und
Steuervergünstigungen aus der Tasche der Steuerzahler - zum Teil also
aus ihren eigenen - zukommen läßt. (109)


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