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Marx hat seine von Linken viel bemühte, aber oft mangelhaft
verstande-
ne Mehrwert-Theorie 1865 ausführlich in seiner Schrift "Lohn,
Preis, Profit"
dargestellt. (154) Er schreibt dort: "Der Wert der Arbeitskraft
wird aus zwei
Elementen gebildet - einem rein physischen und einem historischen
oder gesellschaftlichen." Das physische Element, das den
(Tausch-)Wert
der Ware Arbeitskraft bestimmt, sind, wie bei allen Waren, die
(Re-)-
Produktionskosten: "Wie bei jeder anderen Ware ist der Wert
bestimmt
durch das zu ihrer Produktion notwendige Arbeitsquantum."
Er behaup-
tet also, "daß der Wert der Arbeitskraft bestimmt ist
durch den Wert der
Lebensmittel, die zur Produktion, Entwicklung, Erhaltung und Verewi-
gung der Arbeitskraft erheischt wird", also durch den Wert
der Nahrung,
Wohnung, Heizung, Kinderaufzucht, Krankenpflege, Berufsausbildung
usw., den der Arbeiter für die Erhaltung der Arbeitskraft
mindestens ver-
ausgaben muß. Mit anderen Worten: Der Lohn wird 1. bestimmt
durch
den Gegenwert bzw. Preis jener Güter, die zum Erhalt des
physischen Exi-
stenzminimums der Ware Arbeitskraft notwendig sind und auf dem
Markt
gekauft werden müssen. Als naturgegebener Fakt sind diese
Reproduk-
tionskosten relativ konstant.
Der Preis der Ware Arbeitskraft liegt in der Regel jedoch mehr
oder we-
niger über diesen Kosten. Das erklärt Marx aus dem 2.
der beiden "eigen-
tümlichen Merkmale, die den Wert der Arbeitskraft (...) vor
dem Wert al-
ler anderen Waren auszeichnet": "Außer durch dies
rein physische Ele-
ment ist der Wert der Arbeit in jedem Land bestimmt durch seinen
tradi-
tionellen Lebensstandard."
Das physische Element bestimmt also lediglich die untere Grenze
des
Lohnes, die der Unternehmer als Preis für die Arbeitskraft
langfristig und
im Durchschnitt auf dem Markt zu zahlen genötigt ist, wenn
sie nicht
durch Hungertod etc. verlorengehen soll. Das kulturgeschichtlich
vermit-
telte gesellschaftliche Element treibt jedoch den Lohn über
den Preis hin-
aus, den der Arbeiter für das Äquivalent seines physischen
Existenzmini-
mums auf dem Markt zu zahlen hat; "der Wert der Arbeit selbst
(ist also)
keine fixe, sondern eine variable Größe." Zu diesem
physisch und histo-
risch-gesellschaftlich bedingten Preis kauft der Unternehmer die
Ware Ar-
beitskraft auf dem Markt ein.
Marx behauptet nun weiter, daß der Unternehmer beliebig
über diese
so eingekaufte Arbeitskraft verfügen kann, sie also auch
länger am Tage
bzw. in der Woche arbeiten lassen kann, als zu ihrer täglichen
bzw. wö-
chentlichen Reproduktion an "Arbeitsquanten" notwendig
ist - ein für
Marx typisches Charakteristikum der Lohnarbeit. Da der Lohn als
Preis
der Ware Arbeitskraft wie der Preis jeder anderen Ware auf dem
Markt zu
ihren (Re-)Produktionskosten tendiert und davon nur durch gesellschaft-
liche Gewohnheiten nach oben abweicht, erhält der Arbeiter
einen Tages-
bzw. Wochenlohn, der nicht weit über diesen täglichen
bzw. wöchentli-
chen Reproduktionskosten seiner Arbeitskraft, über ihrem
"natür-
chen" Wert liegt. Den Gegenwert seiner täglichen Reproduktionskosten
könnte der Arbeiter vielleicht in sechs Stunden am Tag produzieren,
der
Unternehmer läßt ihn jedoch - als Käufer dieser
Arbeitskraft für einen
Tag - mehr als sechs Stunden am Tag arbeiten, wobei die obere
Grenze
bei der physischen Erschöpfung des Arbeiters liegt. Außerdem
nutzt er
die Technologie, Maschinen usw. ("fixes Kapital") zur
intensiveren Aus-
nutzung der Arbeitskraft, ein Fakt, der heute für die Umverteilung
der Ar-
beitseinkommen zugunsten der "Roboterrendite" (Suhr)
besonders wich-
tig ist (s. Kap. 2). Die Differenz zwischen dem Lohn in Höhe
der Repro-
duktionskosten plus der Lohnzulage auf Grund des "traditionellen
Lebens-
standards" einerseits und dem vom Arbeiter tatsächlich
erzeugten und
auf dem Markt vom Unternehmer in Geld realisierten Wert (abzüglich
Kosten für Rohmaterial, Abschreibung, Steuern etc.) andererseits
ergibt
den Profit (= Unternehmergewinn) bzw. den Mehrwert (= Profit plus
Bo-
denrente). Den Profit teilt sich der Unternehmer gegebenenfalls
mit dem
Geldgeber (Zins-Abzug), den Rentenanteil mit dem Grundrentner
(Ren-
ten-Abzug). (155)
Marx geht also davon aus, daß, wenn die menschliche Arbeit
zur Ware
wird, sie dann ebenfalls ganz wesentlich von ihren Produktionskosten,
also von ihrem "Arbeitswert", bestimmt wird, wie das
von ihr selbst er-
zeugte Produkt. Er unterwirft sie dem Arbeitswertgesetz, obwohl
er sie
als eine mit "eigentümlichen Merkmalen" behaftete
und daher als eine
vor allen anderen ausgezeichnete Ware begreift. Der Faktor der
Repro-
duktionskosten der Arbeitskraft gilt sicherlich für den vom
Sklavenhändler eingefangenen Arbeiter Sklave und für
das vom Pferde-
züchter erzeugten Arbeitstier Pferd: Weil dort die Einkommensverteilung
unter den Bedingungen reiner physischer Gewaltverhältnisse
stattfindet,
weil hier Tier und Mensch Objekte eines anderen sind, kann der
"Lohn"
des Pferdes oder des Sklaven auf die Höhe der Unterhalts-
oder "Be-
triebskosten" (Nahrung, Unterkunft etc.) hinuntergedrückt
werden (wo-
bei das Entgelt für die "Herstellungs-" und "Vertriebskosten"
dem Pfer-
dezüchter, dem Sklavenfänger und dem Pferde- und Sklavenhändler
zu-
fällt). Unter den Bedingungen einer liberalen Marktwirtschaft
- auch ei-
ner kapitalistischen! - und der "freien" Lohnarbeit,
also da, wo der Ar-
beiter weitgehend Subjekt bleibt, richtet sich der Preis für
die menschli-
che Arbeitskraft vor allem nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage
auf dem Markt. Hier aber gilt nicht der erste Teil der Mehrwerttheorie:
die Orientierung des Lohnes am Existenzminimum, sondern die Arbeits-
leistung der Arbeitskraft, reduziert allerdings um den Zins Tribut,
den er
im Preis seiner Arbeitskraft und anderer Waren zu zahlen hat.
Das allein
rechtfertigt es m. E. jedoch nicht die Lohnarbeit als "Lohnsklaverei"
zu
bezeichnen. Der Unterschied zwischen Lohnarbeit und Sklaverei
wird
deutlich, wenn wir die Lage eines "Fremdarbeiters" und
KZ-Häftlings
mit der eines Lohnarbeiters bei Krupp, Siemens usw. während
der NS-
Zeit vergleichen (s. a. Anm. zu Lohnarbeiter und Sklave bei den
Zinsfor-
meln, Kap. 6, S.107). (156)
Außerdem wird bei uns heute die Entlohnung auf Stunden bezogen
und
tariflich festgelegt und die über eine vereinbarte Tages-
und Wochenar-
beitsszeit hinausgehende Arbeitszeit sogar mit Überstundenaufschlag
be-
zahlt. Mittels unbezahlter zeitlicher Mehrarbeit kann der Unternehmer
also keinen Mehrwert kassieren.
Aber auch Marxens zusätzliche Hilfskonstruktion, die Einführun
des
historisch-gesellschaftlich bedingten Faktors der Gewohnheiten
zur Be-
stimmung der Lohnhöhe, reicht nicht aus, um den empirischen
Wider-
spruch zu erklären, warum sich die Lohnhöhen-Wirklichkeit
nicht die
Bohne um das Existenzminimum der Lohnempfänger kümmert.
Diese hi-
storischen und gesellschaftlichen Faktoren sind nur leichte Gewichte
in
der Waagschale des Gesetzes von Angebot und Nachfrage, ganz abgese-
hen davon, daß mit ihrer Einführung das Wertgesetz
zur Begründung der
Ausbeutung kaum noch erforderlich ist.
Zwar hat die Unterbezahlung der Frauenarbeit gegenüber der
Männer-
arbeit bei gleicher Leistung und die Nichtentlohnung der Haushaltsarbeit
und Kinderaufzucht der Frauen durch den Ehegatten in der Kleinfamilie
(deren Wert mit 2.700 bis 9.000 DM im Monat berechnet wird (157))
in der
heutigen Industriegesellschaft sicherlich auch etwas mit den aus
der pa-
triarchalisch-feudalistischen Gesellschaft überlieferten
Traditionen zu
tun, z. B. mit der Erziehung der Frauen zum Dienen, aber auch
mit dem
Gewaltverhältnis in Ehe und Familie. Überlieferte gesellschaftliche
Ge-
wohnheiten können jedoch nicht als besonders gewichtig für
die Einkom-
mensverteilung in der Volkswirtschaft angesehen werden, schon
gar nicht
in allen ihren Bereichen.
Außerdem spielen im Zuge ökonomischer Veränderungen
Traditionen,
Moral, Gewohnheiten und selbst Gesetze in der Regel allenfalls
eine
kurzfristige Rolle und werden meist schnell durch das ökonomische
Ge-
wicht überwunden, das die Ware Arbeitskraft auf dem Markt
einnimmt.
So hat z. B. die Klasse der Landlords in England im 14. Jahrhundert
trotz
strenger Gesetze und harter Strafandrohungen - auch gegen ihre
eige-
nen Klassenangehörigen - nicht durchsetzen können, daß
die einzelnen
Grundherren keine höheren Löhne (aus "Gewinnsucht",
wie es damals
hieß!) zahlten als erlaubt war. Um produzieren zu können,
brauchten sie
Arbeitskräfte, und die waren damals knapp: wegen der Entvölkerung
Englands durch eine große Pestseuche. (158) Das ökonomische
Gesetz von
Angebot und Nachfrage (verringertes Arbeitskräfteangebot
gegenüber
gleichbleibender fruchtbarer Bodenfläche) hat sich hier flink
durchge-
setzt - sogar gegen die physische Gewalt des Staates und der Grundei-
gentümer als Klasse.
Die gleiche materielle Gewalt des Gesetzes von Angebot und Nachfra-
ge gegenüber allen psychisch und ideologisch verankerten
Traditionen
und Gewohnheiten zeigt - ganz im Sinne materialistischer Weltanschau-
ung! - auch die Gegenwart. So haben sich z. B. Lebensgewohnheiten
und Lebensstandard der Arbeiter in der Bundesrepublik in den 50er
und
60er Jahren sehr schnell und ganz erheblich verändert - aber
als Folge
der steigenden Reallöhne auf Grund einer anhaltenden Wirtschaftsblüte,
und nicht verursacht durch einen "traditionellen Lebensstandard",
wie
Marx wörtlich schreibt und kursiv hervorhebt.
Die Wirklichkeit beweist also, daß nicht die sich verändernden
Ge-
wohnheiten oder gar der steigende "Lebensstandard" die
Ursache für die
steigenden Löhne sind, sondern die steigenden Löhne
die Voraussetzung
und Bedingung für die Veränderung der Gewohnheiten und
den steigen-
den Lebensstandard. Woher sollte letzterer auch kommen, wenn nicht
aus
dem Einkommen? Jeder weiß aus eigener Erfahrung, daß
sein Lebens-
standard von seinem Einkommen bestimmt wird und nicht umgekehrt
sein Einkommen vom Lebensstandard. Wenn aber der vom Einkommen
bestimmte Lebensstandard den Lohn bestimmen soll, dann liegt hier
ein
Zirkelschluß vor. Daran ändert sich auch dann nichts,
wenn wir von ei-
nem gesellschaftlichen Lebensstandard ausgehen. Er ist die Summe
aller
individuellen Lebensstandards, und die werden nun mal von der
Höhe der
Einkommen, also auch von der Höhe der Einkommen aus Löhnen
be-
stimmt.
Marx verwechselt Ursache und Wirkung. Nach seinem Verständnis
ver-
ursacht, konsequent zu Ende gedacht, das Bewohnen einer teuren
Villa
im Grunewald, also dieser hohe "Lebensstandard" - und
nichts anderes
ist Lebensstandard! - ein Monatsgehalt von 20.000 DM. Ebenso wird
der Lohn eines türkischen Arbeiters, vielleicht 2.000 DM
im Monat,
durch sein Vegetieren in einem billigen Loch in einem Kreuzberger
Hin-
terhaus, also vom niedrigen Lebensstandard, bewirkt. Wenn der
Manager
aus dem Grunewald mit dem Arbeiter aus Kreuzberg seinen Wohnsitz-
also seinen Lebensstandard - tauscht, dann zahlt der Arbeitgeber
dem
ungelernten Türken fortan einen Lohn von 20.000 und seinem
hochqua-
lifizierten Angestellten nur noch ein Gehalt von 2.000 DM! Nein?
Dann
wird der ungelernte Arbeiter so schlecht und der hochqualifizierte
Ange-
stellt so viel besser entlohnt, weil das "Tradition"
ist? Das jedenfalls ist die
Logik der Mehrwerttheorie.
Der spinnt, der Charly!
Von der trinitarischen Formel...
Offenbar trägt die Mehrwerttheorie zur Erklärung der
Ausbeutung nicht
viel bei, eher stiftet sie Verwirrung. Mehr Klarheit gewinnen
wir, wenn
wir uns der sogenannten trinitarischen Formel bedienen, von der
Marx be-
hauptet, daß diese Formel "Kapital - Profit (Unternehmergewinn
plus
Zins), Boden - Grundrente, Arbeit - Arbeitslohn (...) alle Geheimnis-
se des gesellschaftlichen Produktionsprozesses einbegreift".
(159)
Immerhin läßt sich mit ihrer Hilfe die Verteilung des
Volkseinkommens
bzw. des Sozialprodukts auf die einzelnen Klassen transparent
machen:
auf die Klasse der Kapitalisten (Eigentümer von vermehrbarem
Sachkapi-
tal und von Finanzkapital), der Grundrentner (Eigentümer
von nicht ver-
mehrbarem Sachkapital) und der Produzenten (Arbeiter und Unterneh-
mer). Da uns jedoch die Statistiker für diesen speziellen
Zweck (bezeich-
nenderweise) keine Daten zur Verfügung stellen, müssen
wir die verwen-
den, die Helmut Creutz für seine Einkommensanalyse aus ihnen
müh-
sam herausgearbeitet hat. Seine Zahlen können wir ebenfalls
in eine trini-
tarische Formel einsetzen. Dabei sind aber die Einkommen aus dem
ver-
mehrbaren und unvermehrbaren Realkapital zusammengefaßt
und nur
das Zinseinkommen aus dem Finanzkapital erscheint gesondert. Dieser
Einkommensverteilung zufolge erhielten 1982 die Eigentümer
des Sach-
kapitals einschließlich des Bodens rund 170 Milliarden DM
als Renditen
und Renten und die Finanzkapitalisten (nach Abzug der ca. 60 Mrd.
Bankkosten) etwa 180 Milliarden DM als Geldzinsen. (160) Fassen
wir
Creutz' dreiteilige Formel zu einer dualistischen zusammen, dann
betru-
gen die gesamten Zinserträge (Geld-, Kapital- und Bodenzins)
350 Mil-
liarden DM. Die restlichen rund 850 Milliarden des Volkseinkommens
teilten sich die Lohnarbeiter (im weitesten Sinne) mit den Unternehmern
(als solche), also die selbständigen und unselbständigen
Produzenten.
Der Zinsanteil am Volkseinkommen betrug 1982 also 29 %.
Daß die Zinsbezieher z. T. gleichzeitig auch Produzenten
sind, ist für
unsere Analyse irrelevant und fällt auch nicht ins Gewicht.
Unsere Formel
zeigt die Verteilung des Volkseinkommens auf zwischen dem arbeitsfreien
Einkommen der Kapitalisten als solche, das diesen als "Mehrwert"
aus
der Arbeit der Produzenten zufließ, und dem Arbeitseinkommen
der Ar-
beiter und der Unternehmern als solche, das diesen als "Lohn"
verbleibt.
Wenn wir also die trinitarische Formel von Marx mit den Zahlen
von
Creutz zu einer dualistischen zusammenfassen; dann zeigt uns diese
die
Einkommensverteilung zwischen allen Zinsbeziehern (Geld-, Sachgutka-
pitalisten und Grundrentnern) einerseits und allen Produzenten
(selbstän-
digen und unselbständigen "Arbeitern") andererseits,
also zwischen "Ka-
pital und Arbeit". Daß viele Kapitalisten auch arbeiten,
ist nicht von Be-
deutung, weil es hier um die Einkommensverteilung aus Arbeitsleistung
und Kapitalgewinn geht.
Auf das Sozialprodukt bezogen, drückt diese Verteilung die
Grafik 11
aus. Der "Zinsanteil" für die Kapitalisten und
Grundrentner ist dort iden-
tisch mit dem gesamte Mehrwert-Anteil am Bruttosozialprodukt;
die Pro-
duzenten erhalten (nach Abzug von Erhaltungsinvestitionen etc.)
den
Rest der von ihnen erzeugten Produkte über die Kaufkraft
ihres Lohnan-
teils. Den Zinstheorien von Proudhon und Gesell zufolge, wird
die Größe
dieses Lohnanteils bestimmt durch die Menge der eingesetzten Kapita-
lien Geld (Liquidität), Realkapital und Boden und die Höhe
ihrer "Zins-
sätze" . (160a)
Anders bei Marx. Bei ihm wird die in seiner trinitarischen Formel
sche-
matisch dargestellbare Einkommensverteilung bestimmt durch die
auf
den Lohnarbeiter bezogenen "Elemente" der Mehrwerttheorie:
durch
die physischen Reproduktionskosten des Lohnarbeiters und durch
seine
traditionellen Lebensgewohnheiten. Das heißt jedoch, daß
jede Produk-
tivitätssteigerung durch zusätzlich eingesetztes Realkapital
und durch
Produktivitätssteigerung dieses Realkapitals dem Profit-
und Rentensek-
tor unserer Formeln, also den Kapitaleigentümern und Unternehmern
als
"Profit" und/oder den Finanzkapitalisten als Zins und
den Grundeigentü-
mern als Rente zufließen muß, während die Größe
des Lohnsektors ab-
hängig ist von der Menge des eingesetzten "variablen
Kapitals" Lohnar-
beiter bzw. Lohn. Daran ändert sich auch dann nichts, wenn
der Geldzins,
der nach Marx "zu jeder beliebigen Tiefe fallen" kann,
(38) auf Null sinkt. In
diesem Falle würde der Unternehmer mit Sachkapital, gleichgültig,
ob
dieses verschuldet ist oder nicht, den gesamten Profit bzw. Mehrwert
ein-
streichen. Folglich ist der Zins laut Marx allein "ein Verhältnis
zwischen
zwei Kapitalisten (Unternehmer und Geldgeber; K. S.), nicht zwischen
Kapitalist und Arbeiter". (153) Denn die Lohnarbeiter erhalten
ja nur jenen
Anteil am Einkommen, der von den beiden oben geschilderten "Elemen-
ten" der Mehrwerttheorie bestimmt wird. Obwohl, wie Marx
in Lohnar-
beit und Kapital sagt, "das rasche Wachsen des Kapitals die
günstigste Be-
dingung für die Lohnarbeit ist", bedeutet das, daß
die individuellen Löh-
ne - trotz einer gewissen Variabilität - unter allen marktwirtschaftli-
chen Bedingungen und unabhängig von der Größe
des Sozialprodukt und
des eingesetzten Kapitals relativ konstant bleiben. Infolgedessen
kassie-
ren der schuldenfreie Eigentümer der Produktionsmittel wie
auch der Un-
ternehmer mit zinsfreiem Kredit alles, was über das hinausgeht,
was seine
Lohnarbeiter auf Grund der "Elemente" des Mehrwertgesetzes
erhalten
- eben den "Mehrwert". Es mag also noch so viel Realkapital
bereitge-
stellt werden, langfristig (und nur von Krisen unterbrochen) wirft
es einen
"Profit" ab, der ausschließlich (Finanz-)Kapitalisten
und Unternehmern
zügute kommt und den diese unter sich aufteilen. Das bedeutet,
daß Zin-
serhöhungen zwar den Unternehmergewinn schmälern und
Zinssenkun-
gen ihn erhöhen, daß jedoch die Löhne und die
Kaufkraft der Löhne da-
von unbeeinflußt bleiben.
Nun ist nicht zu leugnen, das bisweilen die Einkommen der Unterneh-
mer zurückgehen, wenn die Geldzins-Belastungen steigen, während
die
Stundenlöhne kontinuierlich mit dem Sozialprodukt wachsen
(s. Grafik
12). Aus diesem Sachverhalt dürfen wir jedoch keine falschen
Schlüsse
ziehen. Dieser Rückgang der Unternehmereinkommen hängt
vor allem
damit zusammen, daß diese weitaus flexibler auf Zinskosten-Veränderun-
gen reagieren, als die im entwickelten Kapitalismus tariflich
langfristig
festgelegten Stundenlöhne der Arbeiter und Angestellten (daher
das Ge-
jammer der Unternehmer in der Krise um die angeblich zu hohen
Löh-
ne). Doch Tarifverträge laufen aus und dann entsteht auch
ein Geraufe
zwischen den Unternehmern und Lohnarbeitern (Tarifverhandlungen,
Streiks etc.) um jenen Anteil am Volkseinkommen, der nicht den
Finanz-
kapitalisten zufällt. Dieser verbleibende Anteil am Volkseinkommen
ist
die gemeinsame "Lohn"summe der Arbeiter und Unternehmer
plus die
Summe der Renditen des schuldenfreie Eigenkapitals der Unternehmer.
Der Kampf der Unternehmer und Lohnarbeiter um ihren jeweiligen
Anteil am (in der trinitarischen Formel als "Arbeit - Lohn"
dargestell-
ten) Lohnsektor ist jedoch kein Verhältnis zwischen Unternehmern
und
Kapitalisten, sondern ein Verhältnis zwischen unternehmerischen
"Arbei-
tern" (Marx) und Lohn-Arbeitern! Dieser Anteil aller Arbeitseinkommen
am Volkseinkommen (identisch mit der Kaufkraft der Produzenten
in Be-
zug auf das Sozialprodukt) ist festgelegt durch den "Bonus",
den der Bo-
den, das Geld und in Folge des Geld(Kredit)zinses die vermehrbaren
Pro-
duktionsmittel auf dem Markt erzwingen: er, der Zins, reduziert
die Ar-
beitseinkommen und belastet die Warenpreise. Von beidem sind die
Löh-
ne der Lohnarbeiter ebenso betroffen, wie die Arbeitseinkommen
der Un-
ternehmer. Denn beide "Lohn"arten sind sowohl von Kürzungen
wie von
Kaufkraftminderungen der Löhne betroffen. Beides reduziert
den Zugriff
aller Produzenten auf ihr gemeinsames Sozialprodukt. Sinken jedoch
die Zinsen, dann (das macht die Grafik 11 deutlich) steigen auch
die Ar-
beitseinkommen und die Kaufkraft dieser Einkommen.
Dieses Problem der Kaufkraftminderung der Löhne durch die
Zinsbe-
lastungen der Preise, ein Problem in der Zirkulationssphäre,
wird von der
auf die Produktionssphäre beschränken Mehrwerttheorie
überhaupt
nicht erfaßt. Diese Zinsbelastungen reduzieren jedoch die
Zugriffsmög-
lichkeiten der Arbeiter auf des Sozialprodukt ganz erheblich.
Wenn ein
Arbeiter 2.000 DM Nettolohn erhält, dann ist es für
ihn nicht bedeu-
tungslos, ob jeder halbe Liter Bier mit 1 DM Zins belastet ist,
oder ob
seine Wohnung 300 oder 1.000 DM kostet (s. Grafiken 1 u. 2). Und
auch
nicht, daß die Kaufkraft der Arbeitseinkommen aller Produzenten
relativ
zum Sozialprodukt (s. Grafik 4) oder gar absolut (s. Grafik 7)
mit zuneh-
mender Geschwindigkeit geringer wird.
Der von Marx postulierte Gegensatz Unternehmer/Kapitalist ist
allein
ein Gegensatz von Sachgut-Kapitalist und Finanz-Kapitalist, und
zwar
dann, wenn die unternehmerischen Eigentümer von Realkapital
ein-
schließlich Boden ihr Eigentum beleihen, wenn sie als Sachgut-Kapitali-
sten zu Schuldnern bei den Geld-Kapitalisten werden und an den
Finanz-
kapitalisten Kreditzinsen aus ihren Renditen und Renten abführen
müs-
sen. Das ist aber kein Gegensatz zwischen einem Unternehmer als
sol-
chen und einem wirklichen Kapitalisten (s. Kap.10), sondern tatsächlich
zwischen zwei Kapitalisten.
Als Eigentümer unverschuldeter Produktionsmittel kann der
Unterneh-
mer dem Lohnarbeiter allerdings einen Teil der Rendite abgeben
(was er
oft auch tut, z. B. per Gewinnbeteiligung oder in der Weise, wie
es der So-
zialreformer Owen gemacht hat), doch in der Regel zieht er es
vor, seine
gleichzeitige Position als Kapitalist zu nutzen: er wird die spezifische
Boni-
tät seines Eigentums auf dem Markt ausschöpfen und die
daraus resul-
tiernde Rendite in die eigene Tasche stecken. Der eigentumslose
Unter-
nehmer erhält keine Rendite und hat daher auch keine zu verschenken.
Er zweigt Kreditzinsen von seinem mit Krediten finanzierten Produktiv-
kapital ab und ist als Kapital-Besitzer und Nur-Unternehmer (Marx:
"Ar-
beiter") ebenso vom Zins betroffen, wie der verschuldete
Sachkapital-
"Eigentümer", der dann eigentlich auch nur Kapitalbesitzer
ist.
Schließlich widerlegt auch die (in Grafik 12 dargestellte)
Parallelent-
wicklung von Stundenlöhnen und Sozialprodukt schlagend die
These der
Mehrwerttheorie,die Löhne wären an des physische Existenzminimum
der Lohnarbeiter und an ihre gesellschaftlichen Traditionen gebunden,
würden also nicht am wachsenden Reichtum einer Volkswirtschaft
teilha-
ben. Andererseits beweist die kontinuierliche Aufwärtsentwicklung
der
Stundenlöhne trotz steiler Aufwärtsentwicklung der Bankzinserträge
(ebenfalls in Grafik 12 dargestellt) noch lange nicht, daß
die Einkommen
der Arbeiter von Zinsen nicht beeinfußt würden. Lediglich
die Stunden-
löhne der durch gute gewerkschaftliche Organisation (im Kapitalismus
berechtigterweise) tendentiell monopolisierten Arbeitskraft sind
von
Bankzinsbelastungen (vorrübergehend) nicht (direkt) betroffen,
wohl
aber die Einkommenssumme aller Arbeiter! Denn die hohen Zinserträge
gehen vor allem aus hohen Zinsraten hervor, und diese beeinflussen
die
Beschäftigungslage. Das hatte zur Folge, daß mehr als
2 Millionen Arbei-
ter in der BRD keine Löhne mehr erhalten, weil sie arbeitslos
sind.
Nichtdestoweniger gehören sie immer noch der Arbeiterklasse
an. Also
wird der Lohnanteil der gesamten Lohnarbeiterklasse am "Kuchen"
der
Volkseinkommens auf jeden Fall kleiner bzw. wächst geringfügiger
als das
Volkseinkommen und Sozialprodukt.
Den Einfluß der Zinsen auf das gesamte Einkommen der Arbeitneh-
mer macht die Grafik 13 deutlich: bei wachsender Wirtschaft geht·der
An-
stieg des gesamten "Bruttoeinkommens aus unselbständiger
Arbeit" zu-
rück, wenn die "Zinserträge der privaten Haushalte"
(in Prozenten des
BSPs) ansteigen, und umgekehrt, umgekehrt. Damit ist Marxens Be-
hauptung, die Zinsen hätten für die Einkommen der unselbständigen
Ar-
beiter keine Bedeutung, empirisch widerlegt.
Da der Zinsfuß relativ unelastisch ist und nicht unter
die (reale) 3%-
Marke sinkt (schon gar nicht bei Festwährung oder Deflation),
ist der Zins-
anteil am gesamten Kuchen des Volkseinkommens nicht durch Lohn-
kämpfe oder durch Kollektivierung oder Verstaatlichung der
Produk-
tionsmittel (s. Kap.12) und/oder durch zentrale "Planwirtschaft"
(s. Zins-
knechtschaft im "realen Sozialismus") zu reduzieren
oder gar zu beseiti-
gen. Wird das Zinseinkommen, diese Liquiditätsverzichtsprämie,
bela-
stet, z. B. durch Lohnerhöhungen und/oder Steuern (Quellensteuer),
dann zieht sich die Liquidität, das Geld, aus der Zirkulation
zurück oder
fließt in rentable Anlagen im Ausland ab. Durchhaltekosten
für Liquidi-
tät hingegen könnten dem Zins entgegenwirken und gleichzeitig
ein Ab-
wandern von Tauschmitteln aus der nationalen Volkswirtschaft verhin-
dern. Alles andere ist mehr oder weniger ein Herumdoktern an Sympto-
men.
. . . zur quartanischen Formel
Mit meiner Kritik an Marxens Mehrwert Theorie will ich keineswegs
seine
Wert-Theorie in Frage stellen. Sie hat durchaus ihren Erkenntniswert.
Ein
Beispiel: Der Arbeitswert einer Summe,von 100 DM ist identisch
mit dem
Arbeitswert eines Produktes im Werte von 100 DM (Arbeitswert-Äquiva-
lenz). Der Arbeitswert einer einjährigen Kreditierung dieser
Summe von
100 DM ist 1, allenfalls 2, nicht aber 5, 6 oder 7 DM wert (keine
Arbeits-
wert-Äquivalenz). Was über 1 bis 2 DM hinausgeht, entspricht
dem "Bo-
nus" für den Liquiditätsvorteil des Geldes vor
der Ware: ist der Tauschwert
oder Preis dieses Vorteils, ist "Urzins". Eine Abweichung
des Tauschwerts
bzw. Preises eines Produkts oder einer Dienstleistung von ihrem
Arbeits-
wert macht den Widerspruch zwischen dem ideologischen Leistungsan-
spruch und der Leistungswirklichkeit in der kapitalistischen Marktwirt-
schaft deutlich: die Tauschungerechtigkeit. Auf die menschliche
Arbeits-
kraft und - wie Marx das ebenfalls macht - auf das (Papier-)Geld
(s.
Marx-Zit., Kap.13 (189)) kann das Arbeitswertgesetz nicht angewendet
wer-
den.
Die Mehrwert Theorie ist unhaltbar und somit eine Theorie ohne
Ge-
brauchswert. Sie legt nichts anderes nahe als das, was Marx im
Kommu-
nistischen Manifest auch ausdrücklich fordert: "alle
Produktionsinstru-
mente in den Händen des Staats, d. h. des als herrschende
Klasse organi-
sierten Proletariats zu zentralisieren" - mit den uns sattsam
bekannten
Folgen des entmündigten Proletariats und des Staatskapitalismus.
In Widerspruch zu anderen Gesellianern, vertritt der Physiokrat
Dioge-
nes/Hoffmann (in einer Auseinandersetzung über die Mehrwerttheorie
mit Karl Korsch (161)) die Auffassung, daß die Arbeitswerttheorie,
auf die
Produkte der Menschen bezogen, "generell richtig" ist,
nicht aber die auf
die menschliche Arbeitskraft bezogene Mehrwerttheorie. Er verweist
darauf, daß Marx selbst das "eherne Lohngesetz"
kritisiert hat, welches
nicht anderes behauptet, als daß der Lohn des Lohnarbeiters
von den Re-
produktionskosten seiner Arbeitskraft abhängt. Wenn Diogenes
jedoch
meint, der Fehler der Mehrwerttheorie läge darin, daß
Marx nicht er-
klärt, was denn nun die für die Lohnhöhe maßgebenden
"historischen
und moralischen Momente bestimmt", so halte ich das für
irrelevant, da
die gesellschaftlichen Traditionen (wie wir gesehen haben) ebenfalls
kei-
nen nennenswerten Einfluß auf die Lohnhöhe ausüben.
Für entscheidend
halte ich die Tatsache, daß die Menschen als Subjekte -
anders als ihre
Objekte: die von ihnen produzierten Waren - grundsätzlich
den vollen
Gegenwert ihrer Produkte, also ihren vollen Arbeitswert fordern,
wenn
sie diese gegen andere austauschen. Das gilt auch für den
Lohnarbeiter,
denn auch er verkauft letztendlich eine Leistung, die sich in
Produkten
realisiert, und das ist es, was den Unternehmer interessiert und
was er
"entlohnt". Die Kernfrage also, warum die Produzenten
diesen vollen Ar-
beitswert nicht erhalten, warum sie auf dem Markt für ihre
Produkte ein
Produkt geringeren Wertes eintauschen müssen, wird von der
Mehrwert-
theorie falsch beantwortet.
Der kardinale Schwachpunkt in Marxens Kapitalismusanalyse liegt
of-
fenbar darin, daß er nicht den qualitativen Unterschied
zwischen Geldzins
und Kapitalzins und den Ursprung des Profits (der Rendite) im
Geldzins
erkannt hat. Indem er den Geldzins aus dem Profit und nicht den
Profit
aus dem Geldzins ableitete, bleibt er auf der Erkenntnisstufe
seiner
(nicht-proudhonistischen) Zeitgenossen stehen. Wie für alle
Klassiker, ist
auch für Marx das Geld ein neutrales "Äquivalent"
aller übrigen Waren.
Anders als Proudhon, haben sie nicht begriffen, daß es gerade
deswegen
eben nicht ein wirkliches Äquivalent, sondern der "König"
(Proudhon),
der "Joker" (Suhr) aller Waren ist. Daraus folgt, daß
der Besitzer von Geld-
ersparnis (Liquidität), die nicht mit Durchhaltekosten belastet
ist, vom
liquiditätsbedürftigen Produzenten (einschließlich
Händler, Konsumen-
ten etc.) einen Zins (eine Liquiditätsverzichtssprämie)
für dieses Geld er-
pressen kann. Wegen dieser Geldzinsen müssen jedoch die kredi-
tierten Produktionsmittel einen Kapitalzins, "abwerfen":
sich "rentie-
ren". Diese Rendite, die von den Produzenten und Konsumenten
erar-
beitet werden muß, macht im wesentlichen den "Profit"
aus. Wie wir u. a.
aus der "Verschuldungskrise" vieler Länder der
Dritten Welt und des
"realen Sozialismus" wissen, kann der Geldzins zwar
nicht bezahlt wer-
den, wenn kein "Profit", keine Rendite erwirtschaftet
wird - eine Bin-
senweißheit -, andererseits erhalten die Kreditbedürftigen
aber auch keine
Darlehn, wenn sie nicht bereit sind, einen Zins zu zahlen. Der
Geldzins ist
also - ganz im Sinne Proudhons! - die funktionale Ursache des
Mehr-
wertanteils "Profit". (161a) In Ermangelung dieser Proudhonschen
Erkennt-
nis konnte der "Klassiker" Marx den Geldzins nicht aus
der "königlichen"
"Joker"-Stellung des Geldes ableiten und daher den "Profit"
(soweit er
Kapitalzins ist) auch nicht als Folge des Geldzinses begreifen.
Dieser theo-
retische Mangel der klassischen, kapitalistischen Ökonomie
ist wiederum
die Ursache für die verkorkste Wirtschaftspraxis aller marxistischen
Frak-
tionen.
Weil für Marx der Geldzins nicht als ökonomisch eigenständiger,
dem
Profit vorausgehender Faktor existiert, fallen bei ihm Zins und
Rendite
auch im "Profit"-Sektor seiner erleuchtenden trinitarischen
Formel zu-
sammen, bleibt sie eben eine dreiarmige Funzel. Von dieser erwartet
er
dann, daß sich mit ihr das "Geheimnis" des Kapitalismus
ans Licht
bringen läßt. Doch erst, wenn wir die trinitarische
Formel mit Hilfe der
Zinstheorie Proudhons, Gesells oder Keynes zu einer quartanischen
er-
weitern, können wir das Geheimnis des Produktionsprozesses,
besser ge-
sagt: der gesamten kapitalistischen Marktwirtschaft ans Licht
bringen. Un-
sere Formel muß sich also aus den vier Faktoren Arbeit -
Lohn, Boden-
Rente, Kapital - Rendite und Geld - Zins zusammensetzen. Mit dieser
Formel läßt sich dann, im Zusammenhang mit den Zinstheorien
von
Proudhon, Gesell und Keynes, unser kleines "Geheimnis",
kurzgefaßt,
folgendermaßen lüften: In einer geldlosen Wirtschaft
auf Freiland erhält
die menschliche Arbeitskraft ihren Lohn als vollen Arbeitsertrag,
auch
dann, wenn ihre Produkte gegeneinander ausgetauscht werden und
die
Arbeitskraft selbst eine Ware ist: es herrscht "Tauschgerechtigkeit"
(Ware
gegen gleichwertige Waren). Mit der Spaltung des Volkes in Eigentümer
an dem unvermehrbaren Produktions- und Gebrauchsmittel Boden und
in landlose Produzenten entsteht über Gewalt, Pachtverträge
usw. die
Bodenrente und damit die erste Form der Ausbeutung menschlicher
Ar-
beit: Arbeitsleistung gegen die Null-Leistung der Bodennutzungserlaub-
nis. Mit der Einführung eines Tauschmittels (Ware - Geld
- Ware), das
eine Sonderstellung in einer auf Kredit angewiesenen Volkswirtschaft
ein-
nimmt, entsteht das zweite Mittel der Ausbeutung: der Geldzins
als Lei-
stungsanspruch für die Null-Leistung des Liquiditästsverzichts.
Gleichzei-
tig mit diesem als Spar- und Kreditmittel verwendbaren und keinem
An-
gebotsdruck unterworfenen Tauschmittel entsteht aber - da Produk-
tionsmittel und Waren einen Überschuß abwerfen müssen,
damit der Zins-
anspruch des Kreditgebers erfüllt werden kann - ein dritter
Ausbeu-
tungsfaktor: die Rendite; sie macht auch die vermehrbaren Produktions-
mittel und Waren zu Kapital und realisiert damit das angehäufte
Geld, ge-
nauer: seinen Liquiditätswert, als Kapital: Geld - Kapital
- mehr
Geld. Von allen drei Ausbeutungsfaktoren, von Rente, Rendite und
Zins,
sind der vierte Einkommensfaktor unserer Formel, der Lohn, also
das Ar-
beitseinkommen der selbständigen (unternehmerischen) und
unselbstän-
digen (Lohn-)Arbeiter, in gleicher Weise betroffen (s. Grafik
11).
Aus dieser Theorie läßt sich ein ökonomisches
Konzept ableiten, das
auf der Grundlage einer Marktwirtschaft die Ausbeutung jeglicher
menschlicher Arbeit durch den Mehrwert - auch die der Lohnarbeit-
überwindet.
Wenn das "ehernes Lohngesetzes" (Lassalle), die Bindung
des Lohnes
an das Existenzminimum des Lohnarbeites, eine Schimäre ist
und es auch
keine nennenswerte Bindung des Lohnes an gesellschaftliche Traditionen
gibt, dann kann der Eigentümer von vermehrbarem und dem Wettbewerb
unterworfenem Realkapital auch nicht die Zinsersparnis seines
Sachkapi-
tals auf Dauer für sich allein einstreichen. Das kann nur
der Eigentümer
des unvermehrbaren, gewissermaßen konkurrenzlosen Bodens.
Wenn al-
so der Geldzins auf Null und damit der Kreditzins gegen Null gebracht
und die Zirkulation und der Wettbewerb dauerhaft gesichert sind,
dann
wird das produzierbare Realkapital so weit vermehrt, daß
der Faktor
"Profit" (Geldzins, Kapitalrendite und Monopolgewinne)
aus
der quartanischen Formel verschwindet. Da der Profitanteil am
Volksein-
kommen nicht aus der Welt verschwinden kann und neben den Grund-
rentnern nur noch die Lohnarbeiter und die angestellten und selbständi-
gen Unternehmer vorhanden sind, geht er in die Grundrenten und
in die
Kaufkraft der Arbeitseinkommen der Unternehmer und Lohnarbeiter
ein. Wird die Bodenrente mittels Enteignung zu Gunsten jener Produzen-
ten umverteilt, die für die Reproduktion der Bevölkerung
arbeiten, dann
verschwindet auch die Grundrente und damit der gesamte "Mehrwert"-
Geld-, Kapital- und Bodenzins - aus unserer Formel: der Mehrwert
geht
restlos in die Löhne ein. Ist die Zirkulation auf Dauer gesichert,
dann gibt es auch keine wirtschaftlichen Zusammenbrüche mehr,
die zu
einer erneuten Belebung des Profits führen könnten.
Unter diesen Bedin-
gungen verschwinden die Kassierer der Zinsen, Renten und Renditen
auf
Nimmerwiedersehen aus unserer quartanischen Formel, sie "sterben"
ei-
nes "sanften (ökonomischen) Todes" (Keynes) und
übrig bleiben allein
die Produzenten: die quartanische Formel hat sich in "Arbeit
- Arbeits-
lohn" aufgelöst! Die selbständigen und die Lohnarbeiter
verfügen jetzt
gemeinsam über den gesamten Einkommens"kuchen"
unserer aufgelö-
sten Formel; d. h., sie verfügen über das gesamte Sozialprodukt
der Volks-
wirtschaft und damit über ihren "vollen Arbeitsertrag"
(56). Der gesamte
Mehrwert ist im Lohn der Arbeiter und Unternehmer "aufgehoben"!
Und wie teilen sich nun die selbständigen und unselbständigen
Arbeiter
diesen nur noch aus "Lohn" bestehenden Einkommenskuchen?
Die Ver-
teilung des gemeinsamen Lohnfonds auf die einzelnen Lohnarbeiter
und
Unternehmer geschieht ziemlich leistungsgerecht nach den Gesetzen
der
Lohnbildung auf dem Arbeitsmarkt. Denn der Unternehmerlohn ist,
wie
Marx richtig sagt, nichts anderes als "das Gehalt des Dirigenten
(des Pro-
duktions- und Verteilungsprozesses; K. S.), oder sollte sein,
bloßer Ar-
beitslohn einer gewissen Art geschickter Arbeit, deren Preis im
Arbeits-
markt reguliert wird, wie der jeder andren Arbeit". (162)
Das Gleiche gilt für
die Einkommen von Genossenschaftlern, Wirtschaftskommunarden usw.
Wenn es also den vereinten Kräften aller Produzenten gelingen
würde,
das Geld und das vermehrbare und unvermehrbare Sachkapital zu
entka-
pitalisieren, d. h. vom Zins zu befreien, dann verschwinden aus
Marxens
trinitarischer Formel die Faktoren Profit und Grundrente, aus
unserer
quartanischen Formel Geldzins, Rendite und Grundrente, aus beiden
Formeln also der gesamte Mehrwert. Dann fungieren auch in einer
Markt-
wirtschaft die Wirtschaftsfaktoren Geld, Produktionsmittel und
ihre Pro-
dukte nicht mehr als Kapital: sie verlieren (wie bereits ein Rechtsextre-
mist in der Weimarer Republik befürchtete (58)) ihren Kapitalwert
für ihre
Eigentümer und fungieren nur noch als Tausch- und Gebrauchsmittel
für
Produzenten und Konsumenten: sie haben nur noch Tausch- und Ge-
brauchswert. Damit wäre die Ausbeutung des Menschen durch
den Men-
schen weitgehend überwunden.
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