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"Der Kredit ist die Heiligsprechung des Geldes, die
Erklärung seiner Herrschaft über alle anderen Pro-
dukte."
P. J. Proudhon
Neben dem Zins kann die Währung eine wesentliche Ursache
für Kon-
junkturkrisen und ein Instrument der Ausbeutung und Bereicherung
sein. In der Vergangenheit führte die Bindung der von Privatbanken
oder
von der Notenbank in die Zirkulation gegebenen Geldmenge an die
in
den Tresoren dieser Banken gelagerten Goldmengen, statt an die
produ-
zierten Warenmengen, häufig zu allgemeinen Preisschwankungen
- zu
Inflation und Deflation - und damit zu Störungen im Wirtschaftskreis-
lauf: zu Konjunkturschwankungen mit der Folge von Arbeitslosigkeit
und
Konkursen. Oft waren diese monetär bedingten Wirtschaftskrisen
sogar
die Ursache für Staatskrisen. Die Weimarer Republik ist vor
allem an ih-
ren Währungskrisen, einer Inflations- und einer Deflationskrise,
zugrun-
degegangen (s. Kap.13).
Voraussetzung für einen kontinuierlichen Konjunkturverlauf
ist also -
neben der Herabsetzung des Zinsfußes auf durchschnittlich
null Pro-
zent - auch eine stabile Währung, eine Währung, die
diesen Begriff
"Währung" - d. h. währen der Kaufkraftbeständigkeit
- verdient. Da
das Währen der durchschnittlichen Geldpreis-Stabilität
bzw. des allgemei-
nen Warenpreisniveaus - auf dieses und nicht auf das Schwanken
einzel-
ner Warenpreise kommt es an - durch die zu Gesells Zeit praktizierte
Gold- bzw Golddeckungs"währung" nicht gewährleistet
war, forderte
Gesell - ebenso wie die klassischen Anarchisten von Proudhon bis
Tuk-
ker (s. Kap.1) - ihre Abschaffung. Denn die Stabilität der
Goldwährung
und der auf Golddeckung basierenden Papierwährung (Goldkernwäh-
rung) ist von den Schwankungen der zufälligen Goldfunde,
von der Gold-
produktion und den schwankenden Goldpreisen und von Spekulationen
mit Gold und Goldgeld abhängig.
Bei einer Goldvermehrung steigt in der Regel die Menge der umlaufen-
den Tauschmittel. Wenn nicht in gleichem Maße wie die Geldvermehrung
die Warenproduktion wächst, verändert sich die Relation
zwischen ange-
botener Warenmenge und nachfragender Geldmenge und es kommt zu
ei-
ner allgemeinen Preissteigerung: zur Inflation (s. Quantitätsformel
des
Geldes und des Preisniveaus, Kap. 5). Diese Inflation heizt zwar
die Kon-
junktur (zumindest in der Anfangsphase) an, sowie jedoch der
zusätzli-
che Goldzufluß und damit die steigende Nachfrage nach Gütern
nachläßt,
kommt es zu einer Absatzkrise mit Arbeitslosigkeit. Das kommt
daher,
weil sich die Relation Geldzufluß zur Warenproduktion umkehrt:
es wird
mehr zusätzliche Ware produziert, als Gold gefördert
und Geld in den
Umlauf gebracht wird. Es kommt zur Tauschmittelverknappung und
zu ei-
nem allgemeinen Preisrückgang: zur Deflation. Jeder, der
es sich leisten
kann, hält - in Erwartung weiteren Preisverfalls - mit Einkäufen
zu-
rück: die "Liquiditätsvorliebe", wie Keynes
die Neigung zur Geldhortung
nennt, steigt. Die dadurch sinkenden Umsätze und Gewinne
führen zur
Einschränkung der Produktion und Investition, zu Entlassungen,
Ein-
kommensminderungen und weiterem Nachfragerückgang. Zusätzlich
zur
relativen Geldknappheit, wird also außerdem noch ein Teil
der vorhande-
nen Geldmenge aus der Zirkulation herausgenommen und gehortet,
was
die Krise verschärft.
Diese Deflationskrise hält an, bis sich der Preisstandard
auf einem nied-
rigen Nieveau entsprechend der neuen Relation von nachfragender
Geld-
menge und angebotener Warenmenge eingependelt hat oder bis durch
er-
neuten Goldzufluß die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen
wie-
der ausgeweitet wird - vorausgesetzt, daß diese zusätzlichen
Tauschmit-
tel, wegen ihrer deflationistischen Wertsteigerung, wegen fehlender
Durchhaltekosten und wegen Mangels an gewinnbringenden Anlagemög-
lichkeiten, nicht ebenfalls in Horten (Keynes: in der "Liquiditätsfalle")
verschwinden. Ansonsten kommt es wieder zur Belebung der Wirtschaft
- bis alles wieder von vorn anfängt...
Die Veränderung der umlaufenden Geldmenge kann also ebenso
Kri-
sen verursachen wie der Geldzins. Wenn die Notenbank z. B. die
von ihr
ausgegebene Geldmenge zu einem Drittel durch Einlagerungen von
Gold
in ihren Kellern "gedeckt" halten muß, dann bedeutet
die Veränderung
dieser Goldmenge um 10 Milliarden eine Veränderung der ausgegebenen
Geldmenge um 30 Milliarden Mark. Die Bindung der Geldmenge an
ei-
nen Goldstandard führt also durchaus nicht zu einer stabilen
Währung.
Sie bewirkt das Gegenteil von "Währung" der Kaufkraft
des Geldes -
mit den geschilderten konjunkturellen Folgen. Eine sinnvolle Währungs-
politik besteht also darin, die Geldmenge an die produzierte und
in den
Handel gebrachte Warenmenge anzupassen, also mit Waren statt mit
Gold
zu decken - und dafür zu sorgen, daß das ausgegebene
Geld auch um-
läuft.
Morgan
Diesen Gold"währungs"-Mechanismus haben schlaue
Spekulanten weid-
lich auszunutzten gewußt und so mühelos und ohne produktive
Gegenlei-
stungen an die Gesellschaft riesige Vermögen zusammenraffen
können.
Finanzspekulanten, die über ausreichende Geldmengen verfügten
und
einsetzen konnten, haben diese Krisen sogar gezielt und eigenmächtig
her-
beigeführt!
Die Grundzüge derartige Manöver beschrieben US-amerikanischen
Anarchisten bereits Mitte des 19. Jahrhunderts, so z. B. der libertäre
Geldtheoretiker William B. Greene in Equality: Die Banken "machen
große Noten-Ausgaben und Geld ist im Überfluß
vorhanden; (...) alle an-
deren Waren werden dadurch teuer. Dann verkauft der Kapitalist,
was er
zu verkaufen hat, solange die Preise hoch sind. Die Banken ziehen
ihre
Noten-Ausgaben ein und Geld wird rar, (...) alle anderen Waren
werden
billig. Die Gemeinschaft gerät in Not wegen des Geldes, die
einzelnen
sind gezwungen, Eigentum zu verkaufen, um Geld aufzubringen -
und
zwar mit Verlust zu verkaufen, wegen der Marktlage: dann kauft
der Kapi-
talist, was er zu kaufen wünscht, solange alles billig ist
(...)." (42)
"Diejenigen, die das Geld und den Kredit hervorbringen und
verteilen,
dirigieren die Maßnahmen der Regierung und halten das Schicksal
der
Bevölkerung in ihren Händen", bestätigt McKenna
diese "Funktionswei-
se der Bankensystems". - Er muß es wissen: er war einst
der Präsident
der Midland-Bank von England. (43)
Der Schweizer (vormalige) Sozialdemokrat und (spätere) Freiwirt-
schaftler Fritz Schwarz liefert für diese Machenschaften
des Finanzkapi-
tals einen historischen Beweis. In dieser Weise wurde die Wirtschaftskrise
von 1907/08 von Morgan im Bündnis mit Rockefeller inszeniert.
Morgan
wollte zwei Konkurrenten ausschalten, die Eisenerze und andere
Boden-
schätze förderten und verarbeiteten. Rockefeller wollte
den Staat unter
Druck setzen, um einer Geldstrafe wegen des Verstoßes seiner
Standard
Oil Company gegen das Antitrust-Gesetz in Höhe von fast 30
Millionen
Dollar zu entgehen. Um die Macht Morgans und Rockefellers nicht
zu un-
terschätzen, sollten wir beachten, daß des damalige
Geld das vielfache
seiner heutigen Kaufkraft besaß und daß das damalige
US-Sozialprodukt
nur einen Bruchteil des heutigenen ausmachte.
Im Juni 1906 beschlossen die beiden "Monarchen" Morgan
und Rocke-
feller, die Konkurrenz und die Regierung durch eine Deflationskrise
in
die Knie zu zwingen. Um möglichst wenig aufzufallen, schreibt
Schwarz,
begannen sie "den Rückzug des Geldes und damit die Einschnürung
des
Kredites für alle Unternehmungen in London, indem sie dort
125 Millio-
nen Dollars in Gold abhoben und nach New-York verbrachten. (...)
"
Welche Folgen hatte das für die englische Volkswirtschaft?
Auf jede
Verminderung des Goldbestandes der Notenbanken müssen diese
zwangsläufig den zweieinhalbfachen Betrag in Noten einziehen,
sofern
die Notenausgabe das zweieinhalbfache des Edelmetallbestandes
betra-
gen darf und betragen hat.
So hatte der Rückzug der Morgan'schen Millionen aus der
Bank von
England zur Folge, daß das englische Kreditgebäude
zum Einsturz ge-
bracht wurde, weil Kredite schroff gekündigt und neue verweigert
werden
mußten. Der Angstzins (die Risikoprämie; K. S.) der
englischen Unter-
nehmer stieg auf nie gesehene Höhe. Kaufleute wurden zu Tausenden
rui-
niert und Zehntausende von Arbeitern wurden arbeitslos.
Nachdem England die Geldklemme hatte, galt die dortige Kreditein-
schränkung als genügende Entschuldigung für eine
solche in den Vereinig-
ten Staaten und die Kreditgeber schritten hier sofort dazu, ihre
Darlehen
zurückzuziehen und alle weiteren Kredite einzustellen. (...)
Wie führte Morgan in den Vereinigten Staaten jetzt den Geldrückzug
durch? Darüber machte Senator La Follette folgende Angaben:
Morgan
und die Standard-Oil-Company beherrschten die City-Banks of New
York. Vor der Kreditsperre in London hatten die amerikanischen
Noten-
banken sehr viel Noten ausgegeben, bis zum 22. August 1907 täglich
durchschnittlich 1.300.000 Dollar, und die Morgan-Banken lieferten
hier
zu einen größeren Betrag als irgend eine andere Bankgruppe.
Vor dem 22.
August 1907 hatten die Morgan-Banken auch immer einen außergewöhn-
lich hohen Zinsfuß bezahlt und es war ihnen dadurch gelungen,
Geldmit-
tel der übrigen Banken anzulocken. Morgans Banken hatten
am 22. Au-
gust 1907 800 Millionen Dollar Depositen in Verwahrung und von
dieser
Summe gehörten nicht weniger als 200 Millionen Dollar zu
den "unantast-
baren" Reserven anderer Banken. Morgan besaß also sogar
die letzten
Bargeldmittel der andern Banken!
Wahrscheinlich gab er ihnen dafür Schuldscheine (Wechsel),
die alle
erst nach dem 22. August fällig waren. Bis zu diesem Datum
hatte er also
freie Verfügung über dieses Geld. Er setzte es wieder
in Umlauf, aber
diesmal so, daß dessen Hauptmasse vor dem zum Krache bestimmten
22.
August 1907 wieder bei Morgan zur Rückzahlung fällig
wurde. Sobald die-
ses Geld eingelaufen war, wurde es dem amerikanischen Schatzamt
zu-
rückgegeben. Es waren 260 Millionen Dollar. Arglos, wie staatliche
Äm-
ter ja sind, wurden die Noten zurückgenommen und konnten
nicht wieder
in den Verkehr gebracht werden, denn auch der amerikanische Staat
hat,
so wenig wie ein europäischer, das Recht, das Volk mit dem
wichtigsten
Verkehrsmittel, dem Geld, zu versorgen.
Um diese Noten seinerzeit ausgeben zu können, hatten Morgans
Ban-
ken Staatspapiere hinterlegen müssen. Diese bekamen sie wieder,
als sie
die Noten zurückbrachten. Selbstredend wurden sie auch noch
gegen bar
an der Börse verkauft und der Erlös dafür somit
ebenfalls dem Verkehr
entzogen! So hatte man 260 Millionen Dollar dem Schatzamt zurückgege-
ben, für 260 Millionen Dollar Staatspapiere erhalten, diese
verkauft und
den Erlös von ebenfalls 260 Millionen Dollar behielt man
ebenfalls zu-
rück. Das machte eine Verminderung des umlaufenden Geldes
von zu-
sammen 520 Millionen. Außerdem hatten Morgans Banken noch
40 Mil-
lionen Dollar ausgeliehen, die auch unmittelbar vor dem 22. August
fällig
wurden. So hatte die City-Banks of New York auf den 22. August
1907 800
plus 520 plus 40 Millionen Dollar aus dem Verkehr verschwinden
lassen,
das sind insgesamt 1.360 Millionen Dollar oder 7.044,8 Millionen
Fran-
ken. Der gesamte Geldbestand der Vereinigten Staaten wird für
1907 von
Stucki (Nationalökonomie, A. Franke, Bern) auf 9.998 Millionen
Fran-
ken berechnet.
So vorbereitet konnte Morgan ruhig mit der Uhr in der Hand die
Stun-
de des Kraches erwarten. Natürlich hatte er alles, was er
an Aktien besaß,
vor dem 22. August ebenfalls zu hohen Preisen gegen Bargeld verkauft.
Diese hohen Preise hatte er durch die vorhergehende, oben geschilderte
große Geldausgabe selber herbeigeführt und gerade diese
große Geldaus-
gabe hatte die Spekulation begünstigt und die Preise gesteigert.
Morgan hatte die Klugheit besessen, auch noch die Preise zu seinen
Zwecken zu benutzen. Er hat die Krise vorausgesagt und als dann
an je-
nem 22. August wirklich Zahlungseinstellungen von Gesellschaften,
die
wohl eigens gegründet wurden, um Bankerott und Eindruck zu
machen,
eintraten, da halfen ihm Presse und Publikum getreulich! Der übliche
Bankensturm setzte ein. Die andern Banken wollten jetzt ihre Gelder
aus
Morgans Banken zurückbekommen. Doch die Morgan-Banken weigerten
sich, diese Gelder zurückzugeben - solange die Panik anhalte
- dieselbe
Panik, die sie gerade durch das Zurückhalten des Geldes verursachten!
Ei-
ne Bank in Indiana hatte z. B. eine große Summe in Schecks
an eine Mor-
gan-Bank zum Einzug geschickt. Die Bank erhob auch das Geld, weigerte
sich aber, es der Bank in Indiana auszuzahlen! Eine ganze Reihe
solcher
Geschichten wurden erzählt.
Unter diesen Umständen war das Schicksal der Konkurrenzfirmen
von
Morgan besiegelt. Der gegnerische Trust, der, wie wir anfänglich
gehört
haben, Kredit erlangt hatte gegen Hinterlage seiner Aktien, erhielt
natür-
lich die Kündigung für diese Kredite, sobald die Aktien
im Kurs zu sinken
begannen und anderer Kredit war nirgends erhältlich. Seine
Aktien gingen
zu einem so geringen Kurs an Morgan über, daß Morgan
bei der später
einsetzenden Hochkonjunktur daran 670 Millionen Dollar gewann!
Ebenso ging es allen andern Unternehmungen; worauf man früher
eine
Million Vorschuß bereitwillig bekommen hatte, war bald nur
noch 900,
dann 800 und endlich nur noch 700.000 Dollar zu erhalten. Die
Folge wa-
ren Nachschußforderungen der selbst bedrängten Banken
gegenüber den
Kreditnehmern, die Unmöglichkeit, diese Nachschüsse
zu leisten,
Zwangsverkäufe über Zwangsverkäufe und noch rascher
sinkende Kurse.
Am schlimmsten ging es der Heinze-Morse-Thomas-Gruppe. Nicht bloß
wurde ihr Eigentum sozusagen konfisziert: der Bezirksanwalt der
Verei-
nigten Staaten wurde gegen sie gehetzt. Er zeigte plötzlich
auffallend amt-
lichen Eifer. Morse wurde vor Gericht gebracht und zu 15 Jahren
Gefäng-
nis verurteilt. (13 wurden ihm später durch Taft geschenkt.)
Und nun fand man es an der Zeit, auf die Landesregierung selbst
loszu-
gehen. Morgan hatte im Jahre 1904 150.000 Dollar an die Wahlkosten
von
Roosevelt beigetragen. Man erzählt sich, daß Morgan
Roosevelt mit ei-
ner weitern Reihe Bankerotte gedroht hätte und daß
dieser seine Einwil-
ligung zu einer Abschwächung des Antitrust-Gesetzes gab.
Ja, noch
mehr! Die Gerichtshöfe gaben dem Antitrust-Gesetz eine Auslegung,
die
sich niemand hatte träumen lassen, als das Gesetz gemacht
wurde. Die
hochwürdigen Richter fanden nämlich heraus, die Arbeiterverbände
seien
Trusts, und sie erließen Vorladungen gegen sie mit der Begründung,
daß sie
Verschwörungen gegen das Antitrust-Gesetz darstellten!
Dadurch wurde nun das ganze amerikanische Volk gegen seinen Präsi-
denten gehetzt. Morgan sandte ihm zwei seiner Direktoren nach
Washing-
ton und drohte ihm mit einer Panik. Es werde keine Bank in ganz
Amerika
geben, die sie nicht zwingen würden, ihre Zahlungen einzustellen.
Der Prä-
sident mußte gehorchen und 'die Majestät des Staates
und der Gesetze
wurde in den Kot gestampft unter dem goldgepanzerten Fuß
eines meinei-
digen Zuchthäuslers'.
Jetzt konnten die Finanzleute daran gehen, die bis auf den untersten
Punkt gesunkenen Aktien und Anteilscheine der Unternehmungen zusam-
menzukaufen. Morgans Agenten mögen damals arbeitsreiche Tage
erlebt
haben! Morgan kaufte nachweisbar an einem Tag 100.000 Stück
Aktien,
die er zum dreifach höheren Kurs vor 8 Monaten verkauft hatte!
Als er sich so verschafft hatte, was ihm begehrenswert schien,
trat er als
'Retter des Vaterlandes' hervor und verkündigte großartig
den Wunsch
'die Spannung zu lösen'. Der Finanzminister mußte jedoch
den Morgan-
Banken das Recht zu einer Ausgabe von 30 Millionen Dollar erteilen.
So
wurden die Mittel bereitgestellt, um die neue Preissteigerung
durchzufüh-
ren. Am 24. Oktober 1907 wurden die ersten Darlehen ausgegeben,
und
zwar zu einem Zinsfuße von 20 und mehr Prozent. Für
diese 'Tat' wurde
Morgan gepriesen, wie man seinerzeit selbst Washington nicht gerühmt
hatte. (...)
Der Erfolg der Wirtschaftskrise von 1907 wird für Morgans
Kasse auf
3.000 Millionen Dollar berechnet. Als 'Nebenerscheinung' ging
in den
Jahren 1907 und 1908 infolge der gewaltigen Arbeitslosigkeit der
Reich-
tum der Vereinigten Staaten um 30 Milliarden Dollar zurück,
das ist das
Achtfache des damaligen schweizerischen Volksvermögens.
Gegen Juni 1908 waren nach vorsichtiger Schätzung vielleicht
5 Millio-
nen Arbeiter in den Vereinigten Staaten ohne Arbeit und konnten
keine
bekommen." (44)
Es ist also nicht nur die Zinseszins-Akkumulation, die den Geldbesit-
zern riesige Einkommen und Vermögen verschafft, sondern auch
diese
durch Zinseszins-Akkumulation und - nicht zu vergessen! - durch
die
Ausbeutung von Bodenschätzen, insbesondere Erdöl, erworbenen
Geld-
vermögen selbst, die es ihnen ermöglichten, riesige
Krisengewinne zu ma-
chen und diese Krisen selbst zu inszenieren! Die damaligen Gold-
bzw.
Golddeckungs"währung" (die heute wieder von dem
sozialdemokrati-
schen Professor Wilhelm Hankel gefordert wird! (45)) war dazu
besonders
prädestiniert.
Rockefeller
Wir sehen, daß die Hochfinanz auf Grund der Zusammenballung
von
Geld- und Kapitalvermögen durch die Zinseszinsakkumulation
und
durch die allgemeinen Preisschwankungen in der Zeit des Goldautomatis-
mus gewaltige wirtschaftliche und politische Macht ausüben
konnte. Ist
das heute anders?
Der Zinseszins-Automatismus besteht fort und damit auch die expon-
entiell wachsende Kapitalkonzentration in den Händen einiger
weniger
Plutokraten. Durch die faktische Abschaffung der Goldwährung
fallen le-
diglich die Spekulationsmöglichkeiten und -gewinne durch
Deflationskri-
sen fort. Da aber das in der Vergangenheit angesammelte Geld-
und geld-
ähnliche Vermögen (Aktienkapital etc.) weiterhin in
den Händen einiger
Finanzkapitalisten vorhanden ist, steht ihnen auch dieses Vermögen
als
wirtschaftliches und politisches Machtmittel weiterhin zur Verfügung.
Wie setzten sie diese nun heute ein? Das hat Ferdinand Lundberg
ein-
leuchtend in seinem Buch "The Rockefeller Syndrom" (46),
also am Beispiel
der Rockefeller-Familie, dargestellt.
Er zeigt, daß die Großkapitalisten keine passiven
Geldanleger sind, die
allein vom Zinsertrag des Geldes profitieren. Diese "Finanzkapitalisten"
(Lundberg) setzen ihre finanziellen Mittel - Bargeld und Wertpapiere,
insbesondere Aktien - aktiv ein, um sich Vorteile auf dem Markt
zu ver-
schaffen, die über die Sonderstellung des Geldes als zinspressendes
Mittel
hinausgehen. Ihre ökonomischen Machtmittel nutzen sie sowohl
direkt
durch ihren Einsatz auf dem Markt als auch indirekt über
finanzielle Zu-
wendungen an Personen aus Parteien, Parlamente, Behörden,
Regierun-
gen und Stiftungen.
Lundberg hat dargestellt, wie "Kontrolle" in der Wirtschaft
durch Betei-
ligung ausgeübt wird, daß, wenn die Aktien breit genug
gestreut sind, be-
reits der Besitz von 10% der Aktien in einem wichtigen Unternehmen
aus-
reicht, um damit einen "bestimmenden" Einfluß
auf dieses Unternehmen
ausüben zu können, und daß 25% diesen Einfluß
"garantieren". (47)
Von besonderer Bedeutung ist die Herrschaft über Banken,
die den Fi-
nanzkapitalisten wiederum als Instrument zur Beherrschung der
nationa-
len und der Weltwirtschaft dienen. Durch entsprechende Beteiligung
an
Banken, wie der Chase National Bank und der Bank of Manhatten
(Cha-
se Manhatten Corporation) und an der First National City Bank
of New
York, kontrolliert das aus dem Ölgeschäft (Grundrentner)
hervorgegan-
gene Rockefeller-Syndikat als, wie Lundberg feststellt, "Finanzkapita-
list" das "Industriekapital": Macht und Einfluß
des gegenwärtig erfolg-
reichsten Familienmitglieds der reichsten und mächtigsten
Familie im
reichsten und mächtigsten Land der Erde und seiner Chase
Manhatten
Bank beschreibt Lundberg so: "Wie schon Archimedes sagte:
Wenn ein
Mann einen genügend langen Hebel hat, kann er die Welt aus
den Angeln
heben. David Rockefeller verfügt über einen Machtapparat,
der dem
schon sehr nahe kommt: Politiker aller Welt achten sorgsam darauf,
was
die Chase sagt und tut. - Der Nettogewinn der Bank lag 1973 bei
163.095.000 Dollar." Und 1973 ist lange her... Außerdem
ist die Chase
"nur die drittgrößte Bank der USA nach der Bank
of America (Kalifor-
nien) und der First National City Bank of New York". Zusammen
mit der
First National City Bank stehen diese beiden Rockefeller-Banken
jedoch
"einsam an der Spitze".
Banken sind also nicht nur "ehrliche Makler" zwischen
Kreditgebern
und Kreditnehmern (wie Helmut Creutz meint), sondern auch Machtin-
strumente der Finanzkapitalisten. Das zeigt schon die finanzielle
Potenz,
über die allein die Chase Manhatten Bank verfügt. "Wenn
man Treuhand-
fonds, den indirekten Einfluß und die Mittel alliierter
Banken hinzurech-
net, (lag vor mehr als zehn Jahren; K. S.) die finanzielle Größenordnung
der Chase und ihrer affiliierten Mitglieder des Rockefeller-Syndikats
bei
mindestens 200 Milliarden Dollar". (48) - Damit kann schon
einiges mehr
bewirkt werden, als mit dem, was der Ökobank je zur Verfügung
stehen
wird!
Besonders trickreich wird von den Rockefellern das, das Image
des
Rockefeller-Clans fördernde, Stiftungswesen in den USA gehandhabt.
Die meisten Universitäten sind dort private Stiftungen reicher
Gönner.
Die Rockefeller haben zahllose Universitäten gestiftet, und
David II.
selbst ist nicht nur Chef der Chase Manhatten Bank (bei der Mexiko,
Bra-
silien, Argentinien und Venezuela Mitte der 80er Jahre mit 6,1
Mrd. Dol-
lar verschuldet waren (49)), sondern auch Treuhänder einer
dieser vielen
Hochschulen. Diese Universitäten existieren von den Dividenden
der Ak-
tien, die ihnen "geschenkt" worden sind. Diese "Schenkungen"
haben ih-
ren Sinn: sie machen die Existenz dieser Tempel der Wissenschaft
in ho-
hem Grade von Dividenden und damit vom kapitalistischen Zinssystem
abhängig, und sie machen sie den spendablen Finanzkapitalisten
der Rok-
kefeller-Familie besonders ergeben! Dem Rockefeller-Syndikat ist
es so-
mit ein leichtes, meint Lundberg, die Hochschulen der Vereinigten
Staa-
ten für ihre Zwecke zu mobilisieren. Das gelte sowohl für
Kampfabstim-
mungen in Aktionärsversammlungen und für die Berufung
von Aufsichts-
ratsmitgliedern und -vorsitzenden, als auch bei der Erstellung
von Gut-
achten, beim Schreiben von Aufsätzen und Büchern und
bei der Verbrei-
tung kapitalfreundlicher Ideologie, versehen mit dem Stempel der
"Wis-
senschaftlichkeit". (50)
Hinzu kommen der Einfluß auf Journalisten durch Beteiligungen
an
Zeitungskonzernen und die finanziellen Möglichkeiten der
Bestechung
von Politikern, Beamten, Wissenschaftlern und anderen "nützlichen"
Per-
sonen. Letzteres geschieht über sogenannte "Kredite"
an "Freunde" der
Familie, netterweise zinslos oder zinsbillig. Diese Kredite verwandeln
sich nach Ablauf der Amtsperiode und bei guter Führung, versteht
sich,
in "Schenkungen". So erhielt z. B. der von Rockefeller
geförderte Außen-
minister und Friedensnobelpreisträger Henry A. Kissinger
50.000 Dollar
als "Darlehens-Schenkung". "Die größte
Summe (625.000 Dollar) ging
an Dr. William J. Ronan, einen Professor der New York Universität."
In diesem Zusammenhang gesehen, wird verständlich, warum
der reak-
tionäre und drittrangige Western-Schauspieler Ronald Reagan
zum Prä-
sidenten des mächtigsten Landes der Erde gekürt wurde.
Er ist als West-
ernheld gut und als Schauspieler schlecht genug, um im Staatstheater
Wei-
ßes Haus in Washington die Rolle des starken Macho-Präsidenten
vor
dem Volk spielen zu können, und er ist gleichzeitig einfältig
genug, sich
für die Interessen seiner reichen Freunde aus der oberen
Oberschicht ein-
spannen zu lassen. Sie hat sich ihn als idealen "Präsidenten-Darsteller"
(Spiegel-Formulierung) engagiert!
Selbstverständlich ist das US-amerikanische Wirtschafts-
und Gesell-
schaftssystem nicht völlig identisch mit dem bundesrepublikanischen.
Doch ohne Zweifel leben auch wir in einer massen-"demokratischen"
Par-
teien-Oligarchie, in der die Parteien bestimmte gesellschaftliche
Klassen
und Interessengruppen repräsentieren, und in einem kapitalistischen
Marktsystem. Auch hier gibt es Superreiche mit ihren opportunisstischen
Hofschranzen, und auch hier sind diese Reichen und Mächtigen
wie ihre
Lakaien in Redaktionen, Hochschulen, oberen Verbands- und Konzern-
etagen, in Parteien, Parlamenten, Staats- und Gemeindeverwaltungen
-
siehe die "kriminelle Vereinigung" (Dieter Kunzelmann)
Berliner CDU-
Politiker mit ihrem hervorragenden Mitglied Baustadtrat Antes,
z. Z. Te-
gel - nur Menschen. Die den US-amerikanischen Verhältnissen
entspre-
chende Machtausübung der Deutschen Bank hat der Spiegel in
einer Ti-
telgeschichte beschrieben, Vergleiche sind also erlaubt. Daher
werden
wir z. B. die finanziellen Zuwendungen des alten Flick an namhafte
Poli-
tiker der Weimarer Republik und Flick junior an die heutigen "Volkspar-
teien" CDU/CSU, FDP und SPD ähnlich beurteilen dürfen,
wie die adä-
quaten Vorgänge in den USA. (52) Auch in der BRD möchte
schließlich Hor-
ten (großherziger Förderer der FDP) seinen Kapitalgewinn
von 300 Mil-
lionen DM im Jahr wieder gewinnbringend anlegen können. Und
Partei-
enspenden sind nun mal, wie Lundberg sagt, das "Schmierfett"
der kapi-
talistischen Marktwirtschaft.
Mit dem exponentiell wachsenden Finanzkapital (s. Kap. 2) wächst
auch die ökonomische und politische Macht und damit auch
der wachs-
tumsfördernde und umweltzerstörende Einfluß der
Plutokraten expon-
entiell. Es sind also nicht so sehr die unersättlichen Konsumenten,
die für
das tödliche Wachstum sorgen, sondern vor allem die anlagesüchtigen
Fi-
nanzkapitalisten und ihre Hilfstruppen in der Politik, in den
Zeitungsre-
daktionen und Universitäten, im Unternehmertum und nicht
zuletzt in
den Gewerkschaften.
Natürlich liegt hier keine gigantische, zentralgesteuerte
Verschwörung
geheimnisvoller Mächte vor, wie manche glauben. (53) Und
es sind auch
nicht, wie z. B. Raoul Wallenberg und Philipp Reemtsma beweisen,
alle
Kapitalisten böse Buben. (53a) Es geht hier um die Manipulation
verschie-
dener kollektiver Finanzmächte und Oligopole, die miteinander,
gegen-
einander und unabhängig voneinander operieren. Aber vielleicht
ist es
nur eine Frage der Zeit, bis die Kapitalkonzentration so weit
fortgeschrit-
ten ist, daß eine einzige Plutokratenfraktion die Macht
in der Weltwirt-
schaft und damit auch in der Weltpolitik ergreifen kann...
In linken Kreisen wird das Problem der Macht des Finanzkapitals
erst
in jüngerer Zeit beachtet, bei einigen Autoren eher mystifiziert.
(54) Aber
auch die heutigen Anhänger Gesells beschäftigen sich
kaum noch mit die-
sem von der naturwüchsigen Krisen-, Ausbeutungs- und Kapitalkonzen-
trationsfunktion des kapitalistischen Geldes relativ unabhängigen
Pro-
blem der bewußt und gezielt organisierten ökonomischen
und politischen
Machtausübung mittels der nun einmal zinseszinsakkumulierten
Geld-
und Kapitalvermögen durch ihre Eigentümer. Doch beides
ist gleich wich-
tig, denn das Geld ist nicht nur ein Schlüsel zum Markt,
sondern - ange-
häuft - auch ein Hebel zur Machtausübung in der Gesellschaft.
Werden
lediglich das Finanz- und Großkapital und die Großbanken
enteignet und
verstaatlicht oder dezentralisiert, dann sorgt der Hydra-Effekt
der Zin-
seszinsakkumulation immer wieder für die Anhäufung und
Konzentra-
tion von Kapital, und auch Staats-, "Volks"- oder Ökobanken
kommen
nicht ohne eine Liquiditätsverzichtsprämie, ohne den
Zinstribut, an das
Geld der Sparer und Finanzkapitalisten ran (s. China, Kap. 12!).
Wird je-
doch lediglich das heutige Geld durch ein zinsfreies ersetzt,
dann bleibt
immer noch das nun einmal akkumulierte Finanzkapital als geballte
wirt-
schaftliche und politische Macht erhalten und aktionsfähig.
Ich meine, es
muß sowohl die naturwüchsige Zinsknechtschaft des Geldes
(und des Bo-
dens), als auch die Macht des konzentrierten Finanzkapitals gebrochen
werden. - Allein schon, um ein neues Geldsystem durchsetzen zu
kön-
nen!
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