Text im September 1999 kopiert aus dem Online-Archiv der INWO. Danke!

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Jürgen Probst

Fehlentwicklungen einer Zinswirtschaft

Ein Ausflug durch das Ausgeblendete

Selbstverlag, Hannover, Erste Auflage Mai 1998

Vorbemerkung

Fehlentwicklungen gibt es viele. Wir brauchen bloß den Fernseher einzuschalten und schon werden wir mit ihnen überhäuft. Weshalb sollte zwischen vielen der bekannten Fehlentwicklungen und der Tatsache, daß Geld normalerweise gegen Zinsen verliehen wird, irgendein Zusammenhang bestehen?

Schon bei einer ersten Gegenüberstellung einiger wirtschaftlicher Zahlen zeigt sich, daß die finanziellen und zinsbedingten Größen dem Rest der Wirtschaft "davonlaufen", daß sie anscheinend über eine Eigendynamik verfügen, die nicht oder nur sehr begrenzt an äußere Verhältnisse gebunden ist. Der finanzielle Sektor koppelt sich immer weiter ab und startet schließlich durch. Bei einer etwas näheren Betrachtung zeigt sich aber auch, daß diese Entwicklung sehr wohl Auswirkungen in die andere Richtung hat. Die explodierenden Geldvermögen, Schulden und Zinslasten gehen nicht spurlos an der übrigen Gesellschaft vorüber, sondern hinterlassen Spuren, die normalerweise, man möchte sogar sagen: fast immer, unterschätzt werden. Verantwortlich für diese Eigendynamik ist ein kleiner, zuerst unscheinbarer Konstruktionsfehler in unserer Geldordnung, dessen Konsequenzen erst nach und nach offensichtlich werden.

Der Sinn dieses Aufsatzes besteht darin, diesen Konstruktionsfehler zu entlarven und seine wichtigsten Auswirkungen darzustellen. Nicht zuletzt sollen Lösungsansätze aufgezeigt werden, die ebenfalls über viele konkrete Probleme hinaus gehen, obwohl sie relativ einfach durchzuführen wären.

Das mag im Rahmen einer kleinen Broschüre sehr gewagt erscheinen, aber man muß beachten, daß es sich lediglich um so etwas ähnliches wie eine Zusammenfassung handelt, die die Literatur nicht ersetzen kann. Die meisten der hier vorgetragenen Gedanken wurden verschiedenen Quellen entnommen, zusammengetragen und auf das Wesentliche verkürzt. Ich möchte dem Leser damit eine kurze und bündige Übersicht geben und gleichzeitig die weitere Vertiefung anregen. Ein Anspruch auf Vollständigkeit schließt sich selbstredend aus; auch sollen die zahlreichen Zitate nicht den Eindruck erwecken, daß die jeweiligen Verfasser in allen Punkten einer Meinung sind, da viele Aspekte durchaus kontrovers behandelt werden könnten.

Betrachten wir diese Broschüre also als einen kleinen "Ausflug" durch ein wichtiges, obgleich ausgeblendetes Thema, das leider von Tag zu Tag dringender wird.

1 Ein ignoriertes Problem

Bei den Beträgen, die in einem Zusammenhang mit der Verzinsung von Geldvermögen stehen, handelt es sich nicht um Peanuts. Es wird daher sinnvoll sein, mit einigen schlichten Fakten zu beginnen, um einen Überblick über die Größenordnungen und deren Relevanz zu bekommen.

So betrug die Summe der Geldvermögen in der Bundesrepublik im Jahr 1995 satte 7703 Mrd. DM1, welche mit 365 Mrd. DM2 verzinst wurden. Demgegenüber standen 7694 Mrd. DM Schulden, die sich zu ungefähr zwei Drittel auf die Wirtschaft und zu einem knappen Drittel auf den Staat aufteilten. Die Konsumentenkredite betrugen lediglich 5% der Gesamtsumme. Die Zinslasten, die für die gesamten Schulden zu erbringen waren, beliefen sich auf 499 Mrd. DM.

Diese Zinslasten waren 1995 vom Betrag her etwas mehr, als der gesamte Bundeshaushalt (493 Mrd.3) oder fast doppelt soviel, wie alle in der Bundesrepublik im gleichen Zeitraum gezahlten Krankenkassenbeiträge inklusive Arbeitgeberanteile (256 Mrd.4) oder auch 35 mal soviel (!), wie sämtliche in 1995 veranlagten Einkommenssteuern (14 Mrd.5). Die Zinslasten vergrößern sich dabei ständig; alleine die Zunahme seit 1990 betrug 164 Mrd. DM, wobei aber auch die Zunahme gewöhnlich ständig zunimmt6.

Die Zinsen, die der eine oder die andere auf ihrem Sparbuch gutgeschrieben bekommt, kommen also genau genommen ebenso wenig von der Bank, wie der Kredit für die Eigentumswohnung. Die Geschäftsbanken sollten besser als eine Art von Vermittlungsagenturen verstanden werden, die für die Einlagen ihrer Gläubiger neue Schuldner suchen und den Gläubiger dabei die Risiken abnehmen. Die Risiken werden den Schuldnern als Zinsaufschlag in Rechnung gestellt. In der Bank verbleibt von dem Geld nur eine Barreserve und von den Zinsen nur die sogenannte Bankmarge, also die Differenz zwischen Schuld- und Guthabenzinsen.

Angesichts dieser gewaltigen Finanzströme müßte man meinen, daß sich davon ganze Horden von Wirtschaftswissenschaftlern in einen Bann ziehen lassen und nun eifrig Analysen und Statistiken erstellen, um uns über die Ursachen dieser sonderbaren Entwicklung aufzuklären. Leider ist das nicht der Fall. Die Gründe für das Ausblenden dieser Angelegenheit bleiben weitgehend im Dunkeln und können nur zu Mutmaßungen veranlassen. Ein Grund könnte z.B. darin liegen, daß es sich bei den Zinsen "nur" um eine Umverteilung handelt, die keinen (direkten) Einfluß auf das Bruttosozialprodukt (BSP) oder das Volkseinkommen hat. Es wird sogar immer wieder von Volkswirten argumentiert, daß die oben angeführten Größen völlig absurd sein müssen, da sie in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) nicht zu finden sind7. Dort dürfen sie freilich auch nicht zu finden sein, da die VGR nur das BSP aufgliedert und die Zinsen deshalb bei der Erstellung der VGR heraus gerechnet werden8.

Dieser Aufsatz soll sich nicht mit dem Herausrechnen dieser Größen begnügen, sondern einige der Zusammenhänge aufhellen. Doch davor müssen noch einige Begriffe geklärt werden, um spätere Mißverständnisse zu vermeiden.

2 Begriffe im Schnelldurchgang

Da in der Fachwelt viele verschiedene Vorstellungen darüber herrschen, was unter Geld eigentlich zu verstehen ist, sollten hier einige Definitionen vorangestellt werden, die sich vorerst als zweckmäßig erweisen werden. In Anlehnung an Creutz sei Geld definiert als Bargeld, also Banknoten und Münzen. Alle Forderungen hingegen, die auf die Zahlung von Geld lauten (z.B. Sparguthaben, Termin"gelder" ...), seien als Guthaben bezeichnet. Geld und Guthaben zusammen genommen seien Geldvermögen genannt. Zur Erleichterung der folgenden Abschnitte werden außerdem noch Geld und Sichtguthaben9 (Bestände auf Girokonten) als Tauschgeld zusammengefaßt.

Es folgt ein kleiner Schnelldurchgang durch unser Währungssystem.

Das Geld wird von der Bundesbank in Umlauf gebracht. Sie kauft dazu entweder Wertpapiere auf, die sie mit neuem Geld bezahlt oder sie vergibt kurzfristige Kredite an Geschäftsbanken oder nimmt Wechsel herein, für die sie im Gegenzug Geld herausgibt10. In allen Fällen ist die Herausgabe mit einer relativ kurzfristig folgenden Zurücknahme verbunden. In Wirklichkeit wird das Geld natürlich nie komplett zurückgenommen, sondern laufend quasi "umgeschuldet". So behält die Bundesbank die Möglichkeit, auf eine Veränderung der Geldmenge einzuwirken, um diese an die Wirtschaftsleistung anzupassen.

Diese Möglichkeit ist auch dringend nötig, denn würde die Geldmenge stärker vergrößert als die Leistung der Wirtschaft, käme es zu einer Inflation. Die zu große Geldmenge würde durch steigende Preise praktisch "absorbiert", bis sich die Preise auf einem höheren Niveau einpendeln, welches nun wieder der größeren Geldmenge entspricht. Die Folge wäre also eine Entwertung der Geldvermögen, da man für einen bestimmten Betrag nur noch weniger kaufen könnte als vorher. Der umgekehrte Fall ist genauso denkbar, hätte aber noch schwerwiegendere Auswirkungen. Verringert sich die Geldmenge, so müßten eigentlich die Preise sinken, weil nun das Geld zu knapp geworden ist. Das ist aber nicht so einfach möglich, da viele Kosten in den Unternehmen feststehen und nicht umgehend angepaßt werden können. Neben dem dennoch einsetzenden Preisverfall kommt es zu Absatzstockungen, Umsatzrückgängen, Entlassungen, zunehmenden Pleiten, kurz: zu einer Krise infolge einer Deflation.

Die beschriebenen Abläufe sind nicht nur hypothetische Gedankenspiele, sondern wurden leider schon des öfteren von der Praxis bestätigt. Man sollte zwar meinen, daß die Bundesbank mittlerweile alles fest im Griff hat, aber leider gibt es da ein "kleines" Problem.

Die obige Beschreibung geht stillschweigend von der Annahme aus, daß das herausgegebene Geld auch tatsächlich umläuft. Tut es das nicht, verhält es sich für die Wirtschaft, als sei es nicht existent.

Für eine bessere Übersicht wäre es an dieser Stelle gut, die Perspektive zu wechseln und einen Wirtschaftsraum "von oben" zu betrachten. Dort unten sind nun lauter kleine Wirtschaftssubjekte, die Waren und Leistungen an andere Wirtschaftssubjekte abgeben und dafür Tauschgeld in Empfang nehmen. Die Übertragungsrichtung ist für beides immer genau entgegengesetzt. Es schwirrt und wimmelt nur so von tauschenden Wirtschaftssubjekten. Das Tauschgeld zirkuliert. Von einigen wird ein Teil des Tauschgeldes gespart und zu einer Bank gebracht, von der aus es auf der anderen Seite als Kredit wieder heraus kommt. Es hinterläßt bei jedem Durchgang eine Spur in Form eines Guthabens am Eingang und einer Schuld am Ausgang. Bei einer Tilgung ist der Vorgang umgekehrt. Es bildet sich ein Preisniveau heraus, daß an die Menge des zirkulierenden Tauschgeldes angepaßt ist. Die Menge des Tauschgeldes ist prinzipiell begrenzt, und es gibt eine Saug-Pumpe (die Bundesbank), die über ein Ventil ein bißchen dazu geben oder absaugen kann. Nun kommen einige Wirtschaftssubjekte auf die Idee, daß sie ihr Tauschgeld - aus Gründen, die noch behandelt werden - auch bei sich behalten, liquide halten können. Dort bilden sich kleine "Häufchen". In dem Maße, wie Teile des Tauschgeldes aus dem Verkehr gezogen und blockiert werden, verringert sich die umlaufende Menge. Eine Deflation droht. Die Saug-Pumpe hat schlicht das Problem, daß sie nicht weiß, wie groß die umlaufende Tauschgeldmenge überhaupt ist, und dreht ihr Ventil angesichts der drohenden Deflation lieber immer etwas weiter auf als eigentlich nötig. So erzeugt sie eine schleichende Inflation. Dennoch kann es sein, daß unter gewissen Bedingungen die Zurückhaltung des Tauschgeldes sehr schnell zunimmt und die Saug-Pumpe überfordert ist. Dann wird das Geld knapp, obwohl es vielleicht so viele Geldvermögen (inkl. Guthaben) gibt, wie noch nie zuvor. Das Gewimmel gerät ins Stocken und die Pumpe dreht ihr Ventil auf, um dem Mangel abzuhelfen. Danach kommen die zurückgehaltenen Bestände teilweise wieder in Umlauf und sorgen nun für einen Auftrieb der Inflation. Das Gewimmel wird stärker und pendelt sich auf einem höheren Preisniveau wieder ein.

Zugegeben, die Funktionen der Bundesbank sind eigentlich nicht mit denen einer Pumpe zu vergleichen, da sie in gewissen Grenzen auf die Nachfrage der Wirtschaft reagiert. Die Wirtschaftssubjekte können aus der obigen Perspektive also auch "ansaugen". Und auch sonst ist vieles grob vereinfacht, aber trotzdem erscheint dieses Bild geeignet, um einige Zusammenhänge gleichzeitig betrachten zu können.

3 Schizophrenes Geld

Um es auf den Punkt zu bringen: unser herkömmliches Geld soll mehrere Funktionen bzw. Aufgaben gleichzeitig erfüllen. Die Aufgaben, um die es hier besonders geht, bestehen darin, daß es

a) als Tauschmittel
b) als Vermögensgegenstand

und außerdem noch als Preismaßstab dienen soll. Als Preismaßstab ist es natürlich auch sehr wichtig, aber es werden hier vor allem die beiden ersten Funktionen untersucht, da sie einen "unlösbaren" Widerspruch, ein Dilemma, hervorrufen.

Ein Tauschmittel kennzeichnet sich dadurch, daß es weitergegeben wird; ein Vermögensgegenstand aber gerade dadurch, daß er nicht weitergegeben wird. Geld als Tauschmittel zu benutzen bedeutet folglich, es als Vermögensgegenstand aufzugeben, wohingegen es als Vermögensgegenstand nicht gleichzeitig als Tauschmittel benutzt werden kann (weder von einem selbst, noch von all jenen, die es in der Folge bekommen hätten, wenn man es benutzt hätte).

Ein reines Tauschmittel müßte eine öffentliche Einrichtung sein, die allen zur Verfügung steht, die an Tauschprozessen teilnehmen. Ein Vermögensgegen-stand ist aber ein ausgesprochen privates Gut, das alle anderen Teilnehmer von der Benutzung ausschließt.

Dieses Dilemma ist nicht nebensächlich. In ungefähr der ersten Hälfte dieser Broschüre soll gezeigt werden, weshalb nicht. Die mitunter zu hörende Ansicht, das Geld sei nur ein bedeutungsloser "Schleier" über der Realwirtschaft wird dabei bestritten. Geld sollte in seiner Funktion als Tauschmittel vielmehr als unbedingte Voraussetzung einer jeden arbeitsteiligen Gesellschaft aufgefaßt werden: ohne Tauschmittel kein Tausch, keine Arbeitsteilung.

Es sei hier noch einmal darauf hingewiesen, daß mit Tauschgeld nur liquide Bestände im oben definierten Sinn gemeint sind. Andere Guthaben sind zwar Vermögensgegenstände, aber ohnehin nicht als Tauschmittel zu verwenden und fallen daher auch nicht in diesen Problemkreis.

4 Bargeld lacht: die Liquiditätspräferenz

Warum sollten Wirtschaftssubjekte ihre Geldvermögen teilweise liquide halten? Die Antwort liegt so nahe, daß auch sie auf den ersten Blick sehr trivial klingt, obwohl sie das nicht ist: man kann (!) damit kaufen! (Auch wenn man es vorerst nicht tut)11.

Obwohl sich die beiden oben beschriebenen Funktionen des Geldes gleichzeitig gegenseitig ausschließen, können sie jederzeit gewechselt werden. Und dies nach Belieben, räumlich und zeitlich ungebunden, ohne Verpflichtung, aber immer mit der Möglichkeit, die besten Gelegenheiten zu nutzen.

"Das Geld ist der allgemeine (generalisierte) Repräsentant aller Tauschobjekte. Als solcher ist er der Joker unter den Waren, Diensten und Risiken, die im Marktspiel gehandelt werden: So wie der Joker im Kartenspiel jede andere Karte aussticht, so paßt das Geld im Marktspiel beim Tausch zu jeder Ware, zu jedem Dienst, zu jedem Risiko. So wie im Kartenspiel der Joker in dieser Runde gezogen werden kann oder in der nächsten oder erst in der übernächsten, je nach Bedarf und Chance, so kann auch das Geld heute, morgen oder erst übermorgen die günstigste Chance am Markt wahrnehmen. So wie der Joker im Kartenspiel gegenüber diesem oder gegenüber jenem Spieler ausgespielt werden kann, so kann auch das Geld gegenüber diesem oder jenem Markteilnehmer als Nachfrage auftreten."12

Die damit verbundenen Vorteile werden auch deutlich, wenn man bedenkt, daß die Verfügung über Geld bedeutet, zahlungsfähig zu sein. Die Alternative dazu ist die Zahlungsunfähigkeit! Es bleibt dem Leser überlassen, die unangenehmen Konsequenzen aus dieser Alternative an konkreten Beispielen zu durchdenken, aber es dürfte klar geworden sein, daß die Liquidität eine wirtschaftliche Relevanz besitzt: Liquidität hat einen Wert.

Liquidität ist der Puffer, der die negativen Unsicherheiten der Zukunft ausgleicht, und sie ist gleichzeitig die Feder, die die positiven Möglichkeiten zum eigenen Nutzen verstärkt.

Keynes führte hierfür den Begriff der Liquiditätsprämie ein, einer "virtuellen" Prämie, die nicht direkt in Form von Erträgen fließt, aber offensichtlich in Form anderer Vorteile vorhanden ist und einen bestimmten Wert hat. Seine Theorie soll uns gleich noch weiterhelfen.

Aber was ist der gemeinsame Nenner von Jokervorteil bzw. Liquiditätsprämie, Zahlungsfähigkeit, Puffer und Feder? Die obigen zeitlichen Bezüge nehmen die Antwort vorweg: es ist die Unsicherheit der Zukunft. Liquidität ist die Versicherung gegen die Unsicherheit, mithin die Versicherung des Unversicherbaren, welches nicht mehr als Risiko kalkuliert werden kann13.

5 Der Sockelzins

Der Begriff der Liquidität wurde nun schon einige Male benutzt und soll auch definiert werden: "Liquidität sei hier als der Grad der unmittel- oder mittelbaren Verfügbarkeit beliebiger Güter definiert"14.

Wie schön, daß man bei diesem Thema aus so einfachen Definitionen soviel herausholen kann. Der "Grad" der Verfügbarkeit ermöglicht es, die bisherige Gelddefinition mit der Liquidität um die zeitliche Dimension zu erweitern. Bargeld ist aktuelle, ultimative Liquidität. Es liquide zu halten hat zur Folge, ohne jeden Aufwand jederzeit darüber verfügen zu können und es gleichzeitig zu 100% für andere Wirtschaftssubjekte zu sperren. Sichtguthaben sind immer noch hochliquide, aber nicht mehr so liquide wie Bargeld. Die Geschäftsbanken können die Einlagen zwar zum Teil weiter verleihen, sind aber in der Verwendung sehr eingeschränkt. Bei einer kurzfristigen Termineinlage ist die Liquidität schon weiter aufgegeben, die in der Bank vorzuhaltenden Barreserven sind aber noch spürbar. Usw. usf., je langfristiger die Liquidität aufgegeben wird, desto weniger wird sie für andere blockiert15.

Nun ist es möglich, zu dem Ausgangsproblem, den Zinsen, zurückkehren. Keynes hat das Werkzeug geliefert, um den Zusammenhang von Liquiditätsprämie (Jokervorteil) und Zins herzustellen. Der Gedankengang geht, grob gesprochen, so16:

In einem freien Markt stehen den Wirtschaftssubjekten verschiedene Vermögensgegenstände zur Auswahl, auf die sie ihr Vermögen aufteilen können, so z.B. Geld, kurzfristige Anlagen, Wertpapiere, Aktien, Fabriken, Wohnhäuser, Grundbesitz etc. Es ist möglich, über den Markt einen Austausch der Vermögensgegenstände vorzunehmen.

Die Gesamtvorteile (die Eigenzinssätze), die den Wirtschaftssubjekten aus den jeweiligen Vermögensgegenständen erwachsen, tendieren dazu, bei allen Gegenständen gleich groß zu werden17!

Sind sie nämlich nicht gleich groß, so kommt es zu Umschichtungen, die die alte Gleichwertigkeit wieder herstellen. Wenn z.B. der Besitz von Bürogebäuden größere Vorteile bietet, als der bestimmter Wertpapiere, werden langfristig gerade so viele Anleger ihre Wertpapiere verkaufen und von den Erlösen in Bürogebäude investieren, bis der Preis der Wertpapiere entsprechend gefallen und der für Bürogebäude gestiegen ist (anders sähe es aus, wenn neue Bürogebäude gebaut würden: der Bau der neuen Gebäude käme dann zum Erliegen, wenn die Renditen daraus auf die Höhe der Renditen aus den Wertpapieren gesunken wären). Ein ähnlicher Ablauf ergibt sich auch beim Ausgleich von Zinsdifferenzen zwischen vergleichbaren Anlagen.

Der Eigenzins eines Vermögensgegenstandes ist gleich seiner Erträge abzüglich seiner Kosten und wiederum zuzüglich der Liquiditätsprämie. Für einige exemplarische Gegenstände ergibt sich dann folgendes Bild18:

Vermögensgegenstand  Ertrag bzw. Zins  Kosten  Liq.-Prämie (Joker)  Eigenzins (Gesamtvorteil) 
Bargeld 0% 0% 6%  6%
Sichtguthaben 2% 0% 4%  6%
Termineinlagen 4% 0% 2%  6%
Langfr. Anlagen 6% 0% 0%  6%
Aktie XY-AG 6% 0%  0% 6%
Wohnungen 7% -2%  1% 6%
Grundbesitz 3% 0%  3% 6%
YZ-Fabrik 150% -144% 0% 6%

Risikoaufschläge, Provisionen u.ä. wurden hier vernachlässigt. Die prozentualen Werte beziehen sich immer auf den Kapitaleinsatz. Sie sind nur zur Verdeutlichung der Größenordnung gedacht, sind aber nicht genau.

Für den Einzelnen gibt es natürlich konkrete Unterschiede in der Bewertung der jeweiligen Vermögensgegenstände, je nach Anlagestrategie, Zielsetzung oder Risikoeinschätzung. Es bleibt aber auch für den Einzelnen sinnvoll, die vorteilhafteren Positionen auf Kosten der weniger vorteilhaften laufend soweit aufzustocken, bis sich die jeweiligen Gesamtvorteile angeglichen haben.

Die Liquiditätsprämie bzw. der Jokervorteil ist hier als ein solcher Vorteil zu verstehen, der dem jeweiligen Gegenstand durch die gegebene rechtliche Rahmenordnung (Währungsordnung, Gesetze) anhaftet, durch sein So-sein-wie-er-nun-mal-ist bzw. auch durch feststehende menschliche Bedürfnisse. Aus diesem Grund hat auch die Wohnung in der Tabelle eine geringe Liquiditäts-prämie, denn Wohnen ist ein absolutes Grundbedürfnis. Wohnungen kann man auch noch in Krisenzeiten vermieten oder man kann ggf. selbst darin wohnen. Wohnraum ist eine sichere Vermögensanlage! Noch stärker tritt dieser Effekt beim Boden auf, denn die Nutzung des Bodens ist die Voraussetzung für jede menschliche Aktivität. Er kann trotzdem nicht vermehrt werden und bleibt somit immer knapp; er kann noch nicht einmal zerstört werden. Grundbesitz ist die klassische und sicherste Form der Vermögensanlage. Dafür ist der Ertrag (der Pachtzins) geringer, als bei anderen Vermögensgegenständen. In dieser Hinsicht ist der Boden "liquide"19, auch wenn dies konträr zu anderen Einteilungen ist.

Wenn man bedenkt, daß es zu ständigen Umschichtungen in der Tabelle kommt, die eventuelle Ungleichgewichte ausgleichen, sieht man sofort, daß die Liquiditätsprämie des liquidesten Gegenstandes das Minimum für alle anderen Gesamtvorteile festlegt20. Durch diesen Gegenstand wird bestimmt, welche Erträge alle jenen Vermögensgegenstände mindestens abwerfen müssen, die selbst nicht mehr liquide sind.

Daher bleibt auch der Zins unter den gegebenen Bedingungen immer positiv, denn die Liquiditätsprämie des Geldes setzt den Standard, unter den der Zins nicht sinken kann. Sinkt der Zins bis an diese Grenze, so steigt die sogenannte Liquiditätspräferenz. Langfristige Geldanlagen werden auf immer kurzfristigere umgeschichtet, Sichtguthaben werden aufgebläht und sogar die Bargeldhaltung steigt an. Aktien- und Devisenspekulationen nehmen zu. Es wird immer rentabler, die Vorteile der Liquidität wahrzunehmen anstatt zu geringe Zinsen zu kassieren. Die Tauschgeldmenge wird zunehmend blockiert, und das Angebot an Liquidität verringert sich. Das Sinken der Zinsen wird dadurch gestoppt und schlägt irgendwann wieder in einen Anstieg um.

Die Höhe des Zinses, die sich auf dem Kapitalmarkt ergibt, ist daher auch kein "Preis für das Geld" oder für die damit verbundene Kaufkraft, denn diese Kaufkraft wird ja später wieder zurückgegeben. Der Zins ist die Vergütung für die Vorteile aus der Liquidität pro Zeiteinheit. Anstatt von dem "Verleihen von Geld" zu reden, wäre es also treffender, von der "Verpachtung zeitlicher Liquidität" zu sprechen21.

6 Zins und Rendite: der Streit um den Mehrwert22

Oben hieß es, der Zins könne eine unterste Grenze nicht unterschreiten. Diese unscheinbare Tatsache hat weitreichende Konsequenzen.

Der Zins setzt nämlich nun seinerseits den Standard, unter den die Renditen des Sachkapitals nicht sinken können. Tun sie es kurzfristig doch einmal, ist das Sachkapital nicht mehr rentabel, und es kommt zu einer Wirtschaftskrise, während der das unrentabelste Sachkapital dezimiert wird. Es kommt also zu einer Verknappung des vorhandenen Sachkapitals. Firmen gehen in Konkurs oder schließen die unrentabelsten Standorte, Zusatz- und auch Ersatzinvestitionen werden unterlassen, da sie jetzt weniger Rendite abwerfen würden, als den Zins, den man bei einer Geldanlage erhält. Für einen Investor ist das Sachkapital schließlich auch nichts anderes, als eine verzinsliche Anlage, selbst wenn das Geld dabei investiert wird. Es muß sich mit dem Zins messen.

Dieser Mechanismus garantiert dem verbleibenden Sachkapital nach der Krise wieder eine "angemessene" Rendite. "So schafft die Krise die Voraussetzungen für den nächsten Aufschwung. Denn der wegen der Verknappung des Sachkapitals wieder gestiegene Realkapitalzins kanalisiert das Geld wieder in Realkapitalinvestitionen"23. Konkret betroffen sind während der Krise meistens nur die schwächsten wirtschaftlichen Bereiche (renditeschwache Firmen oder solche mit geringer Eigenkapialquote), so daß es oft den Anschein hat, als würde die Einzelursache in Fehlentscheidungen und Inkompetenz liegen.

Als Euphemismen für diesen Vorgang dienen unter anderem so schöne Worte wie "Marktbereinigung" oder "Gesundschrumpfung". ,"Gesund" schrumpft sich dabei auch die Beschäftigung.

Es wäre also etwas zu einfach, behaupten zu wollen, daß das herkömmliche zinstragende Geld den Grund für Kapitalrenditen schlechthin liefert. Es ist "nur" der Grund dafür, daß die Renditen nicht unter eine bestimmte Grenze sinken können, jedenfalls nicht gesamtwirtschaftlich und langfristig. Die Diskussion über die "Rendite schlechthin" kann hier natürlich nicht umfassend behandelt werden, aber einige Bemerkungen sollen noch angeführt werden.

Der Jokervorteil des Geldes ist ein Machtfaktor, der es ermöglicht, einen Zins durchzusetzen. Machtfaktoren gibt es gar viele. Auch der Besitz von Produktionsmitteln (Sachkapital) ist in einer Mangelwirtschaft ein Machtfaktor. Die Macht erwächst aus der Begehrtheit der produzierten Waren; sind sie hingegen nicht begehrt, kann sich - salopp gesagt - "der Kapitalist" seine Produktionsmittel vor's Knie nageln. Mangelwirtschaft heißt aber nichts anderes als Knappheit.

Marx lag daher nicht gänzlich falsch, den Grund für den "Mehrwert" während einer objektiv gegebenen Knappheit in der Produktion zu suchen. Zweifellos kann ein Mehrwert auch nur in der Produktion (also durch Arbeit) produziert werden. Die Frage ist aber vielmehr, wodurch er dauerhaft erzwungen wird!

Oben wurde gezeigt, daß das Geld bzw. die in der Wirtschaft zur Verfügung stehende Liquidität "künstlich" verknappt werden kann (Liquiditätspräferenz). Die Verknappung entspringt keiner Verschwörung und auch nicht dem bösen Willen "der Kapitalisten", sondern ist für jeden Geldeigner rational, will er die ihm gebotenen Vorteile nutzen. Die Knappheit des Geldes bzw. der Liquidität pflanzt sich in die Realwirtschaft fort, da der Verknappung der Liquidität zwangsläufig eine Verknappung der Sachkapitalien folgt. Die Liquiditätsprämie des Geldes setzt damit die Grenze, über die hinaus das Sachkapital nicht vermehrt werden kann. Eine Zinswirtschaft erhält dadurch langfristig auch die Renditen des (verbleibenden) Sachkapitals, denn die Knappheit kann nie beseitigt werden.

Unter den gegebenen Bedingungen ist das Kapital immer der knappste Produktionsfaktor, ganz egal, wie viel davon schon existiert. Es ist vielmehr die vordringlichste Aufgabe von Staat und Gesellschaft über Nachfragestimulation, "Bedarfsweckung", staatliche Verschwendungsprojekte, Exportsteigerung usw. dafür zu sorgen, daß das auch so bleibt, denn sonst bekommen wir eine Krise, die die Knappheit zwangsweise wieder herstellt.

Eine (ideele, nicht zinsverfälschte) Marktwirtschaft wirkt dagegen permanent als Renditen- und Zins- Eliminator. Es ist eine theoretische wie praktische Binsenweisheit, daß die Renditen mit zunehmender Kapitalbildung sinken. Die Verringerung der Renditen geschieht durch den Wettbewerb: je mehr Konkurrenten es gibt, je mehr Produkte auf den Markt kommen, je weiter der Bedarf befriedigt wird, desto schwieriger wird es, eine Rendite übrig zu behalten.

Unsere "kapitalistische Marktwirtschaft" ist ein Zwitter24, dessen eine Seite zu einem Ausgleich drängt und dessen andere Seite ein bleibendes Ungleichgewicht erzwingt. Die bisher bevorzugte "Lösung" dieses Dilemmas ist das wirtschaftliche Wachstum um jeden Preis. Dieser Punkt wird später noch eingehender behandelt.

7 Rentabilität und Arbeitslosigkeit25

Es wird keine Investition durchgeführt und langfristig keine Produktionsstätte betrieben, wenn sie keinen Zins abwirft, wenn sie also nicht rentabel ist. Es ist offensichtlich, daß man fremdfinanzierte Investitionen nur durchführen kann, wenn sie rentabel sind, will man nicht ruiniert werden. Ebenso offensichtlich wird man auch eigenes Geld nur in rentable Unternehmungen investieren, da man es anderenfalls rentabel anlegen könnte und dabei den Sockelzins garantiert bekommt. Sollte auch dieser (kurzzeitig) unterschritten sein, unternimmt man eine Zeit lang gar nichts und hält die Gelder liquide.

Unrentable Unternehmungen kommen folglich nicht zustande, selbst wenn sie ohne Zinsbelastung wirtschaftlich zu betreiben wären. Die Möglichkeiten zur Rentabilität sind aber nicht unendlich. Die eine Seite unseres Zwitters "kapitalistische Marktwirtschaft" tendiert ständig zur Bedarfsdeckung. Andererseits kann der Bedarf nicht gedeckt werden, da dann die Renditen unter den Zins sinken würden (und schon ist die Krise da).

Es fällt nun schwer, die passenden Begriffe für etwas zu finden, das gerade eben nicht zustande kommt. Vielleicht könnte man es wie folgt formulieren: in dem Maße, wie die rentablen Bereiche innerhalb der Wirtschaft ausgeschöpft werden, nimmt auf der anderen Seite der Umfang des Nicht-Zustandegekommenen zu. Das sind die Investitionen und Unternehmungen, die angesichts der schon erfolgten Kapitalbildung nicht mehr rentabel wären. Arbeitslosigkeit kann als ein Indikator für den Umfang dieses Nicht-Zustandegekommenen betrachtet werden. Es sollte eigentlich zu denken geben, daß die Höhe der Arbeitslosigkeit mit ein bis zwei Jahren Zeitverzögerung nahezu direkt proportional zu den Zinserträgen der Banken verläuft26.

Nicht zustande gekommen sind bisher z.B. der ,ökologische Umbau", die "Energiewende", die Sanierung eines guten Teiles der ostdeutschen Bausubstanz, Wohnungen für Tausende von Obdachlosen usw. usf.. Die Befürchtung, uns ginge die Arbeit aus mutet demgegenüber fast wie ein sarkastischer Witz an. Als ob es nichts mehr zu tun gäbe. Das gäbe es wohl schon, aber es wäre nicht rentabel, es würde sich nicht verzinsen. Arbeitslosigkeit ist ein Rentabilitätsproblem!

Natürlich sind Qualifikationsmaßnahmen, Weiterbildung, etc. wünschenswert und führen in Einzelfällen zu einer Vergrößerung der Chancen. Sie haben unter den gegebenen Bedingungen aber vor allem eine Auswirkung: sie erhöhen das Qualifikationsniveau der Arbeitslosen27. Es trifft auch bei der Verknappung der Arbeitsplätze die Schwächsten zuerst. Durch eine Stärkung der Schwächsten, so erstrebenswert sie auch sein mag, wird aber das grundsätzliche Problem nicht gelöst, denn andere treten an ihre Stelle.

Unser markt-/zinswirtschaftlicher Zwitter verringert beständig die extern gegebene Knappheit und schafft sich eine interne Knappheit als Kompensation. Er zwingt die Wirtschaft und letztlich die ganze Gesellschaft dazu, einen wachsenden Anteil ihrer Möglichkeiten ungenutzt zu lassen. Um der relativen Knappheit willen, um der Rendite willen, die den Überfluß nicht verträgt, schließlich um des Zinses willen.

8 Geräuschlose Umverteilung

Es stellt sich die Frage, wer eigentlich die Zeche zahlt. Auf direktem Weg sind das natürlich erst einmal die Schuldner, also die Wirtschaft und der Staat. Mit "der Wirtschaft" sind konkret die verschuldeten Unternehmen gemeint. Zwar ist es schon so, daß die Unternehmereinkommen während der Hochzinsphasen zurückgehen und erst danach wieder ansteigen28; der Zinstransfer wird durch die Unternehmereinkommen sozusagen "elastisch". Aber langfristig bleibt keinem Unternehmen etwas anderes übrig, als alle Kosten, zu denen auch die Zinsen gehören, auf die Preise abzuwälzen. Die Eigenkapitalverzinsung wird zudem über die oben beschriebene Systematik garantiert (vorausgesetzt, das Unternehmen wird nicht zum Opfer der Kapitalverknappung). Beim Staat ist die Abwälzung noch eindeutiger, da er seine Ausgaben zum größten Teil aus Steuern bestreitet.

Die Zinsen zahlen also die Konsumenten und die Steuerzahler entsprechend ihrer Ausgaben und Steuern. Zinseinkünfte ergeben sich hingegen aus der Größe der Geldvermögen und unterliegen bei lohnenden Größenordnungen zudem oft der "Steuervermeidung".

Für eine überschlägige Berechnung der Gesamtbelastung erscheint es daher legitim, die Zinslasten auf das Volkseinkommen zu beziehen29 und die Zinserträge gemäß der Geldvermögen zuzuordnen. Das Volkseinkommen betrug 1995 2615 Mrd. DM30, die Zinslasten 499 Mrd. DM, wobei allerdings zu beachten ist, daß die Höhe des Zinssatzes auch den Standard für die Renditen des Sachkapitals vorgibt. Selbst wenn angenommen wird, daß das schuldenfreie, wirtschaftlich eingesetzte Sachkapital (ca. 4400 Mrd. DM) auch ohne Zinsen noch eine Rendite erzielen würde und dort nur 4% (=176 Mrd. DM) als "wirkliche" Eigenkapitalverzinsung zu werten sind, ergibt sich eine Gesamtbelastung von 499 + 176 = 675 Mrd. DM.

Das sind über 25% des Volkseinkommens, die 1995 elegant, geräuschlos und effektiv abgezweigt wurden, ohne daß sich irgend jemand darüber aufregt! Man mag sich dabei um einige Prozentpunkte streiten, aber die Größenordnung ist nicht aus der Luft gegriffen. Es gäbe noch einige andere Berechnungsmodi, die teilweise zu noch höheren Werten kommen, für die aber auf die Literatur verwiesen werden muß31.

Die persönliche Zinsbelastung ist schnell überschlagen, wenn man die eigenen Jahresausgaben zuzüglich Steuern etc. mit 0,25 multipliziert32; Zinserträge und zinsbedingte Einkünfte aus Sachkapital müssen dann davon abgezogen werden. Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, daß der geneigte Leser zu den 80-85% der Bevölkerung gehört, die bei dieser Berechnung ein langes Gesicht machen.

Die Zinslast ist in konkreten Ausgaben sehr unterschiedlich und hängt im wesentlichen von der Kapitalintensität ab. Bei der Wohnungsmiete beträgt sie bis zu 80%, beim Frisörbesuch wird sie eher gering ausfallen. Gesamtgesellschaftlich ergibt sich das "Phänomen", daß die Geldvermögen sehr unterschiedlich verteilt sind. So besitzen in der Bundesrepublik die Hälfte aller Haushalte 96% der Geldvermögen, wohingegen nur 4% auf die ärmere Hälfte entfallen33. Creutz hat anhand von zehn Haushaltsgruppen eine Saldierung der Zinslasten und -erträge vorgenommen und gezeigt, daß sich die verdeckten Zinszahlungen der ärmeren 80% der Bevölkerung bei den reichsten 10% ansammeln. Bei weiteren 10% geht die Rechnung ungefähr auf34.

"Dies erklärt vorbildlich einfach einen Mechanismus - vielleicht den wichtigsten -, der die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden läßt. ... Mit dem Zins in unserem System ist also eine Umverteilung von Geld verbunden, welche nicht auf Leistung beruht, sondern letztlich darauf, daß jemand die freie Marktwirtschaft, d.h. den Austausch von Waren und Dienstleistungen, durch Zurückhalten des Austauschmittels behindern und für die Aufgabe dieser Behinderung einen Zins erzwingen kann."35

Aus einem funktionalen Blickwinkel heraus könnte man auch sagen: "Das Gerede von der kapitalistischen "Leistungsgesellschaft" entpuppt sich somit als Ideologie, wenn gesehen wird, daß die funktionale Verteilung des Volkseinkommens gar nicht nach dem Leistungs-, sondern nach dem Knappheitskriterium erfolgt."36

9 Exponentielles Wachstum

Der Zins muß natürlich auch auf die Anteile der Guthaben gezahlt werden, die ehemals aus Zinseinkünften entstanden sind. Man spricht dann vom Zinseszinseffekt. Dieser kommt freilich nur zum Tragen, wenn die Zinseinkünfte nicht anderweitig, beispielsweise für den Konsum, verwendet werden. Wir werden aber noch sehen, daß letzteres immer seltener der Fall ist. Auch Investitionen, die direkt durch die Empfänger der Zinsen durchgeführt werden, ändern, sofern sie rentabel sind, nichts am Prinzip.

Der Zinseszinseffekt bewirkt ein exponentielles Anwachsen der jeweiligen Guthaben. Das heißt, klarer ausgedrückt, daß die Zeit, in der sich das Guthaben verdoppelt, konstant ist (einen konstanten Zinssatz vorausgesetzt). Zum Beispiel dauert die Verdoppelung bei einer 10%igen Verzinsung ungefähr 7,2 Jahre.

Das klingt vielleicht nicht besonders aufregend, aber das Prinzip ist jenes einer Explosion. Ein markantes Beispiel dazu ist eine Atombombe: Durch die Strahlung, die beim Zerfall eines Atoms frei wird, werden zwei weitere Atome zum Zerfall veranlaßt. Danach vier, dann acht, dann 16, 32, 64 .... . Wieviel sind es wohl nach 50 Zerfallsakten? Es sind ungefähr 5.629.499.500.000.000.

Ein anderes Beispiel ist die Geschichte vom Erfinder des Schachspiels: "Der begeisterte König gewährt dem schlauen Erfinder für jedes Schachfeld doppelt so viele Körner (Weizenkörner, d. V.), wie auf dem vorherigen Feld. Auf dem ersten Feld ein Korn, auf dem zweiten 2 Körner, auf dem dritten 4, dann 8, 16 ..., irgendwann 2e40, das sind schon ganze Säcke und Speicher voll, 2e41, 2e42, immer doppelt soviel wie vorher. Irgendwann zwischen 2e45 und 2e47 gibt der König schließlich mittellos auf, obwohl er ja die Körnerlieferung und -verdoppelung für alle 64 Felder = 2e63 versprochen hatte. Mathematisch und rechtlich ist der König natürlich in der Pflicht, aber aus irgendwelchen anderen Gründen sieht er sich nicht mehr in der Lage dieser Pflicht nachzukommen: es ist halt ab einer gewissen Größe schlicht unmöglich, nochmals zu verdoppeln."37

Der König hätte dazu 440 heutige Weltgetreideernten (die nur aus Weizen hätten bestehen dürfen) aufbringen müssen38.

Es wäre nicht statthaft, solche Anekdoten vorbehaltlos auf unser Währungssystem zu übertragen. Sehen wir uns lieber ein paar konkrete Zahlen an. Bei den gesamten Geldvermögen und Schulden in der Bundesrepublik zeigt sich die folgende Entwicklung39:


Jahr Geldvermögen Schulden (Mrd. DM)
1950 59 66
1960 337 303
1970 926 852
1980 2390 2327
1990 4825 4325
1995 7703 7694

Man kann daraus natürlich keine Exponentialfunktion im mathematisch exakten Sinn herleiten, aber der Trend liegt eindeutig auf der Hand: die Zunahme beschleunigt sich selbst. Die Zinseinkünfte aus den Geldvermögen übersteigen längst die gesamte Ersparnisbildung (1995: 276 Mrd. DM40), wodurch es sich bei den Ersparnissen tendenziell immer weniger um gesparte Arbeitseinkommen handelt. Dadurch ist auch die Verkonsumierung geringer, da die Zinseinkünfte gerade von jenen "gespart" werden, die schon vorher ihre Überschüsse verleihen konnten. Die Folge: die Geldvermögen starten durch.

Ein naheliegendes Gegenargument lautet, daß dies überhaupt kein Problem wäre, wenn nicht auch die Verschuldung ansteigen würde. Letztlich sollen also doch die Schuldner an allem schuld sein?

Preisfrage: Was passiert, wenn bei der gegenwärtig (1995) "umlaufenden" Geldmenge in Höhe von 238 Mrd. DM41 (+ 579 Mrd. DM Sichtguthaben) die Zinseinkünfte eines Jahres von 365 Mrd. DM nicht über eine erhöhte Verschuldung in die Wirtschaft zurück geführt und auch nicht verkonsumiert werden?

Die Besitzer der Geldvermögen hätten zusätzlich fast die Hälfte der gesamten Tauschgeldmenge blockiert (allein mit Bargeld wäre dieser Deal gar nicht durchführbar)42. Sie wären zwar höchst liquide, aber die Wirtschaft bräche zusammen. Dazu kommt es natürlich nicht, da vorher der im 6. Abschnitt beschriebene Prozeß einsetzt und das Sachkapital so weit verknappt (und so viele Liquiditätsengpässe schafft), daß sich schon jemand finden wird, der die angebotenen Gelder gegen einen "angemessenen" Zins aufnimmt und ggf. auch investiert.

Die wachsenden Geldvermögen ermöglichen nicht nur eine weitere Verschuldung, sie erzwingen sie!

An dieser Stelle wird wohl so mancher den Kopf schütteln und sich sagen, daß das ja völlig absurd ist, weil es auf Dauer gar nicht funktionieren könnte. Bingo! Das sollte auch gezeigt werden.

Diese Systematik hat ja in der Vergangenheit auch nie dauerhaft funktioniert43. Warum sollte sie es ausgerechnet und entgegen aller Logik in der Zukunft tun? Die Explosion, die hier stattfindet erfolgt nur eben nicht in Sekundenbruchteilen, sondern in Jahrzehnten.

10 Wirtschaftswachstum und Ökologie44

Es ist eine berechtigte Frage, weshalb unsere Wirtschaftsleistung eigentlich ständig wachsen muß, wenn sich die sozialen Probleme nicht vergrößern sollen (wir müssen also reicher werden, um nicht ärmer zu werden?). Die Thematik ist zwar fachlich vernebelt, aber im Prinzip nicht weiter schwierig. Die explosive Entwicklung der Geldvermögen wird solange nicht zum akuten Problem, wie die Wirtschaftsleistung im gleichen Maße mit explodiert. Die gestiegene Wirtschaftsleistung ermöglicht nämlich den Transfer der Zinsen, ohne daß es zu Einkommensverlusten bei den Arbeitenden kommt. Es bleibt bei einer "relativen Verarmung" der Arbeitenden, die zwar am Zuwachs der Wirtschaftsleistung mittlerweile kaum mehr teilhaben, aber immerhin auch nicht absolut verarmen. Eine Ausnahme bilden freilich sehr starke Aufschwungphasen, in denen das Wirtschaftswachstum oberhalb der Zinssätze lag und damit auch Einkommenszuwächse bei den Arbeitenden ermöglichte.

Einen Kuchen kann man bekanntlich nur einmal essen. Das Zinsstück, das herausgeschnitten wird, bevor der Kuchen unter den Arbeitenden verteilt wird, wächst jedoch ständig. Es gibt im Prinzip drei Richtungen, die die Entwicklung (ggf. auch kombiniert) nehmen kann:

  1. Verarmung (von Teilen) der Bevölkerung (der Rest des Kuchens wird kleiner)
  2. Wirtschaftswachstum (der Kuchen wird dabei insgesamt größer)
  3. Inflation (der Kuchen wird aufgepumpt)
Als vierte Möglichkeit kann noch für sehr begrenzte Zeit die Aufschuldung betrachtet werden, also die Zahlung der Zinsen durch neue Schulden. Diese Möglichkeit stößt aber durch die schwindende Kreditwürdigkeit des Schuldners sehr schnell an ihre Grenzen und ist daher für die Wirtschaft keine Alternative. Nur der Staat kann in seiner Eigenschaft als besonders kreditwürdiger Schuldner eine Zeit lang davon Gebrauch machen, bevor auch er zahlungsunfähig wird.

Die Aufschuldung und die Inflation fallen vorerst (will sagen: bis sie unumgänglich werden45) als ernst zu nehmende Möglichkeiten weg, die Umverteilung zu Lasten der Arbeitenden, also die absolute Verarmung, bringt starke soziale Spannungen mit sich, so bleibt nur das Wirtschaftswachstum. Insofern steht die Zinswirtschaft unter der Notwendigkeit zu ständigem Wachstum, unter einem "Wachstumszwang", wobei dieser Zwang aber als sozialer und politischer Zwang zu verstehen ist. Wachstum ist nötig, um Krisen zu vermeiden oder wenigstens abzuschwächen und den sozialen Kollaps hinauszuzögern.

So wird auch die Forderung vieler Wirtschaftswissenschaftler und Politiker verständlich, die meinen, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum von 3% jährlich sei unbedingt nötig, um anderenfalls zwangsläufige Krisen zu vermeiden. Obwohl der Grund dieser Forderung kaum erklärt wird, sieht sich die Ökologiebewegung dabei mit einem Totschlagargument konfrontiert, das leider den Nagel auf den Kopf trifft, solange die bestehenden Verhältnisse nicht hinterfragt werden46.

Allerdings würde es sich bei dem geforderten Wirtschaftswachstum ebenso um ein exponentielles Wachstum handeln, wie auch bei dem Wachstum der Geldvermögen, wenn es denn stattfinden könnte. Langfristig müßte es zu völlig absurden Größen führen. Hier offenbaren die "Stützen unserer Gesellschaft" in Politik und Wissenschaft einen völligen Mangel an einfachem mathematischem Grundwissen. Man könnte es auch griffiger formulieren:

"Es ist die unbedingte Bankrotterklärung der gesamten offiziellen Nationalökonomie, daß sie das Wachstum nicht als Problem erkennt oder erkennen will, sondern als Voraussetzung der Prosperität erklärt."47

Eine wachsende Wirtschaft bedingt einen wachsenden Ressourcenverbrauch. Eine exponentiell wachsende Wirtschaft würde auf Dauer alle Einsparungs- und Umweltschutzbemühungen zunichte machen. Es wird hier nun oft die Forderung nach einem sogenannten "qualitativen" Wachstum laut, wobei es aber im Dunkeln bleibt, wie dieses denn genau aussehen soll. Zudem ist das Bruttosozialprodukt eine durch und durch quantitative Größe, und nur ein Wirtschaftswachstum, das sich in Mark und Pfennig (also im BSP) niederschlägt, kann es ermöglichen, die oben beschriebene Verteilungs-problematik zeitweise zu entschärfen. Mit dem "qualitativen" Wachstum wird daher auch meistens auf das Wachstum des Dienstleistungssektors hingewiesen.

"Tatsächlich hat der Anteil dieses Sektors am BSP beträchtlich zugenommen. Eine Lösung des Dilemmas ist dies jedoch nicht, denn der Dienstleistungssektor kann nur wachsen, wenn er einen wachsenden Produktionssektor bedient, eben, damit dieser noch besser wachsen kann. Zudem ist auch im Dienstleistungsbereich ein ständig steigender Kapitaleinsatz und Ressourcenverbrauch zu beobachten."48

Wie man es auch dreht und wendet, solange das Wachstum nicht als Problem erkannt wird, bleiben Umweltschutz- bzw. -reparaturmaßnahmen und die erfolglose Suche nach der systemkonformen Nachhaltigkeit eine Sisyphusarbeit, die die alten Löcher nicht so schnell stopfen kann, wie an anderer Stelle neue aufreißen.

11 Die Abdiskontierung der Zukunft49

Der Zinseszinseffekt funktioniert auch umgekehrt. Genauso wie eine bestimmte Einnahme heute "mehr wert" ist, als in einem Jahr (da sie zwischenzeitlich verzinslich angelegt werden kann), so ist auch eine bestimmte Ausgabe heute eine größere Last als in einem Jahr (da auch der nicht ausgegebene Betrag verzinslich angelegt werden kann bzw. nicht finanziert werden muß). Der Verdoppelung eines Betrages durch den Zinseszinseffekt entspricht die Halbierung einer Last auf der Ausgabenseite.

Das klingt wahrscheinlich etwas realitätsfern. Dem kann abgeholfen werden, indem man einmal kurz versucht, die mutmaßlichen Gedankengänge eines Politikers nachzuvollziehen, der vor der Entscheidung steht, heute eine Umweltschutzmaßnahme für 1 Mio. mit 7,2% zu finanzieren oder sie noch 10 Jahre aufzuschieben (falls er dann noch im Amt ist). Die Finanzierungskosten belaufen sich aufgeschuldet über 10 Jahre auf genau den gleichen Betrag, wie die Maßnahme selbst. Die Gesamtkosten betragen also 2 Mio., wenn die Maßnahme heute durchgeführt und in 10 Jahren finanziell abgewickelt wird. Sie betragen nur 1 Mio. bei einer Verschiebung der Maßnahme um 10 Jahre, also die Hälfte. Falls die Maßnahme aus Eigenmitteln bestritten wird, ist die Lage trotzdem nicht anders, denn die zwischenzeitlichen Zinseinkünfte verringern die spätere Belastung.

Die Argumentation ist in solchen Fällen immer die gleiche: heute sind die Kassen leer, außerdem gibt es wichtigeres; Investitionen in die Zukunft sind nur möglich, wenn sie sich rentieren; erst brauchen wir Wachstum, dann können wir die Natur vor unserem Wachstum schützen oder ähnliches. Dabei bemerkt leider kaum jemand, daß sich die Situation niemals ändert und unter den gegebenen Bedingungen auch nicht ändern kann. Es bleibt in einer Zinswirtschaft immer lohnend, Kosten auf später zu schieben.

Die Abdiskontierung greift aber nicht nur bei Kosten, sondern auch bei Investitionen. Ein qualitativ hochwertiges Investitionsgut (sagen wir mal, eine Maschine) mit einer hohen Lebensdauer und einem hohen Preis hat verglichen mit der Billigausführung, die nur die Hälfte kostet und nach der halben Zeit ersetzt werden muß, eklatante Nachteile. Schund ist einfach rentabler.

Der Verfasser möchte sich zu der Aussage hinreißen lassen, daß dem exponentiellen Wachstum der Geldvermögen folglich eine logarithmische Abwertung der realen Zukunft gegenübersteht. Damit ist es auch kein Problem mehr, Kosten auf spätere Generationen abzuwälzen, denn abdiskontiert bleibt ja kaum noch etwas übrig!

Das soll nicht heißen, daß irgend jemand bewußt Zahlungsreihen bis ins Jahr 2100 aufstellt, um die heutigen Umweltschäden schön zu rechnen. Viele Leute haben ja schon enorme Mühe, sich überhaupt an diese sonderbare Systematik anzupassen und sind sehr froh, wenn sie es nach vielen Jahren Schule, Ausbildung, Studium etc. endlich geschafft haben, sich in der Zinswirtschaft wirtschaftlich zurecht zu finden. Die Ursachen vieler Notwendigkeiten bleiben natürlich oft im Dunkeln. Außerdem spielen bei der Problematik der Kostenabwälzung auf später sicherlich eine Menge psychologischer Motive und die leidige Bequemlichkeit mit hinein. Was hier nur gezeigt werden sollte ist die bedauerliche Tatsache, daß über unsere Geldordnung nicht nur eine relative Knappheit des Kapitals (trotz allen Wirtschaftswachstums) und eine Auseinanderentwicklung der Einkommen festgelegt ist, sondern auch eine systematische Abwertung der Zukunft.

"Ein positiver Zinssatz bedeutet nämlich das Signal: ,"Es herrscht Knappheit, es geht euch schlecht. Schaut, daß ihr diese Knappheit in einer Kraftanstrengung beseitigt. Vorübergehend dürft ihr das sogar auf Kosten künftiger Generationen." Aber eben nur vorübergehend. So weise die allokative Wirkung dieses Marktsignals ist, so fatal wirkt es im Zusammenhang mit dem kapitalistischen Zinsmechanismus: Über die Liquiditätsprämie des Geldes wird der Zins perpetuiert - damit auch das Knappheitssignal und eine positive "soziale Diskontrate". Daher wird nicht nur vorübergehend auf Kosten künftiger Generationen gelebt, sondern andauernd. Dieses Opfer künftiger Generationen macht noch nicht einmal Sinn, da die Knappheit im Kapitalismus nicht beseitigt werden kann."50

12 Liquidität und Sicherheit

Die Liquiditätsprämie kann als der Vorteil der Versicherung gegen die Unsicherheit aufgefaßt werden. Ihre Existenz setzt folglich voraus, daß die Welt unsicher ist. In diesem Sinn gibt die Liquiditätsprämie auch einem professionellen Anleger oder Spekulanten die Möglichkeit, schnell auf Renditeschwankungen reagieren zu können (die im Voraus unsicher sind) und somit gewinnmaximierend zu handeln, wobei ersichtlich wird, daß sich die zuvor "virtuelle" Liquiditätsprämie eben doch ,"hintenrum" als meßbarer Ertrag auswirken kann. Das weiß der Anleger bzw. Spekulant natürlich und bleibt bei niedrigen Zinsen lieber liquide (traditionell: er "hortet" Geld).

Aber auch allgemein betrachtet wird die Unsicherheit (Sozial- und Rechtsstaat hin oder her) niemals ganz verschwinden, weshalb es auch immer eine Liquiditätsprämie geben wird. Es bleibt für den Einzelnen immer sinnvoll, sich mittels Liquidität gegen die "Restunsicherheit" abzusichern, solange die Möglichkeit dazu besteht. Dennoch ist die Höhe der Liquiditätsprämie keine feststehende Größe, da sie von vielen Rahmenbedingungen51 abhängig ist, insbesondere von der Sicherheit des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeldes im weitesten Sinn, also von dem Vertrauen in die Stabilität der Währung, von der Verläßlichkeit des Rechtssystems usw.

Entscheidend ist in diesem Zusammenhang aber: die Liquiditätsprämie ist und bleibt immer positiv52.

Die Versicherung der individuellen Unsicherheit mittels Liquidität bedeutet letztlich, diese Unsicherheit auf die Gesellschaft abzuwälzen. Die Sicherheit des Anlegers und die erhöhte kollektive Unsicherheit haben ihre Ursache gleichermaßen in der äußerst flexiblen bzw. "zweckentfremdeten" (Nicht-) Verwendung der Liquidität. Die konkreten Auswirkungen der steigenden kollektiven Unsicherheit wurden bereits in den Abschnitten 1 und 2 behandelt. Es kommt zu deflationären Einbrüchen auf der einen, inflationären Schüben auf der anderen Seite, zu einem dauerhaft erhöhten Zinsniveau mit zunehmender Kapitalkonzentration in immer weniger Händen und ganz allgemein zu dem wiederkehrenden Wechsel zwischen Aufschwung und Rezession, wobei sich letztere langfristig verschärfen bis schließlich die sozialen Probleme eskalieren und/oder der finanzielle Überbau kollabiert.

Unter den gegebenen Verhältnissen führt das individuelle Streben nach größtmöglicher Sicherheit zwangsläufig zu steigender kollektiver Unsicherheit. Wir stecken hier in einem "Gefangenendilemma"53. Die kollektive Unsicherheit wird unter den Bedingungen einer nicht neutralen Liquidität54 also auf hohem und steigendem Niveau aufrecht erhalten.

Weite Teile der Geschichte können in dieser Hinsicht als ein Kampf der Menschen gegen die Unsicherheit verstanden werden, ohne das Geld, welches die allgemeine Unsicherheit erhöht, daran anzupassen. Gemeint sind hier z.B. Menschenrechte, Verfassungen, Demokratien, Gewaltenteilung usw.. Zweifellos sind ja die Sicherheit, die Freiheit, die Produktivität sowie die Bedarfsdeckung durch diese Errungenschaften gestiegen und die Unsicherheit sowie das Zinsniveau gesunken. Nur eben nie nachhaltig und auch nie über respektive unter bestimmte Grenzen.

Es ist nun hoffentlich klarer geworden, weshalb in diesem Aufsatz soviel Gewicht auf das Geld gelegt wird. Die realwirtschaftlichen, kulturellen und politischen Aspekte der Sicherheit sollen hierdurch nicht als unwichtig beiseite geschoben werden. Es ist nur so, daß das Geld als liquideste Position auch diejenige ist, an der man am wirkungsvollsten ansetzen kann (und auch ansetzen muß, soll die steigende kollektive Unsicherheit in Form von wirtschaftlichen und sozialen Problemen nicht erneut katastrophal durchschlagen).

13 Die Projektion des Ewigen und Unendlichen55

Das Geld hat längst die Eigenschaften eines starken Suchtmittels angenommen. Gesamtwirtschaftlich bedingt die Zinsproblematik vor allem eine Notwendigkeit: die Dosis muß steigen. Die Vehikel zur Steigerung der Dosis sind das Wirtschaftswachstum oder, im fortgeschrittenen Stadium, die Inflation56. Fallen diese Vehikel aus, so kommt es zu Entzugserscheinungen in Form einer Verarmung von Bevölkerungsteilen oder, bei einer restlosen Hingabe an das Mittel der Inflation, zu einem Gesamtzusammenbruch.

Als liquider Vermögensgegenstand und Spekulationsobjekt verliert das Geld seinen Bezug zur realen Welt57. Die durchaus sinnvolle Eigenschaft als Tauschmittel für reale Güter und Leistungen wird zunehmend usurpiert von der steigenden Bedeutung als Mittel zur Kumulation von Macht. Diese Macht unterliegt keinem "sinkenden Grenznutzen"; die Macht ist über den Zinseszinsmechanismus ohne Aufwand grenzenlos steigerbar. So haftet dem Geld der Nimbus des Ewigen und Unendlichen an. Es ist der Welt entrückt und bietet sich an als Projektionsfläche für unterdrückte Ängste und Sehnsüchte.

Es ist nicht weiter verwunderlich, wenn der gesamtwirtschaftliche Suchtcharakter des Geldes auf das Individuum abfärbt. Man benötigt auch keine besondere Sensibilität, um zu bemerken, daß das Geld längst verabsolutiert und zum Fetisch erhoben wurde.

"Die Verabsolutierung von Werten und Dingen führt in Wirklichkeit zu ihrer Vernichtung. Das heißt, daß die Verabsolutierung der Werte immer einen Fetisch projiziert, der dann für die Wirklichkeit gehalten wird. So schafft sich der Mensch einen Fetisch, um sich in Wirklichkeit von ihm abhängig zu machen, ohne dies zu bemerken. ... Obwohl es keiner wahrhaben will, regiert die Magie unser gesamtes modernes Wirtschaftsleben, denn dieses beruht auf dem Widerspruch, daß grenzenloses Wachstum in einer begrenzten Welt geschieht. Dies aber ist nur möglich durch die Verabsolutierung des Geldes, das durch magische Wirkung sich selbst vermehrt."58

Das soll nun wiederum nicht heißen, daß der Zins die einzige Ursache für Projektionen (in wirtschaftlichen Zusammenhängen) darstellt. Es soll aber heißen, daß diese Form der Projektion in einer Zinswirtschaft ausgesprochen nahe liegt, sich geradezu aufdrängt und die bestehenden Verhältnisse stabilisiert.

14 Die fetten Jahre sind vorbei: sukzessive Dekompensation

Offensichtlich bekommt unsere Gesellschaft seit einiger Zeit Probleme mit dem zinsbedingten Umverteilungsmechanismus. Wie geht es nun weiter? Neben eher psychologischen Verabsolutierungen gibt es noch einige systematische Abläufe, mit denen sich die Zinswirtschaft - vorerst - stabilisiert.

Zuallererst ist da natürlich das Wirtschaftswachstum, hervorgerufen durch die Zusatzinvestitionen, mit denen die "gesparten" Zinseinkünfte in die Wirtschaft zurückgeführt werden können (bzw. müssen). Außerdem gestattet das Wachstum die Zahlung der gestiegenen Zinslasten ohne daß es zu Einkommensverluste bei den Arbeitenden kommt (vorausgesetzt, das Wachstum war groß genug, was aber immer seltener der Fall ist).

Mit dem Wirtschaftswachstum wird aber auch die marktwirtschaftliche Seite unseres markt- /zinswirtschaftlichen Zwitters aktiv. Die Wirtschaft tendiert zur Bedarfsdeckung, und die Renditen des Sachkapitals sinken. Wenn sie unter das Zinsniveau sinken, ist das Sachkapital (teilweise) nicht mehr rentabel, wodurch es zu einer Rezession kommt. Irgendwann sinkt die Rendite zwangsläufig unter den Zins, da der Zins eine untere Grenze nie unterschreiten kann.

Mit jeder Rezession geht eine Vernichtung von Sachkapital (Konkurse, Liquidierung von Betrieben, Unterlassung von Investitionen) und eine Vernichtung von Arbeitsplätzen einher. Die Renditen steigen wieder etwas, Investitionen werden wieder rentabel, die Produktion wird kapitalintensiver, und die Verschuldung des Sachkapitals nimmt zu. Auf der Strecke bleibt dabei allerdings die Beschäftigung, die bei jeder Rezession abgebaut und beim folgenden Aufschwung durch kapitalintensivere Produktionsmethoden substituiert wird. Die Rezessionen sind also nicht als Verfallserscheinung des Kapitalismus zu betrachten, sondern - im Gegenteil - als ein Stabilisator der notwendigen (relativen) Knappheit, ohne die Zinsen und Renditen nicht dauerhaft möglich wären.

Dem Sozialsystem obliegt die Aufgabe, die zunehmenden sozialen Disparitäten durch "Zurückverteilung" auszugleichen, allerdings auch wieder auf Kosten der verbleibenden Arbeitenden59. Es wird von unten nach ganz unten zurück verteilt, um die systemimmanente Konzentration nach oben halbwegs erträglich zu gestalten.

Eine andere, im finanziellen Bereich angesiedelte auffällige Erscheinung ist die Aktien- und Devisenspekulation60. Darüber ist es möglich, die Vorteile der Liquidität direkt in Erträge umzuwandeln, solange die Kurse (beim Aktienmarkt) tendenziell steigen. Diese steigen aber nur zum Teil aufgrund einer realen Wertsteigerung der Firmen, die die Aktien emittiert haben. Der mittlerweile größere Anteil der Kursgewinne stammt schlicht aus der Tatsache, daß immer mehr Geld in den spekulativen Bereich einfließt und die gestiegene Nachfrage die Kurse anheizt. Der Aktienboom der letzten Jahre kann daher teilweise als inflationärer Prozeß gedeutet werden, als eine Art Schneeballsystem, mit dem sich das Geld selbsttätig Seifenblasen-Renditen produziert, solange die Zinsen niedrig sind. Das Problem liegt allerdings nicht darin, daß mehr Leute in Aktien investieren, sondern darin, daß zur Spekulation große Geldbestände liquide gehalten werden müssen und dadurch der Realwirtschaft entzogen werden.

"Einerseits müssen die Kursgewinne im Durchschnitt mehr einbringen als der Zins als Vergleichsgröße, andererseits entzieht die bei steigenden Kursgewinnen zunehmende Spekulation dem Kreditgeschäft Geld. So stützen sich Zins und Kursgewinne gegenseitig. Auf der Strecke bleiben die nicht mehr genügend gewinnbringend einsetzbaren Erwerbstätigen, denen unter dem Vorwand der schärferen Konkurrenz das Geld auf zweifache Weise vorenthalten wird: Erstens in Form von zu hohen Zinsen, zweitens in Form von Lohnreduktionen und Arbeitsplatzabbau, um die Kursgewinne weiter zu stützen. Der spekulative Kreislauf wird mit seinen Gewinnmöglichkeiten zu einem Konkurrenten für die Realwirtschaft und damit für die Erwerbstätigen. Sobald die Gewinnaussichten in der Realwirtschaft abnehmen, fließen die Ersparnisse in die Finanzwirtschaft."61

Anstatt die Probleme selbst auszubaden, kann man sie auch in gewissem Maße exportieren. Die Kreditgewährung an Staaten der "Dritten Welt" hat vor allem zur Folge, daß die Exportindustrien (insbesondere die Rüstungsindustrien62) der kreditgewährenden Länder neue Aufträge bekommen. Sofern die Gelder in Rüstungsgüter und Großprojekte investiert werden, fließen sie meistens umgehend in die Industrienationen zurück. Die Verschuldung der "Dritten Welt" verbleibt jedoch als Hinterlassenschaft und zementiert die Umverteilung von Arm zu Reich auf globaler Ebene, denn der Transfer der Zinsen führt zu einem dauerhaften Kapitalabfluß aus den ärmeren Ländern, denen fortan gar keine andere Wahl mehr bleibt, als ihre Ressourcen zu verschleudern.

Eine weitere Stabilisierungsmöglichkeit ist noch der absolute Einkommensrückgang der Arbeitenden zugunsten der Zinsbezieher sowie der Abbau von Sozialleistungen. Damit stehen wir erst am Anfang, aber es wird in Zukunft häufiger Gebrauch davon gemacht werden müssen, unabhängig davon, welche Regierung gerade an der Macht ist. Ältere Volkswirtschaften, wie die in den USA oder in Großbritannien bezeugen, daß da noch einiger Spielraum drin liegt und über die Entstehung einer working poor sogar die Arbeitslosigkeit abgebaut werden kann (wenn das Lohnniveau nur niedrig genug ist).

Die hier beschriebenen "Stabilisierungen" sind selbstverständlich nur Pyrrhussiege des Zinssystems. Sie bewirken, wenn überhaupt, so nur ein Abfedern der zunehmenden Labilität. Dennoch wird das System labiler, denn auf Dauer kann dem exponentiellen Wachstum nichts entkommen. Und dann?

15 Der Ballon platzt: Kapitalvernichtung63

Je höher der Aufstieg, desto tiefer der Fall. Trotz aller kurzfristigen "Stabilisierungen" wird es einen Punkt geben, an dem die Verzinsung nicht mehr durchführbar ist. "Es ist halt ab einer gewissen Größe schlicht unmöglich, nochmals zu verdoppeln"64. Dann gibt es nur noch eins: das Kapital muß weg. Der Ablauf gleicht in groben Zügen dem der oben beschriebenen Rezessionen ("Marktbereinigungen"), nur daß eben die Gesamtwirtschaft "bereinigt" wird65.

Die notwendige Kapitalvernichtung betrifft dann allerdings vor allem das Geldkapital, weil von dort der Verzinsungsdruck ausgeht. Dennoch ist klar, daß trotz aller Abkopplung des finanziellen Sektors ein Zusammenbruch desselben sehr wohl Auswirkungen auf die Realwirtschaft zeitigt66.

Die damit einher gehende Vernichtung von Realkapital ist für die Zinswirtschaft auch insofern "sinnvoll", als dadurch neue Wachstumspotentiale geschaffen werden. Das ist dann ein Abwasch.

Eine Prognose über den konkreten Ablauf und Zeitpunkt einer großen Krise ist jedoch nicht möglich. Die Crux ist ja gerade, daß die Prognostizierbarkeit immer weiter abnimmt (wobei aber diese Abnahme mit tödlicher Sicherheit prognostiziert werden kann). Das System wird immer labiler, die kollektive Unsicherheit nimmt immer weiter zu. Will sagen: die sozialen Unterschiede und die Arbeitslosigkeit nehmen zu, die Verschuldung (und damit die Anfälligkeit gegenüber Krisen) der Wirtschaft und des Staates steigt bis ins Unglaubwürdige, immer mehr Liquidität fließt in den spekulativen Bereich, saugt einerseits Liquidität aus der Realwirtschaft ab, kann andererseits aber auch unverhofft in diese zurückkehren (etwa bei Kursstürzen). So sind auch unterschiedliche Krisenbefürchtungen zu verstehen, die sich vordergründig widersprechen67. Der konkrete Auslöser braucht mit der hier beschriebenen Problematik nicht viel zu tun zu haben, bezeichnend ist vielmehr, daß eine Kettenreaktion ausgelöst wird, die nach und nach alle wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche erfaßt68 (ähnlich eines Aidskranken, der letztlich an z.B. einer Erkältung stirbt).

Es wird daher auch nicht zu einer genauen Wiederholung der letzten großen Krisen kommen, denn die Organisatoren des Zinsdeals sind schließlich auch lernfähig. Die heutige Bundesbank ist nicht mehr die Reichsbank von 1930, der Golddeckungsstandard ist abgeschafft, die Geschäftsbanken werden peinlichst auf ausreichende Barreserven achten, der bargeldlose Zahlungsverkehr erhöht die Elastizität der Geldversorgung usw. usf.. Wir sind auf der Leiter, die nirgends angelehnt ist, schon ein ganzes Stück weit geklettert und, wer weiß, vielleicht klettern wir auch noch viel höher.

Und noch etwas hat sich geändert. "In diesem Jahrhundert ist angesichts der rapiden sozialen, wirtschaftlichen und technischen Entwicklung die "soziale Frage" um die ökologische Dimension erweitert worden. Betrachtete man bis in die letzten Jahrhunderte hinein die Natur als einen Feind, den es zu überwinden gelte ... , so dringt heute dagegen zunehmend die Tatsache ins Bewußtsein, daß der Mensch sich in die natürlichen Kreisläufe einbinden muß, wenn er sich und seine Umwelt retten will."69 Eine ökologische Kreislaufwirtschaft ist aber nur unter Rahmenbedingungen denkbar, die nicht zu dauerndem Wirtschaftswachstum zwingen. "Somit läßt der Kapitalismus (hier: die Zinswirtschaft, d. V.) auf kurze Sicht nur die Alternativen ökonomisch-sozialer oder ökologischer Zusammenbruch zu; indes kann man wohl bei weiterer Voraussicht eine nicht erstrebenswerte, sich dennoch langsam vollziehende Synthese beider Szenarien prognostizieren"70.

Das klingt ganz schön düster. Ein pessimistischer Realismus kann aber wenigstens noch die Grundlage für einen realistischen Optimismus liefern, wenn es möglich ist, die Zusammenhänge zu entwirren. Er sollte daher einer Verdrängung der Probleme bei weitem vorzuziehen sein.

16 Ursachen statt Symptome

Nach diesen mies machenden Inhalten der oberen Abschnitte ist es jetzt langsam an der Zeit, zu den optimistischeren Möglichkeiten überzugehen.

Es wird zweckmäßig sein, sich kurz an den "Streit um den Mehrwert" zu erinnern: die Renditen können dauerhaft nicht unter den Zins sinken, obwohl sie das bei weiterer Kapitalbildung tun müßten. Der Zins findet seine untere Grenze auf der Höhe der Liquiditätsprämie des Geldes, d.h. dem Wert des Jokervorteiles bzw. der Überlegenheit des Geldes über alle Waren und Dienste. Oder anders herum: die Liquiditätsprämie setzt den Standard, unter den der Zins nicht sinken kann und dieser setzt nun seinerseits den Standard, unter den die Renditen des Sachkapitals nicht sinken können.

Eine ökologisch verträgliche und gerechte Marktwirtschaft ist aber nur möglich bei Kapitalrenditen und Zinsen von nahe Null. Es stellt sich nun die Frage, wie dies erreicht werden kann, eine Frage, für deren Beantwortung es nötig sein wird, einige der herkömmlichen Erklärungsmuster über Bord zu werfen. Falls die Bereitschaft dazu vorhanden ist, sieht die Antwort sehr schlicht aus:

Man könnte die Liquiditätsprämie neutralisieren.

Man könnte sie selbstverständlich nicht abschaffen, denn der Sinn des Geldes ist es ja gerade, liquide zu sein, also als universelles Tauschmittel zu fungieren und die damit verbundenen Vorteile zu bieten. Aber man könnte der Liquidität Kosten auferlegen, die diese Vorteile kompensieren.

Die Kosten müßten also die gleiche Höhe haben, wie die Liquiditätsprämie und folglich bei Bargeld und Sichtguthaben irgendwo zwischen drei und sechs Prozent jährlich liegen. Die Belastung der Konsumenten, die ohnehin kaum zu der Problematik beitragen, wäre dementsprechend gering. Wenn jemand dauernd 1000 DM liquide hält, wären es bei sechs Prozent 60 DM im Jahr oder 5 DM pro Monat. Entscheidender würden sich die Kosten auf den Investitionskreislauf auswirken.

Es muß hier einem naheliegenden Mißverständnis vorgebeugt werden: bei den Gebühren auf Liquidität handelt es sich nicht um eine inflationäre Entwertung der Kaufkraft. Die Entwertung betrifft lediglich das Tauschgeld (genauer: die Liquidität), nicht aber die langfristigen Guthaben. Es würde - ganz im Gegenteil - überhaupt erst möglich, das Preisniveau tatsächlich stabil zu halten, da es mit der verstetigten Umlaufgeschwindigkeit des Geldes auch möglich würde, die umlaufende Geldmenge genau an die Wirtschaftsleistung anzupassen und so die angeblich unvermeidbare schleichende Inflation zu beseitigen.

Die Auswirkungen wären geradezu gigantisch, und es wären viele Bücher71 nötig, um sie umfassend zu behandeln. Im übernächsten Abschnitt werden die wesentlichen Auswirkungen wenigstens kurz überflogen werden.

Aber zunächst wird es interessant sein, zu sehen, wie ein Neutrales Geld denn aussehen könnte.

17 Neutrale Liquidität konkret72

Es müssen die verschiedenen Liquiditätspositionen unterschieden werden. Vor allem handelt es sich um Bargeld und um Sichtguthaben, aber auch kurzfristigen Termineinlagen kommt eine gewisse Bedeutung zu. Außerdem ist der Boden als in diesem Zusammenhang wichtigster nicht monetärer Vermögensgegenstand bedeutsam.

a) Bargeld

Der älteste und bereits mehrmals praktisch angewandte Vorschlag zur Neutralisierung der Barliquidität beruhte auf dem sogenannten Stempelgeld73. Dabei mußten Banknoten in periodischen Abständen auf der Rückseite kostenpflichtig frei gestempelt oder mit Wertmarken (ähnlich Briefmarken) freigemacht werden, um ihren Nennwert zu behalten.

Eine andere Möglichkeit ist das Tabellengeld, bei dem der Nennwert im Laufe der Zeit abnimmt, was in Form einer Tabelle auf der Banknote dargestellt ist. Diese Tabelle enthält die verschiedenen Nennwerte zu den angegebenen Zeitpunkten.

Schließlich wäre auch ein periodisch oder in ungewissen Abständen stattfindender kostenpflichtiger Umtausch einzelner Serien von Banknoten möglich. Die Kosten würden hier in Form der Umtauschgebühr erhoben. Diese Ausführung wird als Seriengeld bezeichnet.

Diese drei Ausgestaltungen haben jeweils besondere Vor- und Nachteile, auf die hier nicht ausführlich eingegangen werden kann. Vielleicht ergeben sich aber auch noch ganz andere Möglichkeiten. Das ist letztlich auch eine Frage der Kreativität.

b) Sichtguthaben

Einfacher liegt der Fall bei der sogenannten Buchliquidität. Belastungen von Konten werden schon heute von den Geschäftsbanken vollautomatisch vorgenommen (z.B. mit Buchungsgebühren). Löhr weist hierzu auf die Möglichkeit hin, die Banken zu einer Abgabe auf ihre Barreserven zu verpflichten, die diese für die geführten Guthabenbestände vorhalten müssen. Die Banken hätten dann ein Eigeninteresse daran, die Belastung möglichst verursachergerecht, d.h. gemäß der Liquidität der Einlagen auf die Kontoinhaber abzuwälzen. In diesem Fall wären auch andere, weniger liquide Bestände, wie z.B. kurzfristige Termineinlagen, betroffen (aber nur im Verhältnis ihrer Liquidität), auf die sonst vermutlich vermehrt ausgewichen würde.

Die Höhe der Liquiditätsgebühren sollte von einer unabhängigen Institution (der Bundesbank oder eines dafür einzurichtenden Währungsamtes) festgelegt werden und auch von dieser eingezogen werden. Bei einem direkten Zugriff durch den Staat wäre zu befürchten, daß die Gebühr zum Zweck der Vergrößerung der Einnahmen zu stark angehoben würde.

Die technischen Voraussetzungen wären also bereits heute gegeben. Es bedürfte zur Einführung allerdings diverser Gesetzesänderungen.

c) Boden

Aufgrund der Liquiditätsprämie des Bodens wäre nach einer alleinigen Geldreform ein in die Höhe schießender Bodenpreis zu befürchten, da die Anleger verstärkt in diesen Vermögensgegenstand ausweichen würde. Die Liquiditätsprämie des Bodens würde bestimmend für die Eigenzinssätze der übrigen Vermögensgüter und würde daher eine weitere Absenkung des Zinses verhindern. Die Verbindung einer Geld- mit einer Bodenreform wäre daher unabdingbar74.

Die Bodenreform würde jedoch keine Enteignungen erfordern. Es geht schließlich darum, die Liquiditätsprämie abzuschöpfen, was auch über eine Besteuerung möglich wäre75. Erleichternd wirkt hier die Tatsache, daß man Grundbesitz weder in Steuererklärungen "vergessen", noch ihn im Koffer in eine Steueroase bringen kann. Die langfristig sicherere Lösung76 wäre daneben aber der sukzessive Ankauf des Boden durch die Gemeinden (mit einem entsprechenden Vorkaufsrecht) und der folgenden Vergabe von Nutzungsrechten (Erbpacht) an den Meistbietenden. Dies hätte auch den Vorteil eines marktgerechten Ablaufes und der Vermeidung eventueller staatlicher Besteuerungswillkür. Quasi "nebenbei" würden dadurch Spekulationen mit diesem lebenswichtigen Gut unmöglich.

18 Bedarfsdeckungswirtschaft

Die Auswirkungen einer Neutralen Liquidität wären, wie gesagt, sehr weitreichend. Wird die Liquiditätsprämie konsequent neutralisiert, so wiegen die Kosten genauso schwer, wie auf der anderen Seite der Jokervorteil der Liquidität, also die "Sicherheit" im weitesten Sinn und die Aussichten auf spekulative Renditen durch die Geldhaltung. Das Transaktionsmotiv wird nun nicht mehr durch das Sicherheits- und das Spekulationsmotiv blockiert, d.h. die Liquidität des Geldes ist nur noch von Vorteil, wenn man sie zum Kaufen benutzt und nicht mehr, wenn man sich die Möglichkeit dazu erhält, es aber nicht tut. Das Tauschmittel "Geld" wäre als Vermögensgegenstand unbrauchbar.

Es kommt nun natürlich erst einmal zu durchaus erwünschten "Ausweichreaktionen". Sobald liquide Mittel anfallen, die nicht umgehend benötigt werden, werden sie investiert oder angelegt, da die langfristigen Anlagen von der Gebühr nicht betroffen sind. Das erhöhte Angebot auf dem Kapitalmarkt führt zwangsläufig zu sinkenden Zinsen, denn die unterste Grenze des Sockelzinses ist verschwunden.

Nun werden Investitionen rentabel, die vorher unterblieben wären. Das vergrößerte Kreditpotential fließt also letztlich auch in Investitionen, nur werden diese von den Schuldnern durchgeführt. Der Umfang des "Nicht- Zustandegekommenen" (vgl. Abschnitt 6) und damit die Arbeitslosigkeit sinkt zusammen mit der Rentabilitätsgrenze. Gleichzeitig kommt es zu einer fortschreitenden (Real-)Kapitalbildung (einer Dauerkonjunktur), die mit ihrer ausgeweiteten Produktion fortan auf die Renditen drückt. Die Absenkung der Renditen geschieht durch den Wettbewerbsmechanismus und erfolgt der bisherigen Erfahrung nach recht zuverlässig77.

"Ausgeweitete Produktion" bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, daß es zu einem noch stärkeren Wachstumswahn kommt, sondern, daß die Zunahme der Produktion nicht mehr kurz vor der nachhaltigen Deckung des Bedarfes wegen "Rentabilitätsschwäche" halt macht. Dem Kapital (wenn ich es mal personifizieren darf) bleibt nichts anderes übrig, als sich für die Bedarfsdeckung zur Verfügung zu stellen, wenn es wenigstens noch etwas von den sinkenden Renditen abbekommen will, da es jetzt keine Rückzugsmöglichkeit mehr in die Liquidität gibt.

Die Notwendigkeit eines permanenten Wirtschaftswachstums resultiert zur Zeit ja gerade aus dem Umstand, daß der Bedarf eben nicht gedeckt wird78!

Es ist zwar anzunehmen, daß es zuerst zu einem weiteren Wachstumsschub kommt, was angesichts des Nachholbedarfes von über vier Millionen Arbeitslosen auch kein Wunder ist, aber mit den sinkenden Renditen sinkt nach und nach auch die Motivation, weitere Investitionen vorzunehmen. Ebenfalls sinkt die rendite- und zinsinduzierte Ersparnisbildung und damit der Zwang, diese Gelder über weitere Verschuldung in die Wirtschaft zurückzuführen, damit es keine Nachfrageausfälle gibt (also die Notwenigkeit weiteren Wirtschaftswachstums).

Auf dem Weg zum Nullzins verlagern sich ständig Kapitaleinkommen zu Arbeitseinkommen79. Die Konzentration des Kapitals wird umgekehrt in eine Dezentralisierung. Dementsprechend schwindet der Einfluß kapitalkräftiger Konzerne und wirtschaftlicher Mamutgebilde. Die Dezentralisierung des Kapitals schlägt folglich auf die Realwirtschaft durch. Der Verdrängungswettkampf um die größte Kapitalkraft bekommt die Chance, in einen marktwirtschaftlich fairen Wettbewerb überzugehen.

Die Entwicklung findet ihren Gleichgewichtszustand bei einem Niveau der Zinsen und Renditen von Null, d.h. bei einer konsequenten Eliminierung leistungsloser Kapitaleinkommen, sei es aus Geld- oder Sachkapital. "Der Kapitalist als "funktionsloser Investor" (Keynes) verschwindet mit der Kapitalrente, es bleibt der Unternehmer, der ein Leistungsentgeld für die Führung des Unternehmens erhält"80. Weitere Zusatzinvestitionen werden dann nicht mehr vorgenommen, da sie unrentabel wären, also Verluste einbringen würden. Die Nettoinvestitionsrate und damit das Wachstum sinkt deshalb auch bis auf Null, d.h. die Investitionen und der Verschleiß des vorhandenen Kapitalstocks81 halten sich die Waage. Ebenso sinkt die Sparquote auf Null, die Neubildung von Ersparnissen und deren Auflösung halten sich auch die Waage.

Das müssen sie tun, denn bliebe die Sparquote auch bei einem Nullzins noch positiv, würde der Kapitalmarkt kurzfristig mit negativen Zinsen reagieren. Dabei ist zu beachten, daß sich die Ersparnisse jetzt nur noch aus Arbeitseinkommen zusammensetzen. Ein negativer Zinssatz auf gesparte Arbeitseinkommen ist aber ein eindeutiges Signal: Arbeit lohnt sich nicht mehr. In dieser Situation ist das Signal auch vollkommen richtig, denn offensichtlich liegt die Leistung der Wirtschaft über dem Bedarf. Es kann nun zu Arbeitszeitverkürzungen auf freiwilliger Basis kommen, bis das Gleichgewicht wieder hergestellt ist. Die Höhe der gleichgewichtigen gesamtwirtschaftlichen Ersparnis wird vorwiegend durch das Vorsorgebedürfnis der Bevölkerung bestimmt.

Die Marktwirtschaft ist im Gleichgewichtszustand trotz "Nullwachstum" nicht statisch. Sobald neuer Bedarf auftritt, können Unternehmer durch Zusatzinvestitionen "Pioniergewinne" erzielen, bis die Konkurrenz nachgezogen hat. Die Wirtschaft kann also noch wachsen, wenn dies sinnvoll ist. Ebenso kann sie schrumpfen ohne dadurch eine Krise auszulösen. Wann dieses Gleichgewicht erreicht wird hängt dementsprechend vom Bedarf ab.

Der Zins ist nicht abgeschafft, sondern pendelt je nach Laufzeit der Anlagen um Null. Die zu zahlenden Schuldzinsen sind allerdings immer noch leicht positiv, da darin auch noch die Bankmarge und Risikoprämien enthalten sind.

Ohne Zins bzw. Rendite verbleibt der Arbeitsertrag in voller Höhe bei den Arbeitenden (natürlich inklusive arbeitender Unternehmer). Von dort aus fließt er in den Konsum. Die Konsumquote des Volkseinkommens beträgt 100% (auch das ist notwendig, da sonst Teile des Volkseinkommens netto investiert werden müßten und zu einem Wirtschaftswachstum führen würden, was aber nicht möglich ist, da dann die Renditen negativ würden, s.o.). Gleichzeitig ist der Besitz von Realkapital kein Privileg mehr, da es über zinslose Kredite allgemein zugänglich ist. Der Machtanspruch des Kapitals wird obsolet. Gerade in dieser Situation (der des allgemeinen Zugangs zu Realkapital) wird der Versuch, es zu akkumulieren sinnlos, da es nun keine Rendite mehr abwirft.

Aus unternehmerischer Sicht ergeben sich einige Änderungen in den Prioritäten, obwohl - oder gerade weil! - das Gewinnstreben weiterhin aktiv sein kann. Je weniger die Vergrößerung des Outputs auf zusätzliche Renditen hoffen läßt, desto gewinnbringender wird es werden, statt dessen den Input zu verringern, also letztlich Energie und Ressourcen einzusparen82. Die "Effizienzrevolution"83 wird möglich, weil die Zukunft nicht mehr abdiskontiert wird. Das darf aber nicht darüber hinweg täuschen, daß es trotzdem für den Einzelnen gewinnbringend sein kann, (ökologische) Kosten auf die Gesellschaft abzuwälzen. Eine ökologische Steuerreform wäre darauf schon seit langem die angemessene Antwort und würde auch in der hier beschriebenen Bedarfsdeckungswirtschaft ihre Bedeutung behalten.

Ganz allgemein muß darauf hingewiesen werden, daß die Neutralisierung der Liquidität nur eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für eine sozialverträglich-ökologische Marktwirtschaft ist. Mit einem entsprechend pessimistischen Menschenbild kann man sich auch eine durch die Unersättlichkeit der Konsumenten angetriebene Superwirtschaft ausmalen, die erst dann in ihr Gleichgewicht findet, wenn die Erde zubetoniert ist. Es kann aber auch sein, daß sich die heute oft anzutreffende Konsumwut als das gleiche erweist, wie Oma's Gerede "Kind, du mußt doch ordentlich essen", nämlich als schwindendes Überbleibsel einer Mangelwirtschaft.

Außerdem muß schon hier vorweg genommen werden, daß der beschriebene Gleichgewichtszustand als hypothetisches Szenario zu verstehen ist, das in der Realität zwar angenähert, aber (mittelfristig) nicht punktgenau erreicht werden kann. Das gilt besonders bei einem nationalen Alleingang unter global vernetzten Kapitalmärkten.

Diese Betrachtung über die Folgen könnte noch lange fortgeführt werden. Sie bleibt hier bewußt auf einige wirtschaftlich relevante Zusammenhänge beschränkt, da das Ansinnen, Wertmarken auf Geldscheine kleben zu wollen, wohl vordergründig nicht gerade besonders fundiert erscheint. Die vielen weiterhin anzunehmenden Auswirkungen auf den sozialen und kulturellen Bereich können hier nicht einmal angeschnitten werden, da sie den Rahmen dieser Arbeit bei weitem sprengen würden.

19 Ausweichreaktionen84

Aber werden das denn "die Kapitalisten" so einfach mit sich machen lassen? Mit Sicherheit wird es ihnen keinen Spaß machen, aber die Frage ist, welche Ausweichreaktionen überhaupt möglich sind. Von militärischen Interventionen oder ähnlichen "Konterrevolutionen" wird im folgenden abgesehen.

Man muß dabei beachten, daß "die Kapitalisten" in dem beschriebenen Szenario nicht etwa auf eine Rendite oder einen Zins verzichten. Jeder holt weiterhin raus, was gerade geht. Die Höhe der Renditen (der landesübliche Zinsfuß) liegt nun einfach nahe Null. Dorthin geführt hat uns der marktkonforme Wettbewerb, also gerade das Gewinnstreben "der Kapitalisten". Dieses sorgt weiterhin dafür, daß die Situation auch so bleibt, da temporär mögliche Renditen durch den Wettbewerb eliminiert werden.

Aber warum sollten "die Kapitalisten" dann überhaupt noch etwas tun, z.B. Arbeitsplätze schaffen? In der Tat würden sie nichts mehr tun, da sie nicht mehr existieren (im Sinne des "funktionslosen Investors"). Der etwas ungünstige Begriff "die Kapitalisten" wird aber noch kurz beibehalten, um einige Abläufe durchzuspielen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen könnten sie gerne bleiben lassen, denn, wie bereits erwähnt, ist die Verfügung über Sachkapital nun kein Privileg mehr. Mit einem Gedankenspiel wird das verständlich: Nehmen wir an, es gibt Arbeitslose (die z.B. von einem frustrierten "Kapitalisten" hinausgeworfen wurden). Sie haben einen Bedarf an verschiedenen Gütern. Im Nullzins-Szenario nehmen sie nun einfach einen zinslosen Kredit auf und schaffen sich ihre Arbeitsplätze selbst, z.B. durch den Bau einer neuen Fabrik. Die Rentabilitätsgrenze liegt bei Null, d.h. sie können ihre eigene Arbeitskraft so lange rentabel verwerten, wie sie nur ihr eigenes Einkommen erwirtschaften. Die Konsumquote beträgt 100%, d.h. ihr Einkommen fließt vollständig in den Konsum und erzeugt damit quasi rückwirkend sich selbst85 (wenn sie die durch sie verbrauchten Güter selbst hergestellt hätten). Selbstverständlich werden nicht alle Arbeitslosen zu Unternehmern werden, aber gesamtwirtschaftlich ist es auch ganz egal, wer die Investitionen vornimmt und die Arbeitsplätze schafft, die dann den zuvor ungedeckten Bedarf decken86. Irgend jemand wird sich finden, da die vorhandenen Gelder aufgrund der Gebühr nicht mehr zurückgehalten werden können ohne einen Substanzverlust zu erleiden.

Die gleiche Argumentation zieht auch für den Fall, daß sich "die Kapitalisten" an Marx erinnern und das Lohnniveau unter den Wert der produzierten Waren drücken wollen. Im Nullzins-Szenario müßten sie dafür erst einmal die Arbeiter finden, die das mit sich machen lassen. Die Arbeit ist jetzt der knappste Produktionsfaktor.

Innerhalb des Währungsraumes wird es kaum Möglichkeiten für bedrohliche Ausweichreaktionen geben, zumal sich "die Kapitalisten" mit entfesseltem Eigeninteresse selbst entmachten würden (da kann man sich drauf verlassen). Es bleibt also die "Flucht" in das Ausland87.

Damit ist natürlich die "Flucht" der Geldvermögen gemeint, da ein Abtransport des vorhandenen Realkapitals absurd hohe Transaktionskosten verursachen würde oder völlig unmöglich ist (Immobilien). Das Geld verläßt aber nicht den Währungsraum, sondern wird in eine Fremdwährung gewechselt. Das setzt voraus, daß es einen Besitzer dieser Fremdwährung gibt, der in DM wechseln möchte. Das Regulativ, welches hierbei eventuelle Ungleichgewichte in Einklang bringt, ist der Wechselkurs. Wenn nun - wie zu erwarten sein würde - vermehrt DM in Fremdwährungen gewechselt wird, so wird der Kurs der DM sinken.

Der sinkende Wechselkurs hat nun mehrere Auswirkungen. Einerseits wirkt er der weiteren Kapitalflucht direkt entgegen, da die Fremdwährungen "teurer" werden. Zusammen mit den Fremdwährungen werden auch importierte Güter teurer, die in Fremdwährungen bezahlt werden müssen. Andererseits werden die inländischen Exportgüter im Ausland günstiger. Dadurch würde sich das Exportvolumen erhöhen und eine vergrößerte Nachfrage nach inländischer Währung hervorrufen. Auch dies wirkt der weiteren Kapitalflucht entgegen. Der Abfluß von Kapital würde so gesehen durch einen Abfluß von Exportgütern substituiert. "Der Export von realwirtschaftlichen Ressourcen "unter Preis" (= gesunkene ,"Terms of Trade") ist also als "Selbstheilungsmechanismus" notwendig, damit der Marktprozeß wieder ins Gleichgewicht kommt. ... Die Behinderung der Selbstheilungskräfte des Marktes ist somit der Kern des Problems."88 Diese Behinderung betrifft vor allem Entwicklungs-, Transformations- und Weichwährungsländer. Die Bundesrepublik dürfte hingegen kein großes Problem damit haben, ihr Exportvolumen zu steigern. Trotzdem bleibt die Frage: "läßt sich in einer Welt mit auf das engste verbundenen Kapitalmärkten quasi im "Alleingang" in einer Wirtschaftsregion ein zinsfreier Raum verwirklichen? Die Frage muß wohl mit einem klaren Nein beantwortet werden, denn der Zins ist letztlich eine internationale Größe. Allerdings dürfte es möglich sein, das Zinsdifferential zum Ausland umso mehr zu erhöhen, je stärker sich der freiwirtschaftlich dominierte Wirtschaftsraum durch besondere währungspolitische, rechtliche, wirtschaftliche und soziale Stabilität vom "Rest" der Welt abhebt".89

Eine besondere Stabilität würde mit der beschriebenen Reform aber trotz des Problems der Kapitalflucht gerade einher gehen. Nachfragelücken wären trotz eines weiterhin positiven Zinses nicht mehr möglich, Vollbeschäftigung könnte angenähert werden (man denke an das zum großen Teil exportbedingte Wirtschaftswunder der jungen Bundesrepublik). Das wäre ja auch schon was.

Zusammenfassend muß man wohl trotzdem zugestehen, daß hier ein gewisses Manko der Theorie liegt. Es sieht so aus, als ob man sich sogar nach einer Geld- und Bodenreform mit einem bloß gesunkenen, aber nicht bei Null angekommenen Zinsniveau begnügen müßte. Zu diesem Punkt ist sicher noch viel weitere Forschung nötig, um ein Maximum an Zinsdifferenz herauszuholen.

Weitaus effektiver als eine nachträgliche Kapitalflucht wäre es natürlich, eine solche Reform von vorn herein zu verhindern. Es wäre im Vorfeld der Reform sicher mit erheblichen (vor allem propagandistischen) Widerständen von einflußreicher Seite aus zu rechnen. Solche Propaganda wird schon heute ausgerechnet von einigen linken bis linksradikalen Gruppen verbreitet, bei denen es anscheinend eine abgemachte Sache ist, daß der freiwirtschaftliche Ansatz irgendwie "rechtslastig" oder sogar faschistoid sein soll90. Das Thema wurde auch bereits in einigen Zeitschriften und Zeitungen aufgegriffen91. Sofern man die Welt in "rechts" und ,"links" aufteilt, liegt dieser "Umkehrschluß" aus linker Perspektive wohl nahe, bleibt aber trotzdem an den Haaren herbei gezogen. Übersehen wird dabei, daß sich die Freiwirtschaft nicht nur gegen die "linken" (vor allem auf Marx zurückgehenden) Zentralisierungs- und Verstaatlichungsvorhaben richtet, sondern gegen jede Form wirtschaftlicher und politischer zentralistischer oder totalitärer Machtkonzentration. Diese Teile der "Linken" können das fragwürdige Verdienst für sich beanspruchen, gemäß ihrer langen Tradition lieber andere zu diffamieren, anstatt selbst konstruktiv zur Sache zu kommen. Erschwerend kommt hinzu, daß die Zinsproblematik schon von den Nazis zu Propagandazwecken mißbraucht wurde (freilich ohne zum Kern des Problems vorzudringen) und sich sogar einzelne frühere Freiwirtschaftler Anbiederungsversuche an die Nazis geleistet haben92. Da diese Vorwürfe deshalb oberflächlich so schön ins Bild "passen", wird man sich wohl noch auf einige Schlammschlachten gefaßt machen müssen. Es kann hier nur abermals auf die Literatur im Anhang verwiesen werden, mit der Bitte an den Leser, sich selbst ein Bild von der Absurdität solcher Vorwürfe zu machen.

20 Praktische Versuche93

Die Gedanken zu einer Geldreform sind nicht bloß graue Theorie. Sie wurden schon verschiedentlich praktisch erprobt, wenn auch nur in regional begrenzten Versuchen. So wurde 1929 in Erfurt eine Wära- Tauschgemeinschaft gegründet, die ein umlaufgesichertes, d.h. mit Kosten belegtes Ersatzgeld herausgab (die "Wära"). Nach kurzer Zeit hatten sich dieser Gemeinschaft schon über 1000 Firmen angeschlossen, die während der beginnenden Krise einen separaten Kreislauf bildeten. Das zuvor überregionale Experiment verdichtete sich in der niederbayrischen Ortschaft Schwankirchen zu einem Wära-Knotenpunkt. "Die von den Initiatoren in die Wära gesetzten Erwartungen schienen sich in Schwankirchen trotz mancherlei Komplikationen ... zu erfüllen. Der Erfolg der Wära weckte jedoch auch den Argwohn der Deutschen Reichsbank. ... Dem Interesse der Deutschen Reichsbank an der Wahrung ihres Ansehens kam es deshalb sehr entgegen, daß der Reichsfinanzminister H. Dietrich im Zuge der Brüningschen Notverordnung die Herstellung, Ausgabe und Benutzung jeglichen Notgeldes im Oktober 1931 durch eine Verordnung verbot."94

Noch bekannter wurde das Experiment von Wörgl95, einer Marktgemeinde in Tirol. "Während überall in Österreich die Zahl der Arbeitslosen vom August 1932 bis August 1933 um rund 10% anstieg ... , konnte sie im Bereich der Gemeinde Wörgl im gleichen Zeitraum um 25% gesenkt werden. Nach diesem Erfolg konnte es nicht ausbleiben, daß auch das praktische Freigeldexperiment von Wörgl schon wenige Monate nach seinem Beginn internationales Aufsehen erregte."96 Weitere 170 Gemeinden in Österreich wollten daraufhin ebenfalls ein umlaufgesichertes Geld einführen. Auch dieses Experiment wurde nach einem langen Rechtsstreit verboten und die weiteren geplanten Einführungen konnten nicht zustande kommen. Dem Bürgermeister Wörgls, der gerade eine Vortragsreise durch die Schweiz geplant hatte, wurde Redeverbot erteilt und die Einreise verweigert.

Dennoch kam es zu weiteren Experimenten in der Schweiz, in Spanien, in Frankreich und den USA, die aber auch größtenteils verboten wurden oder offenkundige Mängel in der Umlaufsicherung aufwiesen und daher wieder eingestellt wurden.

Bezeichnend ist bei den praktischen Versuchen, daß die erfolgreichen unter ihnen gerade aufgrund ihres Erfolges verboten wurden (bzw. bei befürchtetem Erfolg gar nicht erst zustande kamen). Obwohl man diese regional begrenzten Experimente nicht einfach auf den gesamten Währungsraum übertragen kann, können sie aber dennoch zumindest als Indiz dafür gelten, daß es sich bei einer solchen Reform nicht bloß um eine nette, aber undurchführbare Idee handelt.

Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang auch noch die neueren Tauschringsysteme, die zwar kein Ersatzgeld ausgeben, aber trotzdem eine Gebühr auf ihre "Sichtguthaben" erheben. Leider kann auf das Für und Wider der verschiedenen Tauschringsysteme hier nicht mehr näher eingegangen werden97.

21 Der blinde Fleck

Es drängt sich eine weitere Frage auf, die bisher unberührt geblieben ist. Warum werden die hier angerissenen Vorschläge zu einer Geld- und Bodenreform nicht vehement öffentlich diskutiert (geschweige denn verwirklicht), wo doch der Ansatz so brauchbar aussieht? Anscheinend befindet sich das gesamte Thema in einem blinden Fleck unserer Wahrnehmung. Dieser blinde Fleck stabilisiert sich selbst. Es gibt da einen sehr schönen Versuch zur Wahrnehmungsfähigkeit:

Einigen Versuchspersonen (hier: Studenten) werden mehrere Bilder mit zum Teil verschieden langen Linien gezeigt, aus denen sie die gleich langen Linien auswählen sollen. Das ist sehr einfach und sieht nach einem sehr langweiligen Versuch aus. Die Antworten sind immer einstimmig. Plötzlich wird einer der Studenten sehr unruhig, da seine Meinung über die Länge der Linien von der Meinung aller anderen Versuchspersonen abweicht. "Was er nämlich nicht weiß, ist, daß Asch (der Versuchsleiter, d. V.) alle übrigen Studenten vor dem Experiment sorgfältig instruierte, von einem bestimmten Punkt an einstimmig dieselbe falsche Antwort zu geben. Er ist somit die einzige wirkliche Versuchsperson und befindet sich in einer höchst ungewöhnlichen und beunruhigenden Lage: Entweder muß er der nonchalant und einstimmig abgegebenen Meinung der anderen widersprechen und ihnen daher in seiner Wirklichkeitsauffassung merkwürdig gestört vorkommen, oder er muß der Evidenz seiner eigenen Wahrnehmung mißtrauen. Wie unglaublich es auch scheinen mag, verfielen 36,8% der Versuchspersonen dieser zweiten Alternative und unterwarfen sich dem ihnen selbst so offensichtlich falschen Urteil der Gruppe."98 Aber auch die Studenten, die Ihre eigene Ansicht vertreten konnten, litten während des Experimentes unter starker Nervosität, Angstzuständen und an erheblichen Zweifeln bezüglich Ihrer eigenen Wahrnehmungsfähigkeit.

Diese Gefühle wird wohl so mancher nachvollziehen können, der beginnt, den freiwirtschaftlichen Ansatz in einer "konventionellen" Atmosphäre zu vertreten. Auch andere Versuche, die Probleme zu thematisieren, wie z.B. mit dieser Broschüre leiden unter dem blinden Fleck. Viele Leser werden bis hier hin wohl einige Gegenargumente gesammelt haben (die sicher gesellschaftlich akzeptiert würden) und geneigt sein, die Angelegenheit deshalb ad acta zu legen (weil sie sich einfach nicht vorstellen können, daß auch der Verfasser dieser Broschüre sehr lange sehr viele Gegenargumente "durchgekaut" hat [die man alle widerlegen kann], bis ihm schließlich einfach keine mehr eingefallen sind. Vielleicht sind einige Leser da kreativer, dann sollten wir mal zusammen ein Bierchen trinken gehen).

Ein weiterer Hemmschuh liegt darin, daß der freiwirtschaftliche Ansatz ein Dilemma behandelt. Das wurde bereits am Anfang dieses Aufsatzes bei dem "schizophrenen Geld" deutlich, welches gleichzeitig zwei sich widersprechende Anforderungen erfüllen soll. Dort liegt der Kern des Problems! Alle weiteren Dilemmata folgen bloß aus dieser widersprüchlichen Grundlage (z.B. die Liquiditätsengpässe (Geldmangel) bei wachsenden Geldvermögen, das notwendige Wirtschaftswachstum bei bleibender Knappheit, Rezessionen als Voraussetzung der Aufschwünge u.v.a.m.). Das erweckt den Anschein, als sei die Theorie widersprüchlich und folglich unbrauchbar, obwohl sie notwendigerweise Widersprüche behandelt, die real existieren. Weit schwerwiegender ist aber noch der Umstand, daß wir daran gewöhnt sind, Dilemmata zu verdrängen. Das ist im alltäglichen Leben auch durchaus sinnvoll, da sich ein Dilemma ja gerade dadurch auszeichnet, daß es nicht lösbar ist. Anders liegt der Fall, wenn wir selbst ein Dilemma installieren (beispielsweise in Form einer in sich widersprüchlichen Währungsordnung), dessen Verdrängung auf Dauer katastrophal sein kann. Anscheinend hatte weder die Evolution unserer neuronalen Vernetzung noch unsere kulturelle und geistesgeschichtliche Entwicklung bisher genug Zeit, um auf derartige Gefahren adäquat zu reagieren.

Andererseits ist die Verdrängung dieses Ansatzes auch wieder kein großes Wunder, da radikal mit vielen unserer modernen Ideologien und Mythen gebrochen wird. "Ideologie ist auf kollektiver Ebene das, was in der Psychologie des Individuums "Rationalisierung" genannt wird: Man legt sich gute Verstandesgründe zurecht, um von der emotionalen Realität abzulenken, um eine Haltung oder ein Handeln zu rechtfertigen, das vor der Wirklichkeit des anderen Menschen oder des eigenen Selbst flieht. ... Zum vollen Begriff der psychologischen Rationalisierung gehört jedoch, daß dem Betreffenden seine wahren Gründe selbst verborgen bleiben: er macht sich selbst etwas vor. Rationalisierung ist eine Form der psychologischen Abwehr: Scheu vor der Aufdeckung der wahren Motive, um sich nicht ändern zu müssen. ... Vorzüglich eignen sich hohe und komplizierte Theorien zur Rechtfertigung einer bestehenden Praxis, wenn es gelingt, durch sie von den tatsächlichen Verhältnissen und Problemen abzulenken (theoretische Ideologie oder Ablenkungsideologie). Der Unterschied zwischen beiden Formen (theoretische und praktische Ideologie, d. V.) liegt nur im höheren Aufwand von Theorie und hehren Bildungsgütern, mit dem die Ablenkungsideologie arbeitet, damit die zu rechtfertigenden Verhältnisse möglichst gar nicht erst zu Bewußtsein und zur Sprache kommen. Sie sind so etwas Niederes, daß man bei den hohen Gedankenflügen gar nicht an sie zu denken wagt. ... Eine gut funktionierende Ideologie muß scheinbare Kinderfragen ins Vergessen abdrängen können."99

Es darf nicht darum gehen, alte Ideologien durch neue zu ersetzen. Der vorliegende Erklärungsversuch wird hoffentlich nicht in diese Richtung mißverstanden. Es ist klar, daß diese Broschüre natürlich auch den Sinn hat, für den dargestellten Ansatz zu werben. Es ist aber genauso klar, daß es auf wenigen Seiten nicht möglich ist, die Thematik umfassend zu beschreiben und vermutlich auch nicht, den kritischen Leser sofort zu überzeugen. Es bleiben viel zu viele Fragen offen. Vielmehr sollte gezeigt werden, daß einige "Kinderfragen" auch in wirtschaftlichen Belangen gestellt werden müssen und keineswegs banal sind. Die hier aufgeworfenen Fragen haben vermutlich eine "Inkubationszeit" von mehreren Monaten oder sogar Jahren, in denen sich zeigt, ob die Fremdkörper isoliert und ausgestoßen, sprich: vergessen, werden oder ob einige nagende Fragen zurückbleiben, die auf eine Klärung drängen. Es ist nicht beabsichtigt zu missionieren, sondern diese nagenden Fragen zu hinterlassen, die, wenn sie denn geklärt werden, wahrscheinlich zu erstaunlichen Antworten führen werden. Insofern hoffe ich, daß ich einige Leser ein wenig "infizieren" konnte.

Behalten Sie bitte im Auge, daß die Dinge vergänglich sind. Unser Leben ist auch vergänglich, sogar wissenschaftliche "Wahrheiten" erweisen sich zunehmend als vergänglich, technische Verfahrensweisen sowieso, Tier- und Pflanzenarten, ganze Ökosysteme, Kulturen, Gebirge, Ozeane, die Erde, die ganze Welt ist vergänglich. Und ausgerechnet unser Tauschmittel soll unvergänglich sein?

Diese Dinge sind auch alle begrenzt und unser Leben erst recht, unser Wissen ist es und unser Können, die Kapazität der modernsten Maschinen, der Informationsgehalt von Computern und Bibliotheken, die natürlichen Ressourcen, die Erdoberfläche, die Biosphäre, das Marktvolumen, die Lichtgeschwindigkeit, alles hat seine Grenzen. Aber ausgerechnet unser Tauschmittel soll unbegrenzt kumulierbar sein, die Forderungen danach (die Guthaben) sogar ohne einen Finger krumm zu machen.

Das kann doch gar nicht funktionieren!

"In einer Zeit, in der die Grenzen des Wachstums deutlicher denn je werden, müssen wir Mittel und Wege finden, durch die das Wachstum der Grenzen ermöglicht wird"100. Wir müssen sehen, daß es nicht die persönliche Unersättlichkeit ist, noch nicht einmal die Dummheit101, die Menschen zu solchen schwachsinnigen Gedanken treibt, sondern die Eigendynamik unseres Geldes, die kein Wenn und Aber zuläßt.

22 Ausblick

Die Durchführung einer freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform erscheint auf absehbare Zeit (um es nett zu formulieren:) unwahrscheinlich. Die meisten Menschen erfahren die Funktionen des Geldes fast ausschließlich aus ihrer Abhängigkeitsposition heraus und werden den Vorschlägen, dem Stoff, von dem sie abhängig sind, nun auch noch Kosten aufzuerlegen, nicht besonders viel Vertrauen entgegenbringen.

Eine konkrete Prognose über die weitere Entwicklung ist, wie gesagt, selbstverständlich nicht möglich. Der Grat, auf dem wir balancieren wird dünner. Es bleibt offen, wie schnell und an welchen Stellen er das tut. Unsere Fahrt über den Grat wird unsicher, weil zu schnell, und wir versuchen der Gefahr zu entkommen, indem wir tiefer auf das Gaspedal treten. Die "globale Beschleunigungskrise"102 ist in vollem Gang.

Das war abzusehen. "Organisation im Großen und höhere Innovationsgeschwindigkeit haben so lange einen Selektionsvorteil, bis praktisch alle Versuche sich als Irrtümer erweisen. Zwar wenden sich immer mehr Intelligenz und Kreativität dem Erkennen und der Reparatur von Fehlern zu, doch muß schließlich fast jede Problemlösung mehrere neue Probleme schaffen, die noch weiter ausgreifen und noch drängender sind, also noch eiligerer Lösung bedürfen. So läuft die Problemerzeugung der -lösung davon, bis räumlich und zeitlich kritische Skalen erreicht sind ... Aber natürlich geht es anders! Bald wissen es alle: Wenn "Fortschritt" und "Wachstum" immer mehr Menschen davon abhängig macht, daß mit immer mehr Materie und Energie Schund produziert, der rasch als Schund erkannt, weggeworfen und ständig rascher durch neuen Schund ersetzt wird, dann ist dies der Fortschritt einer Krankheit!"103

Die Wirklichkeit zappelt im Raum der Möglichkeiten in ihren eingefahrenen Bahnen und sucht nach "attraktiveren" Gestalten. "Attraktoren machen es der Wirklichkeit schwer, ihren Einzugsbereich zu verlassen, wenn diese durch ihr Zappeln einmal hineingeraten sind."104 Es ist ja auch sehr naheliegend, Bewährtes erst dann aufzugeben, wenn es sich als unbrauchbar erweist105. Dennoch treten die Funktionsdefizite des Zinssystems immer deutlicher und rascher zu Tage. "Die Instabilität definiert selbst ihren kritischen Zeitrahmen. Nur vor dem Aufprall kann die Umlenkung des globalen Schwungs in vielfältige lebensfähige Strukturen gelingen"106. Es ist zu hoffen, daß sich die Erwartung Kafkas erfüllt: "Immer stärkeres Leiden an den Widersprüchen, heftigeres Zappeln an immer heißer werdenden Reibungsstellen der Gesellschaft wird die Mehrheit in den Einzugsbereich lebensfähiger Ideen im Raum der Möglichkeiten bringen."107

Leider ist das auch der Punkt, an dem die Affinität zu Ideologien und Scharlatanerie erfahrungsgemäß stark zunimmt. Es muß in der jetzigen Situation vorrangig darum gehen, weiter an den Grundlagen zu arbeiten und die Informationen weiterzugeben, Diskussionen anzuregen und zu zeigen, daß es sich bei den hier dargestellten Vorschlägen nicht um die üblichen Heilsversprechen und Pauschallösungen handelt. Nur eine Wende von unten wird die Nachhaltigkeit besitzen, die eine "Mutation unseres Wirtschaftssystems"108 ermöglichen kann, wenn sie bitter nötig wird.

Über den Zweck des bekannten Apfelbäumchens vor dem Weltuntergang kann man sich wohl zu Recht streiten, aber in dieser Angelegenheit ist noch lange nicht aller Tage Abend. Es wäre nicht das erste Mal, daß eine scheinbar verrückte, utopische, "weltverbesserische" Möglichkeit binnen Kurzem zur Selbstverständlichkeit und zum gedanklichen Allgemeingut wird, wenn die Zeit dafür reif ist. Rückblickend wird es dann völlig unverständlich sein, weshalb man nicht schon viel früher darauf gekommen ist.

Der Kaiser ist nackt, und jeder kann es sehen! Man darf nur nicht wegblicken.
 
 

Literatur

freiwirtschaftliche (im weiteren Sinn)

(Nicht alle hier aufgeführte Literatur ist im Buchhandel erhältlich. Sie kann aber beim DDW-Versand (s.u.) oder bei der INWO bestellt werden.)

Burhenne, Hilmar, Das Geldspiel, Anlagen, Prognosen, Tips, Zinsen, Aktien, Steuern, Geld, Vermögen - alternativ, Selbstverlag, Karlsruhe 1993
Creutz, Helmut, Das Geld-Syndrom, Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft, Ullstein, Berlin 1997
Gesell, Silvio, Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, Gauke, Lütjenburg 1991 (unveränderter Nachdruck d. Ausg. v. 1920)
Heinrichs, Johannes, Sprung aus dem Teufelskreis, Logik der Sozialen und Natürlichen Wirtschaftslehre, Vita Nuova, Wien o.J.
INWO (Hrsg.), Alternative Geldmodelle, zwei Beiträge zur praktischen Umsetzung, INWO, Aurau/Schweiz 1993
INWO (Hrsg.), Zukunftsfähige Wirtschaft, Beiträge zur 4. Internationalen Tagung der INWO in Bern 1995, INWO, Aurau/Schweiz 1995
Kafka, Peter, Gegen den Untergang, Schöpfungsprinzip und globale Beschleunigungskrise, Carl Hanser Verlag, München 1994
Kennedy, Margrit, Geld ohne Zinsen und Inflation, ein Tauschmittel das jedem dient, Goldmann, München 1994
Löhr, Dirk / Jenetzky, J., Neutrale Liquidität. Zur Theorie und praktischen Umsetzung, Peter Lang Verlag, Frankfurt a. M. 1996
Onken, Werner, Natürliche Wirtschaftsordnung unter dem Hakenkreuz, Anpassung und Widerstand, Gauke, Lütjenburg 1997
Onken, Werner, Natürliche Wirtschaftsordnung unter kommunistischer Herrschaft und nach der Wende von 1989, Gauke, Lütjenburg 1997
Onken, Werner, Modellversuche mit sozialpflichtigem Boden und Geld, Gauke, Lütjenburg 1997
Onken, Werner, Marktwirtschaft ohne Kapitalismus. Eine Übersicht über die Grundgedanken, die ideengeschichtliche Herkunft, den derzeitigen Entwicklungsstand, über weiterführende Literatur und Organisationen (Selbstverlag?)
Perrochet, Claud-Alain, Der Einfluß von Zins und Spekulation, in: Arbeitslosigkeit, Folge unseres Wirtschaftssystems, INWO, Aurau/Schweiz 1996
Rams, A. / Ehrentreich, Arbeitslosigkeit - wie kann sie überwunden werden?, Gauke, Lütjenburg 1996
Rosenberger, Werner, Die Welt im Umbruch, Entwurf einer nachkapitalistischen Wirtschaftordnung, INWO, Aurau/Schweiz 1994
Senf, Bernd, Der Nebel um das Geld. Ein AufklArungsbuch, Gauke, Lütjenburg 1996
Suhr, Dieter, Geld ohne Mehrwert, Entlastung der Marktwirtschaft von monetären Transaktionskosten, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt a. M. 1983
Suhr, D. / Godschalk, H., Optimale Liquidität. Eine liquiditätstheoretische Analyse und ein kreditwirtschaftliches Wettbewerbskonzept, Fritz Knapp, Frankfurt a. M. 1986
Schwarz, Fritz, Das Experiment von Wörgl, INWO 1996 (Nachdruck der Ausg. v. 1951)
Winkler, Ernst, Vor einer Mutation unseres Wirtschaftssystems, Sozialökonomische Arbeitstexte Nr. 3, Gauke, Lütjenburg 1994
 

sonstige

Deutsche Bundesbank, Finanzierungsrechnung 1990-1996, Selbstverlag der Deutschen Bundesbank Frankfurt a. M.
Deutsche Bundesbank, Monatsbericht August 1997
Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 1997
Ditfurth, Jutta, Entspannt in die Barbarei, Esoterik, (Öko-) Faschismus und Biozentrismus, Konkret Literatur Verlag, Hamburg 1996
Keynes, John-M., Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Duncker & Humblot, Berlin 1994 (unveränderter Nachdruck d. Ausg. v. 1936)
Kauffman, Stuart, Der Öltropfen im Wasser, Chaos, Komplexität, Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft, Piper, München 1996
Niederegger, Gerhard, Das Freigeld-Syndrom. Für und Wider ein alternatives Geldsystem, Verlag f. Ethik und Gesellschaft, Wien 1997
o. V. Zinsfrei für Deutschland, in: DER SPIEGEL 46/1997
Schmitt, Klaus, Entspannen Sie sich, Frau Ditfurth! Über das Faszinosum Menschliche Dummheit und den Versuch, den Faschismus mit faschistischen Methoden zu bekämpfen, Oppo-Verlag, Berlin 1998
Statistisches Bundesamt, Zahlenkompaß 1997, Statistisches Taschenbuch für Deutschland, Metzler-Poeschel, Stuttgart 1997
Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, VGR, Reihe 3, 4. Vierteljahr 1997, Metzler-Poeschel, Stuttgart 1998
Watzlawick, Paul, Menschliche Kommunikation. Formen, Störungen, Paradoxien, Verlag Hans Huber, Bern 1993
Watzlawick, Paul, Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Wahn, Täuschung, Verstehen, Piper, München 1985
Weizsäcker, Ernst U., v., Faktor Vier. Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch, Doemer Knaur, München 1996
 

Zeitschrift für Sozialökonomie

Gauke Verlag, Postfach 1320, 24319 Lütjenburg (Die meisten der älteren Ausgaben sind noch lieferbar.)

Braasch, Bernd, Zur Abkopplung des finanziellen Sektors von der Realwirtschaft, in: Folge 108 März 1996
Creutz, Helmut, Gefahr für den Standort Deutschland ... Sind die Lohnkosten zu hoch?, in: Folge 100 April '94
Creutz, Helmut, Alternative Geldsysteme - Auswege aus der fehlerhaften Geldordnung?, in: Folge 101 Juli '94
Creutz, Helmut, Warum stößt der Sozialstaat an seine Grenzen, in: Folge 115, Dez. '97
Hoffmann, Johannes, Gefährdet die Geldunordnung die soziale Marktwirtschaft und die demokratische Grundordnung?, in: Folge 102/103 Okt. '94
Jenetzky, Johannes, Öko-Abgaben - erforderliche, aber nicht hinreichende Instrumente einer zukunftsorientierten Wirtschaftspolitik, in: Folge 109 Juni '96
Körner, Christoph, Zur metaphysischen Rolle des Geldes in der modernen Wirtschaft, in: Folge 102/103 Okt. '94
Löhr, Dirk, Kapitalflucht, in: Folge 108 März '96
Löhr, Dirk, Determinanten der Rationalisierung des Produktionsfaktors Umwelt, in: Folge 109 Juni '96 Löhr, Dirk, Urmonopole, intertemporale soziale Kosten und nachhaltiges Wirtschaften, in: Folge 113 Juli '97
Senf, Bernd, Zinssystem und Staatsbankrott, in: Folge 112 März '97
 

Der Dritte Weg

DDW Vertriebsabteilung, Rappenbergstr. 64, 91757 Treuchtlingen (Dort auch umfangreiche Literaturliste erhältlich)

Creutz, Helmut, Zum neuen Buch von Gerhard Niederegger "Das Freigeld-Syndrom", in: DDW September 1997
Fischbeck, Hans-Jürgen, Wirtschaft unter Wachstumszwang?, in: Sonderdruck Nr. 4, Wachstum bis die Umwelt stirbt?, 4/1996
Hannich, Günter, Börsencrash, Deflation, Wirtschaftskrise - Der Kapitalismus am Ende?, in: DDW Dezember '97
Hannich, Günter, Von der Asienkrise zur Weltwirtschaftskrise?, in: DDW April '98
Ibs, Carl, Zins und Wirtschaftswachstum, in: Sonderdruck Nr. 3, Der Zins im Kreuzfeuer, 3/1994
Löhr, Dirk, Zins und Wirtschaftswachstum - zu den monetären Voraussetzungen einer ökologischen Kreislaufwirtschaft, in: Sonderdruck Nr. 4/1996
o.V. Der Neid auf eine schlüssige Theorie läßt zivilisierte Formen des Ideenwettstreites vergessen, in: DDW Dezember '97
 

Organisationen

INWO Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung e.V. Max-Bock-Str. 55 60320 Frankfurt a. M.

Sozialwissenschaftliche Gesellschaft 1950 e.V. Postfach 1550 37145 Northeim

Christen für gerechte Wirtschaftsordnung e.V. Gartenstr. 28 76770 Hatzenbühl

Seminar für freiheitliche Ordnung e.V. Badstr. 35 73087 Boll

Anmerkungen

1 Zu Geldvermögen und Schulden vgl. Deutsche Bundesbank, Finanzierungsrechnung 1990 bis 1996, S. 40. Alle Beträge wurden hier auf volle Mrd. DM gerundet.
2 Zu Zinserträgen und -aufwendungen vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht August 1997, S. 54.
3 Vgl. Statistisches Bundesamt, Zahlenkompaß 1997, Stuttgart 1997, S. 124. 4 Gesamteinnahmen der Krankenkassen, ebenda, S. 58.
5 Veranlagte Einkommenssteuer vor Abzug der Erstattungen, ebenda, S. 125.
6 Viele weitere wichtige Zahlenangaben finden sich bei Helmut Creutz, Das Geld-Syndrom - Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft, Berlin 1997.
7 Vgl. Gerhard Niederegger, Das Freigeld-Syndrom - Für und Wider ein alternatives Geldsystem, Wien 1997, S. 55 ff.
8 Sie werden bei der Zusammenfassung der Sektorenrechnungen gegen Null saldiert, abgesehen vom Saldo der Zinsströme mit dem Ausland. Zu einer genaueren Betrachtung der einzelnen Größen vgl. Helmut Creutz, Zum neuen Buch von Gerhard Niederegger, in: Der 3. Weg, Sept. 1997.
9 Die Doppelfunktion der Sichtguthaben kann hier nicht umfassend behandelt werden. Es kann aber bei dieser groben Betrachtung belassen werden, da Sichtguthaben nichts am prinzipiellen Problem ändern und im 5. Abschnitt ohnehin die Perspektive gewechselt wird.
10 Eine sehr verständliche Darstellung der Instrumente der Geldpolitik bietet Bernd Senf, Der Nebel um das Geld - Ein AufklArungsbuch, Lütjenburg 1996, S. 151 ff.
11 Auch die Kassenhaltung aus dem Sicherheits- oder Spekulationsmotiv heraus setzt die Möglichkeit zur Transaktion voraus.
12 Dieter Suhr, Geld ohne Mehrwert - Entlastung der Marktwirtschaft von monetären Transaktionskosten, Frankfurt 1983, S. 59.
13 Zur Unterscheidung von Unsicherheit und Risiko vgl. Dirk Löhr / Johannes Jenetzky, Neutrale Liquidität - zur Theorie und praktischen Umsetzung, Frankfurt 1996, S. 60 ff.
14 Dirk Löhr / J. Jenetzky, Neutrale Liquidität ..., a.a.O., S. 23. 15 Ebenda, S. 48 ff.
16 Zu den folgenden Absätzen vgl. John Meynard Keynes, Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, Siebente Auflage (unveränderter Nachdruck d. Ausg. v. 1936) , Berlin 1994, S. 186 ff.
17 Im folgenden werden gleiche Eigenzinssätze vorausgesetzt, da das Prinzip anderenfalls viel schwerer zu greifen wäre.
18 Zu der Tabelle vgl. Löhr/Jenetzky, Neutrale Liquidität ..., a.a.O. Die von Löhr in dieser Weise behandelten Vermögensgüter wurden um die Wohnung und die YZ-Fabrik erweitert. Bei der YZ-Fabrik handelt es sich um eine Personengesellschaft oder eine Einzelunternehmung, also um eine direkte Investition in Sachkapital. Die Höhe der Erträge und Kosten ist entsprechend willkürlich gewählt, entscheidend ist auch hier die Differenz. Die Kosten beinhalten auch den Wareneinkauf, sofern vorhanden.
19 Um es auf die Definition zu beziehen: Grundbesitz gewährleistet über die Einnahmen (Bodenrente) einen dauerhaft sicheren Zugang zu beliebigen Gütern, was man mit dieser Sicherheit von anderen (unsichereren) Vermögensgegenständen nicht behaupten kann.
20 Das gilt nun auch wieder bei nicht gleichen Eigenzinssätzen.
21 Zu der gesamten Problematik der Liquidität vgl. außerdem Dieter Suhr / Hugo Godschalk, Optimale Liquidität. Eine liquiditätstheoretische Analyse und ein kreditwirtschaftliches Wettbewerbskonzept, Frankfurt 1986.
22 Zu diesem Abschnitt vgl. Dieter Suhr, Geld ohne Mehrwert ..., a.a.O., S. 12 ff.
23 Dirk Löhr, Zins und Wirtschaftswachstum - Zu den monetären Voraussetzungen einer ökologischen Kreislaufwirtschaft, in: Der 3. Weg, Wachstum bis die Umwelt stirbt?, Sonderdruck Nr. 4/1996.
24 Vgl. Dirk Löhr, Zins und Wirtschaftswachstum ..., a.a.O.
25 Für eine Übersicht über die gängigen Arbeitsmarkttheorien und freiwirtschaftliche Berührungspunkte vgl. Andreas Rams / Norman Ehrentreich, Arbeitslosigkeit - wie kann sie überwunden werden?, Lütjenburg 1996.
26 Vgl. Helmut Creutz, Das Geld-Syndrom ..., a.a.O., S. 372.
27 Die Betonung liegt auf "vor allem". Zweifellos kann steigende Qualifikation auch noch andere Auswirkungen haben.
28 Vgl. Helmut Creutz, Gefahr für den Standort Deutschland ... Sind die Lohnkosten zu hoch?, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, Folge 100 / 1994
29 Genau genommen müßte man vom Volkseinkommen noch die Nettoinvestitionen abziehen, da auch die über Investitionen getragenen Zinslasten letztlich wieder in die Preise einfließen.
30 Statistisches Bundesamt, Fachserie 18, Reihe 3, 4. Vj. 1997, S. 25.
31 Helmut Creutz, Das Geldsyndrom ..., a.a.O., S. 241 f.
32 Vorausgesetzt, man ist ein "Otto-Normalbürger" mit durchschnittlicher Ausgabenverteilung.
33 Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen und Inflation - ein Tauschmittel das jedem dient, München 1994, S. 81. 34 Helmut Creutz, Das Geldsyndrom ..., a.a.O., S. 281 ff.
35 Margrit Kennedy, Geld ohne Zinsen ..., a.a.O., S. 28.
36 Dirk Löhr, Zins und Wirtschaftswachstum ..., a.a.O.
37 Hilmar Burhenne, Das Geldspiel. Anlagen, Prognosen, Tips, Zinsen, Aktien, Steuer, Geld, Vermögen - alternativ, Karlsruhe (Eigenverlag) 1993, S. 12.
38 Helmut Creutz, Das Geld-Syndrom ..., a.a.O., S. 304.
39 Ebenda, S. 225.
40 Quelle: Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Fachserie 18, Reihe 3, 4. Vierteljahr 1997, S. 30.
41 Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht September 1997, Statistischer Teil S. 10.
42 Eine andere theoretische Möglichkeit bestünde bei der Bereitschaft der Bundesbank, die Geldmenge entsprechend zu vergrößern, was aber nicht der Fall sein würde, da dies ganz erhebliche inflationäre Folgewirkungen hätte.
43 Zu einigen vergangenen Zusammenbrüchen des Zinssystems vgl. Carl Ibs, Zins und Wirtschaftswachstum, in: Der 3. Weg, Der Zins im Kreuzfeuer, Sonderdruck Nr. 3/1994.
44 Zu diesem Abschnitt vgl. den schon mehrfach angeführten und besonders aussagekräftigen Artikel von Dirk Löhr, Zins und Wirtschaftswachstum ..., a.a.O.
45 Der Staat macht von der Möglichkeit der Aufschuldung hingegen schon regen Gebrauch.
46 In diesem Zusammenhang vgl. Johannes Jenetzky, Öko-Abgaben - erforderliche, aber nicht hinreichende Instrumente einer zukunftsorientieren Wirtschaftspolitik, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, Folge 109.
47 Carl Ibs, Zins und Wirtschaftswachstum, a.a.O.
48 Hans-Jürgen Fischbeck, Wirtschaft unter Wachstumszwang?, in: Der 3. Weg, Sonderdruck Nr. 4.
49 Zu diesem Abschnitt vgl. Dirk Löhr, Urmonopole, intertemporal soziale Kosten und nachhaltiges Wirtschaften, in: Zeitschrift für Sozialökonomie Folge 113 /97.
50 Dirk Löhr, Urmonopole, intertemporale ..., a.a.O.
51 Zu den Rahmenbedingungen vgl. Dirk Löhr / Johannes Jenetzky, Neutrale Liquidität ..., a.a.O., S. 60 ff.
52 Vgl. das Kapitel "Der Irrtum von Keynes", ebenda, S. 163 ff.
53 Ebenda, S. 69 f.. Zum Gefangenendilemma in umfangreicherem Sinne vgl. Paul Watzlawick/ J. Beavin/D. Jackson, Menschliche Kommunikation: Formen, Störungen, Paradoxien, Stuttgart 1993, S. 209 ff.. Vgl. außerdem Johannes Hoffmann, Gefährdet die Geldunordnung die soziale Marktwirtschaft und die demokratische Grundordnung?, in: Zeitschr. f. Sozialökon., Folge 102.
54 Genauer gesagt, eines Tauschmittels, welches gleichzeitig als Vermögensgegenstand dienen kann, eines "hortbaren" Geldes.
55 Zu diesem Abschnitt vgl. Christoph Körner, Zur metaphysischen Rolle des Geldes in der modernen Wirtschaft, in: Zeitschr. f. Sozialökon., Folge 102/103.
56 Zu den Gefahren einen neuen Inflation (auch in Zusammenhang mit der Europäischen Währungsunion) vgl. Bernd Senf, Zinssystem und Staatsbankrott, in: Zeitschrift für Sozialökonomie, Folge 112 sowie Bernd Senf, Der Nebel um das Geld ..., a.a.O., S. 89 ff.
57 Vgl. Bernd Braasch, Zur Abkopplung des finanziellen Sektors von der Realwirtschaft, in: Zeitschr. f. Sozialökon., Folge 108.
58 Christoph Körner, Zur metaphysischen Rolle ..., a.a.O.
59 Vgl. hierzu Helmut Creutz, Warum stößt der Sozialstaat an seine Grenzen?, in: Zeitschr. f. Sozialökon. Folge 115.
60 Vgl. Claude-Alain Perrochet, Der Einfluß von Zins und Spekulation, in: Arbeitslosigkeit: Folge des Geld- und Wirtschaftssystems, INWO Schweiz (Hrsg.) 1996.
61 Ebenda, S. 90.
62 Vgl. Helmut Creutz, Das Geld-Syndrom ..., a.a.O., S. 391 ff.
63 Zu diesem Abschnitt vgl. Helmut Creutz, Das Geld-Syndrom ..., a.a.O., S. 378 ff.
64 Hilmar Burhenne, Das Geldspiel ..., a.a.O., S. 12.
65 In der Tat ist die hier gezogene Grenze zwischen "Rezession" und ,"großer Krise" willkürlich. Dieser Abschnitt soll jedoch verdeutlichen, daß sich das Krisenpotential der Zinswirtschaft noch längst nicht erschöpft hat.
66 Man denke z.B. an die gegenwärtige Asienkrise, die in einigen Regionen schon zu erheblichen Versorgungsengpässen geführt hat. Vgl. Günter Hannich, Von der Asienkrise zur Weltwirtschafts-krise, in: Der 3. Weg, April 1998.
67 So befürchtet Bernd Senf eine neue Inflation (vgl. Zinssystem und Staatsbankrott, a.a.O.), wohingegen Günter Haninch die Gefahr einer Deflation unterstreicht (vgl. Börsencrash, Deflation, Wirtschaftskrise - Der Kapitalismus am Ende?, in: Der 3. Weg, Dez. 1997).
68 Zum Ablauf der Weltwirtschaftskrise nach dem "Schwarzen Freitag" 1929 vgl. Bernd Senf, Der Nebel um das Geld ..., a.a.O., S. 64 ff.
69 Dirk Löhr, Zins und Wirtschaftswachstum ..., a.a.O.
70 Ebenda.
71 Da sich an diesem Punkt so ziemlich alle Gedanken bündeln, um die es in dieser Broschüre geht, kann nur pauschal auf die Literaturliste im Anhang verwiesen werden.
72 Vgl. Löhr/Jenetzky, Neutrale Liquidität ..., a.a.O., S. 112 ff.
73 Vgl. Silvio Gesell, Die Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld, Lütjenburg 1991 (unveränderter Nachdruck d. Ausg. v. 1920), S. 238 ff.
74 Vgl. Silvio Gesell, Die Natürliche Wirtschaftsornung ..., a.a.O., S. 55 ff., sowie Löhr/Jenetzki, Neutrale Liquidität ..., a.a.O., S. 169 ff.
75 Eine weitere, leider oft vergessene Forderung der Freiwirtschaft lautet, die Einnahmen aus der Abschöpfung der Liquiditätsprämie des Bodens als Erziehungsgeld an die Mütter (und natürlich auch an Vollzeit-Väter) auszuschütten, da die Erziehungsarbeit letztenendes dafür verantwortlich ist, daß der Boden überhaupt eine Liquiditätsprämie trägt (durch die aufgezogenen Menschen, die diesen dann nutzen). Dieser Punkt könnte bei einer Durchführung der entsprechenden Reformen eine Möglichkeit bieten, die Gleichstellung von Erziehungsarbeit und Erwerbsarbeit zu verwirklichen, ohne die Gleichberechtigung immer eine Halbwahrheit bleiben wird.
76 Zu den Vor- und Nachteilen der Lösungen vgl. Löhr/Jenetzky, Neutrale Liquidität ..., a.a.O., S. 182 ff.
77 Die bisherigen Erfahrungen liegen natürlich nur oberhalb der gegebenen Liquiditätsprämie.
78 Das ist die andere Seite der Medaille. Die Zinswirtschaft führt gleichzeitig zu "Bedarf ohne Geld" (was Wachstum erfordert, um den Bedarf zu decken) und zu "Geld ohne Bedarf" (was Wachstum erfordert, da die Gelder investiert werden müssen). Beides bedingt einander. Vgl. Dieter Suhr, Geld ohne Mehrwert ..., a.a.O.
79 Es ist zweitrangig, ob dies durch Lohnerhöhungen oder durch Preissenkungen erfolgt.
80 Dirk Löhr, Zins und Wirtschaftswachstum ..., a.a.O.
81 Bzw. die Abschreibungen, VGR- und bilanztechnisch gesehen.
82 Vgl. Dirk Löhr, Determinanten der Rationalisierung des Produktionsfaktors Umwelt, in: Zeitschr. f. Sozialökonomie, Folge 109.
83 Zur Effizienzrevolution vgl. Ernst U. v. Weizsäcker/A. B. Lovins/L. H. Lovins, Faktor Vier: Doppelter Wohlstand - halbierter Naturverbrauch, München 1996.
84 Zu diesem Abschnitt vgl. Löhr/Jenetzky, Neutrale Liquidität ..., a.a.O., S. 137 ff.
85 Das Say'sche Theorem ist erfüllt.
86 Damit relativiert sich auch die Frage nach den banküblichen Sicherheiten.
87 Zu den folgenden Absätzen vgl. Dirk Löhr, Kapitalflucht, in: Zeitschr. f. Sozialökon., Folge 108.
88 Dirk Löhr, Kapitalflucht, a.a.O.
89 Ebenda.
90 Einen extremen Realitätsverlust offenbart Jutta Ditfurth, Entspannt in die Barbarei, Esoterik, (Öko- )Faschismus und Biozentrismus, Hamburg 1996. Vgl. hierzu auch die Entgegnung von Klaus Schmitt, Entspannen Sie sich, Frau Ditfurth!, Berlin 1998.
91 So z.B. unter dem Stichwort "Rechtsradikale" in DER SPIEGEL, Zinsfrei für Deutschland, 46/97. Zahlreiche Entgegnungen zu diesem und anderen Artikeln wurden veröffentlicht in: Der 3. Weg (diverse Verf.), Der Neid auf eine schlüssige Theorie läßt zivilisierte Formen des Ideenwettstreites vergessen, Dezember 1997.
92 Vgl. Werner Onken, Natürliche Wirtschaftsordnung unter dem Hakenkreuz - Anpassung und Widerstand, Lütjenburg 1997. Ebenfalls interessant: Werner Onken, Natürliche Wirtschaftsordnung unter kommunistischer Herrschaft und nach der Wende von 1989, Lütjenburg 1997.
93 Zu diesem Abschnitt vgl. Werner Onken, Modellversuche mit sozialpflichtigem Boden und Geld, Lütjenburg 1997. Dort finden sich auch Bespiele von Versuchen zu einem anderen Umgang mit dem Boden, die hier ausgespart wurden.
94 Ebenda, S. 41.
95 Vgl. Fritz Schwarz, Das Experiment von Wörgl, Bern 1951 (Nachdruck der INWO von 1996).
96 Werner Onken, Modellversuche mit ..., a.a.O., S. 45.
97 Zu Tauschringen vgl. Thomas Estermann/Martina Hämmerli/Bruno Jehle, Alternative Geldmodelle: zwei Beiträge zur praktischen Umsetzung, INWO Schweiz, 1993. Vgl. außerdem Helmut Creutz, Alternative Geldsysteme - Auswege aus der fehlerhaften Geldordnung?, in: Zeitschr. f. Sozialökon., Folge 101.
98 Paul Watzlawick, Wie wirklich ist die Wiklichkeit? Wahn - Täuschung - Verstehen, München 1985, S. 93, 94.
99 Johannes Heinrichs, Sprung aus dem Teufelskreis - Logik der Sozialen und Natürlichen Wirtschaftslehre, Wien, S. 63, 64.
100 Klaus Töpfer, zitiert aus: Hans-Jürgen Fischbeck, Wirtschaft unter Wachstumszwang?, a.a.O.
101 Obwohl sie manchmal wahrlich Pate stehen muß.
102 Vgl. Peter Kafka, Gegen den Untergang - Schöpfungsprinzip und globale Beschleunigungskrise, Wien 1994.
103 Peter Kafka, Krise heißt Entscheidung, in: Zukunftsfähig Wirtschaft, Beiträge zur 4. Internationalen Tagung der INWO in Bern 1995, INWO Schweiz 1995.
104 Ebenda, S. 15.
105 In diesem Zusammenhang vgl. auch die verständliche Beschreibung der "lokalen Fitneßgipfel" von Stuart Kauffman, Der Öltropfen im Wasser - Chaos, Komplexität, Selbstorganisation in Natur und Gesellschaft, München 1995.
106 Peter Kafka, Krise heißt Entscheidung, a.a.O., S. 17.
107 Ebenda, S. 18.
108 Auf diesen hervorragenden Aufsatz muß noch hingewiesen werden: Ernst Winkler, Vor einer Mutation unseres Wirtschaftssystems, Sozialökonomische Arbeitstexte Nr. 3, Lütjenburg 1994.

© J. Probst 1998
 



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