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Vorwort 3
Zustände zum Zustände kriegen. 8
A. Den Gürtel immer enger schnallen....... 8
B. Die Koalition der Ratlosen...... 11
C. Die Zukunft der Demokratie...................... 15
Wirtschaftsleben contra Gesellschaft....... 19
A. Welche Aufgaben hat die Wirtschaft?...................... 19
Anspruch und Realität klaffen auseinander 20
Neue Prämissen 21
B. Interessen von Wirtschaftslobby und Bevölkerung 23
C. Arbeit, Selbstverwirklichung und Auskommen 24
Strafen für zu harte Arbeit 25
Gleiches Recht für jede Arbeit....... 27
D. Ist jede Leistung eine Leistung?.... 29
E. Ist es der Mensch oder ist es das System?...................... 32
Der Fehler im System 37
A. Mangel in der Überflussgesellschaft............ 38
Ungünstige Verteilungsmechanismen 39
Begrenzte Investitionsbereitschaft. 41
Konzentrationsprozesse statt marktwirtschaftlicher Wettbewerb.................. 45
B. Die Wirtschaftskrise verstärkt das Chaos........... 47
Was ist eine Wirtschaftskrise?............ 47
Warum gefährden Wirtschaftskrisen unseren Wohlstand? 49
C. Gnadenloses Wachstum zur Rettung von Wohlstand? 51
Der Wachstumszwang zerstört unsere Lebensgrundlagen............ 51
D. Der Staat als ‹Melkkuh› des wuchernden Finanzkapitals...................... 55
Der Sozialstaat als Retter des Kapitalismus.................. 57
Direkte Kapitalsubventionierung. 60
Es geht auch anders 63
A. Knöllchen für Spekulanten...................... 64
B. Die Geldmengenentwicklung..... 67
Das Ende der Inflation... 67
Gefahr einer Deflation? 67
C. Der Preis des zinsfreien Geldes......... 68
Bilanz für die Verbraucher.................. 68
Bilanz für die Wirtschaft 69
D. Angst vor der heiligen Kuh 70
E. Die Bodenreform 72
Perspektiven gesellschaftlicher Entwicklung......... 75
A. Die Entstaatlichung der Gesellschaft 78
Mit Steuern steuern..... 83
Rückzug aus dem sozialen Sektor...... 86
Die freie Kulturlandschaft............. 89
Rückzug aus der Produktion 91
B. Chancen für den Standort Deutschland 93
Die Befreiung der Arbeit 93
Das Ende der Wirtschaftskrisen............ 96
Regulierung des Marktes.................. 97
Überwindung von Korruption 98
Vollbeschäftigung ist keine Hexerei.... 99
Die Zukunft der Rüstungsindustrie......... 103
C. Einheit von Sozialismus, Liberalismus und Ökologie.................... 104
Marktwirtschaft durch neutrales Geld............... 105
Sozialismus in Freiheit.. 105
Ökologie trotz Ökonomie 106
Abschliessende Anmerkungen..... 111
Aufruf 114
Resignation, Gleichgültigkeit und mangelndes Engagement für gesellschaftliche Veränderungen sind oftmals darauf zurückzuführen, daß den Menschen der Glauben an eine bessere Zukunft verlorengegangen ist. Jahrhunderte kämpften Frauen und Männer[1] für Freiheit und Brot, für eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Mit Beginn der industriellen Revolution kam zum Kampf gegen Ausbeutung und Unterdrückung die Hoffnung auf die mit dem technischen Fortschritt möglichen Erleichterungen. Die Befreiung vom Joch unwürdiger Arbeit trieb Millionen Menschen voran. Von marxistischen Vorstellungen geprägte Revolutionen versprachen Aussichten auf paradiesische Zustände. In Deutschland stifteten die Bürgerbewegungen der siebziger und frühen achziger Jahre Hoffnungen, der Mensch würde sein Schicksal in die Hand nehmen und die ‹Kraft des Guten›[2] könnte in Zukunft menschliches Handeln vorantreiben und bestimmen. Eine von Vernunft und Humanismus bestimmte Gesellschaft schienen greifbar nahe.
Alles Lug und
Trug? Nach wie vor wird die Umwelt Jahr für Jahr gründlicher zerstört,
unvorstellbares Elend ist die Bilanz jahrzehntelanger Entwicklungshilfe und
auch im reichen Deutschland breitet sich zusehends Armut aus. Gewaltherrschaft
und Totalitarismus sind in Osteuropa mafiosen Zuständen und dem Zusammenbruch
nahezu jeder sozialen Ordnung gewichen: Statt Freiheit und Wohlstand neuerliche
Tyrannei und Korruption. Elend und Not beherrschen heute das Bild der ehemals
kommunistischen Gesellschaften.
Wozu sollen wir uns engagieren? Wie wollen wir es besser machen? Lohnen sich die vielen kleinen Schritte, mit denen sich Hunderttausende gegen schier unaufhaltsame Entwicklungen stemmen? Auf eine gute Nachricht in den Medien folgen ein Dutzend von Menschen verursachte Katastrophen. Politiker denen wir heute vertrauen, erweisen sich schon morgen als Heuchler. Es ist schwer, verläßliche Partner für die notwendigen Entwicklungen zu finden.
Die Gretchenfrage ‹Arbeit oder Umwelt?› ist mittlerweile schicksalhaft für die Menschheit geworden. Das große Entweder-Oder beschränkt sich scheinbar darauf eine Wohlstands- oder eine Umweltkrise zu akzeptieren. Zur Wahl gestellt werden Millionen Arbeitslose oder eine Produktion, deren Folgen Millionen Menschen krank macht. Bei genauer Betrachtung haben wir längst beides. Wollen wir einen Mißstand beseitigen, müssen oft andere in Kauf genommen werden. Eine Schadensbegrenzung gilt bereits als erfolgreiche Maßnahme. Die Forderung nach einer optimalen Lösung wird auf dem Altar der Kompromißsuche geopfert. Scheinbare Sachzwänge bestimmen so massiv die Diskussionen, daß die Schere im Kopf bereits frühzeitig ansetzt. Oft gelingt es nicht einmal, sich den tatsächlich wünschenswerten Zustand vorzustellen.
In der deutschen Nachkriegsgesellschaft haben sich zahllose Mißstände und Widersprüche in Politik und Wirtschaft breit gemacht. Diese fügen uns allen Schaden zu und bedrohen die gesellschaftlichen Strukturen. Der gesunde Menschenverstand kann dabei den ganz alltäglichen Irrsinn nicht mehr nachvollziehen und erst recht nicht begreifen.
In der aktuellen ökonomischen Diskussion wird derweil nur selten versucht, den Ursachen von Widersprüchen auf die Spur zu kommen. Offensichtlich werden wesentliche gesellschaftliche Strukturen von Kapitalinteressen bestimmt, die Problemlösungen im Wege stehen. Die sogenannten Sachzwänge führen zu Rahmenbedingungen, die vernünftige Entwicklungen verhindern. Woraus diese entstehen, und wie sie überwunden werden können, scheint ein großes Rätsel zu sein.
Die Vorstellungen von einer gerechten, solidarischen und für alle lebenswerten Welt scheinen derzeit unerreichbar. Realismus und Wunschvorstellung liegen weit auseinander. Selbst mutige Phantasten können nicht mehr an ihren Utopien festhalten. Alte Hoffnungen auf sozialistische Ideale wurden mit den planwirtschaftlichen Experimenten begraben.
Symptomatisch für die kapitalistische Wirtschaftsweise ist, daß ein enormes Potential an Wirtschaftsleistung in unsinnige Projekte kanalisiert wird. Ein großes Potential wird durch die Herstellung kurzlebiger Wegwerfprodukte vergeudet. Und nicht zuletzt werden immer häufiger Produkte angeboten, für die nur mit großem Aufwand ein Bedarf geweckt werden kann. Zum Teil handelt es sich hierbei um Produkte, gegen die im öffentlichen Bewußtsein mehr Ablehnung als Bedarf und Akzeptanz vorhanden ist.
Ziel des Wirtschaftens und Basis der Politik heute ist die Gewährleistung von permanentem Wachstum und dauerhaften, hohen Kapitalrenditen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung stehen hinten an. Dies gilt für Managemententscheidungen ebenso wie für die entsprechenden Prozesse auf politischer Ebene.
Eine soziale Verantwortung ist dem kapitalistischen Prinzip fremd. Die sozialpolitischen und demokratischen Flankierungen die auf Grund der Erfahrungen mit Elend, Faschismus und der Konkurrenz zum Kommunismus eingeführt wurden, sind Beiwerk, das nur Bestand hat, solange es den Kapitalinteressen nicht im Wege steht. Das kapitalistische Wachstumsprinzip frißt früher oder später alle sozialen und ökologischen Errungenschaften. Und mit der Demontage der Kulturlandschaft wird auch die Demokratie Schritt für Schritt zur Farce.
Die meisten von uns wissen: So wie es ist, kann es nicht weitergehen. Vieles muß neu bewertet werden. Es braucht einen grundlegenden Wandel, wenn die menschliche Zivilisation eine lebenswerte Zukunft haben soll. Notwendige Veränderungen finden derzeit allerdings kaum statt, weil kaum jemand weiß, wie man den Widersprüchen entkommen kann.
Den Bürgern stellen sich Fragen, auf die es bisher keine ausreichenden Antworten gibt:
· Warum muß das Bruttosozialprodukt ständig wachsen, um Auskommen für alle zu gewährleisten?
· Warum müssen wir Waren produzieren, für die mit viel Aufwand Nachfrage geschaffen werden muß, um Arbeit für alle zu gewährleisten.
· Warum ist es unserer Gesellschaft derzeit nicht möglich, auf tödliche, schädliche, unnötige und sinnlose Produktion zu verzichten?
· Warum leisten wir uns eine Verpackungsindustrie, die Waren unnötig verteuert und enorme Müllprobleme schafft?
· Warum müssen wir Joghurt akzeptieren, der Dank staatlicher Subventionen erst tausende Kilometer durch Europa reist, bevor er auf unseren Tischen landet?
· Warum müssen wir hilflos zusehen, wie unter dem widersinnigen Vorwand der Wirtschaftsförderung immer schneller, immer mehr Landschaft zubetoniert wird?
· Warum subventionieren Kommunen Industrieparks und Bürogebäude, um anschließend mit Hilfe weiterer Subventionen Nutzer zu suchen?
· Warum bestimmen in den Himmel wachsende Verwaltungspaläste das Bild der Großstädte, ohne daß nach dem Bedarf gefragt wird?
· Ist es unvermeidlich, daß viele Selbständige, wie auch abhängig Beschäftigte, zunehmend mehr für ihren Schuldendienst arbeiten, während andere Millionen verdienen, ohne einen Finger krumm zu machen?
Aus dem genannten ergeben sich weitreichende Fragen, die eine gesellschaftspolitische Diskussion anregen könnten:
· Was würden wir konsumieren, wenn uns die milliardenschwere Werbebranche nicht mehr täglich manipuliert?
· Wie würde sich unsere Medienlandschaft verändern, wenn die Fernsehanstalten nicht mehr gebraucht würden, um hohe Renditen für immer mehr Kapital zu gewährleisten?
· Wie verändert sich unser TV-Angebot, wenn es nicht darauf ausgerichtet ist, möglichst effektiv Werbung zu transportieren, um höheren Konsum zu stimulieren?
· Würden wir uns die Ausstrahlung von so viel Schund und Gewalt auch weiterhin gefallen lassen, wenn die Sicherung von Arbeitsplätzen keine Rolle spielt?
· Kann es eine Energieversorgung geben, die unabhängig von Kapitalinteressen bei minimaler Umweltbelastung ein Maximum an Nutzen schafft?
· Ist ein Bankwesen möglich, das nicht um jeden Preis neue Schuldner sucht?
· Können Banken überleben, die sich mit der Vermittlung von Krediten begnügen und nicht permanent expandieren und dabei Mensch und Umwelt gleichermaßen in Not bringen?
· Ist eine Wirtschaft denkbar, in der es mehr Wettbewerb gibt und kleine, selbständige Einheiten?
· Müssen wir die gefährliche Konzentration von Kapital und Macht als naturgegeben hinnehmen?
· Ist ein Staat vorstellbar, der nicht länger mit unsinnigen Milliardenausgaben Wachstum sicherstellen muß?
· Können der Staat und die Wirtschaft so agieren, daß Bewahren über Erneuern steht, daß Langlebigkeit und Reparieren wichtiger sind als Verbrauchen und Ersetzen? Daß Schäden zu vermeiden lukrativer ist als sie zu beheben? Daß Gesundheit zu schützen wichtiger wird als Krankheiten zu behandeln? Daß mehr Menschen dafür arbeiten, Gesundheit zu bewahren, als nötig sind, Erkrankte und Verletzte gesund zu machen? Daß der Schutz des Klimas, die Reinheit von Boden, Luft und Wasser, also Gesundheit und Wohlbefinden von Mensch und Natur oberstes Gebot aller wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen ist? Daß der Wohlstand aller Bürger wichtiger ist als ewiges Wachstum?
Im Folgenden wird eine bisher weitgehend unbeachtete Sichtweise vorgestellt, die verblüffende Antworten auf die genannten Fragen ermöglicht. Dieser Ansatz basiert auf einer Reduzierung der destruktiven Kraft des überschüssigen Kapitals und der damit einhergehenden Ausweitung der Spielräume für wünschenswerte Entwicklungen. Dieses Buch beschreibt, wie diese Gestaltungsspielräume geschaffen, erweitert und genutzt werden können. Es bietet Ideen und Anregungen, wie eine Gesellschaftsordnung aussieht, wenn die Vernunft regieren kann und Kapitalinteressen, Sachzwänge und ähnliches an Bedeutung verlieren. Sie werden Anregungen finden, welche Schritte getan werden müssen. Die Überwindung des kapitalistischen Wachstumszwangs und seiner absurden Verteilungsmechanismen ist keine Illusion. Dieses Prinzip zu erkennen, zu erörtern und letztlich zu überwinden, ist die Voraussetzung für eine zukunftsfähige Gesellschaft.
«Die Schwierigkeit liegt nicht in den neuen Ideen, sondern darin, den alten Vorstellungen zu entkommen.»
John Maynard Keynes[3]
In Talkshows und Interviews wird über alle Medien der Eindruck erweckt, daß es immer weniger zu verteilen gibt. Wir müssen den Gürtel enger schnallen, bescheiden werden, heißt es, und sollten froh sein, denn den meisten Menschen auf dieser Welt gehe es bei weitem schlechter. Verantwortlich hierfür sei eine rückläufige Entwicklung in der Wirtschaft, die Rezession. Immer öfter heißt es auch, wir würden über unsere Verhältnisse leben.
Vor dem Hintergrund des enormen Anwachsens der Produktivität sowie des absurden Bergs von Sachgütern, der seit den fünfziger Jahren geschaffen wurde, ist diese Einschätzung geradezu grotesk. Unsere jährliche realwirtschaftliche Leistung betrug bereits 1995 das dreifache des Jahres 1960. Dies bedeutet, daß heute im Durchschnitt aller Leistungen, dreimal soviel produziert und konsumiert, verbraucht oder gebraucht, geleistet und geschaffen, zerstört und ersetzt, verbaut und verschwendet wird, wie zu Beginn der sechziger Jahre.
Ist es nicht paradox, daß dennoch in den sechziger Jahren weit weniger Menschen in diesem Land in wirtschaftliche Not gerieten und daß es den Bürgern, ebenso wie den öffentlichen Haushalten bei weitem besser ging als heute?
Trotz dieses Zugewinns an Leistungskraft erleben wir immer wieder, daß unser persönlicher Wohlstand bedroht ist und unsere Arbeitsplätze gefährdet sind. Wir müssen hinnehmen, daß öffentliche Institutionen viele uns lieb gewordene Angebote nicht mehr erbringen können.
Es sollte doch bei allen Bürgern Skepsis wecken, wenn zu hören ist, daß nicht mehr genügend Wohnraum vorhanden sein soll, daß das öffentliche Schwimmbad nicht mehr finanzierbar ist oder, daß sich viele unserer Schulen in einem erbärmlichen Zustand befinden, aber das Geld für die notwendigen Renovierungen fehlt. Warum wird es weitgehend hingenommen, wenn seriös wirkende Herren in führenden Positionen erklären, daß wir alle noch mehr arbeiten müssen, um auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig zu bleiben? Und warum fällt es selbst Gewerkschaftern schwer anzuklagen, daß die arbeitenden Menschen um die Früchte betrogen werden, die die jahrzehntelangen Steigerungsraten der Wirtschaft erbringen?
Geradezu absurd wirkt die immer wieder geschürte Panikmache, Arbeiter anderer Länder würden billiger produzieren und dadurch unseren Export und unseren Wohlstand gefährden. Szenarien dieser Art bauen auf der Behauptung auf, die ständige Ausweitung der Produktion sei die Basis jedweden Wohlstands.
Die Warnung vor den billigeren, ausländischen Arbeitern ist uralt und wurde bereits vor über 200 Jahren von dem Nationalökonom Adam Smith als Ablenkungsmanöver entlarvt. Trotzdem wird sie bis heute hartnäckig kultiviert und ist unter dem Stichwort ‹Globalisierung› aktuell.
«Unsere Kaufleute klagen oft die hohen Löhne der britischen Arbeiter als Ursache an, weshalb ihre Fabrikate auf fremden Märkten unterboten würden; von den hohen Kapitalgewinnen schweigen sie. Sie klagen über den übermäßigen Gewinn anderer Leute, aber von ihrem eigenen sagen sie nichts. Und doch mögen die hohen Gewinne des britischen Kapitals in vielen Fällen ebensoviel und in einigen noch mehr dazu beitragen, den Preis der britischen Fabrikate zu erhöhen, als der hohe Lohn der britischen Arbeiter.»[4]
Die industrielle Produktion bindet sehr viel Kapital und ist dadurch unverzichtbar für Kapitalerträge und vor allem für die Reinvestition der stetig wachsenden Geldvermögen. Sie ist eine relativ sichere Basis für hohe Profite. Für den Wohlstand ist sie nicht ausschlaggebend.
Für Wohlstand und Lebensqualität in einer Gesellschaft ist von Bedeutung, daß die vorhandene Arbeit, die daraus resultierenden Einkommen und der Besitz einigermaßen ausgeglichen verteilt werden. Für die Bürger ist wichtig, daß sie in einer gesunden und die Gesundheit bewahrenden Umwelt leben können und daß alle benötigten Dienstleistungen und Produkte sowohl angeboten als auch nachgefragt werden können.
Für die
internationale Konkurrenzfähigkeit ist die Import-Export Bilanz von Bedeutung.
Wer nicht genug verkauft, kann auch nicht nach Wunsch einkaufen. Und wer
dauerhaft zu wenig absetzt, kann sich die notwendigen Ausgaben für Innovationen
und Rationalisierung nicht in ausreichendem Maße leisten. Eine negative Handelsbilanz
bedeutet, daß man international verschuldet ist. Die Zinszahlungen für diese
Schulden sind der Posten, der einer Gesellschaft, zu Gunsten anderer, genommen
wird.
Nicht nur konservative Ökonomen folgern immer noch, daß sich aus einer negativen Handelsbilanz eine Destabilisierung aller ökonomischen Sektoren ergeben muß. Auch Marxisten unterstellen in der Regel, daß die Wohlstandsgesellschaft zwingend auf transnationale, industrielle Innovation und auf Ex-portausweitung angewiesen ist. So kommt beispielsweise der marxistische Theoretiker Robert Kurz zu der Quintessenz:
«In allen industriell nicht mehr weltmarktfähigen Nationalökonomien muß daher auch der Dienstleistungssektor zusammenbrechen, weil ihm die monetäre[5] Zufuhr abgeschnitten wird.»[6]
Durch die Fixierung auf den Aspekt Kapitalmaximierung ist selbst Fachleuten der Blick dafür verstellt, daß die Währung vorrangig den Tauschbedürfnissen der Bevölkerung dienen sollte. Die Frage nach der optimalen Zirkulationsfähigkeit wird von ihnen nicht konsequent genug verfolgt. Die logische Schlußfolgerung ist: Nur Geld, daß eine maximale Rendite ermöglicht, ist gutes Geld. Folglich unterwirft sich die Politik der unreflektierten, weltweiten Industrialisierung, da sie Grundlage hoher Kapitalrenditen ist. Der Exportproduktion wird rücksichtslos Vorschub geleistet.
Der kontinuierliche Handelsbilanz-Überschuß der deutschen Wirtschaft müßte nach den gängigen Theorien das Polster für allgemeinen Wohlstand und Sicherheit bilden. Obschon wir aber in erheblichem Umfang auf Kosten anderer Länder Überschuß auftürmen und uns dies mit Zins- und Zinseszins vergolden lassen, werden auch bei uns immer mehr Bürger von Armut und Not erfaßt. Hinzu kommt, daß ein Großteil der Exportgüter Produkte sind, deren Herstellung aus ethischen und moralischen Gründen bedenklich ist. So haben Rüstungsprodukte einen erheblichen Anteil an der Exportbilanz.
Die Maximierung des Welthandels entspringt der Wachstumslogik des kapitalistischen Marktes. Mit den Bedürfnissen der Menschen und Regionen hat dies wenig zu tun. Uns ist wenig gedient, wenn weltweit immer mehr Waren hin und her transportiert werden. Jenen, die daran beteiligt sind, verschafft es zwar Arbeit und Einkommen, es nimmt ihnen jedoch die Möglichkeit, sich mit Sinnvollerem zu beschäftigen.
Wie kann ernsthaft davon ausgegangen werde, wir würden auf zu großem Fuße leben, solange die Leistungen von Millionen Menschen durch Massenarbeitslosigkeit künstlich vom Markt ferngehalten werden und solange es zu den größten Sorgen der Manager und Politiker gehört, für die Überproduktion von Gütern Käufer zu finden? Unser Wirtschaftssystem krankt nicht an Leistungsschwäche. Entscheidend für die Schieflage der Volkswirtschaft, und in deren Folge die Erschütterungen des sozialen Friedens, sind falsche Weichenstellungen.
Eine zentrale Frage für die Zukunft unserer Gesellschaft lautet daher: Wie können wir die anfallenden Arbeiten und die verfügbare Kaufkraft so verteilen, daß für alle ein angemessenes Auskommen gesichert wird? Ohne Sinn und Verstand immer mehr Wachstum zu schaffen, führt zum sicheren Kollaps.
«Konstruktiv zu sein bedeutet, positive Erwartungen in bezug auf das zu haben, was wir tun können, und nicht auf das zu warten, was vielleicht passieren kann.»
Edward de Bono[7]
Ein deutsches Nachrichtenmagazin ließ verlauten: «Eines immerhin eint die Parteien und die Experten beim Thema Arbeitslosigkeit: Alle wissen nicht weiter. Die Große Koalition gibt es schon - die Koalition der Ratlosen»[8]. Und tatsächlich sind Politiker, Wissenschaftler und Fachleute mit ihrem Latein am Ende. Im Grunde weiß niemand wie die dringendsten gesellschaftlichen Probleme gelöst werden könnten.
Die Perspektivlosigkeit wird in allen Parlamentsdebatten deutlich. Die Unterschiede in den Lösungsansätzen der großen Parteien sind banal. Sowohl das verstärkt angebotsorientierte Konzept der Konservativen als auch der nachfrageorientierte Ansatz der Sozialdemokraten haben ihre Wirkungslosigkeit bewiesen. In der Praxis werden Mischformen der verschiedenen Konzepte umgesetzt, ohne die Ursachen der Misere zu verändern. Die Ohnmacht des Staatsapparats vergrößert sich.
«Die normative Kraft des Faktischen (...) hat (...) die Innenpolitik, vor allem die Wirtschafts- und Sozialpolitik, mit Beschlag belegt. Nach und nach setzt sich der Primat des Ökonomischen vor der hergebrachten Politik durch; die Wirtschaft aber steht unter dem Diktat der Globalisierung. Die Industriestaaten (...) sind immer weniger in der Lage, (...) die Bedingungen des Handels und des Handelns, festzulegen. Dieser Druck von außen übersetzt sich in verschärfte innere Krisen (...). Diese Krisen aber werden von der Tatsache geprägt, daß sich zu ihrer Bewältigung keine echten Alternativen anbieten.»[9]
Weltweit zeigt die aktuelle Situation, daß alle bisher erprobten Ansätze, die wirtschaftlichen, die sozialen und die ökologischen Menschheitsprobleme in den Griff zu bekommen, fehlgeschlagen sind. Auf der einen Seite hat sich der ‹Scheinsozialismus› - konkreter, die ‹Diktatur mit Planwirtschaft›- selbst erübrigt. Auf der anderen Seite ist der Kapitalismus, in allen seinen Formen (vom Schwedischen Modell bis hin zur Chicagoer Schule a lá Pinochet) so marode, daß selbst viele Befürworter dessen Unzulänglichkeit anerkennen.
Beim Gipfeltreffen der führenden Industriestaaten 1996 waren sich die Staatsführer einig, daß es nur einen entscheidenden Weg aus der Massenarbeitslosigkeit gibt: Es muß alles getan werden, um weiteres Wirtschaftswachstum zu gewährleisten. Dies ist die Botschaft des amerikanischen Präsidenten Bill Clinton. Dabei ist es keine vier Jahre her, daß dessen Vizepräsident Al Gore, beim Welt-Umweltgipfel in Rio, die Menschheit vor den ökologischen Folgen des ungehemmten Wachstums warnte.
Verfolgt man die Fachdiskussionen bleibt tatsächlich nur die Schlußfolgerung: Widersprüche und Ratlosigkeit bestimmen das Bild. Bei anderen entscheidenden Fragen, wie zum Beispiel Verteilungsgerechtigkeit und Preisstabilität, sieht es nicht anders aus. Selbst der recht undogmatisch denkende Wirtschaftspublizist und Verfechter des Kapitalismus Johann Philipp von Bethmann vertritt die Auffassung: «Wohlstandserhaltung ist schwerer als Wohlstandsschaffung»[10]. Und sogar er rettet sich in die fatale Annahme: «Nur ein starker Staat kann wirklich helfen»[11]. Worin diese Stärke bestehen soll, bleibt unklar. Abhängig sei sie jedoch von der Höhe der Steuereinnahmen.
Demnach wäre auch ein Staat, der 93 Milliarden Mark und damit 21,3 Prozent seines Haushalts für Zinsen ausgibt, ein starker und erfolgreicher Staat. Das ist offensichtlich Unsinn. Die Schuldzinsen von Bund, Ländern und Gemeinden zusammengenommen betragen bereits 150 Milliarden Mark. ‹Der Spiegel› schreibt in diesem Zusammenhang zutreffend: Die Zinslasten «machen inzwischen alle Hoffnungen zunichte, über den Staatshaushalt eine sinnvolle Politik zu betreiben»[12].
Bei einer genaueren Untersuchung der Politik, die die Rolle des Staates in der Gesellschaft bestimmt, wird die Perspektivenlosigkeit noch deutlicher. Es wird viel von Einsparungen und der Konsolidierung der öffentlichen Kassen gesprochen. Faktisch ergibt sich eine heimliche Übereinkunft, gewissermaßen eine große Koalition der Parlamentarier, die sagt: «WIR sind der Staat und wir lassen uns nichts wegnehmen!» Eine Vorstellung davon, wie staatliche Aufgaben zurückgefahren werden können, ohne die Gesellschaft zu destabilisieren, gibt es nicht. Entscheidender aber ist, daß in den herrschenden Männerzirkeln in Politik und Gesellschaft auch kaum ein Interesse an derartigen Reformvorstellungen besteht.
Der Ansatz, öffentliches Eigentum an Kapitalgesellschaften zu verschleudern, sollte in diesem Zusammenhang nicht als zukunftsorientierte Weichenstellung akzeptiert werden. Diese Maßnahmen haben in der Regel mehr mit Raubrittertum als mit einer gesellschaftlichen Perspektive gemein. So verkaufen Bund, Länder und Gemeinden Beteiligungen und Grundstücke mit sicheren, dauerhaften Renditen. Die Argumentation der Kämmerer ist nachvollziehbar: Da selbst bei einer sechs prozentigen Rendite der Ertrag geringer ist, als die Zinslast auf eine entsprechende Schuldensumme, wird der Haushalt durch einen Verkauf und entsprechende Entschuldung faktisch entlastet. Da die Besitzstände jedoch endlich sind, die Ursachen der Überschuldung aber nicht verändert werden, muß dieser scheinbare Ausweg in einem Fiasko enden. Derartige Aktionen beweisen lediglich die Phantasielosigkeit und mangelnde Flexibilität der Ökonomen und Politiker.
Die Lage der globalen Ökonomie beschreibt Robert Kurz mit blumigen Worten:
«Die Absurdität dieser Weltmarktbeziehungen am Ende des 20. Jahrhunderts ist so offensichtlich, daß es als eine große und fast schon bewundernswerte Leistung gelten kann, sie gründlich zu verdrängen. Die Ausweglosigkeit dieser Konstellation ist bis jetzt nirgendwo thematisiert oder auch nur wahrgenommen worden. Im Gegenteil, sämtliche ‹Experten›, nationale wie internationale Institutionen und Regierungen überbieten sich in Verheißungen, Prognosen und Hoffnungen, die von Monat zu Monat abenteuerlicher werden. Als hätte die gesamte Menschheit Halluzinogene eingenommen, wird allen Tatsachen zum Hohn das unheilbar kranke westliche Marktsystem, das lediglich als letzter Teil des globalen Gesamtsystems zusammenbrechen wird, weiterhin als Sieger ausgerufen, obwohl dieser ‹Sieger› selbst schon blaue Lippen hat und dabei ist, torkelnd aus dem Ring der globalen Konkurrenzschlacht zu fallen. Es muß also wohl die dritte und letzte Schuldenkrise kommen, diejenige der westlichen Defizitökonomie selbst, die dann auch die letzten vermeintlichen Sieger Japan und BRD in den Abgrund reißen und eine Weltwirtschaftskrise bisher nicht gekannten Ausmaßes auslösen wird.»[13]
Der Starrsinn männlicher Denkstrukturen und die Angst der männlichen Psyche, Grundsätzliches in Frage zu stellen, führt die Gesellschaft in eine Sackgasse, aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt. Daß dies mitnichten so sein muß, kann jeder unbefangen denkende Mensch mit wenigen Überlegungen erkennen.
Doch die Ökonomen von links bis rechts kultivieren ihre Scheuklappenmentalität und stochern bestenfalls im Nebel[14] ihrer Vorurteile herum. Dabei bedarf es lediglich einer gewissen Kühnheit, die als unabänderlich eingestuften ‹Realitäten› zu hinterfragen.
«We are the world»
Michael Jackson
«Es ist illusorisch zu glauben, wir könnten mit aufklärerischen Mitteln auf demokratischem Wege Mehrheitsverhältnisse schaffen, die das Schlimmste verhüten»[15], schreibt der Autor Dirk C. Fleck. «Sicherlich, der Umweltschutzgedanke hat in den vergangenen 20 Jahren erheblich an Terrain gewonnen», führt er weiter aus. «Daß wir in der gleichen Zeit eine Auto-Mobilmachung um das Doppelte erleben mußten, (...) daß Böden und Meere nahezu gesättigt sind von Giften, daß durch die Bautätigkeit das vernetzte Ökosystem weltweit am seidenen Faden hängt», seien jedoch Anzeichen dafür, daß die Probleme der Umweltzerstörung von demokratischen Gesellschaften nicht zu lösen seien.
Diese Einschätzung
ist durchaus nachvollziehbar. Sie stellt jedoch den demokratischen Grundkonsens
unserer Gesellschaft in Frage. Dennoch befindet sich der Autor damit in guter
Gesellschaft.
«Ich bleibe dabei,
daß die Wachstumsmaschine verwerflich ist; sie setzt die dynamischen Systeme in
Gang, die in die Katastrophe führen. Wir müssen Wege finden, das materielle
Wachstum, den Energieverbrauch, den Müllanfall, die steigenden Koeffizienten zu
bremsen»[16], erläutert
der Bürgerrechtler Jens Reich die zentralen
Probleme unserer Gesellschaft. «Weil die Parteien sich nicht auf einen Konsens
einigen können, weil irgendwelche Lobbys blockierende Stöcke in die Räder
stecken», fordert er eine Institution, die «so laut befehlen kann, daß die
Politik endlich aufwacht». Reichs Einschätzung gipfelt in der Äußerung:
«Wirkliche Veränderung ist nicht möglich, wenn ständige Wahlkämpfe alles blockieren».
Reich unterstellt
dabei, daß Politiker, Wirtschaftsbosse und Verbraucher ihre Entscheidungen
wider besseren Wissens und ohne Rücksicht auf die Umwelt treffen. Tatsächlich
fehlt es ihnen jedoch an der Erkenntnis, wie Ökonomie (vor allem der Wachstumszwang
der Wirtschaft) und Ökologie miteinander vereinbar sind.
Festzuhalten
ist, daß die Demokratie nur dann ihre Existenzberechtigung behält, wenn es
gelingt eine sozial und ökologisch verträgliche Wirtschaftsweise durchzusetzen.
Die demokratische Idee hat viel von ihrer Anziehungskraft verloren. In vielen Ländern bedarf es immer mehr Show und Werbung, um eine angemessene Wahlbeteiligung zu gewährleisten. Der amerikanische Präsident wird von kaum mehr als einem Viertel der wahlberechtigten Menschen gewählt. Und selbst in den jungen Demokratien Osteuropas oder Afrikas hat sich bald nach dem Erlangen der neuen Freiheiten Ernüchterung und Resignation breitgemacht.
Untersuchungen zufolge sind es insbesondere junge Menschen und in dieser Gruppe vor allem Frauen, die glauben, sie können keine Änderungen bewirken.[17] Das wundert nicht, da Politik und Wirtschaft nach wie vor von Männern zwischen 40 und 70 beherrscht werden. Es sind ihre Regeln und die von ihnen geschaffenen Sachzwänge, die unser aller Leben bestimmen. Sie sind es, die zum Beispiel mit Spekulationsgeschäften Millionen verdienen; sie sind es, die mit dem Fuß auf dem Gaspedal freie Fahrt für freie Bürger fordern; sie sind es, die auf lukrativen Posten oft mehr Schaden anrichten als nützliche Arbeit zu verrichten.
Handlungsspielräume für politische Entscheidungen werden immer geringer. Alternativen für anstehende Entscheidungen sind nicht selten bedeutungslos. Das Diktat der Sachzwänge - oder vermeintlicher Sachzwänge - begrenzt die zu führenden Diskussionen, bis sie nahezu überflüssig sind. Politiker und Wirtschaftsforscher beschwören sich gegenseitig und die Öffentlichkeit, alles zu tun, um Wirtschaftswachstum und Produktivitätssteigerungen zu garantieren. So zitiert der ‹Spiegel› den amerikanischen Präsidenten Clinton mit den Worten: «Das ist das Geheimnis. Wir müssen unserem Volk beweisen, daß der Wandel für unsere Bürger von Vorteil ist und Produktivitätssteigerung immer noch den Schlüssel zu Beschäftigung und Wachstum darstellt.»[18]
Die Sachzwänge Wachstum und Standortsicherung bestimmen die politische Diskussion. Für die Gestaltung einer lebenswerten Zukunft bleibt wenig Spielraum. Die Teilnahme an Meinungs- und Willensbildungsprozessen wird in allen Lebensbereichen immer uninteressanter, ob in den Betrieben oder den Parlamenten. Daß sich unter diesen Bedingungen Staats- und Parteiverdrossenheit breitmachen, verwundert nicht.
Engagement ist zunehmend notwendig, um Erreichtes zu sichern und Schützenswertes vor Schaden zu bewahren. Neues zu entwerfen und zu gestalten ist in den politischen Gremien immer seltener gefragt. Auf dieser Grundlage ist die Teilnahme an gesellschaftlichen Aufgaben in den meisten Fällen durch negative Gefühle wie Angst und Verzweiflung geprägt. Bürgerbewegungen und parlamentarische Initiativen versuchen in der Regel Entwicklungen, die uns von der Wirtschaft aufgezwungen werden, zu verhindern oder ihre negativen Auswirkungen zu begrenzen. Ein Großteil der Umweltschutzaktivitäten, Anstrengungen gegen Nikotin- und Alkoholkonsum, Kampagnen gegen Aufrüstung und Rüstungsexport, die Verhinderung von Sozialabbau und der Kampf um angemessene Lohnanpassungen sind einige dieser Kämpfe, in denen die Vernunft gegen die Wirtschaftsinteressen aufbegehrt.
Bei Menschen führt diese Negativ- Motivation früher oder später zur Distanzierung und zum Rückzug in die Häuslichkeit. Die Privatsphäre soll zur Festung gegen Frust und Bedrohungen von außen werden. Die Teilnahme an gesellschaftlichen Prozessen bedroht das eigene Wohlgefühl. Angst und Hilflosigkeit führen zu einer allgemeinen Politikverdrossenheit. Daß sich dieses Verhalten zwangsläufig gegen das Individuum wenden muß, wird so lange wie möglich verdrängt.
Das nachlassende Interesse der Bürger an politischen Entwicklungen unterstützt die Tendenz, daß Politik in großem Maße von fest verankerten Interessengruppen bestimmt wird. Grundlegende Weichenstellungen können und werden so zum Vorteil kurzfristiger Gruppeninteressen verhindert.
Soll die Idee der Demokratie Basis einer zukunftsorientierten Gesellschaft sein, muß sie weiterentwickelt werden. Die demokratischen Gremien müssen gestalterische Funktionen erlangen, die nicht durch wirtschaftliche Vorgaben auf Nischen reduziert sind. Die auswuchernde Staatsbürokratie, die mehr und mehr Handlanger des Kapitals ist, muß verändert werden. Es müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die einen Rückbau des Staates ermöglichen, um den Bürgern mehr Freiraum für eigene Entfaltung einzuräumen. Gesellschaftliche Prozesse sind so zu gestalten, daß staatliche Leistungen überflüssig werden, ohne daß dadurch Mangel oder Not entstehen. Nur so kann einer allgemeinen Staatsverdrossenheit entgegengewirkt werden.
«Wir haben ein
sogenanntes Haushaltsdefizit.
Das ist, als würde diese Farm buchstäblich auf Schulden laufen. Ihr werdet von
den Schulden angetrieben und arbeitet, um die Schulden abzubezahlen, und
deswegen kommt ihr nie von der Stelle. So funktioniert meine Regierung. Sie hat
kein Geld, tut aber so, als hätte sie welches.»
Rita Mae Brown[19]
Unsere Gesellschaft fußt auf zwei maßgeblichen Pfeilern, der Wirtschaft und dem demokratischen System. Von ihrem funktionieren hängt das Wohl von Millionen Menschen ab. Obschon beide Bereiche von außen betrachtet voneinander getrennt sind, sind sie doch personell wie auch strukturell eng miteinander verwoben. Unsere Wirtschaft kann nur effektiv funktionieren, wenn ihr durch die parlamentarischen Organe die richtigen Rahmenbedingungen vorgegeben werden. Ebenso gilt, das zeigt uns die Entwicklung in vielen Teilen der Welt, daß eine demokratische Kultur gefährdet und anfällig ist, wenn die wirtschaftliche Entwicklung instabil wird. Die Demokratie braucht eine solide Wirtschaft, um sich im humanistischen Sinne bewähren zu können.
Wer unser Wirtschaftsgeschehen beobachtet, erlangt leicht den Eindruck, das ganze Treiben diene einzig dazu, möglichst viel zu verkaufen und den Menschen möglichst viel Arbeitsleistung zu denkbar günstigen Konditionen abzuverlangen. Dies sind aber Symptome einer falsch strukturierten Gesellschaft. Tatsächlich sollte der Bereich des Wirtschaftens einen anderen Sinn verfolgen.
Das Wirtschaftsgeschehen dient dazu Bedürfnisse und Ressourcen zusammenzubringen. Es stimmt Angebot und Nachfrage aufeinander ab und bringt die Fähigkeiten und Fertigkeiten der Individuen zueinander. Aufgabe des Wirtschaftslebens ist es, Bedürfnisse der Menschen zu befriedigen, so daß materielle Not überwunden werden kann. Das Wirtschaftsgeschehen sollte die existentiellen[20] Bedürfnisse aller Mitglieder der Gesellschaft abdecken, um so die Basis für ein angstfreies und gleichberechtigtes Miteinander zu schaffen. Die Bewahrung der Umwelt, der sparsame und verantwortungsvolle Umgang mit Rohstoffen, Reinhaltung von Boden, Luft und Wasser sollten grundlegender Rahmen allen Wirtschaftens sein.
Ein ordentlich funktionierendes Wirtschaftsleben führt Angebot und Nachfrage zueinander und gleicht so Überfluß und Mangel aus. Es minimiert dadurch soziale Spannungen und schafft eine Atmosphäre friedlichen und partnerschaftlichen Miteinanders. Die Wirtschaft, als Sphäre von Produktion, Dienstleistung und Tausch, bildet so verstanden, die Basis für eine gerechte, soziale und humane Gesellschaft. Auf der Grundlage eines regen und gerechten Wirtschaftssystems können sich Kunst, Kultur und Ethik optimal entfalten und so das Gesellschaftsgeschehen zur Blüte bringen.
Selbstverständlich entspricht diese Vorstellung nicht unserer gegenwärtigen Realität. Sie ist sogar so weit von ihr entfernt, daß wir kaum in der Lage sind, uns diesen wünschenswerten Zustand als Wirklichkeit vorzustellen. Die Kluft zwischen Armut und Reichtum, Not und Wohlstand, Wunsch und Wirklichkeit ist so groß, daß eine Annäherung nicht möglich erscheint. Überall auf der Welt plagen sich Millionen Menschen, die vom Wirtschaftsgeschehen verursachten Schäden zumindest stückweise zu beheben. Engagierte Menschen und Gruppen bemühen sich permanent, die Natur vor einer sinnentleerten und zügellos wütenden Wirtschaft zu beschützen.
Entgegen dem eigentlichen Sinn ihrer Existenz, ist es in aller Regel die Wirtschaft, die Angst auslöst, obwohl sie Sicherheit schaffen sollte. Sie ist es, die unter anderem mit immer neuen Rüstungsgütern ein blutiges und unmenschliches Austragen von Konflikten schürt. Anstatt Bedürfnisse zu befriedigen, zwingt sie uns immer mehr Umsatz und größeren Konsum auf und fördert zudem die Vereinzelung und Vereinsamung der Menschen. Anstatt das Miteinander von Mensch und Natur zu ermöglichen, wurden die Lebensgrundlagen des Menschen im rasanten Tempo vernichtet. Statt sich tendenziell überflüssig zu machen, schiebt sich die Industrie als Keil zwischen den Menschen und seine ursprüngliche Umwelt. Wirtschaftsentscheidungen sind im allgemeinen nicht davon bestimmt, wie man mit Investitionen Menschen und Umwelt am sinnvollsten nützt. Unter den Bedingungen der kapitalistischen Marktwirtschaft dominiert eine andere Frage: Wie hoch ist die Rendite für eine Investition?
Diese Frage ist für wirtschaftliches Handeln so bestimmend, daß andere Motivationen kaum wahrnehmbar sind. Die Höhe der Rendite[21] entscheidet tagtäglich über den Kapitalfluß von Milliarden Mark. Fällt diese Rendite deutlich unter zehn Prozent ab, oder bleibt sie dauerhaft auf einem niedrigem Niveau, verweigert sich das Kapital, das heißt, es schiebt einen Riegel zwischen Produzenten und Konsumenten. Auch dann, wenn das Angebot wünschenswert und sinnvoll ist. Die direkte Folge davon ist: Der Arbeiter wird arbeitslos, der Bedarf bleibt unbefriedigt. Hohe Renditen dagegen fördern Entwicklungen, die gesellschaftspolitisch betrachtet ohne Sinn und Verstand sind.
Jede Gesellschaft ist von der Art und Weise ihres Wirtschaftens und damit ihrer Produktionsweise geprägt. Sicherlich beeinflussen die Menschen über die Politik und ihr Konsumverhalten die wirtschaftliche Entwicklung. Die Macht einzelner Wirtschaftssektoren ist aber oft so groß, daß sie den maßgeblichen Einfluß auf die Rahmenbedingungen haben.
Um
gesellschaftliche Prozesse lenken zu können ist es wichtig, die Bedürfnisse der
Wirtschaft zu verstehen und einzubeziehen. Eine realistische Perspektive
zur Durchsetzung von Reformen braucht starke Befürworter. Reformen, die den
Interessen der einflußreichen Lobby-Vereinigungen zuwider laufen, sind
gewöhnlich nicht durchsetzbar. Je angespannter die ökonomische Situation, umso
reformfeindlicher ist das Klima. Das machen zum Beispiel die Bemühungen um die
Reduzierung des CO2 Ausstoßes deutlich. Alle noch so
großen Anstrengungen um den Erhalt der Lebensgrundlagen sind verschwendete
Energie, solange ihnen die Bedürfnisse der Industrie und die Gesetzmäßigkeiten
des Kapitals entgegenstehen.
Der Grüne Punkt und das Sammeln und Sortieren von Abfall - weder die günstigste noch die ökologischste Möglichkeit - hat sich deswegen durchsetzen können, weil die Industrie dort gute Verdienstmöglichkeiten sah. Wären der Verpackungs- und Recyclingmarkt nicht als Wachstumsbereiche von Bedeutung, hätte sich sicherlich Müllvermeidungsstrategien durchsetzen können.
Eine Wirtschaft der Zukunft hat andere Prämissen. Um die vielfältigen Probleme unserer Industriezivilisation lösbar zu machen, bedarf es veränderter Bedingungen für das Wirtschaftsleben und insbesondere für die Industrieproduktion. Produzieren und Investieren einzig zum Zwecke der Kapitalvermehrung sollten und können wir uns auf Dauer nicht leisten. Das Kapital wird seine Vormachtstellung verlieren müssen. Es muß in der Gesellschaft eine untergeordnete Rolle spielen, um nicht länger das Marktgeschehen zu dominieren. Das Geld, das Blut des Wirtschaftskreislaufs, muß im Dienste der Allgemeinheit zirkulieren.
Die
kapitalistische Anschauung, daß einzig die Anhäufung von Macht und Besitz
Leitlinien für individuelles und gesellschaftliches Handeln sind, beruht auf
einer Primitivform ethischer Entwicklung. Diese Ordnung schafft Widersprüche,
die nicht hingenommen werden müssen.
So werden beispielsweise Egoismus und Altruismus als zwangsläufige Gegensätze verstanden. Dabei nützt, unter vernünftigen Rahmenbedingungen, egoistisches Handeln letztlich auch der Gemeinschaft. Und ebenso gilt, daß das, was ich für alle tue, auch meinem persönlichen Wohlbefinden dient.
Die wachsende Produktivität kommt in immer größerem
Maße den Kapitalbesitzern und immer weniger den arbeitenden Menschen zugute.
Dies ist unsinnig und gefährlich, weil es die Gesellschaft destabilisiert. Umso
mehr Maschinen die Arbeit der Menschen verringern oder überflüssig machen,
desto mehr Menschen geraten in Not. Funktioniert das Verteilungssystem richtig,
werden wir alle immer weniger Zeit aufwenden, um die notwendigen Arbeiten zu
erledigen. Ohne die kapitalistische Verzerrung der Marktwirtschaft wird die enorme
Produktivitätssteigerung zum Segen für die Gesundheit und das Privatleben aller
Menschen.
Ziel des Wirtschaftens in einer post-kapitalistischen Ordnung kann es nicht länger sein, die Produktion um ihrer selbst Willen zu steigern. Das Abdecken von Nachfrage und Bedarf zu gewährleisten muß vorrangig werden.
In Zukunft wird es nicht länger Aufgabe der Industrie sein, Arbeitsplätze um jeden Preis zu erhalten oder zu schaffen. Die Grundlagen und Rahmenbedingungen werden so gestaltet sein, daß jedem Mitglied der Gemeinschaft Auskommen garantiert und die Entfaltung seiner Fähigkeiten möglich wird.
Gesellschaftliche Service-Einrichtungen und Investitionen werden sich auch ohne staatliche Subventionen rentieren. Überflüssige und schädliche Branchen wie der Kohlebergbau, der Flugverkehr und die Tabakindustrie, werden nicht länger durch nachsichtige Gesetzgebung am Leben erhalten oder sogar durch Steuervorteile subventioniert.
Die Wirtschaft und ihre Verbände stellen in unserer Gesellschaft einen entscheidenden Machtfaktor dar. Diese Macht hat viele Aspekte und ist nicht grundsätzlich negativ. Ein Hauptgrund für Politiker auf Ratschläge aus der Wirtschaft zu hören ist, daß Unternehmen als Arbeitgeber auftreten und Arbeitsplätze schaffen und sichern. Zudem gehen viele Politiker noch davon aus, daß die großen Firmen ein Gros unseres Steueraufkommens erbringen.
Das Wirtschaftsgeschehen ist zweifellos das Fundament der Gesellschaft. Daher kann derjenige, der im Namen der Wirtschaft spricht, für sich in Anspruch nehmen, den wichtigsten Baustein unserer Gesellschaftsordnung zu repräsentieren.
Solange die Bedürfnisse des Wirtschaftssektors mit den Interessen der Bevölkerung übereinstimmen, ist der Einfluß der Wirtschaftslobby wenig problematisch. Leider unterliegt die Wirtschaft aber einer solchen Eigendynamik, daß sie der Allgemeinheit schwere Schäden zufügt.
Für den Finanz- und Industriesektor ist es zwingend, ständig expandieren und wachsen zu können. Es liegt in der Logik der kapitalistischen Geldordnung, daß ohne Wachstum der Ruin droht. Ob das mögliche Wachstum mit den Interessen der Menschen übereinstimmt, hat unter diesem Druck keine Bedeutung. Der Zwang zur Expansion ist der Hauptgrund, warum sich Lobbyisten häufig den berechtigten Anliegen von Umweltschützern in den Weg stellen.
Auf den demokratischen Willensbildungsprozeß nimmt die Wirtschaftslobby direkt und auf Umwegen Einfluß, mit dem Ziel, Rahmenbedingungen in ihrem Sinne zu gestalten. Arbeitet sie erfolgreich, schlägt sich dies zum Beispiel in der Gesetzgebung nieder.
So verabschiedete der Bundestag 1967 das ‹Gesetz zur Sicherung von Wachstum und Stabilität›, in dem die Regierung verpflichtet wird, permanentes Wachstum zu gewährleisten. Folge dieses Gesetzes ist, daß die Steuerzahler immer höhere Steuern aufbringen müssen, um eine Entwicklung zu finanzieren, die ihre Umwelt zunehmend zerstört. Wachstum und Investitionsförderung wurden mit diesem Gesetz über die direkten Interessen der Bürger gestellt. Würden einzelne, besonders gravierende Maßnahmen demokratisch legitimiert werden, sähe manches anders aus. Einige Beispiele dafür wie Steuermittel in absurdem Umfang zur Kapitalsubventionierung in umstrittene Investitionen fließen, werden im Kapitel ‹Der Staat als Retter des Kapitalismus› näher erörtert.
Das Grundproblem besteht demnach nicht darin, daß die Wirtschaft ihre Interessen durchsetzt. Das Dilemma sind die Interessengegensätze. Entscheidend für den notwendigen gesellschaftlichen Wandel ist es, eine weitgehende Übereinstimmung der verschiedenen Interessen zu erzielen. Eine notwendige Voraussetzung hierfür besteht darin, eine Wirtschaftsweise zu ermöglichen, die auf Expansion verzichten kann, und doch Vollbeschäftigung, Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit sicherstellt.
Die Funktionsweise und das Selbstverständnis der kapitalistischen Wirtschaftsweise zu analysieren und in Frage zu stellen, hat für die Zukunft der Demokratie eine zentrale Bedeutung. Ebenso wichtig ist es, unser Verständnis von Arbeit und Erwerbstätigkeit zu aktualisieren. Auch in diesem Bereich führt das Festhalten an unzulänglichen Konzepten in Sackgassen der gesellschaftlichen Entwicklung.
· Warum schafft der Staat eine Kluft zwischen sogenannter Lohnarbeit und einer Hobbytätigkeit?
· Warum schuften sich viele Menschen krank, während andere an Arbeitslosigkeit zu Grunde gehen?
· Was macht unsere Arbeit so teuer und zu oft unbezahlbar?
Die Erwerbsarbeit hat heute zwei wichtige Funktionen: Sie muß dem Arbeitenden den Unterhalt sichern, und sie muß ihm eine Rolle in der Gesellschaft ermöglichen, die ihm Anerkennung und Befriedigung verschafft. Die Möglichkeit für jeden Arbeitswilligen, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden, ist grundlegend für eine friedliche und soziale Gesellschaft.
Dies soll nicht heißen, daß jeder Erwachsene einer Erwerbsarbeit nachgehen sollte. Da es in einer gesättigten Marktwirtschaft nur einen begrenzten Bedarf an Arbeitsleistung gibt, ist es durchaus positiv, wenn sich Einzelne den Pflichten der Erwerbsarbeit zeitweise entziehen und sich dem Müßiggang, der Bildung oder dem Familienleben widmen. Sofern sie ihren Ausstieg aus dem Arbeitsalltag durch zuvor geleistete eigene Arbeit finanzieren können, ist dies nicht verwerflich.
In der heutigen kapitalistischen Ordnung werden der Erwerbsarbeit zwei gewaltige Lasten aufgebürdet:
Zum einen werden über die Lohnsteuer und die Lohnnebenkosten ein Großteil der öffentlichen Kassen sowie die sozialen Sicherungssysteme finanziert. Zum anderen müssen die Arbeitsleistenden - was oft übersehen wird, obschon es folgenreicher ist - jede Mark, die in diesem Land als Rendite erwirtschaftet wird, an Mehrleistung erbringen.
Für jeden Arbeitsplatz ist eine Investition nötig. In Deutschland beträgt die durchschnittliche Kapitalsumme pro Arbeitsplatz derzeit circa 250.000 Mark. Bei einem Zinssatz von sechs bis acht Prozent muß der durchschnittliche Arbeitsplatz zusätzlich zu den Lohnkosten 15.000 bis 20.000 Mark an Zinsen erwirtschaften. Kann ein Arbeitsplatz die notwendige Kapitalverzinsung nicht erbringen, findet die Investition gar nicht erst statt oder der Investor geht pleite. Durch die hohe Kapitalbelastung wird Arbeit in vielen Fällen ineffizient oder sogar unbezahlbar. Dies ist eine entscheidende Ursache für die Massenarbeitslosigkeit in unserer Gesellschaft.
Die Steuerlast auf Löhne und Gehälter ist im Laufe der vergangenen Jahrzehnte stetig angestiegen. Zwischen 19 und 24 Prozent ihres Bruttogehalts müssen die Arbeitenden mittlerweile an Lohnsteuer zur Finanzierung des Staatshaushalts aufbringen. 1969 zahlten sie hierfür nur 10,2 Prozent an den Fiskus.[22] Die finanzielle Belastung der Arbeitskraft ist so hoch, daß sie das Arbeiten regelrecht bestraft.
«Der Durchschnittsverdiener zahlt 1995 47,8 Prozent Steuern und Sozialabgaben. 1997 muß er bereits 48,9 Prozent abliefern. Bei 50 Prozent Abgabenlast beginnt der Kommunismus, hat Helmut Kohl einmal gesagt. Aber das war Mitte 1982. Da war er noch nicht Bundeskanzler und hatte nicht die Verantwortung für die Misere»[23], beschreibt ‹Die Woche› treffend die Situation.
Die hohen
Lohnzusatzkosten sind mitverantwortlich dafür, daß sich viele Tätigkeiten nicht
mehr lohnen oder nicht mehr finanzierbar sind. 84 Pfennige auf eine Mark Lohn,
so rechnet der Bundesverband der Deutschen Industrie[24],
müssen für die menschliche Arbeitsleistung zusätzlich zum Lohn aufgebracht
werden. Diese 84 Pfennige setzen sich im wesentlichen zusammen aus den
Beiträgen für die Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung sowie zur
Finanzierung der Renten.
Warum aber werden Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung beinahe ausschließlich aus der Arbeit abhängig Beschäftigter finanziert? Und warum finanziert sich unser Staat zusätzlich zu über einem Drittel aus der Lohnsteuer? 1995 betrug der Anteil der Lohnsteuer am Gesamtsteueraufkommen 36,9 Prozent[25], Tendenz steigend. Für 1996 machte diese Einnahmequelle des Staates 263,4 Milliarden Mark[26] aus. Bedenkt man, daß die Tätigkeit von Menschen grundsätzlich positiv zu bewerten ist, und im allgemeinen im Interesse der Gesellschaft steht, muß die Frage erörtert werden, warum sie durch die Steuer- und Sozialgesetze bewußt überproportional belastet wird. Da die steuerliche Belastung der Arbeit eine der Ursachen für die derzeitige Massenarbeitslosigkeit ist, wird diese Praxis noch unverständlicher.
«Ein europaweiter Anstieg der Besteuerung der Arbeit in den vergangenen Jahren um 9,4 Prozentpunkte, so das Ergebnis einer Analyse der Weltbank, sei für vier der elf Prozent Arbeitslosigkeit verantwortlich.»[27] Der Anstieg der Arbeitslosigkeit verursacht zusätzliche Lohnnebenkosten, die wiederum die Situation verschärfen.
Die Besteuerung der Arbeitseinkommen mag historisch gewachsen und sinnvoll gewesen sein. Für unsere gesellschaftliche Zukunft ist sie unbrauchbar.
Es stellt sich die Frage, welchen Sinn es macht, zwischen zu versteuernder Arbeit und steuerfreier Arbeit zu differenzieren? Wenn der Staat zukünftig auf die Besteuerung von Arbeitseinkommen verzichten würde, ergeben sich ganz neue Perspektiven.
Es würde dann die Trennung zwischen steuerpflichtiger Arbeit, Schwarzarbeit, und Hobbytätigkeiten nicht mehr geben. Ohne staatliche Einmischung wäre es jedem Menschen selbst überlassen, wo, wann und für wen er welche Tätigkeit ausübt. Der Verdienst würde individuell ausgehandelt und bliebe dem Arbeitenden in vollem Umfang erhalten. Dies hätte für die persönliche Entfaltungsmöglichkeiten der Menschen erhebliche Vorteile. Die Nutzung der eigenen Talente würde damit einfacher.
Die durch den Staat aufrecht erhaltene Trennung zwischen Unternehmern und Selbständigen auf der einen Seite sowie Arbeitern und Angestellten auf der anderen Seite, ist durch die Realität längst zur Farce geworden. Es wird geschätzt, daß es mittlerweile eine halbe bis eine Million sogenannte ‹Scheinselbständige›[28] gibt. Viele von ihnen leben und arbeiten unter weit schlechteren Bedingungen als abhängig Beschäftigte, die die gleiche Arbeit verrichten.
Die Trennlinie sollte nicht länger zwischen den verschiedenen Arbeitsverhältnissen gezogen werden. Diese künstlich durch das Steuerrecht gezogenen Trennungen bedingen absurde Entwicklungen. Sinnvoll wäre, die Ungleichbehandlung der verschiedenen Arbeitseinkommen durch eine Befreiung von der Steuerlast zu beenden. Wie eine derartige Umstrukturierung tatsächlich finanzierbar ist, wird aus den folgenden Kapiteln deutlich.
In der aktuellen Diskussion wird von vielen Autoren eine weitere Trennung von Arbeitswelten aufgebaut: Demnach existieren nebeneinander ein «marktwirtschaftlicher», ein «staatlicher» und der sogenannte «Dritte Sektor».[29] Nach diesem Ansatz, dessen wohl populärster Vertreter der Wissenschaftskritiker Jeremy Rifkin ist, werden im Produktionsbereich immer weniger Menschen beschäftigt. Da aber nur in diesem «marktwirtschaftlichen Sektor» das Geld erwirtschaftet wird, soll «ein möglichst großer Anteil des Produktivitätszuwachses vom marktwirtschaftlichen Sektor in den Dritten Sektor übertragen»[30] werden. Davon soll dann gemeinnützige Arbeit bezahlt werden, die der Staat sich nicht mehr leisten kann. Rifkin und andere gehen davon aus, daß man das Herstellen eines Handys und das Pflegen einer Parkanlage grundsätzlich in produktive und nicht-produktive Arbeit aufteilen kann.
Auschlaggebend ist aber nur die Nachfrage nach der Dienstleistung oder dem hergestellten Produkt. Entscheidend ist demnach wie die Kaufkraft verteilt ist und wie hoch die Preise durch Steuern belastet werden. Ausschlaggebend für die Entwicklung der Kaufkraft ist unter anderem die Verteilung des Produktivitätszuwachses. Solange er in wachsendem Maße den Kapitalbesitzern zufließt, landet er in Kassen ohne Bedarf. Überschüssiges Geld wird zur Spekulation verwendet. Er fehlt dann als Nachfrage in den Sektoren des täglichen Lebens wie Gesundheitsversorgung, Bildung, Kultur und Pflege des Lebensumfelds.
Wenn die Kaufkraft aller Bürger zunimmt, werden sie die Angebote des «staatlichen Sektors» und des sogenannten «Dritten Sektors» privat nachfragen. Diese Tätigkeitsfelder werden damit ‹produktiv› und die staatliche Subventionierung überflüssig.
Der entscheidende Impuls für einen gesellschaftlichen Wandel besteht darin, daß die Arbeitsleistung einen neuen Stellenwert erhält. In der Konkurrenz zum Kapital, und damit insbesondere zur industrialisierten Produktion, sowie zum Energie- und Rohstoffeinsatz wird die menschliche Arbeit in der post-kapitalistischen Gesellschaft billiger und damit stärker nachgefragt.
«Frauen leisten 65 Prozent der Arbeit, ihnen gehören zehn Prozent der Einkommen und ein Prozent des Besitzes»
Jürgen Thebrath[31]
Eine Neubewertung wird es ebenfalls bei den Begriffen Leistung und Besitz geben müssen. Die Bewertung von Leistung ist heute eine fragwürdige Angelegenheit. Was ist überhaupt eine Leistung? Genauer: Was ist aus Sicht der Gesellschaft eine Leistung?
Dazu ein konkretes Beispiel:
In weiten Teilen der Gesellschaft wird es für selbstverständlich erachtet, daß ein vermögender Spekulant an einem Grundstücksgeschäft Millionen verdient, während eine Mutter für die Erziehung von drei Kindern alles in allem kaum 150.000 Mark Kindergeld erhält? Um genau zu sein, das Geld erhält sie nicht einmal für ihre Arbeit. Es soll lediglich helfen, die Kosten für die Kinder zu decken.
Reicht der Verweis auf das Risiko des Bodenspekulanten aus, um dieses Mißverhältnis zu akzeptieren? Reicht als Rechtfertigung der Hinweis, daß die Mutter von ihren Kindern reich beschenkt wird, zunächst emotional und später vielleicht auch materiell?
Warum bewerten wir die Spekulation mit Grundstücken als Leistung, wo sie doch die Gemeinschaft nur unnötig belastet? Ist es gesellschaftlich wünschenswert, daß die Arbeit leistenden Menschen etwa ein Drittel ihres Arbeitsertrags für die Zinseinkünfte der Geldbesitzer aufbringen müssen? Warum verhindert unser System, daß diejenigen die Arbeit erbringen, auch deren vollen Ertrag erhalten?
Wohlstand und Reichtum gründen sich längst nicht immer auf Leistung. Genau genommen ist es heute eher eine Ausnahme, wenn man mit handwerklicher oder geistiger Arbeit reich wird. Wer jedoch erst einmal ein Vermögen erlangt hat, tut sich leicht damit, dieses weiter zu vermehren.
Reichtum und Macht
können das Resultat von überdurchschnittlichen Leistungen sein. In diesem Fall
haben sie eine Berechtigung als Gradmesser für Prestige und Anerkennung. Kein
Mensch aber kann auf Grund seiner Arbeit ein Millionenfaches seiner Mitmenschen
leisten. Das Zustandekommen entsprechend großer Besitztümer und einer
entsprechend großen Machtfülle ist daher kritisch zu beleuchten.
Milliardenvermögen haben selten etwas mit dem Leistungsgedanken zu tun, von dem
liberale Ökonomen gerne sprechen. Wenn sich Reichtum und Macht losgelöst von
gesellschaftlich relevanter Leistung anhäufen und selbständig vermehren,
verdienen sie nicht in gleicher Weise unsere Wertschätzung. Einkommen aus
Besitztiteln (Bodenpacht und Zinserträge) entstehen auf Kosten anderer oder
müssen von der Allgemeinheit erbracht werden. Entsprechend sind sie auch zu
bewerten.
Zinserträge und
Gewinne aus Grundstücksgeschäften unterscheiden sich dabei wesentlich von
Lotteriegewinnen und dem Spekulieren mit Aktien. Während erstere ‹garantierte
Gewinne› sind, die durch die Arbeit der Bürger zustande kommen, sind letztere
‹Poker-Erträge›. Die zweite Kategorie unterscheidet sich dadurch, daß die
Mitspieler einen Einsatz riskieren. Aus dem gemeinsamen Pool wird der Gewinn
verteilt. Geschädigt werden die aktiven Mitspieler, nicht aber die
Allgemeinheit.
Die Verteilung von
Besitztümern zu hinterfragen, ist in diesem Land eine besonders heikle
Angelegenheit. Tatsächlich ist der Besitz sehr ungleich verteilt. Jenseits von
Sozialneid und Enteignungsträumen ist jedoch zu unterscheiden, wie ein Besitz
erworben wurde. Ist ein Vermögen angespart aus einer Arbeitsleistung oder hat es
sich aus sich selbst heraus vermehrt? Ist es demnach aus der Arbeit
Unbeteiligter entstanden? Besitz der ohne eigene Arbeistleistung anwächst,
beraubt die Allgemeinheit und schädigt die Mitmenschen. Bereits Martin Luther
hatte diesen Zusammenhang erkannt und angeprangert:
«Darum ist ein Wucherer und Geizhals wahrlich kein rechter Mensch; er sündigt auch nicht eigentlich menschlich! Er muß ein Werwolf sein, schlimmer noch als alle Tyrannen, Mörder und Räuber, schier so böse wie der Teufel selbst! Er sitzt nämlich nicht als Feind, sondern als ein Freund und Mitbürger im Schutz und Frieden der Gemeinde und raubt und mordet dennoch greulicher als jeder Feind und Mordbrenner. Wenn man daher die Straßenräuber, Mörder und Befehder rädert und köpft, um wieviel mehr noch sollte man da erst alle Wucherer rädern und foltern, alle Geizhälse verjagen, verfluchen und köpfen...».[32]
Der destabilisierende Charakter gilt insbesondere
dann, wenn Geldvermögen aus dem Geldkreislauf zurückgehalten werden können oder
nur gegen hohe Zinsen und bei hoher Inflation der Allgemeinheit überlassen
werden. Auch wenn dieser Mechanismus auf Grund der flexiblen Geldmengenpolitik
der Notenbank heute nicht mehr so offensichtlich zutage tritt wie zu Zeiten
Martin Luthers, bleibt der Effekt bis heute erhalten. Die Erpressung von Zinseinkünften
beraubt die Arbeitenden um einen Teil ihres Lohns und ist damit Quelle von
Ungleichheit und Ungerechtigkeit.
Wahr ist, daß die Vermögen und der Besitz der Superreichen in dem Maße wachsen, wie Not und Bedürftigkeit zunehmend mehr Menschen erfassen. Dies gilt für nationale ebenso wie für internationale Entwicklungen. Unter der Überschrift:
«358 Superreiche besitzen mehr als die halbe Menschheit», war in der Ulmer Südwestpresse zu lesen:
«Ein paar hundert Superreiche haben mehr Geld als die
halbe Menschheit. Das ist eines der Ergebnisse des Berichts der Vereinten
Nationen ‹Über die menschliche Entwicklung›. Danach hat sich die
Einkommensungleichheit in den vergangenen Jahrzehnten weltweit verdoppelt. Vom
globalen Wirtschaftswachstum profitierte nur eine Minderheit der Staaten, und
auch die Kluft zwischen den Wohlhabenden und den Armen in den Industrieländern
selbst wird immer größer.»[33]
Im Unterschied zur Arbeitsleistung des Einzelnen hat der private Besitz für die Gesellschaft keinen Nutzen. Die Arbeit eines Menschen bringt in der Regel für ihn und für die Allgemeinheit einen Vorteil. Der Besitz eines Guts stellt für die Allgemeinheit jedoch nur insofern einen Vorteil dar, als es von der Privatperson gepflegt, genutzt und verwaltet wird. Hieraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, daß Privateigentum schlecht oder unmoralisch sei. Es entspricht dem Bedürfnis der Menschen über Eigentum zu verfügen. Der vorhandene Wohlstand sollte daher von allen Menschen gleichermaßen zu erwerben sein.
Negative Folgen für die Gesellschaft ergeben sich aus einer extremen Konzentration des Besitzes, da dies eine angemessene Verteilung verhindert und im Extremfall vielen Menschen den Erwerb von Eigentum unmöglich macht. Es stellt sich daher die Frage, warum in einer Demokratie die Akkumulation toleriert oder sogar gefördert wird.
Die Aneignung riesiger Vermögen kann durch das Steuerrecht lediglich eingeschränkt werden. Um eine ausgewogene Verteilung des Besitzes zu ermöglichen, wäre eine progressive Besteuerung angebracht. Wer viel anhäuft, zahlt viel. Was heute unsinnigerweise bei den Arbeitseinkommen praktiziert wird, macht einen gewissen Sinn, wenn es auf die leistungslosen Einkünfte und den Besitzstand angewendet wird. Wenn übergroße Vermögen so stark besteuert werden, daß sie tendenziell geringer werden, bleibt dementsprechend mehr Besitz übrig, den die Übrigen erwerben können.
Letztlich wäre es jedoch effektiver und sinnvoller
die Ursachen der Vermögensakkumulation zu überwinden. Wenn dies durch eine
Boden- und Geldreform geschieht, wird sich das Problem der extrem ungleichen
Besitzverhältnisse weitgehend erübrigen.
Was hat das Chaos in unserer Gesellschaft mit Geld zu tun? Ist der Mensch so schlecht, daß er vor Habgier und aus Egoismus alles zerstört? Bestimmt der Mensch bewußt die gesellschaftlichen Entwicklungen, oder nimmt er sie eher in Kauf? Prägt der Mensch das System oder mehr das System die Menschen? Bestimmt «die Kraft des Guten» das menschliche Wesen oder ist der Mensch eher böse und zerstörerisch? Ist der Kapitalismus die Quelle der destruktiven Kräfte, und wenn ja, was macht diesen Kapitalismus heute aus? Müssen wir auf Privatbesitz verzichten um ‹gut› sein zu können, wie es uns der Mar-xismus nahelegt?
Die Liste der Fragen läßt sich fortsetzen. Nur wenige Menschen differenzieren exakt bei der Analyse von Ursachen und Auswirkungen. Die Verantwortlichen in allen Bereichen richten sich mit ihren Widersprüchen ein. Die Veränderer konzentrieren sich auf einzelne, oft sehr schwerwiegende Symptome.
Die Zahl derer, die für Menschenwürde, die Bewahrung der Schöpfung, Solidarität mit den Schwächeren, für Verstand, Herz und Vernunft kämpfen, ist erfreulich hoch. Und doch registrieren wir täglich, daß sich die Verhältnisse zum Nachteil der Masse der Menschen entwickeln.
Um sich dies erklären zu können, flüchten viele in die Überzeugung: Der Mensch ist dumm, faul und rücksichtslos dazu. Die Schlußfolgerung aus dieser Überzeugung ist: Nur wenn wir den Menschen ändern, können wir das System verändern.
Die Geschichte hat uns bewiesen, daß der Mensch nicht gezielt veränderbar ist. Versuche in dieser Richtung endeten in Diktatur und Despotie oder sie führten zu chaotischen Verhältnissen in Wirtschaft und Gesellschaft, die letztlich eine Restaurierung der alten Ordnung bewirkten. Diese Einschätzung bezieht sich lediglich darauf, daß den Menschen moralisch verantwortliches Verhalten nicht aufgezwungen werden kann.
Selbstverständlich entwickelt sich menschliches
Verhalten im Laufe der Zeit. Das Handeln der Menschen paßt sich ihrem
gesellschaftlichen Umfeld an. Ein Kind, das täglich mit Gewalt-
szenen konfrontiert wird, wird eher zur Gewaltanwendung neigen, als eines, das
in einem Umfeld groß wird, in dem Gewalt eine Ausnahme darstellt. Dasselbe gilt
für den Steuerzahler, der Jahr für Jahr ehrlich seine Steuerschuld entrichtet.
Wenn er erlebt, wie Steuerhinterziehung zur Normalität wird, wird dies auch
seine moralischen Maßstäbe beeinflussen.
Der erwachsene Mensch ist für sein Tun verantwortlich. Die Summe des selbstverantwortlichen Handelns bildet das gesellschaftliche Bewußtsein. Sie bestimmt unsere Wertmaßstäbe. Aus dem Wechselspiel von individuellem Handeln und gesellschaftlichem Einfluß ergibt sich eine Dualität für die Ursachenanalyse.
Ein Beispiel: Aufgabe der Erziehungsberechtigten ist es, ihren Kindern einen positiven Umgang mit dem Medium Fernsehen zu vermitteln. Mißbrauchen sie den Fernseher als Babysitter oder überlassen sie ihr Kind widerstandslos den Verführungen der Fernsehmacher, kommen sie ihrer Verantwortung nicht nach. Im schlimmsten Fall wird ihnen eines Tages vorgeworfen, sie hätten bei der Erziehung ihrer Kinder versagt. Die Aufgabe dieser Eltern ist schwierig, denn ihnen stehen Menschen gegenüber, die dieses ‹Versagen› mit allen Mitteln provozieren. Wir leisten uns Programmacher, Werbefachleute und gut bezahlte Spezialisten, deren Aufgabe es ist, Kinder an den Fernseher zu binden. Diese Menschen gelten als erfolgreich, wenn die Einschaltquoten hoch sind und Kinder täglich Stunden vor der Mattscheibe verbringen! Zu den Schattenseiten ihres Jobs gehört, daß Kinder die im Programm erlebte Gewalt in der Schule umsetzen. Es wird ihnen jedoch nicht als versagen ausgelegt, wenn eine Generation heranwächst, für die Haben mehr bedeutet als Sein, denen Konsumieren wichtiger ist als Kommunizieren! Es ist die zwangsläufige Folge ihrer Arbeit. Es gehört zu ihrem gesellschaftlichen Auftrag.
Ähnlich verhält es sich mit dem Autofahrer, der dem Rausch der Geschwindigkeit oder dem Irrsinn der permanenten Mobilität erliegt. Ein Heer von Werbestrategen arbeitet schließlich darauf hin, dem Konsumenten zu suggerieren, wie toll sein schädliches Verhalten sei. Es werden Milliarden ausgegeben, damit den Konsumenten keine Zweifel an dieser Lebensweise kommen.
Die kapitalistische Produktionsweise kann den verantwortungsbewußten Bürger gar nicht verkraften. Kategorien von Moral und Vernunft stehen den Anforderungen an den Menschen als Konsumenten geradezu entgegen. Daß wir uns als Gesellschaft Strukturen leisten, die ein Versagen des Einzelnen geradezu herausfordern, ist absurd und veränderbar.
Es sind die Menschen, die diese Strukturen schaffen und akzeptieren. Kann man daraus jedoch ableiten, daß die Menschen es letztlich so wollen, wie es ist - sei es aus Bequemlichkeit, Egoismus oder Habgier motiviert? Die Menschen haben sich dieses System geschaffen und sie haben sich darin eingerichtet. Müssen wir demnach nicht doch zuerst die Menschen ändern, bevor wir die Zustände ändern können?
Die Bürger der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft haben sich mehr oder weniger gezielt für Strukturen entschieden, von denen sie annahmen, sie würden eine optimale Entwicklung der Gesellschaft ermöglichen. Zu diesen Strukturen gehört das parlamentarische[34] Wahlsystem, das die Siegermächte den Deutschen verordneten. Weitere Bestandteile sind die soziale Marktwirtschaft und die Zuordnung von Aufgaben an staatliche Einrichtungen sowie die Garantie der Menschenwürde und des Privateigentums. Bestimmte Entwicklungen im Modell ‹Soziale Marktwirtschaft› wurden dabei im Laufe der Zeit eher in Kauf genommen oder einfach nicht verhindert. Hierzu gehören die Bildung und Aufrüstung der Bundeswehr, die zunehmende Konzentration und Machtfülle großer Konzerne, die Duldung von Bodenspekulation und das gefährliche Anschwellen der großen Geldvermögen.
Zu diesen Entwicklungen zählt auch, daß unsere Wirtschaftsordnung auf grenzenloses Wachstum angewiesen ist. Es ist kaum jemandem bewußt, daß Marktwirtschaft auch ohne Kapitalismus möglich ist, daß Wohlstand auch ohne Wachstum gewährleistet werden kann. Und wer weiß schon, daß die ungerechtfertigte Verteilung des Bodens Quelle milliardenschwerer Einnahmen ist, den die Nutzer an die Besitzer entrichten müssen?
Sicherlich sind es die Menschen, die durch ihr Verhalten das politische und wirtschaftliche System prägen. Gleichzeitig gilt aber auch, daß die Verhältnisse das Verhalten der Menschen prägen. Solange unsere Wirtschaft auf unkritische und unaufgeklärte Konsumenten angewiesen ist, wird die Hoffnung auf die Einsichtsfähigkeit der Menschen enttäuscht werden. Politische und wirtschaftliche Gegebenheiten werden nicht durch moralische Appelle verändert.
Um Gesellschaft aktiv gestalten zu können, bedarf es einer genauen Analyse der Fehler und ihrer Ursachen. Darüber hinaus ist eine konkrete Vorstellung davon notwendig, welche Korrekturen zum gewünschten Erfolg führen. Fehlt aufgrund einer falschen oder fehlenden Analyse diese Perspektive, neigen Menschen leicht zu Resignation. Durch die daraus resultierende Untätigkeit entsteht der Eindruck, die Menschen akzeptierten das bestehende System. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann sich zeigen, daß die Menschheit durchaus in ihrer Gesamtheit in der Lage ist, ihrer globalen Verantwortung für den Planeten gerecht zu werden.
«Stabiles Geld ist nicht alles, aber ohne stabiles Geld ist alles andere nichts.»
Karl Schiller
Die Widersprüchlichkeit der kapitalistischen Gesellschaftsordnung zeigt sich darin, daß den Mangelerscheinungen auf der einen Seite, Überangebote auf der anderen Seite gegenüberstehen. Daß diese beiden Phänomene gleichzeitig auftreten und nicht zum Ausgleich führen, macht den grundsätzlichen Fehler dieses Systems aus.
Es gibt Millionen Arbeitslose, obwohl eine Vielzahl notwendiger Arbeiten unerledigt bleibt; es herrscht Obdachlosigkeit, obschon ausreichende Baukapazitäten bereitstehen; mit Steuergeldern werden Entwicklungen subventioniert, die unsere Gesundheit gefährden, wie der Anbau von Tabak, während die Instandhaltung der Krankenhäuser mit ‹Notopfern› nur dürftig gewährleistet werden kann; mit Milliardenaufwand werden Jugendliche zum Konsum verleitet, während entscheidende Innovationen im Bildungswesen nicht zu finanzieren sind. Während es Millionen Menschen an Dingen des täglichen Lebens fehlt, wird bei anderen mit unglaublichem Aufwand zusätzlicher Bedarf geweckt.
Die Früchte unseres Schaffens werden uns dabei zunehmend vorenthalten. Wenn eine Gesellschaft über Jahre hinweg enorme Anstrengungen unternommen hat,
· um die Infrastruktur zu optimieren,
· um Verwaltungsprozesse effektiver zu organisieren,
· um das Bildungsniveau dem Bedarf anzupassen,
· um Unfall- und Krankheitsrisiken zu verringern,
· um in der Produktion immer weiter zu Rationalisieren,
· und schließlich auch
· um alle Konsumbedürfnisse nach Möglichkeit abzudecken,
kann und sollte dies Nutzen und Sicherheit für alle Mitglieder dieser Gesellschaft mit sich bringen.
Die Produktivität und die geschaffene Infrastruktur sollten für alle ein Polster der Sicherheit bilden. Auf diesem könnten wir es uns bequem machen, um gelassen den Anforderungen der Zukunft entgegenzuschauen.
Statt dessen werden viele von uns von Erwerbslosigkeit und Existenzängsten bedroht. Mit einer unglaublichen Steuerlast werden immer neue, oft unsinnige Projekte finanziert. Das gigantische Wachstum der Wirtschaftsleistung dient offensichtlich immer seltener der Schaffung von Sicherheit und Wohlstand für alle. Wirtschaftswachstum ist Selbstzweck und bedient vor allem die Bedürfnisse des Kapitals.
«Die Wurzel allen gesellschaftlichen Übels ist, daß wenige zuviel und viele zuwenig Geld haben: die Differenz verursacht Unruhe Aufstand, Krieg, Diskriminierung, Klassensysteme, Verbrechen, Arroganz: und den Glauben, daß nicht etwa ein guter Charakter und Liebenswürdigkeit den inneren Wert eines Menschen ausmachen, sondern etwas anderes.»
Fay Weldon[35]
Die deutsche Gesellschaft konnte sich über Jahrzehnte hinweg ungestört von Krieg, Bürgerkrieg und relevanten Katastrophen entwickeln. Sie wurde so zwangsläufig zu einer Überflußgesellschaft. Wenn in einer Industriegesellschaft das Produktionsniveau und die Effizienz lange genug gesteigert werden können, wird irgendwann genug da sein, um allen Bedarf zu befriedigen. In Deutschland wurde dieser Punkt bereits überschritten. Während in der Mangelgesellschaft nicht ausreichend Waren produziert und angeboten werden können, ist es in der Angebotsgesellschaft das vordringliche Problem, Käufer für die vorhandenen Waren zu finden.
Heute stellt sich die Frage: Warum kommt es in einer Überflußgesellschaft zu Mangelerscheinungen? Warum fehlt es immer mehr Menschen an Kaufkraft?
Der Mangel an Waren und Dienstleistungen in der entwickelten kapitalistischen Wirtschaftsordnung resultiert nicht aus der mangelnden Bereitschaft oder Fähigkeit der arbeitenden Menschen diese Leistungen zu erbringen!
Kommt es in der Überflußgesellschaft zu Mangelerscheinungen, hat dies maßgeblich zwei Ursachen:
a) ungünstige Verteilungsmechanismen und
b) eine zu geringe Investitionsbereitschaft.
Ist das Wirtschaftssystem vernünftig, also optimal funktionsfähig strukturiert, muß die Überproduktion in einer Gesellschaft zur Bedürfnisbefriedigung und in Folge zur Reduzierung der durchschnittlichen Arbeitsleistung führen.
Kommt es aber in großen Teilen der Gesellschaft zu Wohlstandsverlust und sogar zu existenzbedrohendem Kaufkraftverlusten, ist eine derartige Entwicklung nicht möglich. Schuld daran sind in erster Linie erhebliche Verteilungsfehler. Die Kaufkraft, die der wachsenden Zahl von Unterstützungsbedürftigen fehlt, ist in anderen Kassen durchaus vorhanden.
In Phasen hoher Zinssätze kann beobachtet werden, daß sich die Besitz- und Einkommensverhältnisse so ungünstig entwickeln, daß dort wo der Bedarf weiterhin unbefriedigt ist, die Kaufkraft immer schwächer wird. Dies betrifft Rentner, Arbeitslose und Bezieher kleiner Einkommen bei uns ebenso, wie die breite Masse der Bevölkerung in den meisten Ländern der Welt. Gleichzeitig bildete sich bei den Wohlhabenden ein enormer Kaufkraft-Überhang. Der Vermögenszuwachs von etwa zehn Prozent der Haushalte ist so hoch, daß diese nicht mehr in der Lage sind ihr Konsumniveau dem Einkommen anzupassen.
In Hochzinsphasen wachsen die Einkommen jener, die es sich leisten können ihr Geld auf Bankkonten für sich ‹arbeiten› zu lassen, gerade dann überproportional an, wenn alle übrigen Einkommen zurückgehen. Korrekt formuliert muß es heißen: Wenn die Zinseinkommen überproportional anstiegen, fällt die Kaufkraft der breiten Masse entsprechend geringer aus. Jede erarbeitete Mark kann nur von einem ausgegeben werden. Was der Unternehmer mehr dem Kapitalbesitzer geben muß, fehlt den Arbeitenden auf den Gehaltskonten. Es handelt sich um das gleiche Prinzip wie bei den Mieten. Steigen diese an, hat der Vermieter mehr Geld zum ausgeben. Die Mieter haben jedoch entsprechend weniger.
Die Zinsaufwendungen der Banken, sprich die Einnahmen der Anleger, stiegen beispielsweise von 171 Milliarden Mark 1988 auf 344 Milliarden Mark im Jahre 1992. Das ist ein Anstieg um über 100 Prozent in vier Jahren. Dies sind weder Einnahmen der breiten Masse, noch der sogenannten Leistungsträger.
Fehlt es den Zinsbeziehern an entsprechendem Konsumbedarf, wird dieses Geld verstärkt zu spekulativen Zwecken eingesetzt. Die Spekulationstätigkeit erhöht wiederum die Einnahmen der Besitzenden und treibt im gleichen Maße die Preise für Güter und Grundstücke in die Höhe. Wieder werden die Arbeitenden zusätzlich zur Kasse gebeten.
Die Absicht, über die progressive Besteuerung der Einkommen das Wohlstandsgefälle auszugleichen, ist löblich. Allerdings wird dieses Mittel zunehmend wirkungslos und sogar kontraproduktiv. Wir müssen anerkennen, daß durch die Massenarbeitslosigkeit und den überproportionalen Anstieg der Vermögenseinkommen neue, gravierende Wohlstandsgefälle geschaffen werden. Das System der Steuerprogression kann die maßgebliche Diskrepanz zwischen Armen und Reichen, nämlich die Kluft zwischen den Arbeitenden, beziehungsweise den Erwerbslosen und den wirklich Vermögenden, nicht ausgleichen.
Um dies zu verdeutlichen, werden im folgenden verschiedene Jahreseinkommen aus öffentlicher Unterstützung, aus Arbeitseinkommen und aus risikofreien Kapitalerträgen verglichen:
Ein Sozialhilfeempfänger: 12.000 Mark
Ein Facharbeiter: 40.000 Mark
Ein leitender Angestellter: 120.000 Mark
Ein arbeitsloser Millionär: 80.000 Mark
Ein Zehnfacher Millionär: 800.000 Mark
Ein hundertfacher Millionär: 8.000.000 Mark
Ein Milliardär: 80 000 000 Mark
Ein zehnfacher Milliardär: 800.000.000 Mark
Der Einkommensunterschied zwischen einem Sozialhilfeempfänger und einem Facharbeiter macht etwa das drei- bis fünffache aus. Der Einkommensunterschied zwischen einem Facharbeiter und einem leitenden Angestellten entspricht ungefähr dem dreifachen. Gegenüber dem Lohn des Facharbeiters macht der Einkommensunterschied zum zehnfachen Millionär das zwanzigfache aus. Ein Milliardär kann risikolos das 2.000-fache Einkommen eines Facharbeiters erzielen, ohne dafür zu arbeiten. Setzt er sein Kapital spekulativ ein, vergrößert sich dieser Faktor nochmals erheblich.
Sicherlich gibt es
beachtliche Diskrepanzen zwischen den verschiedenen Arbeitserträgen. Die
Unterschiede zwischen Arbeits- und Besitzerträgen sind aber wesentlich
gravierender und werden von Jahr zu Jahr größer.
Zwei Aspekte tragen demnach dazu bei, daß es zu mangelnder Versorgung mit alltäglichen Konsumgütern kommt: Zum einen die Verringerung der Kaufkraft bei jenen Menschen, die Bedarf haben und zum anderen die aufgrund der zunehmenden Spekulation verteuerten Preise.
Ein Mangel an Waren und Dienstleistungen entsteht auch weil das für ein Angebot notwendige Kapital nicht zur Verfügung steht. Die Ursache für mangelnde Investitionsbereitschaft ist volkswirtschaftlich betrachtet die mangelhafte Rentabilität. aufgrund von Marktsättigung und Überangebot fallen die Preise so lange, bis sich Investitionen in einem bestimmten Markt nicht mehr rentieren.
Während sich das Kapital stetig schneller vermehrt, werden bei ausbleibendem Krieg und bei anhaltender Konjunktur rentable Branchen immer knapper. Die Firmen investieren permanent, um wachsende Gewinne vorweisen zu können. Solange Gewinne zu erzielen sind, wächst auch das Angebot. Die Endnachfrage, die auch für den Investitionsgüterbereich letztlich entscheidend ist, erreicht eine Sättigungsphase. Der Bedarf an den üblichen Konsumgütern ist befriedigt, für den Ersatz veralteter oder kaputter Güter bedarf es keiner wachsenden Produktion mehr. Die Produktion neuer Güter wächst heute schneller, als Bedarf und Nachfrage geschaffen werden können. Das Überangebot drückt die Preise. Die Gewinne gehen zurück. Der Ertrag des Sachkapitals schrumpft.
Der maßgebliche Faktor für eine Investitionsentscheidung ist die Rentabilitätsgrenze des Kapitals. Die Überproduktion, wie sie für die westlichen Industriestaaten typisch ist, führt zur Absenkung der Kapitalrendite. Solange der freie Markt nicht von Monopolen beherrscht wird, drücken sich die Anbieter solange gegenseitig im Preis, bis die reinen Herstellungskosten - inclusive Lohnkosten - erreicht sind. Dadurch sinkt die Rendite von möglichen Investitionen zu weit ab.
Als Folge dieser Entwicklung verweigert sich das Kapital. Das Investitionsvolumen geht zurück, Firmen müssen geschlossen werden, Arbeiter werden entlassen. Trotz Kapitalflut fehlt es dann an notwendigen Investitionen. Von dem Kaufmann und Wirtschaftstheoretiker Silvio Gesell wurde dieser Effekt bereits 1916 als ‹Schlagbaum›[36] beschrieben, mit dem der Geldbesitzer den Warentausch verhindern kann, und den er nur ‹nach Zahlung des Wegegeldes› anhebt.
Die Arbeitslosen verursachen zusätzliche Nachfrageausfälle in anderen Bereichen. Dies drückt wiederum auf die Preise. Ein Teufelskreis schließt sich.
«Die Deutschen haben Ende 1994 bereits 4,3 Billionen Mark auf der hohen Kante gehabt - unabhängig von ihrem umfangreichen Immobilien- und Beteiligungsbesitz. Trotz rückläufiger Sparrate wuchs das Geldvermögen innerhalb von nur zwölf Monaten um 221 Milliarden Mark, so die Bundesbank.»[37]
Dieses Kapital wird überwiegend über Banken verwaltet und investiert. Selbstverständlich können diese die großen Vermögen nur dort investieren, wo sie eine höhere Rendite erwarten können, als der Kapitalmarkt vorgibt. Schließlich müssen sie daraus die Zinsen für ihre Gläubiger finanzieren.
Die Sachkapitalrendite ist mittelbar von der Geldkapitalrendite abhängig. Daher sind Investitionen mit geringen Gewinnerwartungen nur bei niedrigen Zinssätzen wirtschaftlich.
Wenn es also heißt, für eine notwendige, beziehungsweise als sinnvoll erachtete Investition, sei kein Geld da, meint dies lediglich, daß sich diese Investition für das vorhandene Kapital nicht rentiert. Das Zurückhalten und Warten auf rentablere Investitionen erscheint den Anlegern lukrativer. Diese Situation trifft beispielsweise auf den gesamten ‹Aufbau Ost› zu.
Besonders eklatant treten die Widersprüche auf dem Wohnungsmarkt auf. Immer mehr Menschen fehlt eine akzeptable Wohnung, während in und um unsere Städte unzählige Verwaltungspaläste hochgezogen werden.
Jedem Bauprojekt liegt zunächst eine Kapitalsumme zugrunde, die zu dessen Finanzierung notwendig ist. Dieses Kapital muß den Renditeansprüchen des Verleihers entsprechend verzinst werden (siehe Abbildung 1). Diese Kosten werden in die Miete einbezogen und machen bei Neubauten 70 bis 80 Prozent der Kaltmiete aus.[38]
Nicht nur Neubauten, sondern jedes Mietobjekt das frei gehandelt wird, muß eine angemessene Verzinsung seines Kaufwerts erbringen. Dadurch beeinflussen die Zinssätze am Kapitalmarkt die Mietkosten. Es gibt zwar zahlreiche Vermieter die bei Altbauten auf eine maximale Verzinsung ihres Sachkapitals verzichten. Für sie ist der langfristige Wertzuwachs oder das soziale Klima im Haus von Bedeutung. Spätestens nach einem Verkauf des Hauses wird die Verzinsung des Kaufpreises aber wieder entscheidend für die Miethöhe.
Ein permanenter Anstieg der Mieten um jährlich mehrere Prozentpunkte, wie es einer Kapitalrendite auf dem Kapitalmarkt entsprechen würde, muß unwillkürlich zu enormen sozialen Spannungen führen. Für viele Menschen werden solchermaßen exponentiell ansteigende Mietlasten unbezahlbar. Um der drohenden Verelendung entgegenzuwirken, genauer gesagt, um sie zu verzögern, kann der Staat die Mietpreisentwicklung per Gesetz beschränken. Aufgrund der zu niedrigen Renditen geht dadurch jedoch zwangsläufig die Bautätigkeit zurück. Um dieses wiederum auszugleichen, muß der Staat mit Steuergeldern die Bautätigkeit subventionieren. Dieses wird dann als Ankurbelung der Konjunktur bezeichnet.
Kommt es trotzdem zu einem Mangel an Wohnraum, steigt das Mietniveau, und der Staat wird über Wohngeld und Sozialhilfe zusätzlich an den steigenden Preisen beteiligt. Aufwendig wird versucht, eine Fehlentwicklung mit einer neuen zu korrigieren. Und wenn das staatliche Eingreifen nicht mehr finanziert werden kann, verstärken sich soziale und politische Spannungen.
Ein Blick auf den Wohnungsmarkt amerikanischer Großstädte zeigt diese Entwicklung besonders deutlich. Hunderttausende von Obdachlosen sitzen vor leerstehenden Häusern, ohne eine Chance, diese instandsetzen und bewohnen zu dürfen. Für viele Hausbesitzer lohnt die Vermietung ihre Häuser nicht, wenn die erreichbare Miete gerade noch die Instandhaltungs- und Verwaltungskosten abdeckt. Denn wie erwähnt, muß das für eine Instandhaltung notwendige Kapital angemessen verzinst werden. Das Risiko, unter Umständen mit den zu erzielenden Mieteinnahmen die fälligen Zinslasten nicht aufbringen zu können, liegt ganz beim Vermieter. Ein am Haus interessierter Eigentümer riskiert diese Belastung in der Regel. Für den profitorientierten Besitzer ist es oft lukrativer ein Haus verfallen zu lassen, um mit dem Grundstückswert zu spekulieren.
Mit dem Phänomen
der Wohnungsnot beschäftigen sich viele Personen und Organisationen und es gibt
zahlreiche Erklärungsversuche. Der offensichtliche Zusammenhang zwischen
Kapitalkosten und Wohnungsnot wird aber allgemein als Lösungsansatz nicht
konsequent verfolgt. Die Bausparkassen versuchen beispielsweise für ihre
Mitglieder die Kapitalzinsen so gering wie möglich zu halten. Auch die
Mietervereine sprechen sich für Entlastungen bei der Baufinanzierung aus. Den
Hebel aber direkt an der Geldordnung anzusetzen ist ihnen fremd. Würde sich
Kapital auch bei geringen Renditeerwartungen am Kapitalmarkt anbieten, ergäbe
sich eine preisgünstige Wohnraumfinanzierung.
Auch der naheliegende Lösungsansatz, den Boden konsequent der Spekulation zu entziehen, um so das Bauen entscheidend zu verbilligen, ist den meisten Verantwortlichen suspekt. In den siebziger Jahren gab es von Seiten fortschrittlicher SPD-PolitikerInnen eine solche Initiative. Diese ist aber bald verschwunden und taucht nur in unbedeutenden Gremien gelegentlich wieder auf.
Weltweit und regional wird eine zunehmende Konzentration der Wirtschaft beobachtet. Es scheint eine zwingende Randerscheinung der Marktwirtschaft zu sein, daß Betriebe aufgekauft werden und einige Konzerne Macht und Einfluß auf sich vereinen. Hilflos wird angenommen, daß Großbetriebe effizienter arbeiten und daher zwingend die kleinen Betriebe verdrängen. Obwohl betriebswirtschaftliche Studien zeigen, daß große Strukturen zu Einbußen an Effizienz führen, werden diese Akkumulationsprozesse als Folge geschickten Managements erklärt.
Die Kapital- und Machtkonzentration ist jedoch mitnichten durch ein geschicktes Management ausreichend erklärbar. Sie ist meist die Folge von Glück und Geschick bei Spekulationsgeschäften. Wem es beliebt, der kann natürlich auch dies als Managementleistung interpretieren.
Satte Überschüsse erwirtschaften Firmen wie Daimler-Benz, Siemens und Volkswagen mit Zinseinnahmen aus Geldgeschäften. Diese Gewinne lassen sie sich letztlich durch ihre verschuldeten Konkurrenten oder durch branchenfremde Kreditnehmer finanzieren. Durch die Zinsflüsse verzerrt sich die Konkurrenzfähigkeit. Überschuldete Unternehmen müssen bei ansteigenden Kapitalmarktzinsen wegen hoher Zinslasten aufgeben und werden an Konzerne wie Daimler-Benz verkauft. Kann der neue Mutterkonzern die Schuldenlast durch die zeitweise Bereitstellung von Eigenkapital reduzieren, arbeitet die Firma wieder gewinnbringend. Gerne wird ein derartiger Effekt als erfolgreiches Sanierungskonzept vorgestellt.
Schwerwiegender sind aus der Sicht des Marktwirtschaftlers die Akkumulationsprozesse bei Energiegiganten wie dem Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerk (RWE), Veba und einigen anderen. Sie haben ihre Milliardenrücklagen durch staatlich garantierte Monopolpreise erzielt. Das RWE wies für das Jahr 1994 Rücklagen von 35 Milliarden Mark aus. Die satten Zinsgewinne aus diesen Rücklagen ermöglichen es ihnen heute ganze Branchen, wie beispielsweise die Abfallverwertung und -entsorgung, aufzukaufen. Kleine und mittelständische Betriebe haben gegen diese Kapitalstärke keine Chancen.
Eine ähnliche Entwicklung ist auf dem Markt für Kompostieranlagen zu beobachten. Hohe Müllgebühren und ein allgemeines ökologisches Bewußtsein machen die Abfallverwertung zu einem lukrativen Geschäft. Die Kompostierung organischer Abfälle ist von der Verwertungseuphorie erfaßt worden. Sie verringert die Müllberge beziehungsweise das Verbrennungsaufkommen und schafft nützliche Rohstoffe. Daß mit dieser Aufgabe Geld verdient wird, ist im Rahmen der Marktwirtschaft selbstverständlich und unumstritten.
Während in den Anfängen vor allem kleine und mittelgroße Anlagen mit Jahresleistungen von 2400 bis 6000 Tonnen gebaut wurden, geht der Trend zu großen Anlagen mit hohen Kapazitäten. Augenscheinlich ist zudem, daß es kaum kleine, regionale Unternehmen vor Ort gibt, die Sammlungen und Kompostierung organisieren. Es sind die Giganten der Entsorgungsbranche wie der Essener RWE Konzern und die Veba, die den Ton angeben. Sie schaffen mit gewaltigem Kapitaleinsatz große Anlagen und zentralistische Strukturen.
Warum aber bestimmen kapitalstarke Großbetriebe zunehmend die Konzepte und Strukturen der Müllentsorgung? Welche Motivation steckt hinter der Kompostierungsfreudigkeit der Industrie?
Das Großanlagenkonzept erscheint widersinnig, verursachen doch lange Wege und großräumige Strukturen viel Gestank. Sowohl unter ökologischen als auch unter ökonomischen Gesichtspunkten sind kleine, regionale Anlagen unter Umständen sinnvoller. Außerdem könnten sie ideale Einnahmequellen für Landwirte sein, die ihren Hof aufgeben mußten.
Bereits in den siebziger Jahren ging es bei der Begeisterung für die Müllverbrennung nur vordergründig darum, eine saubere Lösung für die Abfallprobleme unserer Gesellschaft anzubieten. Durch Abfallvermeidung und Wiederverwertung wäre dieses Ziel einfacher, ökologischer und vor allem billiger zu haben gewesen.
Das Betriebskapital der Konzerne benötigt ständig neue Anlagemöglichkeiten, um die Dividenden steigern und damit die Aktienkurse sichern zu können. Für Aktiengesellschaften ist es eine Überlebensfrage, immer neue Anlagemöglichkeiten zu finden. Große Anlagen sparen Personal, verschlingen aber viel Kapital. Zwei Faktoren, die für Renditeobjekte von Bedeutung sind.
Ein kapitalstarker Investor kann zur Umsatzsteigerung Konkurrenten aufkaufen. Zahlreiche betroffene Unternehmer lassen sich ihren Marktanteil versilbern, legen ihn bei einer Bank gewinnbringend an und leben fortan ohne Sorgen von ihren Zinsen. Bietet ein hoch verschuldeter Unternehmer dem überlegenen Konkurrenten Paroli, riskiert er, mit Dumpingpreisen kaputt konkurriert zu werden.
Nach und nach bauen Konzerne mit ihrer Kapitalüberlegenheit ein regionales Entsorgungsmonopol auf. Ist dieses Monopol durchgesetzt, können sie die Preise anheben und damit die Rendite der Anlage steigern. Renditen von 20 bis 30 Prozent sind dann sogar mit Kompostieranlagen möglich.
Mit staatlich garantierten Strompreisen konnten die Verbraucher sehr profitabel und ohne Konkurrenz ‹gemolken› werden. Mit steigenden Gebühren bezahlen sie heute Konzentrationsprozesse, beispielsweise bei der Kompostierung, der Müllabfuhr sowie der Verbrennung und müssen so letztlich noch die Verzinsung des Stammkapitals der Konzerne gewährleisten.
Mit den bescheidenen Mitteln des Kartellgesetzes versucht der Staat lediglich die schlimmsten Auswirkungen zu verhindern. Bei besonders mächtigen Firmen wird im Einzelfall sogar davon abgesehen.
Zu den Merkmalen einer Wirtschaftskrise gehören:
· die Zunahme von Überschuldungen und Konkursen,
· ein Anstieg der Arbeitslosigkeit,
· ein Rückgang der Endnachfrage,
· Absatzschwierigkeiten im produzierenden Gewerbe,
· sinkende Preise,
· verstärkte Inflationsgefahr,
· bedrohliches Anwachsen staatlicher Schuldenberge sowie in Folge,
· die Vernachlässigung von sozialen und ökologischen Aufgaben.
Durch eine allgemeine Kaufzurückhaltung bleiben Waren in den Regalen liegen, Händler und Produzenten verzeichnen Umsatzrückgänge. Treffen diese Einnahmeverluste Firmen, die hoch verschuldet sind und ihre Belastbarkeit knapp kalkuliert haben, kommt es verstärkt zu Pleiten und Entlassungen. Auch hier entwickelt sich ein Teufelskreis. Eine negative Entwicklung verstärkt jeweils eine andere.
Die
Wirtschaftskrise in der kapitalistischen Ordnung ist die periodische Zuspitzung
der Widersprüche, die diesem System immanent sind. Sachlich betrachtet, ist die
Krise nicht die Ausnahmeerscheinung. Sie ist lediglich Symptom für die sich
zwangsläufig zuspitzenden Negativentwicklungen.
Über die Ursachen dieser Krisen besteht in der Öffentlichkeit wie in Fachkreisen keine Klarheit. Je nach politischer Ausrichtung werden zu hohe Ansprüche und der hohe Lebensstandard der Arbeitnehmer, oder das unverantwortliche Ausgabengebaren von Politikern, verantwortlich gemacht. Für einige Beobachter steht die Geldwertpolitik der Zentralbanken im Vordergrund, für andere sind es Entwicklungen im internationalen Handel. Auch die Wechselkursentwicklung gegenüber dem Dollar wird häufig als Gefahr für den Export und in Folge für die gesamte Wirtschaft genannt.
Unsere Wirtschaftskrise wurzelt aber nicht im übergroßen Verlangen nach Freizeit oder in der fehlenden Bereitschaft der Allgemeinheit ihren Wohlstand mit anderen (zum Beispiel den Bürgern der neuen Bundesländer) zu teilen. Auch zu hohe Löhne können keine Wirtschaftskrise auslösen, denn sie gelangen weitgehend in den Konsum; schaffen und sichern somit Beschäftigung. Gerade die Nachfrage nach Konsumgütern ist der Motor, der die Wirtschaft belebt und Arbeitsleistung nachfragt.
Auch der Welthandel kann nicht dafür verantwortlich gemacht werden, wenn in einem Land Angebot und Nachfrage nicht zueinander kommen; wenn sich im Land Kapitalflut und Kapitalmangel nicht ausgleichen und die Arbeitswilligen nicht für die notwendigen Arbeiten bezahlt werden können. Derartige Probleme sind auf Fehler in der Geldordnung zurückzuführen, die jeder Währungsbereich für sich lösen kann und lösen muß.
Ein kritisches Bewußtsein über die Auswirkungen der Zinslasten existiert kaum. So befragte die Zeitung ‹Die Woche› im April 1993 sieben Führungskräfte der deutschen Wirtschaft, warum es ihren Unternehmen so schlecht ginge. Überkapazitäten, Preisdumping, der teure Fertigungsstandort Deutschland, Kaufzurückhaltung und monolitische Strukturen wurden als Ursachen benannt. Die Optimierung der Produkte, die Senkung der Herstellungskosten und Personalabbau wurden unter anderem als Auswege benannt.[39]
Es ist bemerkenswert, daß keiner der Verantwortlichen den exorbitanten Anstieg der Zinslasten erwähnte, der die Wirtschaft viel stärker als alle anderen Faktoren belastet. Durch den Anstieg der Zinserträge deutscher Banken von 243 Milliarden Mark 1988 auf 445 Milliarden Mark 1992, wurden der Wirtschaft in erheblichem Maße Geldmittel entzogen. Der Anstieg der Kreditkosten in diesem Zeitraum machte immerhin 83 Prozent[40] aus. Diese zusätzlichen Zinsbelastungen schmälerten den Betrag, der für Löhne, Gehälter und Investitionen zur Verfügung stand.
In Krisenjahren verliert die Masse der Bevölkerung an Kaufkraft und ist vermehrt von Armut betroffen. Dies geschieht, obwohl...
· Möbel, Autos, Haushaltsgeräte und Kleidung in so überwältigendem Ausmaß geschaffen wurden, daß immer mehr Artikel zu Schleuderpreisen an die Konsumenten gebracht werden,
· die Produktion immer effektiver und rationeller wurde,
· der Bedarf an Konsumgütern in kürzerer Arbeitszeit als in den zurückliegenden Jahren befriedigt werden kann,
· der Bedarf an Rüstungsgütern, Kraftwerken, Straßen und öffentlichen Gebäuden aller Art weitgehend gedeckt ist und der zukünftige Bedarf mit verhältnismäßig wenig Aufwand erfüllt werden kann.
Kurz: Not und Armut nehmen zu, obwohl die gesamte Infrastruktur und alle Verwaltungsaufgaben über Jahre hinweg ausgebaut und optimiert wurden. Die Zuspitzung ergibt sich gerade dann, wenn die Bürger Produktion und Konsum nicht steigern können oder wollen.
Die Absurdität dieser Situation wird deutlicher, wenn man annimmt, die Bevölkerung würde von sich aus auf eine Ausweitung ihrer Konsummenge verzichten. Schon eine Konsumverweigerung von wenigen Prozent würde unser Wachstum gefährden und dadurch soziale Spannungen hervorrufen.
Wie bereits beschrieben, ist eine zentrale Ursache
für die Krisen-
entwicklung und damit ein Dilemma unserer sozialen Marktwirtschaft, daß
mittlerweile so effektiv und so viel produziert wird, daß es immer schwieriger
wird, für die erzeugten Produkte Nachfrage zu finden oder zu schaffen.
Absatzstockungen aber reduzieren die Rentabilität und damit in Folge die
Investitionen. Eine anhaltende Stagnation führt schließlich zur Senkung der Kapitalrendite
und einer Geldzurückhaltung mit deflationären Symptomen. Das bedeutet:
Anhaltende Kaufzurückhaltung, Produktionsrückgang, Entlassungen. Erst wenn der
Mangel an Gütern so groß geworden ist, daß sich Investitionen wieder ‹lohnen›
weil wieder ‹vernünftige› Preise zu erzielen sind, kann die Krise überwunden
werden.
Es sind zeitlich begrenzte Zuspitzungen, mit besonders deutlich wahrnehmbaren Veränderungen in der Gesellschaft, die als Krisen bezeichnet werden.
Daß die Überproduktion von Waren und Dienstleistungen zur Wirtschaftskrise und damit zu Versorgungsengpässen führt, ist für sich genommen widersinnig und unnötig. Es ist nur damit zu erklären, daß Geld den notwendigen Tausch- und Investitionsvorgängen vorenthalten werden kann.
Wenn die Rentabilität des Finanzkapitals eines Tages nicht mehr gewährleistet werden kann, wird das Finanzsystem kollabieren und unsere Gesellschaft in Not und Elend stürzen. Es wird eine Situation eintreten, die der im heutigen Rußland nahe kommt. Obwohl diesem Land beinahe alles zur Verfügung steht, was für eine funktionierende Wirtschaft nötig ist, versinkt es im Chaos. Es gibt ausreichend arbeitswillige Menschen,sowie gut ausgebildete Fachleute und Wissenschaftler; es existiert ein relativ hohes Bildungsniveau; auch an Produktionsgütern und Rohstoffen herrscht kein Mangel und die Nachfrage in Form von Bedarf ist derzeit nahezu grenzenlos. Und doch kommen Arbeit und Verbrauch, Angebot und Nachfrage, nicht zueinander. Es fehlt an einer stabilen und damit verläßlichen Währung. Nur sie kann die zahllosen Tauschvorgänge ermöglichen, ohne die eine arbeitsteilige Gesellschaft nicht funktioniert.
Neben den sozialen Auswirkungen der Wirtschaftskrisen sind es vor allem die umweltzerstörenden Entwicklungen, die zu großer Sorge Anlaß geben.
Die Zunahme der Bevölkerung um 2,4 Prozent pro Jahr, wie sie derzeit die Philippinen erleben, wird nicht zu Unrecht mit dem Attribut ‹explodierend› beschrieben. Warum aber eine gelegentlich noch stärkere Zunahme der Industrieproduktion nur sehr selten als ähnlich bedrohlich wahrgenommen wird, ist rätselhaft.
Von 1950 bis 1995 wurde die Produktion und der Verbrauch in Westdeutschland auf das Sechsfache gesteigert. Die jährlichen Zuwachsraten sind zwar in den letzten Jahren auf real zwei Prozent gesunken, aber heute entsprechen zwei Prozent Wachstum mengenmäßig zehn Prozent Wachstum in den fünfziger Jahren! Wenn wir zukünftig unser Wirtschaftswachstum bei zwei Prozent halten, müssen wir bis zum Jahr 2030 unsere heutigen Produktions- und Verbrauchsmengen noch einmal verdoppeln. Dies würde bedeuten, daß wir dann jährlich doppelt so viele Autos bauen, Straßen asphaltieren, Wälder abholzen, Energie verbrauchen, Waffensysteme produzieren, Konsumgeräte in unseren Wohnungen stapeln wie heute.
Wenn man aus dieser Entwicklung aussteigen will, muß das dafür eingesetzte Kapital anderweitig gebunden werden. Nach den Plänen diverser politischer Strömungen, die das materielle Wachstum als Problem erkannt haben, ist beabsichtigt, dieses durch ein ökologisch und sozial verträgliches Wachstum zu ersetzen. Auf dem Hintergrund der derzeitigen Wirtschaftsordnung muß dazu jedoch genügend neuer Bedarf geschaffen werden, um:
a) die bedenklichen Wachstumsbereiche zu ersetzenund
b) zusätzliches Wachstum zu ermöglichen.
Es stellt sich daher die Frage, in welche Bereiche
zusätzliches Wachstum umgelenkt werden kann. Bedacht werden muß, daß selbst
Kläranlagen, Lärmschutzwände und ähnliches die Umwelt stärker entlasten, wenn
weniger davon benötigt werden. Transportwege, Verwaltungen, Krankenhäuser,
Verpackungen, Autos, Computer und vieles mehr, können durch qualitative
Veränderungen, auch in ökologischer Hinsicht, ständig verbessert werden. Im
Sinne der Umwelt ist es aber unumgänglich, daß Bedarf und Produktion
tendenziell abnehmen. Grenzenloses Wachstum bedeutet zwangsläufig mehr
Energieverbrauch, mehr Bodenversiegelung, mehr Umweltbelastung, stärkere
Eingriffe in den Naturhaushalt. Dies gilt auch dann, wenn die einzelnen
Produkte hochwertiger und umweltverträglicher werden. Qualitatives Wachstum ist, unter den heutigen Bedingungen, eine
Ergänzung, aber keine Alternative zum quantitativem Wachstum.
In den meisten Konzepten zum ökologischen Umbau der Industriegesellschaft wird dies übersehen. Sie bieten daher keinen ausreichenden Ausweg aus dem Wachstumsdilemma. Konzepte, die auf die Hoffnung aufbauen, der Bereich sozialer Dienstleistungen könnte als Wachstumsbranche maßgeblich werden, sind aus zwei Gründen unrealistisch:
a) Durch die Gesetzmäßigkeiten der kapitalistischen Geldordnung sind lediglich Anlagen relevant, die viel Kapital binden und hohe Renditen erwirtschaften. Dienstleistung und Handwerk können vielfach auf einen gewaltigen Kapitaleinsatz verzichten. Von daher sind sie für die Interessen der Kapitalanleger relativ unbedeutend. Soziale Dienstleistungen können, unter den gegenwärtigen Bedingungen, die Renditeerwartungen des Kapitals nicht befriedigen.[41]
b) Eine zukunftsorientierte Politik kann nicht zum Ziel haben, jedes Jahr mehr Bedarf an Versorgung, Pflege und Hilfe zu schaffen. Eine Grundversorgung für alle ist besser als neue Planstellen in den Sozialämtern. Weniger Verkehrsunfälle sind besser als mehr Unfallstationen. Ein kindgerechtes Lebensumfeld ist besser als immer mehr Kinder- und Jugendbetreuung.
Ein Großteil der Waren, die unser Bruttoinlandprodukt[42] (BIP) ausmachen, belastet die Lebensqualität der Bürger stärker, als daß es sie anhebt. Darunter fallen vermeidbare Wegwerfprodukte, Suchtstoffe wie Tabak und Alkohol, die Verführung zu Passivität und Konsummentalität, wie sie von Medien und Werbung betrieben wird, sowie Strukturen des sogenannten Gesundheitswesens. Ein erheblicher Teil steht der allgemeinen Lebensqualität, und dem Anspruch auf soziale Sicherheit und Gesundheit für alle, geradezu entgegen. Zu nennen sind da beispielsweise die chemischen Rückstände in Lebensmitteln, Möbeln und Baustoffen, die Luftverschmutzung und Lärmbelastung durch den stetig zunehmenden Verkehr und das Zubetonieren unserer Landschaft. Am Bedarf der Menschen orientiert, besteht in unserer Volkswirtschaft sehr viel Spielraum für sinnvolle Schrumpfungsprozesse.
Alle diese - aus ökologischer Sicht - unliebsamen Bereiche (Verpackung, Waffen, Chemie, Gen-Technologie...) sind zu Sachkapital umgewandelte Milliardenvermögen. Hinzu kommen circa eine Milliarde Mark, um die die Geldvermögen täglich anwachsen und die über zusätzliche Kredite und Investitionen in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden müssen. Unser Finanzsystem erzwingt für dieses Kapital immer neue Anlagemöglichkeiten mit hoher Rendite. In welchen Branchen dies geschieht, ist für die Anlage unrelevant. Wichtig ist vor allem, daß viel Kapital renditetragend gebunden wird.
Die Probleme bei der Lösung ökologischer Aufgaben fangen immer dann an, wenn die Rentabilitätsgrenze des Kapitals erreicht wird. So rigoros das Kapital nach rentablen Investitionen sucht, so rigoros verweigert es sich, wenn die Renditeerwartung zu gering ausfällt. Durch diese Fähigkeit zwingt es Regierungen in aller Welt, ökologische Standards so gering wie irgend möglich anzusetzen. Um den Unternehmen ausreichend hohe Renditen zu ermöglichen, werden Umweltkatastrophen und ganz alltägliche Verseuchungen, die in Ausmaß und Folgen häufig schwerwiegender sind, in Kauf genommen.
Unser heutiges Wachstum, das von den Interessen der wachsenden Kapitalmenge bestimmt wird, kann nur im begrenzten Umfang im Interesse von Mensch und Natur eingesetzt werden.
Warum muß die Wirtschaft
stetig wachsen?
Das Prinzip der kapitalistischen Wirtschaft ist das permanente Wachstum. Motor dieses Wachstums sind die Geldvermögen.
Die Überlegenheit des Geldes bedingt einen immer währenden positiven Zins. Hieraus ergibt sich das exponentielle Anwachsen der Geldguthaben. Wachsende Geldguthaben auf der einen Seite, bedingen aber entsprechend große Schuldenberge auf der anderen Seite. Ein Guthaben ist nur möglich, wenn man einen Schuldner hat. Somit müssen mit dem Anwachsen der Geldvermögen immer neue Schuldner gefunden werden, oder die derzeitigen Schuldner vergrößern ständig ihr Kreditvolumen. In der Praxis geschieht natürlich beides.
Mit der zunehmenden Schuldenmenge müssen die Kreditnehmer eine steigende Zinslast tragen. Um bei steigenden Zinszahlungen jedoch gleichbleibende Gewinne erwirtschaften zu können, muß ein Betrieb entsprechend rationalisieren, oder er ist gezwungen seine Produktion auszuweiten.
Ein weiterer Grund dafür, daß die volkswirtschaftliche Leistung ständig vergrößert werden muß, ist die Einkommensumverteilung, die sich aus den wachsenden Geldvermögen ergibt. Auf dem Hintergrund der bestehenden Geldordnung brauchen wir das ständige Wachstum, um die Verarmung breiter Bevölkerungsteile zu vermeiden. Warum dies so ist, ergibt sich aus der Abbildung 2.
Wachstums- und Verteilungsmodell [43]
Die Darstellung macht deutlich, daß bei einer Abkehr vom Wirtschaftswachstum all jene verarmen werden, die nicht von ihrem Vermögensertrag leben können. Und dies, obwohl bei Nullwachstum jedes Jahr genau soviel produziert wird wie im Vorjahr. Die Kapitaleinkommen wachsen ‹gnadenlos› auf Kosten der Arbeitseinkommen. Nur wer über ein ausreichend großes Einkommen aus Kapitalanlagen verfügt, kann bei Null-Wachstum seine Kaufkraft erhalten oder sogar noch steigern. Die Summe der Arbeitseinkommen schrumpft trotz gleichbleibender Leistung.
Für die meisten Betriebe ist Null-Wachstum über einen längeren Zeitraum ruinös, wenn steigende Zinslasten nicht in Form von steigenden Preisen oder durch Rationalisierung umgeschichtet werden können. Lediglich ein Familienbetrieb, der ohne fremdes Kapital auskommt und seine Gewinne vernünftig reinvestiert, kann über Generationen hinweg existieren, ohne zu expandieren. Ein Unternehmen dagegen, das mit viel Fremdkapital arbeitet, muß expandieren um steigende Zinsforderungen zu erwirtschaften. Schafft es dies nicht, ist ein Kapitalentzug mit negativen Auswirkungen auf die Produktion die Folge.
Da unsere Wirtschaft zu über 80 Prozent mit Fremdkapital[44] arbeitet und die Überschuldung permanent mit den Geldvermögen wächst, muß die Wirtschaft stetig wachsen, damit sie die anwachsende Kapitalbelastung aufbringen kann.
Ist es übertrieben zu behaupten: Unser Sozialstaat
finanziert den Kapitalismus? In anderen Ländern, in denen es weniger staatliche
Fürsorge gibt, leben die Kapitalisten ebenfalls nicht schlecht. Sicherlich
braucht eine kapitalistische Wirtschaft keinen Sozialstaat, wie ihn die
Verfasser des Grundgesetzes vor Augen hatten, um zu überleben. Der
Kapitalismus braucht aber einen starken Staat, der ständig alimentierend in das
Wirtschaftsgeschehen eingreift. Vieles, was uns als staatliche Wohltat oder als
notwendige Infrastrukturmaßnahme verkauft wird, entpuppt sich bei genauer
Betrachtung als Subventionierung des Kapitals.
Das kapitalistische Prinzip schiebt einen Riegel zwischen die Bedürfnisse der Bevölkerung und ihre Leistungen. Den Menschen fehlt es an Kaufkraft, um das Geschaffene komplett nachfragen zu können. Je höher der Anteil der Zinsen am BIP, umso schwächer wird die Kaufkraft der breiten Masse, und umso stärker muß der Staat zusätzliche Nachfrage schaffen. Diese wird im Allgemeinen über neue Kredite finanziert.
Auch dann, wenn
Übersättigungsprozesse zu einem rückläufigen Wirtschaftswachstum führen, wird
der Markt nicht seinen Gesetzmäßigkeiten überlassen. Der Bund springt ein, wenn
es an Wachstumsimpulsen fehlt. Konkret bedeutet dies, wenn die Verbraucher
durch geringere Nachfrage signalisieren, daß sie keinen Bedarf an zusätzlicher
Wirtschaftsleistung haben, springt der Staat ein. Er stimuliert Wachstum mit
zusätzlicher Nachfrage, die allerdings über die Steuern finanziert werden muß.
Oder er nimmt Kredite auf, die er dann zeitversetzt und zuzüglich der
anfallenden Zinsen beim Steuerzahler eintreibt.
Wie beschrieben, bringt ein gleichbleibend großes BIP zwangsläufig einen Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung mit sich. Daher muß der Staat heute bedrohliche Nachfrageausfälle kompensieren. Dies tut er, indem er selbst als Investor auftritt und indem er Investitionen über Subventionen und Steuernachlässe mitfinanziert. Im Kern die selbe Politik betreibt er beim BAföG, dem Wohngeld oder Familien- beziehungsweise Existenzgründerdarlehen.
Die
Kapitalbesitzer benutzen den Staat, um aus Steuergeldern Investitionen und
Renditen zu erhalten, die ohne ihn nicht möglich wären. So sichern sie ihren
Vermögens- und Machtzuwachs. Es ist der sogenannte Sozialstaat, der über das
Steueraufkommen die Umverteilungen zu Gunsten des Kapitals vornimmt. Dem Bürger
erscheint es angenehm zu sein, daß der Staat ein soziales System organisiert,
das dem Individuum eine gewisse Versorgung und Sicherheit gewährleistet.
Würde das Geldkapital den Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage ausgesetzt sein, müßte sein Preis, der Zins, bei Überangebot gegen den Wert Null fallen. Wohlstand und Sicherheit wären ohne staatliche Umverteilung gewährleistet. Es stünde dann ausreichend Kapital für Projekte zur Verfügung, die eine sehr geringe Ertragserwartung haben oder deren Erträge aufgrund der Marktentwicklung zurückgegangen sind.
Tatsächlich aber verweigert sich das Kapital derartigen Investitionen. Ist die mögliche Rendite und damit der zu erzielende Zinssatz zu gering, hält sich das Kapital zurück. Es kommt zu Stockungen im Geldkreislauf, zu Investitionsrückgängen und zu Nachfrageausfällen.
Das staatlich garantierte Wachstum, so die gängige Argumentation, sei unverzichtbar, um Arbeitsplätze und Wohlstand zu sichern. Und viele der Subventionen seien auch deshalb notwendig, damit das unterstützte Kapital nicht im Ausland angelegt würde.
Vordergründig sind diese Argumente durchaus berechtigt. Ein Verzicht auf diese Politik hätte unter den gegenwärtigen Bedingungen Krisenentwicklungen zur Folge, deren Auswirkungen durchschlagender wären, als wir sie in den vergangenen Jahrzehnten erlebt haben. Sie ignoriert jedoch die Ursachen, die diese Wachstumsförderung erzwingen. Die Ursachen der staatlichen Subventionspraxis sind:
a) die Tendenz zur Geldzurückhaltung bei fallenden Zinssätzen und
b) die überproportionale Zunahme der Geldvermögen.
Am Beispiel der Rüstungsindustrie wird die Funktion des Staates besonders deutlich. Könnten die Bürger direkt entscheiden, wie sich die Ausgaben für Rüstung und Militär entwickeln sollen, gäbe es höchstwahrscheinlich nur wenige Länder mit hohen Rüstungsetats. Die Regierenden, im engen Kontakt mit den Lobbyisten des Kapitals, wissen, wie viele Milliarden im Rüstungsbereich investiert sind. Sie wissen daher auch, wie sehr unsere Geldwirtschaft auf die Gewinne aus diesen Geschäften angewiesen ist.
Die Bedeutung der Rüstungsindustrie besteht darin, die inves-tierten Milliardenvermögen angemessen zu verzinsen. Könnte dies mangels staatlicher Aufträge nicht mehr gewährleistet werden, kämen die Anleger mächtig ins Schwitzen. Die Kapitalbesitzer, und in ihrem Auftrag die Banken, müßten andere rentable Investitionsmöglichkeiten finden, beziehungsweise schaffen. Angesichts des weltweiten Kapitalüberschußes, würde der Finanzsektor mit einer kaum lösbaren Aufgabe konfrontiert. Kapitalverlagerungen in so erheblichen Ausmaßen führen zu Überangeboten in den zivilen Sektoren und verschärfen dadurch die Krisentendenzen. Die Regierenden finanzieren daher weiter Kriegsgüter und forcieren so die Kriegsbereitschaft in aller Welt.
Die Aufgabe Investitionen mit lukrativen Renditen zu garantieren, erfüllt der Staat ebenso in vielen anderen Bereichen.
Der Rhein-Main-Donaukanal ist als wirtschaftliche Investition nicht vorstellbar. Als Infrastrukturmaßnahme hat er kaum einen ökonomischen Effekt, und auch die geschaffenen Arbeitsplätze rechtfertigen die hohen Baukosten nicht. Lediglich für Investoren und Unternehmer war er zur Schaffung und Absicherung riesiger Investitionen sinnvoll. Der Bau des Kanals hat den beteiligten Unternehmen Milliardeninvestitionen mit Steuermitteln rentabel gemacht. Der Bevölkerung war der Sinn dieser Ausgaben nicht zu vermitteln. Trotzdem werden gegen jede Vernunft weitere Kanalisierungen vorangetrieben.
Bei dem Prinzip der Kapitalsubventionierung spielt es keine Rolle, welche politische Partei regiert: So engagiert sich beim Jäger 90/Eurofighter vor allem die CDU, während sich die SPD für die Steinkohlesubventionierung einsetzt. Mit den Steuergeldern für den Kohlebergbau beispielsweise könnte man jedem dort Beschäftigten jährlich mindestens 50.000 Mark ausbezahlen. Natürlich bliebe die schöne Kapitalrendite für die Investoren auf der Strecke.
Dieses Beispiel
verdeutlicht, wie unscharf die Fronten zwischen Arbeitnehmern und Kapital sind.
Vor allem die In-
dustriegewerkschaften befinden sich in einem Dilemma: Um ihren
Mitgliedern die harte Maloche unter Tage zu sichern, kämpfen sie für die
Subventionspraxis. Dabei wissen sie, daß diese Steuerverschwendung aus der
Lohnsteuer ihrer Mitglieder finanziert wird. Um Arbeitsplätze und langfristig
gewachsene Strukturen in den betroffenen Regionen zu bewahren, arbeiten die
Gewerkschafter für das Kapital und tragen so dazu bei, die Arbeit unnötig zu
verteuern (siehe Kapitel 2).
Ein weiteres Beispiel, das durchaus als absurd
bezeichnet werden darf, ist die Subventionierung des amerikanischen
Chemiekonzerns ‹Dow Chemical› mit Hilfe der deutschen Regierung. Fast zehn
Milliarden Mark bekam der Multi vom deutschen Steuerzahler, damit er im
ostdeutschen Buna Arbeit für 2000 Menschen garantiert und dort seine
Produktions-
anlagen baut.[45] Das sind
immerhin fünf Millionen Mark für jeden versprochenen Arbeitsplatz. Die
Politiker zeigen sich dem Konzern gegenüber dankbar für sein Engagement. In der
Öffentlichkeit wird der Eindruck erweckt, als handle es sich um eine gute Tat.
Dabei ist dies reine ‹Abkassierer-Mentalität›.
Sollte der Konzern mit den Zuschüssen Überproduktionen aufbauen, müßten Anlagen an anderen Standorten oder von Konkurrenten geschlossen werden. Gäbe es für die Investitionen tatsächlich ausreichend Nachfrage, würde auch ohne Subventionen investiert werden.
Die Tatsache, daß die Milliarden an einen ausländischen Konzern flossen, macht deutlich, daß die Stärkung der nationalen Ökonomie kein wesentliches Kriterium für eine Förderung ist. Das Kapital, gleich welcher Herkunft, kann sich der öffentlichen Haushalte bedienen, als seien sie unerschöpfliche ‹Melkkühe›.
Die oft als Legitimation herangezogene Behauptung, nur durch Wachstum ließen sich Arbeitsplätze schaffen und sichern, entpuppt sich bei genauer Betrachtung als Farce. Auch die Argumentation, die staatlichen Projekte entsprächen den Bedürfnissen der Bürger, erweist sich in einigen Fällen als unwahr.
Am Beispiel des geplanten Ausbaus der Wasserstraßen Ost wird sichtbar, daß fadenscheinige Argumente eine milliardenteure Kapitalverwertung rechtfertigen:
· Die ökologischen Folgekosten bleiben bei diesen Projekten weitgehend unberücksichtigt. Diese Handlungsweise entspricht zwar den Interessen eines Betriebs, sie ist als Richtschnur für staatliches Handeln jedoch paradox.
· Die Zahl der Arbeitsplätze ist nicht von Bedeutung, denn durch die bisher verkehrenden kleineren Schiffe werden letztlich mehr Menschen beschäftigt.
· Auch die Erweiterung der Transportkapazität ist unerheblich. Auf den bestehenden Schiffahrtswegen betrug die Beförderungsmenge zu DDR-Zeiten bereits 21 Millionen Tonnen.[46] Nach der Wende fiel sie auf sechs Millionen Tonnen. Es ist demnach auch ohne Ausbau eine erhebliche Kapazitätssteigerung möglich.
Nicht nur auf Bundes- und Landesebene ist die beschriebene Praxis anzutreffen. Dieses Prinzip durchdringt alle öffentlichen Haushalte, bis hin zur kommunalen Ebene. Die Selbstverständlichkeit mit der sich Unternehmer und Konzerne aus den Kassen von Gemeinden bedienen, ist erstaunlich.
So mietet die Stadt Düsseldorf beispielsweise teuren Büroraum an, um ihn billiger an Interessenten weiter zu vermieten. Daß zu diesen Mietern der Energiemulti Veba gehört, ist schlicht empörend. Auch die Förderung des Kinder-TV-Kanals ‹Nickelodeon› ist gesellschaftspolitisch betrachtet nicht akzeptabel. Streicht die Stadt doch parallel dazu bei den Ausgaben für Kinder- und Jugendeinrichtungen.
Mittlerweile laufen die Bürgermeister beinahe aller Kommunen potentiellen Investoren hinterher. Mit dem Argument, eine andere Stadt oder eine andere Region könnten vorgezogen werden, werden die öffentlichen Kassen zu einem Füllhorn für das Kapital umfunktioniert.
Ironischerweise sind es in aller Regel dieselben
Personen und Interessenverbände, die kritisieren, der Staat würde mit seinem
Eingreifen das freie Spiel der marktwirtschaftlichen Kräfte stören. Bei anderer
Gelegenheit fordern sie dann jedoch hemmungslos Steuergelder für immer
absurdere Investitionen. Dies geschieht inzwischen in einer Größenordnung, die
selbst in den meisten planwirtschaftlichen Staaten nicht erzielt werden konnte.
In den USA haben es die Regierungen Reagan und Bush geschafft die Staatsschulden zu vervierfachen. Riesige Summen wurden für ökonomisch und sozial unsinnige sowie ökologisch schädliche Projekte, wie das ‹Krieg der Sterne› Verteidigungsprogramm, ausgegeben. Es gelang ihnen dennoch den Eindruck aufrechtzuerhalten, für einen Abbau des Staates zu kämpfen. Dies war eine propagandistische Meisterleistung.
Nicht nur über die Vergabe von Aufträgen, bei denen der Staat die fehlende private Nachfrage ersetzt, subventioniert er das Kapital. Die Vergabe zinsvergünstigter Darlehen ist zu einem wichtigen Bereich staatlicher Lenkungsmaßnahmen geworden. Viele seiner sozialen Leistungen sowie eine Vielzahl der Förderprogramme sind offensichtliche oder versteckte Zinssubventionen. Die folgenden Beispiele zeigen, inwieweit das Kapital vom staatlichen Eingreifen profitiert.
Die Darlehnsvergabe der staatlichen Ausbildungsförderung für Schülern und Studenten ist exemplarisch. Die gewährten Kredite müssen bisher nach Beendigung der Ausbildung unverzinst zurückgezahlt werden. Da Kredite für die meisten Studenten zu den heutigen Konditionen zu teuer sind, schaltet sich der Staat dazwischen und subventioniert die Forderungen der Kreditgeber mit Steuergeldern.
Da der Staat hoch verschuldet ist, muß er für diese Leistungen selbst Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen und sie zu den üblichen Konditionen finanzieren. So ermöglicht er dem Geldverleiher einen Zinsertrag, den sich der Kreditnehmer nicht leisten kann oder will. Die Differenz zwischen dem nachgefragten, niedrigem Zinssatz und dem angebotenen höheren Zinssatz übernimmt also der Steuerzahler; der Geldverleiher erhält dadurch höhere Zinsen, als der Markt in diesen Fällen hergibt. Der wohlhabende Geldverleiher wird vom Staat subventioniert.
Zinsverbilligte Darlehen erhalten unter anderem Jungunternehmer, Personen, die ein Gewerbe gründen, mittelständische Unternehmen sowie diverse Exporteure. Über die Kassen der Europäischen Union werden mittlerweile die anfallenden Zinsen für einige Hochgeschwindigkeitsstrecken der Deutschen Bahn finanziert. Die Palette der Zinssubventionierung spannt sich bis hin zur Gewährung von zinslosen Krediten an finanzschwache Staaten. Solche Kredite sind als Entwicklungshilfe sehr begehrt.
Im Rahmen des Programms ‹Impulse für die Wirtschaft› stellte die Landesregierung Nordrhein-Westfalen 1996 35 Millionen Mark für Zinsverbilligung von Krediten an kleine und mittlere Unternehmen zur Verfügung. Die Bundesregierung bietet verschiedene Programme in erheblich größerem Umfang an.[47] Über die staatliche Kreditanstalt für Wiederaufbau wurden 1996 Kredite über 51 Milliarden Mark zu äußerst guten Konditionen vergeben.[48]
Auch die Ausgaben für Wohngeld müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden. Da die Forderungen des Kapitals höher sind, als die Mieter sich leisten können, greift der Staat ein. 1996 mußte der Steuerzahler immerhin 7 Milliarden Mark für Wohngeld aufbringen. Anstatt die Ursachen für die zu hohen Mieten zu brandmarken und folgerichtig die Kapital- und Grundstückskosten in Frage zu stellen, subventioniert der Staat die überzogenen Forderungen der Besitzenden.
Entscheidend für die zu hohen Mieten sind schließlich die Kapital-Finanzierungskosten, die bei Neubauten 70 bis 80 Prozent betragen. Nur sie machen staatliches Eingreifen notwendig. Es ist daher als Zynismus zu werten, daß diese Alimentierung des Kapitals in der Öffentlichkeit als soziale Maßnahme verkauft wird.
«Die Erde ist eine Kugel.
Eines Tages wird man es beweisen.»
Christoph
Kolumbus
Die freiwirtschaftliche[49] Geldreform ist eine marktwirtschaftliche Therapie, die jedem Nutzen bringt und keinem schadet. Die Kriterien ihrer Umsetzung sind geringfügig und leicht durchführbar.
Es braucht keine Revolution, um das Geld den Menschen dienlich zu machen. Auch braucht niemand davon überzeugt zu werden, daß er sich enteignen lassen sollte. Es braucht keine neuen Menschen, um die Vorteile einer funktionierenden Geldordnung nutzen zu können.
Genau genommen ist nur zweierlei notwendig, um das Geld den Menschen Untertan zu machen: Zum einen öffentlicher Druck, um die Notwendigkeit für und die Forderung nach einem neutralen Geld[50] zu dokumentieren; zum anderen ein wenig guter Willen und flexibles Denken bei den maßgeblichen Herren im Zentralbankrat der Bundesbank. Sie müssen sich auf neue Methoden einlassen, wie beispielsweise die von Silvio Gesell beschriebene Umlaufsicherung.
Ein Fehler im System des kapitalistischen Geldwesens besteht darin, daß Geld der Ware und der Arbeit überlegen ist. Dadurch erzwingt es die immerwährend positiven Zinssätze.
Professor Suhr hat diese Relation einmal so ausgedrückt:
«Ware und Geld sind beide zum Austausch bestimmt. Aber das Geld besitzt die bessere Austauschbarkeit. (...) Diese größere Austauschbarkeit des Geldes ist zugleich der Urzins in seiner Naturalform: die elementare Quellform des Mehrwertes.»[51]
Durch eine konstruktive Nutzungs- oder Umlaufgebühr wird dem Geld diese Überlegenheit genommen. In der Folge sinken die Zinssätze und die mit ihnen gekoppelten Größen wie Umlaufrendite und Schuldenentwicklung.
Das Ziel einer echten Geldreform besteht darin, den Ertrag des Geldes, den Guthabenzins, für langfristige Ausleihungen, bei ausreichendem Angebot, gegen den Wert Null zu drücken. Mit einem solchen Zinsniveau könnte sich auch der Kapitalmarktzinssatz auf ein erträgliches Niveau um zwei Prozent einpendeln.
Eine konstruktive Umlaufsicherung in Form einer Geldgebühr ist dann notwendig und sinnvoll, wenn die beiden anderen umlaufsichernden Mechanismen (der Zins und die Inflation) ihren Dienst versagen. Dies geschieht wenn die Inflation niedrig ist, wodurch der Wertverlust bei Bargeldhaltung bedeutungslos wird, und wenn die Zinssätze fallen. Bei niedrigen Zinssätzen hält der Anleger sein Finanzkapital liquide. Er verweilt in kurzfristigen Anlageformen und vermehrt seine Bargeldbestände, um bei günstigen Gelegenheiten rasch zugreifen zu können. Dieses Verhalten aber zwingt die Zentralbank mehr Geld herauszugeben, als es für den realen Zuwachs beim Bruttosozialprodukt notwendig und wünschenswert ist. Steigen die Zinsen wieder an, und wird in Folge die Geldzurückhaltung wieder aufgegeben, kann dieses überschüssige Geld inflationsfördernd wirken.
Folgenschwerer ist, daß der Hang zur Liquidität ein Defizit an langfristigen Geldanlagen verursacht. Niedrige Kapitalmarktzinsen, die für Wirtschaft und Verbraucher gleichermaßen von Vorteil sind, fallen mittelfristig nicht unter fünf bis sechs Prozent. Ab dieser Höhe läßt die Bereitschaft der Anleger, ihr Kapital langfristig zu verleihen, deutlich nach. Bei zu geringen Sätzen verlieren Zins und Inflation ihre umlaufsichernde Wirkung[52]. Es kommt zu Stockungen im Geld- und Kreditkreislauf. Die Bestände an Bargeld und Giralguthaben nehmen überproportional zu und verursachen so eine Verringerung der Kreditangebote. An diesem Punkt setzt die konstruktive Umlaufsicherung ein.
Was kann die Bundesbank tun?
Registriert die
Bundesbank eine unerwünscht hohe Zunahme der Bargeldmenge, ruft sie einzelne
Stückelungen[53] zum
Umtausch auf. Um die Geldhalter zu animieren, nicht mehr Bargeld als notwendig
nachzufragen, erhebt sie eine Umtauschgebühr. Jeder 500 Mark Schein
beispielsweise muß dann gegen einen neuen, sich optisch unterscheidenden, Schein
eingetauscht werden. Mit diesem Mittel kann die Tendenz zur Kassenhaltung
begrenzt werden. Überproportional große Bargeldbestände würde die Spekulanten
ruinieren. Die täglich gebrauchten Geldscheine zirkulieren im üblichen, relativ
konstanten Tempo.
Um ihre Liquidität zu behalten, gleichzeitig aber der Umtauschgebühr zu entgehen, könnten die Geldhalter auf Girobestände ausweichen. Eine ergänzende Gebühr auf die Bestände der Girokonten könnte auch hier für den notwendigen Anreiz sorgen, überschüssige Guthaben längerfristig auszuleihen. Die sich anpassende Zinstreppe sorgt dann dafür, daß es sich für den Anleger rechnet, auch bei fallenden Zinssätzen langfristige Anlageformen zu akzeptieren.
Der freiwirtschaftliche Ansatz bedarf keiner Gebote und Verbote. Er beeinträchtigt auch nicht die notwendigen Funktionen des Zinses. Inflationsausgleich, Knappheitspreis und Risikoaufschlag werden ebensowenig manipuliert wie die Kreditvermittlungskosten, die ebenfalls Bestandteil der Kreditkosten sind. Lediglich der Grundzins[54], der Ökonom John Meynard Keynes prägte den Begriff ‹Liquiditätsverzichtsprämie›, der sich aus der Überlegenheit des Geldes ableitet, wird eliminiert. Dieser Grundzins beträgt etwa drei Prozent. Er allein erzwingt die exponentielle Vermehrung der Geldvermögen jener Menschen, die ihr Geld nicht zum Leben ausgeben müssen. Der Grundzins stellt das Geldkapital außerhalb der Gesetzmäßigkeiten von Angebot und Nachfrage.
Die Umtauschgebühr - eventuell schon die bloße Androhung solcher Kosten - belastet das Spekulieren auf steigende Zinssätze. Es ist somit nicht mehr rentabel überschüssige Geldvermögen zurückzuhalten. Das Geld steht nun unter Angebotsdruck.
Auch bei niedrigsten Zinssätzen wird so ein ausreichendes Kreditangebot zur Verfügung stehen. Dieser Mechanismus zwingt überschüssige Geldvermögen, sich gegenseitig im Preis zu unterbieten.[55] Das Geld, das bisher Monopoleigenschaften hat, unterliegt jetzt den Regeln der Marktwirtschaft. Eine ausreichende Geldmenge drückt seinen Preis, den Grundzins[56], gegen den Wert Null.
Über die Höhe einer Umlaufgebühr und die Häufigkeit einer Umtauschaktion muß eine Notenbank individuell und unabhängig entscheiden können. Wichtig ist, daß beide Faktoren mäßig eingesetzt werden, um Vertrauen in und Akzeptanz für die Währung nicht zu gefährden. Der erwartete Effekt muß aber dennoch so groß sein, daß bei Null-Inflation und gesättigten Märkten die Verzinsung langfristiger Geldausleihungen um null Prozent beträgt.
Ein wesentlicher Effekt der aktiven Umlaufsicherung ist die dauerhafte Überwindung der Inflation. Die flexibel anwendbare Umlaufgebühr ermöglicht der Bundesbank erstmalig eine präzise Steuerung der herausgegebenen Geldmenge. Periodisch ermittelt sie den aktuellen Bedarf an Bargeld. Ist die nachgefragte Geldmenge zu hoch, kann sie, wie beschrieben, über eine Erhöhung der Umtauschgebühr die Attraktivität des Bargeldes verringern. Höhere Kosten für die Bargeldhaltung verhindern deren Hortung. Inflationspotentiale werden frühzeitig abgebaut und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes wird erhöht.
Bei einer übermäßigen Geldnachfrage hat die Bundesbank heute nur zwei Möglichkeiten: Erstens, sie verteuert das Geld über den Diskontsatz, um so die Geldhortung zu verringern. Das Inflationspotential wird eingeschränkt. Dafür werden der Gesellschaft jedoch höhere Zinslasten aufgebürdet. Die Volkswirtschaft gerät vom Regen in die Traufe. Oder sie akzeptiert -zweitens eine unangemessene Geldmengenausweitung, mit der dazugehörigen Inflationsgefahr. So kann sie kurzfristig die Zinssätze für das Zentralbankgeld niedrig halten. Sie nimmt dabei jedoch in Kauf, daß die über kurz oder lang eintretende Inflation ihrerseits die Zinsen am Kapitalmarkt in die Höhe treiben wird.
Das Instrument der Umlaufgebühr ermöglicht der
Notenbank auch bei fallenden Zinssätzen die umlaufende Geldmenge gezielt zu
steuern, sprich zu begrenzen. Sie bildet damit die Basis einer inflationsfreien
Währung mit marktwirtschaftlichen Zinssätzen.
Einige Kritiker befürchten, daß eine Gebühr die Attraktivität des Bargeldes verringern könnte. Sollte trotz niedrigster Zinssätze und wachsender Konjunktur nicht ausreichend Bargeld nachgefragt werden, könnte dies theoretisch zu einer Unterversorgung führen. Eine Unterversorgung mit Bargeld kann Nachfrageausfälle zur Folge haben. Diese könnten fallende Preise provozieren und im Extremfall Kaufzurückhaltung verursachen. Damit wäre eine klassische Deflationskrise mit Massenentlassungen und Pleitewellen eingetreten.
Anders als in den
dreißiger Jahren sind heute nur wenige Fachleute der Meinung, die umlaufende
Geldmenge müßte an der Menge der Goldreserven der Notenbanken ausgerichtet
werden. Unter den Gegebenheiten einer aktiv umlaufgesicherten Währung hätte die
Notenbank die Möglichkeit, zu wenig nachgefragtes Geld zusätzlich
herauszugeben. Beispielsweise könnte sie jedem Bürger einen neuen Geldschein
zuschicken. Oder sie könnte staatlichen Einrichtungen Geld überlassen, mit der
Verpflichtung, dieses zügig auszugeben. Die Deflationsgefahr könnte so schnell
gebannt werden.
Daß es durch diese Geldreform zu Kaufverzögerungen kommen könnte ist abwegig. Jeder, der über größere Mengen Bargeld beziehungsweise Giroguthaben verfügt, wird diese zügig investieren oder ausleihen, sprich sparen. Denn nur so können über einen längeren Zeitraum Umtauschgebühren vermieden werden.
Wie beschrieben, beruht der freiwirtschaftliche Ansatz darauf, daß die Bundesbank von Zeit zu Zeit Teile des umlaufenden Bargeldbestands einzieht und gegen neue Scheine austauscht. Hierfür verlangt sie von den Geldhaltern eine geringe Gebühr. Der Notenbank entstehen dadurch keine Kosten. Der Aufwand der Umtauschaktion könnte mit den eingenommenen Gebühren beglichen werden.
Für den durchschnittlichen Verbraucher sind die Umtauschgebühren verschwindend gering. Da sich Banknoten bis zu einem Wert von 100 Mark kaum zur spekulativen Hortung eignen, wird ein Wechsel dieser Noten nur selten notwendig sein.
Doch selbst wenn der Geldmarkt einen Umtausch aller
Bank-
noten innerhalb eines Jahres ratsam erscheinen ließe, bliebe die Belastung
niedrig. Bei einer durchschnittlichen Bargeldhaltung von 1000 Mark und einer
Umtauschgebühr von jährlich sechs Prozent müßte ein Haushalt hierfür gerade 60
Mark im Jahr aufbringen. Die Belastung auf den Girokonten würde bei einem
durchschnittlichem Guthaben von 2000 Mark und einer angenommenen Gebühr von
fünf Prozent nochmals 100 Mark ausmachen. Langfristig angelegte Sparguthaben
blieben ohnehin gebührenfrei und behielten durch die Preisstabilität ihren
realen Wert. Wer ohnehin nach Abzug von Miete und Fixkosten nur noch
geringfügige Beträge auf dem Konto hat, bräuchte entsprechend weniger zu
zahlen. Da gegenwärtig alleine die Zinszahlungen der öffentlichen Haushalte pro
Erwerbstätigen fast 5000 Mark im Jahr ausmachen, wird deutlich, daß eine
Entlastung durch sinkende Zinssätze die anfallende Umlaufgebühr um ein Vielfaches
kompensieren würde.
Für Firmen und Konzerne halten sich die Kosten für Geld und Kassenhaltung im erträglichen Rahmen, wenn sie wenig spekulieren und dafür eher investieren. Bei ihnen fallen nur dann nennenswerte Gebühren an, wenn sie in erheblichem Umfang liquide bleiben wollen.
Firmen, die üblicherweise mit größeren Geldmengen und Kontobeständen arbeiten, müßten ihre Zahlungsgewohnheiten den veränderten Gegebenheiten anpassen, um nicht übermäßig belastet zu werden. Wer frühzeitig anfallende Rechnungen bezahlt und Überschüsse in Termineinlagen umwandelt, entgeht weitgehend der Umlaufgebühr. Jene Bereiche, die geschäftsbedingt große Summen liquide halten müssen wie Banken und Versicherungen, werden zunächst höhere Kosten verbuchen. Durch den Wegfall der inflationsbedingten Kosten und eine geringere Eigenkapitalverzinsung, werden auch sie keiner zusätzlichen Belastung ausgesetzt sein.
Die Finanzspekulation mit gewaltigen Summen an Bar- beziehungsweise Giralgeld wird kostspieliger und damit weniger gewinnbringend. Dementsprechend werden die Bereiche, die ihre Gewinne der Spekulation mit Geldbeständen verdanken, leiden. Wer beispielsweise zehn Millionen Mark aus spekulativen Gründen bar hält, wird sich bei einer anstehenden Umtauschaktion überlegen müssen, ob der zu erwartende Spekulationsgewinn die anfallenden Kosten erbringen kann. Gegebenenfalls wird er seinen Bargeldbestand bei Zeiten reduzieren.
Das Überhandnehmen von Währungsspekulationen stellt für die gesellschaftliche Stabilität eine Art Russisches Roulett dar. Daher sind geeignete Maßnahmen gegen diese Entwicklung unverzichtbar. Die Geldumlaufgebühr wäre in diesem Sinne einfach und wirkungsvoll.
«Wer eine Frage stellt ist fünf Minuten dumm, wer keine stellt ist es sein Leben lang.»
Chinesisches Sprichwort
Alle ökonomischen Konzepte stimmen in einem überein: Niedrige Zinsen bringen unsere Wirtschaft in Schwung und stabilisieren damit unseren leckgeschlagenen Sozialstaat. Sie verringern die Produktionskosten und fördern die Investitionsbereitschaft. Daher fordern viele Wirtschaftsjournalisten und Politiker in Hochzinsphasen von der Bundesbank eine Senkung der Zentralbankzinsen. Diese Forderung ist jedoch bei genauerer Betrachtung kurzsichtig und kontraproduktiv. Ausschlaggebend für die Zinsbelastung von Staat und Wirtschaft sind die Kapitalmarktzinsen. Der Ruf nach der Bundesbank übersieht, daß der Einfluß von Lombard- und Diskontsatz[57] aufgrund des überproportionalen Ansteigens der Geldvermögen mittlerweile sehr gering ist. Außerdem spricht gegen diese Maßnahme, daß sie eine unangemessene Ausweitung der Geldmenge initiieren kann.
Die Höhe des Zinsniveaus ist der entscheidende Faktor für grundlegende gesellschaftliche Prozesse. Einer der bedeutendsten Ökonomen der Nachkriegszeit, John Maynard Keynes, betitelte daher sein Hauptwerk: ‹Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes›. Obwohl sich Generationen von Ökonomen und Politikern auf Keynes berufen, ist das Phänomen Zinsentwicklung bis heute völlig unzureichend erforscht. Durch mangelnde Flexibilität und Kreativität der Ökonomen wird die Möglichkeit, die Zinssätze und die umlaufende Geldmenge über Korrekturen in der Geldordnung zu beeinflussen, bis heute beharrlich ignoriert.
Der Schritt zu einem Null-Zins-Niveau ist kleiner als allgemein vermutet wird. Gelingt es, die ‹geldtechnische› Betrachtungsweise stärker in die gesellschaftliche Diskussion einzubringen, könnten neue Verbündete gefunden werden. Arbeitslose und Menschen, die unmittelbar von Überschuldung betroffen sind, haben ein persönliches Interesse an der Lösung dieses Problems. Auch Politiker und Politikerinnen, die sich mit dem Bankrott der öffentlichen Kassen konfrontiert sehen, sind für eine überzeugende Darstellung der Problemlage und der Ursachen empfänglich. Ebenso können sich Unternehmer und Selbständige, die den Druck der Banken täglich erfahren, diesem Ansatz öffnen.
Entscheidend für den Meinungsbildungsprozess sind folgende Fragestellungen:
· Sind die Zins- und Zinseszinsströme grundsätzlich akzeptabel?
· Sind Zinsen ethisch und moralisch unbedenklich?
· Sind sie in der heutigen Größenordnung währungstechnisch sinnvoll und notwendig?
Bisher ist die zinsorientierte Systemanalyse in Fachkreisen nicht ernsthaft diskutierbar. Politiker befürchten als unseriös eingeschätzt zu werden, wenn sie sich auf diese Denkweise einlassen, da der Ansatz von einigen Fachleuten für unwissenschaftlich gehalten wird. Zu groß sind die Zweifel, ob die empfohlenen Maßnahmen tatsächlich wirken könnten.
Für das Verständnis der ‹freiwirtschaftlichen Therapie› ist wichtig, daß es sich bei der Umlaufgebühr um einen marktkonformen Steuerungsmechanismus handelt. Der Mechanismus der Umlaufsicherung kann problemlos in das bestehende Währungswesen eingefügt werden.
Vielen auf staatliches Handeln vertrauenden Menschen, ist es unbegreiflich, daß ein so kleiner Eingriff die erhofften Wirkungen bringen kann. Sie haben eine statische, von planwirtschaftlichen Interventionsmodellen geprägte Denkweise verinnerlicht. Diese erschwert ihnen die Impuls- beziehungsweise Lenkungswirkung der Umlaufgebühr nachzuvollziehen.
Beispielhaft für viele andere vergleicht Otto Schily, in seinem Buch ‹Flora, Fauna und Finanzen›, die Umlaufgebühr mit einer «zusätzlichen steuerlichen Belastung». In seinem Empfinden entspricht sie einer «starren, staatlich vorgegebenen Tarifordnung». Nur ein «Zinsverbot»[58] könnte zu einem Null-Zins-Niveau führen, unterstellt er. Ein solches Eingreifen in den Markt wird von ihm aus diversen, völlig richtigen Gründen selbstverständlich verworfen. Seine Auseinandersetzung mit dem freiwirtschaftlichen Ansatz weist auf Unverständnis und Klärungsbedarf hin.
Die dynamische Steuerungsfunktion dieser Maßnahme hat in den Denkstrukturen ehemaliger Marxisten und vieler Keynesianer keinen Platz und wird daher nicht gerne erörtert.
Wenn die gebührengestützte Geldmengensteuerung erprobt ist, werden die unabhängigen Europabanker die notwendigen Schritte einleiten. Die technische Umsetzung einer Umlaufsicherungsgebühr ist heute unproblematisch. Die äußere Form der Modalitäten läßt sich in Feldversuchen und in der Praxis erproben. Entscheidend für den Geldfluß sind Zeitpunkt und Höhe der Gebührenerhebung.
Über einen parlamentarischen Auftrag könnte der Notenbank die Verbesserung der Geldmengensteuerung nahegelegt werden. Rechtlich könnte die Bundesbank bereits heute ohne Gesetzesänderung eine Umtauschgebühr erheben, da es ihrem Auftrag, Preisstabilität zu gewährleisten, dient.
Die Gratwanderungen zwischen zu hohen Zinsen und zu hoher Inflationsrate wären dann vorbei.
Willkürlich, gewissermaßen per Akklamation, wurde der Boden durch das Römische Recht zur Ware gemacht und ist seitdem frei handelbar. Dies war nicht immer so. Vielen Völkern und Kulturen war der Privatbesitz an Boden, aus guten Gründen, fremd.
Eine Geldreform
mit freiwirtschaftlicher Zielsetzung muß einhergehen mit einer Veränderung der
Bodenbesitzverhältnisse. Wenn sich die Spekulation mit Geld nicht mehr lohnt,
werden enorme Geldbestände in andere Spekulationsbereiche verlagert.
Handelt es sich dabei um Waren, die in ausreichendem Maße vermehrbar sind, wie die Anteile an Produktionsunternehmen (Aktien) und um Güter die nicht existentiell sind, wie zum Beispiel Gold und Kunstgegenstände, ist dies nicht problematisch. Gewinne und Verluste treten ausschließlich bei den Akteuren auf. Die Gewinne ergeben sich daraus, daß ein Käufer gefunden wird, der bereit ist einen Aufschlag auf den ursprünglichen Kaufpreis zu bezahlen. Wird zu einem niedrigeren Preis verkauft, hat ausschließlich der Verkäufer einen Verlust. Kein Unbeteiligter wird geschädigt.
Anders verhält es sich mit dem Boden, der, da er nicht vermehrbar ist, ein Monopolgut darstellt. Der für einen Spekulanten relevante Wertzuwachs ergibt sich zum Teil aus der Leistung der Menschen die ihn nutzen. Der Grundstücksbesitzer kann allen, die auf seinem Land leben, einen Teil ihres Arbeitsertrags abnehmen, ohne dafür selbst arbeiten zu müssen. Dies steigert den Wert seines Besitzes. Gleichzeitig sind alle Menschen zum Leben und zum Wirtschaften auf die Nutzung von Boden angewiesen. So werden an der Spekulation unbeteiligte Personen für deren Finanzierung herangezogen. Daß dies ein absurder Zustand ist, macht das folgende, etwas zugespitzte, Beispiel deutlich:
Angenommen ein Milliardär versucht nach dem Ende der Planwirtschaft in Estland möglichst viele Grundstücke aufzukaufen. Zunächst wären die Menschen dankbar, da sie zur Ankurbelung ihrer Wirtschaft reichlich Devisen erhalten. Sie würden auf dem nun gepachteten Boden erfolgreich wirtschaften und es zu gewissen Wohlstand bringen. Der Großgrundbesitzer könnte eines Tages die Hälfte ihrer Einkommen als Pachteinnahmen fordern und davon weiteren Boden aufkaufen. Zuletzt stünden sie vor der Wahl, nur noch für den Grundbesitzer zu arbeiten oder sich aus ihrem Land vertreiben zu lassen.
Leider ist dies kein Märchen, sondern weltweit millionenfache Realität. Lediglich die Größenordnung des Beispiels wird selten erreicht.
Der Wertzuwachs des Bodens und die zu erzielende Pacht sind von der Entwicklung des Umfelds abhängig. Sie resultieren aus der Leistung aller Menschen. Es bedarf daher einer gesellschaftlichen Übereinkunft, damit die Erträge aus der Verpachtung des Bodens der Allgemeinheit zugute kommen.
Es gibt verschiedene Modelle, wie Boden beziehungsweise Bodenerträge entprivatisiert werden können. Die Spannweite reicht von der entschädigungslosen Enteignung bis zur Anwendung eines öffentlichen Vorkaufsrechts bei allen Bodengeschäften. Eine mögliche Vorgehensweise wird im Folgenden unter der Überschrift ‹Bodenpacht› beschrieben.
«Vielleicht wird irgendwo auf der Welt ein origineller Denker auftauchen, der mit einer neuen Theorie das Marktprinzip mit den unerfüllten menschlichen Bedürfnissen versöhnt - ohne dabei den Markt zu zerstören.»
William Greider[59]
Eine Ergänzung der Geldordnung im freiwirtschaftlichen Verständnis hat, währungstechnisch betrachtet, zwei wesentliche Effekte:
· Die Umlaufgebühr begrenzt die Nachfrage nach Bargeld und hilft so, die umlaufende Geldmenge zu regulieren. Da die Bundesbank mit diesem Instrument nicht nur indirekt über Diskont- und Lombardsatz, sondern auch direkt über die Umlaufgeschwindigkeit die Geldmenge beeinflussen kann, ist die Umtauschgebühr die Basis einer inflationsfreien Währung.
· Gleichzeitig setzt die Umlaufgebühr das Geldkapital unter Angebotszwang, drückt damit die Zinssätze nach und nach herunter und gewährleistet, daß der Markt auch bei niedrigsten Zinssätzen mit einer ausreichenden Menge langfristigen Finanzkapitals versorgt wird.
Steuerpolitisch betrachtet bietet diese Reform vor allem folgende Chancen:
· Der Staat kann sein finanzielles Engagement überall da einschränken, wo zu geringe Renditen heute eine staatlich Förderung notwendig machen.
· Die Einsparung von Subventionen und Investitionen, plus die direkt eingesparten Zinslasten, kann die Höhe der Steuereinnahmen entscheidend verringern. Dadurch wird ausreichend Spielraum für eine effektive Senkung der Lohnsteuer geschaffen.
Aus der gesamtgesellschaftlichen Perspektive betrachtet, schafft eine Geldreform die Voraussetzungen für zwei historische Weichenstellungen:
· Die Entkapitalisierung des Geldes setzt das menschliche Schaffen wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Entwicklung. Das Geld ist nicht länger ‹Gott und Götze›, sondern Diener der Menschen.
· Die Entstaatlichung der Arbeit ermöglicht die maximale Entfaltung menschlicher Freiheit und Kreativität. Die Bevormundung und Enteignung des Bürgers durch seinen Staat kann auf das Notwendigste zurückgefahren werden.
Doch dies sind mittel- beziehungsweise langfristige Entwicklungen.
Bei Einführung der konstruktiven Umlaufsicherung werden sich zunächst dieselben Erleichterungen zeigen, die bereits heute bei fallenden Zinssätzen zu beobachten sind. Die Phasen der Entspannung durch geringe Kapitalkosten sind in der kapitalistischen Wirtschaft jedoch zeitlich eng begrenzt und fallen nur mäßig aus, da der Kapitalmarktzinssatz nie unter fünf bis sechs Prozent absinkt. Erst wenn das Zinsniveau durch Sättigungseffekte am Kapitalmarkt deutlich gegen Null tendiert, werden die neuen Spielräume gesellschaftlicher Entwicklung deutlich. Die vielschichtigen Veränderungen, die von einem dauerhaft niedrigen Zinsniveau ausgehen, sind daher weitreichender als die Effekte heutiger Niedrig-Zins-Phasen.
Die Auswirkungen von Zinssenkungen faßt Helmut Creutz wie folgt zusammen:
«Mit sinkenden Zinsen...
· geht das übersteigerte Wachstum der Geldvermögen zurück und damit auch das der Überschuldung;
· verringern sich die Diskrepanzen zwischen Arbeit und Besitz, arm und reich und damit auch die sozialen Spannungen;
· werden alle Schulden trag- und rückzahlbar, was nicht nur für die Dritte Welt von Bedeutung ist;
· geht der Zwang zum Wirtschaftswachstum zurück, mit dem man heute allein der Verarmung der Arbeitsleistenden entgegenwirken kann;
· wird die Entwicklung der Wirtschaft immer mehr von den Interessen der nachfragenden und leistenden Menschen bestimmt, immer weniger von den (Zins-)Interessen des Kapitals;
· wird - und das ist ganz entscheidend - ein Wirtschaften ohne Wachstum überhaupt erst möglich.»[60]
Im Alltag werden die eintretenden Prozesse zunächst kaum spürbar sein, obwohl neun von zehn Haushalten durch die fallenden Zinssätze entlastet werden.
Durch eine freiwirtschaftliche Geldreform verringert sich das Wachstum der Geldvermögen drastisch. Die Statistiken der Bundesbank zeigen, daß die Zunahme der Geldvermögen hauptsächlich auf die Gutschrift von Zinserträgen zurückzuführen ist.[61] Jede Mark aber, die dem Geldverleiher an Zinsen gutgeschrieben wird, müssen andere erarbeiten. Die Reichen werden zwangsläufig reicher, und in diesem Umfang verarmen andere. Diese permanente Umverteilung von den Arbeitenden zu den Besitzenden wird mit der Geldreform minimiert.
Die entscheidende Auswirkung der Geldreform besteht darin, daß die Zinssätze unter die heute üblichen Sätze fallen. Und mit den sinkenden Zinsen werden die Kassen der Schuldner entlastet. Das bedeutet eine Erleichterung für die verschuldeten Haushalte: Die fälligen Zins- und Hypothekenraten fallen deutlich geringer aus. Gleichermaßen kommt es Betrieben, öffentlichen Haushalten sowie verschuldeten Bürgern zugute.
Ein Beispiel:
Ein Bauherr verschuldet sich mit 300.000 Mark. Er muß bei einem Zinssatz von acht Prozent eine monatliche Zinsbelastung von circa 2.000 Mark aufbringen. Halbiert sich das Zinsniveau auf vier Prozent, verringern sich die Zinsforderungen auf monatlich 1.000 Mark. Ein weiteres Absinken des Zinsniveaus auf zwei Prozent erspart ihm noch einmal 500 Mark. Erhöht der Kreditnehmer entsprechend der geringeren Zinsforderungen seine Tilgung[62], verringert er die Laufzeit des Kredits und spart damit erneut. Auf diese Weise wird Bauen erschwinglich und das Risiko erträglich.
Für Bauherren eröffnen sich damit neue Möglichkeiten: Zum Teil könnten eingesparte Kosten für Energiesparmaßnahmen und für ökologische Bauweisen verwendet werden. Dies hätte eine deutliche Verringerung der Umweltbelastungen zur Folge und würde zudem die Ausgaben für Energie dauerhaft senken.
Im Verhältnis zwischen Sparern, Banken und Kreditnehmern verändert sich formal nichts. Grundsätzlich verlaufen Kreditgeschäfte wie derzeit üblich. Die Gläubiger erhalten allerdings nur den ursprünglich eingezahlten Betrag zurück. Dafür entfällt die Inflation, die heute - vor allem den Kleinanlegern und Sparbuch-Sparern - einen nicht unerheblichen Teil ihrer Ersparnisse auffrißt.[63]
Von einem minimierten Zins- und Inflationsniveau profitieren nicht nur Schuldner und Kleinanleger. Die Stabilität, die von einer dauerhaft inflationsfreien Währung ausgeht, beruhigt ebenso Geldmärkte, Investoren und Anleger. Betriebliche Kalkulationen werden sicherer und damit seriöser. Das krisenbedingte Auf und Ab der Konjunktur und die damit verbundenen heftigen, meist kurzfristigen Reaktionen auf den Finanzmärkten können vermieden werden.
Mit der Ausnahme, daß von Zeit zu Zeit die Umlaufgebühr eingezogen wird, ändert sich auch im formalen Umgang mit Geld und bei den üblichen Geldgeschäften kaum etwas. Das niedrige Zinsniveau ermöglicht und verursacht dennoch weitreichende gesellschaftliche Veränderungen.
Die Staatsquote[64] in Deutschland beträgt heute rund 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.[65] Das bedeutet, daß die Hälfte aller gesellschaftlichen Leistungen durch den Staat verwaltet und kontrolliert werden. Dementsprechend umfangreich ist die Rolle des Staates heute. Für viele Menschen ist ein starker Staat derzeit unverzichtbar, um in der menschenverachtenden, kapitalistischen Wirtschaftsordnung überleben zu können. Unter den gegebenen Bedingungen ist ein Rückzug des Staates gleichbedeutend mit noch mehr Elend und Ausbeutung. Es ist dabei jedoch zu berücksichtigen, daß das staatliche Engagement letztlich planwirtschaftliche Strukturen hervorbringt. Aus den im dritten Kapitel beschriebenen Zuständen läßt sich folgendes zusammenfassen:
a) Die Aufblähung des Staatsapparats geht nur selten einher mit einer Verbesserung der sozialen und kulturellen Angebote. Die Staatsquote wächst, weil die Auswirkungen der kapitalistischen Fehlstrukturen immer stärkere Korrekturen erzwingen.
Das Gros des staatlichen Engagements besteht heute darin, Verzerrungen, die aufgrund einer falschen Geld- und Bodenordnung verursacht werden, auszugleichen. Mit immer größerem Aufwand versucht der Staat, immer größer werdende Diskrepanzen durch eine De-Regulierung der Umverteilung zu begrenzen. Zunehmend leidet der Patient Gesellschaft mehr unter der Therapie - nämlich an den Auswirkungen des unkontrollierten Wachstums - als unter der Krankheit. Der Staat selbst ist zu einer Art Krebsgeschwür geworden.
b) Das Geld kann sich heute sozialen und ökologischen Investitionen verweigern, wenn deren Renditeerwartungen zu gering sind. Daher muß in vielen Bereichen auf staatliche Maßnahmen zurückgegriffen werden.
c) Selbst in Produktionsbereichen mit hohen Renditemöglichkeiten verweigert sich das Finanzkapital periodisch und verursacht so Wirtschaftskrisen. Um dies zu vermeiden oder zu minimieren, ist der Staat darauf fixiert, Wachstum zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Er ist regelrecht dazu gezwungen, wuchernde Milliarden-Beträge am Geldmarkt aufzunehmen, um sie in fragwürdige Projekte zu investieren.
Die teuersten staatlichen Aufgaben ergeben sich aus den Gesetzmäßigkeiten des kapitalistischen Geldwesens. Unter den Bedingungen einer freiwirtschaftlichen Ordnung sind viele staatliche Reparatur- beziehungsweise Korrekturleistungen weitgehend verzichtbar.
Eine Entspannung auf dem Kapitalmarkt, durch langfristig gegen Null fallende Zinssätze, erspart dem Staat Ausgaben in mehrstelliger Milliardenhöhe, und das nicht nur bei den Schuldenzinsen. Viele Aufgaben, um die er sich heute mit großem Aufwand kümmern muß, erübrigen sich. Er kann sich wachstumsichernde Eingriffe in Zukunft sparen. Das Einsammeln von Steuergeldern zur Subventionierung von Investitionen gehört dann der Vergangenheit an.
Wenn das Kapital unter Angebotsdruck gerät, wird es sich überall dort anbieten, wo Bedarf existiert. Investitionswilligen steht immer ausreichend billiges Geldkapital zur Verfügung. Unabhängig von hohen Renditeforderungen können so sinnvolle Projekte finanziert werden, die sich derzeit für Anleger nicht rechnen. So kann sich der Staat nach und nach aus vielen Bereichen zurückziehen und sich auf seine hoheitlichen und ordnungspolitischen Aufgaben konzentrieren.
Entsprechend können auch die Steuern gesenkt werden. Die Bürger werden erheblich mehr Kaufkraft erhalten und viele Dienstleistungen privat nachfragen. So können diese ohne den Umweg über den Staat finanziert werden. Die Endnachfrage durch die Verbraucher entscheidet stärker als heute über das Angebot.
Wenn Geldvermögen
nicht mehr durch den Zinseffekt zunehmen, werden sie wesentlich langsamer
anwachsen. Der gegenwärtige Druck auf die Anleger, für die schnell anwachsenden
Guthaben laufend neue Investitionsmöglichkeiten zu schaffen, wird nachlassen.
Entsprechend werden viele unsinnige Großprojekte überflüssig. Die massive
Einflußnahme auf politische Entscheidungen wird dementsprechend nachlassen.
Mit der Geldreform braucht es auch nicht länger eine Gesetzgebung, die permanentes Wachstum in Bereichen sichert, die die Umwelt und letztlich die Menschen unangemessen belasten. Der Gesetzgeber kann, ohne in die Falle einer Wirtschaftskrise zu geraten, durch hohe Steuern jene Branchen überproportional belasten, die aus sozialen, gesundheitlichen oder ökologischen Beweggründen nicht gewollt sind.
Unter diesen Bedingungen ist es durchaus positiv, daß staatliches Engagement überflüssig wird. Die monetären Effekte führen letztlich zu einer weitgehenden Entstaatlichung unserer Gesellschaft.
Einsparen von Ausgaben
Kreditsubventionierung
Die öffentliche Hand wird zudem von den Aufgaben der Kreditsubventionierung befreit. Die zahlreichen Programme zur Förderung von Existenzgründungen, zur Ansiedlung von Industrie und zur Lenkung volkswirtschaftlich wünschenswerter Investitionen, sind in ihrem Kern zinsvergünstigte Darlehen. Wenn die Kapitalmarktzinsen auf ein Niedrigniveau abgesunken sind, entfällt diese Art der Verschwendung von Steuergeldern.
Wohnungsbau und Wohnraumförderung
Eingespart werden können nach und nach auch Ausgaben für die Bauförderung. Die oft als ungerecht kritisierte Abschreibungspraxis, die Anleger durch Steuernachlässe zu unrentablen Investitionen verführt, erübrigt sich.
Wenn in der kapitalistischen Wirtschaft nicht genügend Mietwohnungen gebaut werden, liegt dies an den zu hohen Kapitalkosten. Die entscheidende Ursache ist, daß die Mieteinnahmen zu niedrig sind, um das eingesetzte Kapital angemessen zu verzinsen. Dies kann daran liegen, daß der Gesetzgeber die Mietanpassungen reguliert oder daran, daß es nicht genügend zahlungsfähige Mieter gibt. In gleicher Weise ist die Bildung von Wohneigentum von den Kapitalkosten abhängig.
Mit dem Absinken der Kreditzinsen wird Bauen entscheidend billiger. Eine Investition, die sich heute aufgrund der erzielbaren Miete nicht lohnt, wird durch die geringen Zinslasten rentabel. Die günstige Finanzierungsmöglichkeit wird geradezu eine Baulawine auslösen, da bei einem Null-Zins-Niveau eine Investition in eine Immobilie lohnenswerter ist, als das Sparen in Form von Geldguthaben. Dies gilt so lange, bis sich durch ein Überangebot von Wohnraum der Mietpreisspiegel den reinen Bau-, Verwaltungs- und Instandhaltungskosten angenähert hat. Der Staat wird hier aus ökologischen Gründen und zur aktiven Gestaltung des Lebensraums die Rolle eines Bremsers einnehmen müssen.
Wie erwähnt beträgt der Anteil der Zinsen an den Mieten heute zwischen 50 und 80 Prozent.[66] Sinkende Zinsen reduzieren daher in erheblichem Maße die Wohnkosten. Bei erschwinglichen Mieten wird das Wohngeld und damit auch dessen Verwaltung überflüssig.
Forschungs- und Technologieförderung
Erhebliche Einsparungen von Steuergeldern ergeben sich in den Bereichen Forschung und Technologie. Eine freiwirtschaftliche Geld-, Boden- und Steuerreform wird wesentliche Veränderungen der betrieblichen Rahmenbedingungen mit sich bringen. Die Reduzierung der Kapitalkosten und die Verringerung der Lohnnebenkosten verbessert die finanzielle Lage vieler Firmen. Grundsätzlich wird dies ihre Position im internationalen Konkurrenzkampf erheblich stärken.
Ein Teil der eingesparten Kapitalkosten kann problemlos in Entwicklung und Forschung investiert werden. Für den Staat bedeutet dies, daß die entsprechenden Fördermittel zurückgefahren werden können. Was, wann und mit welchem Einsatz erforscht und entwickelt wird, entscheidet zukünftig der Markt und letztlich der Kunde. Fehlinvestitionen wie Kalkar (sieben Milliarden Mark), der Jäger 90 und der Transrapid werden dadurch unwahrscheinlicher. Auch fragwürdige Förderprojekte wie die Raumfahrt, der Airbus und die gesamte Atomenergie können nicht mehr mit dem Scheinargument der Technologieförderung gerechtfertigt werden.
Mit preiswertem Geld können sich zudem viel mehr Wettbewerber an der Erforschung neuer Technologien beteiligen.
Finanzierung der Arbeitslosigkeit
Fest steht, daß billiges Geld Investitionen und damit auch Beschäftigung fördert. Im Zusammenhang mit einer Abschaffung der Lohnsteuer werden langfristig viele neue Arbeitsplätze entstehen. Entscheidend für den Arbeitsmarkt ist auch, daß die hohen Zinsanteile in den Preisen wegfallen. Die Kaufkraft der Arbeitenden wird um dreißig Prozent zunehmen. Dies wird einen wichtigen Trend zu einer Verkürzung und besseren Verteilung der Arbeitszeit einleiten.
Beide Effekte werden die Zahl der unfreiwillig Arbeitslosen und damit die Lohnnebenkosten senken. Der staatliche Zuschuß für die ‹Bundesanstalt für Arbeit› wird gegen Null fallen.
Sozialhilfeetats
Mit der zurückgehenden Umverteilung von unten nach oben reduziert sich auch die derzeit mit großem finanziellen Aufwand betriebene staatliche Rückverteilung. Die Träger der Sozialhilfe werden zunächst durch das Sinken des Mietpreisniveaus entlastet. Mit der Überwindung der Massenarbeitslosigkeit wird auch der Trend zu mehr Sozialhilfeempfängern umgekehrt. Langfristig wird sich die Zahl der Bedürftigen massiv verringern.
Gegenwärtig sind die Regierungen der kapitalistischen Staaten darauf konzentriert, Wachstum zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Wenn diese Aufgaben wegfallen, wird eine Beschränkung auf sinnvolle und hoheitliche Aufgaben möglich. Soweit nötig, kann der Staat durch Steuern und Gesetze den Rahmen für eine humane und ökologische Gesellschaft gestalten.
Beispielsweise kann der Verbrauch von Rohstoffen nach dem Grad seiner Umwelt- und Sozialverträglichkeit besteuert werden. Wer mehr Schaden anrichtet, muß dafür tiefer in die Tasche greifen. Wer einen sanften Lebensstil pflegt, lebt günstiger und kann sich mehr Freizeit leisten. Im Folgenden werden einige Möglichkeiten beschrieben, wie mit Steuern und Abgaben effektiv und relativ unbürokratisch positive Prozesse eingeleitet werden können.
Bodenpacht
Die Einkommen aus der Verpachtung von Grund und Boden stellen, wie der Zins, ein leistungsloses Einkommen dar. Derjenige, der den Boden nutzt, zahlt Pacht an einen, der lediglich einen Besitztitel beansprucht. Der Wertzuwachs eines Grundstücks kommt ausschließlich dem Besitzer zugute, obwohl die Entwicklung der Gesellschaft, also die Leistung aller, den Wertzuwachs ausmacht. Anders als bei den von Menschen hergestellten Waren, ist der Boden nicht beliebig vermehrbar. Seine Knappheit macht ihn zu einem Monopolgut, eine private Kontrolle widerspricht daher den Gesetzmäßigkeiten des freien Marktes.
Damit jeder Bürger die gleichen Zugangsvoraussetzungen zum Boden erlangt, muß dieser - über einen längeren Zeitraum hinweg - in Allgemeineigentum überführt werden. Die Verwaltung des Bodens und der Einnahmen aus seiner Verpachtung kann über kommunale oder regionale Fonds geschehen. Eine in diese Richtung zielende Bodenreform sollte jedoch niemanden unangemessen belasten, schließlich ist die Bodenspekulation seit Jahrhunderten geduldet beziehungsweise gewünscht.
Es erscheint sinnvoll, alle Grundstücke Jahr für Jahr stärker zu besteuern. Wird dem Besitzer die Steuer zu hoch, kann er an einen Bodenfond verkaufen. Dabei könnte man dem Vorbesitzer, sofern er selbst Nutzer des Bodens ist, die Pachtkosten für zehn, 20, oder 30 Jahre erlassen. So ist ein finanzieller Anreiz gegeben, Boden zu verkaufen und ihn trotzdem weiterhin zu nutzen.
Für die Besitzer von Immobilien ändert sich durch eine Bodenreform wenig. Diese bleiben in Privatbesitz. Wer auf eigenem Grund produziert oder Wohnungen vermietet, verrechnet die anfallenden Pachtkosten mit dem Verkaufserlös, bis dieser aufgezehrt ist. Dann muß er aus seinen Einnahmen die Pacht bestreiten. Wer schon auf gepachtetem Boden tätig ist, für den ändert sich lediglich der Adressat, dem er die Pacht schuldig ist.
Über Jahre hinweg werden sich die Pachteinnahmen und die Ausgaben für den Ankauf weiterer Grundstücke die Waage halten. Auf lange Sicht jedoch stellen die Pachteinnahmen eine sichere, milliardenschwere Einnahmequelle dar. Mit diesem Geld könnte dann, einem Vorschlag Silvio Gesells folgend, die Erziehungsleistung der Eltern vergütet werden. Da nach Gesell das Aufziehen der Kinder die wichtigste Aufgabe für den Fortbestand einer Gesellschaft darstellt, sollte diese Verantwortung angemessen entlohnt werden. Ein Erziehungsgeld von bis zu 1000 Mark monatlich ist denkbar und finanzierbar.
Mit dieser Maßnahme könnten gesellschaftsschädigende Spekulationsgewinne in gemeinnützige Bereiche umgelenkt werden. Kein Spekulant kann sich dem entziehen, da eine Bodenflucht ins Ausland kaum vorstellbar ist.
Wohnraumsteuer
Durch die steigende Kaufkraft der Massen und die sinkenden Baukosten wird der Anspruch auf mehr individuellen Wohnraum wachsen. Aus städtebaulichen Erwägungen und zum Schutz der Landschaft vor völliger Zersiedelung macht es keinen Sinn, den pro Kopf verfügbaren Wohnraum grenzenlos zu steigern. Daher wird es kurzfristig notwendig sein, eine regulierende Wohnraumnutzungsabgabe einzuführen.
Diejenigen, die überdurchschnittlich viel Wohnraum nutzen, müssen belastet werden. Sie müssen entsprechend ihres Mehrbedarfs eine Ausgleichsabgabe an die Kommune entrichten. Jene, die auf relativ wenigen Quadratmetern wohnen, bleiben unbelastet. Geht man von einer durchschnittlich verfügbaren Wohnfläche von 35 qm pro Kopf aus, wäre für einen vierköpfigen Haushalt eine Wohnfläche von 140 qm steuerfrei. Ein Single, der eine ebenso große Wohnung nutzt, wäre für 105 qm Wohnraum abgabenpflichtig.
Diese Besteuerung ist eine ökologische und sozial greifende Maßnahme. Die Kommunen hätten dadurch eine positiv lenkende und sozial gerechte Einnahmequelle. Grob vereinfacht kann sie so beschrieben werden: Ein Großteil der Gelder, die heute an die Geldbesitzer, Investoren und Vermieter fließen, werden zukünftig eine kommunale Einnahme darstellen. Ob die Kommunen diese Einnahmen nutzen, um ihre Angebote zu verbessern, um neue Dienstleistungen anzubieten, oder ob sie in entsprechender Größenordnung andere Gebühren und Steuern senken, wird in den politischen Gremien zu entscheiden sein. Sicherlich wird eine Mischform die Regel werden. Entscheidend ist jedoch, daß dieses Geld nicht länger der Subventionierung von Besitz dient, sondern der Allgemeinheit zugute kommt.
Da die Größe der Wohnung zukünftig für Mieter und Besitzer gleichermaßen eine finanzielle Belastung darstellt, werden alle einen Anreiz haben, ihren Bedarf an Wohnraum zu kalkulieren. Für den Besitzer bedeutet der Leerstand von Wohnraum, oder die Nutzung einer Zweit- und Drittwohnung, zukünftig nicht mehr lediglich einen Einnahmeausfall: Beides wird er finanziell deutlicher als heute zu spüren bekommen. Dies wird einen verantwortlicheren Umgang mit diesem wichtigen Gut unterstützen.
Mit der Überwindung der Massenarbeitslosigkeit und dem Rückgang leistungsloser Einkünfte in der nach-kapitalistischen Gesellschaft wird die Kluft zwischen privilegierten und unterprivilegierten Wohnraumnutzern geringer. Die angemessene Entlohnung der Erziehungsarbeit wird die Situation von Familien auf dem Wohnungsmarkt verbessern.
Mittel- und langfristig kann die öffentliche Hand den allgemeinen Anspruch auf Wohnraum über die Höhe der Grundstückspacht regulieren.
Die Verbrauchssteuern
Die Notwendigkeit einer ökologischen Steuerreform für das Überleben der Menschheit braucht an dieser Stelle nicht näher erörtert zu werden. Die deutliche Senkung der arbeitsbezogenen Steuern ist ein wesentlicher Schritt in diese Richtung (siehe Kapitel: ‹Chancen für den Standort Deutschland›). Zusätzlich müssen internationale Lenkungsmechanismen wirksam werden, die den Ressourcenverbrauch drastisch verteuern und ökologisch sinnvolles Verhalten belohnen. Im Gegensatz zur heutigen Situation können nach der Reform höhere Verbrauchssteuern realisiert werden, weil der Verbrauch von Produkten und Ressourcen nicht mehr notwendig ist, um das Wirtschaftsgeschehen anzuregen. Durch die freiwirtschaftliche Reform erhalten Endverbraucher und Wirtschaft einen erheblichen Kaufkraftzuwachs. Erst das schafft Spielräume, um die Steuern auf übermäßig belastende Produkte und umweltschädigendes Verhalten deutlich zu erhöhen. Dienstleistungen aller Art werden die Nachfragelücken füllen, die mit der Überwindung der Wegwerfgesellschaft entstehen könnten.
Viele Agrarprodukte werden beispielsweise durch sinkende Kapitalkosten bei Bauern und Händlern billiger. In einem entsprechenden Umfang könnte der Einsatz von Pestiziden, Insektiziden, Medikamenten und Kraftfutter höher besteuert werden. Dies verschafft dem ökologischen Landbau und mit Chemie sparsam haushaltenden Landwirten Preisvorteile. Ökologische Produkte werden somit auf marktwirtschaftliche Weise konkurrenzfähig.
Auch die pharmazeutische Industrie würde wegen des hohen Kapitaleinsatzes in besonderer Weise von geringen Kapitalkosten profitieren. Würde dies dazu führen, daß Medikamente im großen Umfang billiger angeboten werden, könnte eine Erhöhung des Medikamentenverbrauchs die Folge sein. Im Sinne der Volksgesundheit müßte auch hier eine Steuererhöhung die geringeren Produktionskosten ausgleichen.
Gleiches gilt für die Produkte der petrochemischen und der holzverarbeitenden Industrie sowie für alle anderen Branchen, deren Produktion Böden, Luft und Wasser verschmutzen.
Im Bereich der sozialen Dienstleistungen kann der Staat sein Engagement tendenziell verringern. Die sinkende Kapitalrendite macht in Zukunft viele Investitionen rentabel und privatwirtschaftlich durchführbar. Einrichtungen, die heute der Staat unterhält, weil sie betriebswirtschaftlich unrentabel sind, werden mit billigem Geld finanzierbar. Private Investoren, beziehungsweise Unternehmer, können so Alternativen zur staatlichen Infrastruktur aufbauen.
Die heute berechtigten Einwände gegen die Privatisierung staatlicher Leistungen ergeben sich aus den damit verbundenen zu hohen Kapitalkosten. Eine Investition erzwingt eine ‹angemessene› Eigenkapitalrendite und in der Regel die Fremdkapitalverzinsung. Da das Kapital aber selbst bei ungeheurem Überangebot zu teuer ist, verweigert es sich den meisten Investitionen im sogenannten Sozial- und Kulturbereich. Wenn die Kapitalkosten gegen Null fallen, können mehr Einrichtungen durch private Initiative finanziert werden. So wird der Staat in vielen Fällen als Bauträger überflüssig. Nach und nach können auch die damit verbundenen Dienstleistungen privatisiert werden. Da diese im Wettbewerb miteinander konkurrieren und staatlicher Verwaltungsaufwand entfällt, werden dem Bürger zukünftig preisgünstige und attraktive Angebote zur Auswahl stehen.
Das Unternehmen Kindergarten
Bei minimalen Kapitalkosten und einer Reduzierung der Lohnkosten können Kindergärten als Privatbetriebe gebaut und organisiert werden. Kleine Betriebe, mit einer überschaubaren Anzahl von Gruppen und Mitarbeitern, ersparen sich die Verwaltungskosten der großen Verbände. In Konkurrenz mit anderen Anbietern sind die Einrichtungen auf ein überzeugendes pädagogisches Konzept und ein gutes Arbeitsklima angewiesen. Ein guter Ruf ist für die Belegung und damit für die Wirtschaftlichkeit lebenswichtig. Die Eltern werden in der Regel Auswahlmöglichkeiten haben. Die Konkurrenz zwischen verschiedenen Anbietern belebt das Geschäft und optimiert das Angebot.
Das freie Bildungswesen
Seine Verantwortung für ein optimiertes Bildungswesen kann der Staat nicht aufgeben. Dringend nötig ist jedoch ein lebhafterer Wettbewerb im Schul- und Hochschulwesen. Auch hier kann sich der Staat weitgehend zurückziehen und den Eltern und Schülern die Auswahl und Finanzierung ihrer Schule überlassen. Privatschulen werden als gewinnorientierte Betriebe konkurrenzfähig sein, wenn sie keine hohen Kapitalkosten erwirtschaften müssen.
Die staatliche Schulverwaltung ist ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten. Privat geführte Schulen können sich den Bedürfnissen der Gegenwart effektiver, schneller und vor allem in vielfältigerer Weise anpassen. Lehrer können sich an Schulen bewerben, die ihren pädagogischen Vorstellungen entsprechen. Schulleiter verwalten einen Gesamtetat, der für eine Modernisierung, für mehr Lehrer, besonders qualifiziertes Personal oder vielleicht für pädagogische Zusatzangebote eingesetzt werden kann. Kleine Einrichtungen mit wenigen Klassen konkurrieren mit großen Schulen, die ein breiteres Fächerspektrum anbieten. In einigen Schulen sind nur wenige Schüler pro Klasse, dafür bieten andere zum Beispiel ein umfangreiches Freizeitangebot.
Jedem Schüler wird vom Staat, entsprechend der Einsparungen durch ausbleibende Finanzierungskosten und über Bodenfonds, ein ausreichend hohes Ausbildungsgeld zur Verfügung gestellt. Dieses Ausbildungskonto in Form eines Guthabens verwalten zunächst treuhänderisch die Eltern. Diese bezahlen davon die jeweils gewählte Einrichtung. Später steht dieses Bildungskonto dem Auszubildenden zur Verfügung und sollte für rund zwanzig bis fünfundzwanzig Jahre Bildung ausreichen. Ob dieses Guthaben in ein Hochschulstudium in jungen Jahren oder von einem Fünfzigjährigen in eine Weiterbildungsmaßnahme gesteckt wird, bleibt jedem Einzelnen überlassen.
Hat der Lernende dieses Guthaben ausgeschöpft, kann er am Kapitalmarkt weiteres Geld aufnehmen. Da nicht die heute üblichen Zinsen anfallen, ist die Rückzahlung ebenso unproblematisch wie beim staatlich verwalteten, zinslosen Darlehen. Die staatlich verwaltete Ausbildungsförderung erübrigt sich.
Der Markt für Bildungsangebote wird sich den Bedürfnissen entsprechend entwickeln, wobei die Qualität aufgrund der Anforderungen des Einzelnen steigt. Im Idealfall werden mehr Kreativität, Phantasie und Effektivität, wie sie heute im Bereich der Werbung selbstverständlich sind, im Bildungsbereich Einzug halten. Die Lehrenden werden stärker gefordert sein als heute. Im Gegenzug dafür haben sie es mit motivierteren Menschen zu tun. Es braucht letztlich weder einen Zwang zur Bildung zu geben, wie dies heute der Fall ist, noch wird sie ein Privileg sein. In einer entwickelten Gesellschaft muß es möglich sein, daß Bildung ein allgemeingültiges Recht freier Menschen ist.
Die zukunftsfähige Altersversorgung
Die staatlich vorgeschriebene Altersversorgung sollte übergangsweise erhalten bleiben. Die Umgewöhnung von der staatlichen Reglementierung zur Eigenverantwortung wird nicht allen Menschen auf Anhieb gelingen. Ohne Massenarbeitslosigkeit, bei einer ausgeglichenen Verteilung der Vermögenswerte und mit einem dauerhaft stabilem Geld wird jedoch jeder Bürger in der Lage sein, privat eine solide Alterssicherung aufzubauen. Da in der post-kapitalistischen Gesellschaft die Gefahren von Wirtschaftskrisen mit flächendeckenden Zusammenbrüchen nahezu ausgeschlossen sind, wird die individuelle Altersversorgung nicht mehr auf so wackligem Boden stehen wie heute. Ein Rückzug des Staates bietet sich von selbst an, ohne daß sich dadurch Menschen in ihrer Sicherheit bedroht fühlen.
Das durchschnittliche Geldvermögen der Deutschen liegt je Haushalt bei rund 130.000 Mark. Hinzu kommen Aktienbesitz, Grundbesitz, Immobilien und Anlagevermögen. Wenn dieser Reichtum, Bodenbesitz ausgeschlossen, einigermaßen leistungsorientiert verteilt ist, besteht ein ausreichend dickes Polster für eine gute Alterssicherung. Die Milliardenbeträge, die sich derzeit in den Kassen weniger Familien anhäufen, werden zukünftig einer Vielzahl von Menschen zur Verfügung stehen.
Wenn ein Mensch nach 30 Jahren Berufstätigkeit keinen nennenswerten Besitz hat, dann liegt das nur selten daran, daß er gnadenlos gepraßt hat. Viel mehr fällt ins Gewicht, daß ihm vom Staat, seinem Vermieter oder den Banken ein erheblicher Teil des Verdienstes ‹abgeknöpft› wurde. Jede dritte Mark, die wir ausgeben, ist heute eine Zinsmark. Das heißt, mit jeder Mark die wir ausgeben - ob für ein Glas Sprudel oder für die Miete - werden wir im Durchschnitt um 33 Pfennige beraubt. Es ist daher selbstverständlich, daß es vielen nicht gelingt, ausreichend Rücklagen zu bilden. Der volle Arbeitsertrag wird es allen arbeitenden Menschen ermöglichen, ausreichend Eigentum und Rücklagen anzusparen.
Die Förderung, und damit Lenkung, eines großen Bereichs des Kulturlebens durch den Staat kann nicht als endgültig wünschenswerter Zustand begriffen werden. Auch wenn es unter den gegenwärtigen Bedingungen unverzichtbar erscheint, daß der Staat mit dem Einsatz von Steuern ein gewisses Qualitätsniveau im Kulturbetrieb aufrechterhält. Sinnvoller wäre es, wenn es jedem Menschen freistünde, Teile eines höheren Arbeitsertrags für die Förderung des Geisteslebens auszugeben. Beispielsweise durch den Erwerb von Kunstwerken, den Besuch von Theatervorstellungen, durch Wahl freier Schulen oder die finanzielle Beteiligung an kulturellen Unternehmungen.
Die zunehmende Kaufkraft der Gesamtbevölkerung belebt die Entfaltung eines freien Kulturlebens. Zwei weitere Faktoren unterstützen diese Entwicklung:
· Wie erwähnt, werden im Zuge einer freiwirtschaftlichen Geld- und Bodenreform die Lohnnebenkosten sehr viel geringer ausfallen als heute. Hieraus ergibt sich, daß die individuelle, künstlerische Tätigkeit billiger und damit konkurrenzfähig wird. Statt Massenkonsum wird die Leistung des Künstlers in den Vordergrund des kulturellen Geschehens treten. Was sich heute nur eine wohlhabende Minderheit leistet, beispielsweise eine private Performance oder ein Kammerkonzert im familiären Rahmen, wird dann für die breite Masse erschwinglich sein. Theater-, Konzert- und Opernbesuche werden erheblich preiswerter sein. Dementsprechend steigen auch Nachfrage und Angebot. Eine Subventionierung durch Steuermittel wird damit überflüssig.
· Da die Existenzsicherung in Zukunft mit immer weniger Aufwand erreichbar ist, wird bei der Berufswahl das reine Geldverdienen an Bedeutung verlieren. Für den Einzelnen wird der Wunsch nach Entfaltung, gesellschaftlicher Anerkennung sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Lebensplanung in den Vordergrund treten. Mehr Menschen werden sich künstlerisch kreativen Aufgaben zuwenden. Auch dieser Effekt wird zur Belebung unserer Kulturlandschaft beitragen.
Das europäische Hochmittelalter hat auf vielfache Weise gezeigt, zu welcher handwerklichen und kulturellen Leistung Gesellschaften fähig sind, wenn sie von der destruktiven Kraft zinstragenden Geldes befreit sind. Durch die breite Streuung von Wohlstand und Kaufkraft in der Zeit der Brakteaten[67] erblühten Kunst und Kunsthandwerk ebenso wie die Badekultur und die Spendenbereitschaft[68]. Bürger aller Stände finanzierten mit ihren Spenden architektonische Meisterleistungen. Die 8.000 Bürger der Stadt Ulm begannen damals den Bau einer gewaltigen Kirche, mit dem bis heute höchsten Kirchturm der Welt. Und trotzdem bestimmten buntes Markttreiben, aber auch Müßiggang den Lebensrhythmus vieler Menschen. Neunzig kirchliche Feiertage und weitere zwei arbeitsfreie Wochentage[69] sind ein deutliches Zeichen für die Qualität der gesellschaftlichen Entwicklung. Heute würde man eine Forderung nach so vielen Feiertagen mit dem Begriff ‹Freizeitgesellschaft› brandmarken und sie als «Totengräber» unserer Volkswirtschaft bezeichnen.
Im Bereich der Produktion wird das finanzielle Engagement des Staates nach der Geld- und Bodenreform nicht mehr notwendig sein, da diese nicht mehr durch Subventionen künstlich aufgebläht werden muß. Wenn sich das Geldkapital dem Markt nicht mehr entziehen kann, wird es immer ausreichend vorhanden sein.
Die staatliche Förderung von Groß- und Spitzentechnologien ergibt sich heute aus der Notwendigkeit, der heimischen Industrie Vorteile gegenüber ausländischen Konkurrenten zu verschaffen. Sie hat zusätzlich die Funktion, Profite selbst dann noch zu gewährleisten, wenn die Konsumenten als Nachfragende längst abgewunken haben. Von daher wirkt die staatliche Förderung verzerrend und schafft Technologien und Bauwerke, für die es keine wirkliche Nachfrage gibt.
Um eine Vorstellung davon zu geben, in welchem Umfang Steuerverschwendung eingespart werden könnte, hier einige Beispiele:
Bei den Plänen zur Kanalisierung und zum weiteren Ausbau der Schiffahrtsstraßen im Osten Deutschlands können zum Vorteil von Umwelt und Steuerzahler mehrere Milliarden Mark eingespart werden.
Der Transrapid ist verkehrstechnisch überflüssig. Gäbe es irgendwo einen realen Bedarf, wären weniger Steuergelder nötig, um einen Verkauf ins Ausland zu ermöglichen. Aus Mitteln der ‹Entwicklungshilfe› und mit weiteren ‹Exporthilfen› wird eine derartige Praxis seit Jahrzehnten erfolgreich betrieben. Der Transrapid entsteht nicht aus dem Bedarf an einem neuen Transportmittel. Er wird von den Kapitalanlegern erzeugt und ist ausschließlich darauf gerichtet, ihr Kapital zu subventionieren.
Der Ausbau der Fern- und Schnellstraßen wird uns als unverzichtbarer Mobilitätsgewinn vermittelt. Als würde das Volk in Agonie und Depression verfallen, wenn es nicht jedes Jahr noch schneller über noch mehr Straßen rasen dürfte. Längst ist klar, daß Mobilität auch umweltverträglich und vor allem sozialverträglich intensiviert werden kann. Dafür braucht es langfristig allerdings mehr Personal und weniger Kapital. Streicht man alle steuerlichen Vergünstigungen für PKW-Käufer und verlangsamt den Fernstraßenausbau, ergibt sich ein Einsparungspotential in Milliardenhöhe.
Alle Fördermittel für eine umweltverträgliche Energiegewinnung werden überflüssig. Durch günstige Kredite und hohe Abgaben auf fossile Energieträger rechnen sich Investitionen für regenerative und umweltschonende Energiegewinnung auch ohne staatliche Förderung.
Die bereits gewährten Subventionen für die Atomindustrie sind leider verloren. In Zukunft kann sich der Staat jedoch darauf beschränken, den gesetzlichen Rahmen vorzugeben. Eine staatliche Finanzierung darf es im Interesse aller Menschen nicht mehr geben.
Der Bau des Jäger 90 wurde trotz des moralischen Wandels in der Bevölkerung durchgesetzt. Kaum ein Steuerzahler ist bereit, ihn mit seinen Steuern zu finanzieren. Und doch wird er realisiert.
Die Deutsche Bahn AG hat bei der Streckenplanung eine Vorliebe für extrem aufwendige und teure Hochgeschwindigkeitsstrecken entwickelt. Die Fahrzeitverkürzung gegenüber preisgünstigen Möglichkeiten mit Neigungszügen auf modernisierten Strecken sind oft gering. Der Einfluß weniger, großer Baukonzerne ist nicht zu übersehen. Bezahlen muß dies nach wie vor der Steuerzahler.
Die Airbus Industrie ist ohne Steuermilliarden gar nicht denkbar. Anstatt aber den Flugbetrieb auf das notwendige Maß zu beschränken, subventioniert der Staat diese umweltzerstörende Technologie.
Der geplante Großflughafen Berlin dient beinahe ausschließlich den Investoren und
dem Prestigebedürfnis einzelner Politiker. Der Flugverkehr insgesamt muß aus
ökologischer Notwendigkeit zwingend eingeschränkt werden. Mit einer
Modernisierung der bereits bestehenden Flughäfen und einer zukunftsfähigen
Verkehrsentwicklung wäre dieses menschenverachtende Milliardengrab überflüssig.
Bei den meisten dieser Großvorhaben wird das Argument von der Sicherung der Arbeitsplätze bemüht. Als könne man mit diesem Geld keine andere Arbeitsleistung finanzieren. Leider binden Pflegekräfte, Lehrkräfte oder Umweltberater nicht annähernd soviel Kapital an ihren Arbeitsplatz wie zum Beispiel ein Elektronikingenieur in einer Rüstungsschmiede.
Es ist fraglich, ob viele der beschriebenen Großprojekte politisch durchsetzbar wären, wenn sich das Kapital im Falle der Ablehnung anderweitig anbieten würde. Ohne die Bedrohung durch Rezession und Massenarbeitslosigkeit könnten Bürger und Politiker kapitalintensive Projekte unbelastet diskutieren und zwangloser entscheiden. Wenn sich das Kapital am Markt unterordnet und sich damit Produktion als Selbstzweck erübrigt, entfällt die gegenwärtige Motivation der Subventionierung. Der Staat kann sich weitgehend aus diesem Bereich zurückziehen, ohne eine Wirtschaftskrise zu riskieren.
Im Folgenden wird beschrieben, in welcher Größenordnung ein Null-Zins-Niveau eine gesamtgesellschaftliche Entlastung bewirkt und welche Effekte daraus abgeleitet werden können. Eine solche Darstellung ist weitgehend abstrakt. Das Geflecht der gegenseitigen Beeinflussung von Löhnen, Steuern, Kapitalkosten und der Beschäftigungslage ist nicht statisch. Die Veränderung bei einem Faktor wirkt sich vielseitig auf die anderen Größen aus. Dieses Szenario weiter auszuschmücken, bleibt der Phantasie jedes Einzelnen vorbehalten.
Nehmen wir an, die Bundesbank beschließt in einer Phase ohnehin niedriger Zinsen, wie zum Beispiel dem Jahr 1998, der obligatorischen Ausweitung der Bargeldmenge durch eine Umlaufgebühr entgegenzuwirken. Dies würde den Hang zur Liquidität bremsen und so das Kreditangebot konstant halten. Einem Anstieg der Kapitalmarktzinsen wäre so vorgebeugt.
Dem Staat ermöglichen niedrige Zinssätze, und die dementsprechend geringen Zinszahlungen, eine Verringerung der Netto-Neuverschuldung. Für verschuldete Betriebe sind die Schuldenrückzahlungen kalkulierbarer. Haben sie die Schulden reduziert, können sie eigene Rücklagen bilden, um notwendige Investitionen vorzunehmen. Beide Effekte verringern die Nachfrage nach Kapital und drücken die Zinssätze weiter nach unten. Eine stärkerwerdende Nachfrage nach günstigen Krediten kann durch die umfangreiche Entschuldung ausgeglichen werden. Wenn eine spekulative Geldzurückhaltung unwirtschaftlich ist und die Umlaufgeschwindigkeit richtig gesteuert wird, halten sich Angebot und Nachfrage im Kapitalmarkt, auch bei niedrigen Zinssätzen, die Waage.
Nehmen wir an, die öffentlichen Haushalte nutzen die sich durch geringe Zinszahlungen ergebende Entlastung ausschließlich zum Abbau ihrer Schulden. Dies würde den Kapitalmarkt weiter entspannen. Bis auf Null-Prozent-Niveau sinkende Zinssätze wären die Folge.
Im Vergleich zur heutigen Situation könnte der Haushaltsposten für Zinszahlungen - bei entsprechender Anpassung der Kreditkonditionen - um 130 Milliarden Mark kleiner ausfallen. Nehmen wir weiter an, Bund, Länder und Gemeinden nützten diese Summe ausnahmslos zur Reduzierung der Lohnsteuer. Dann bräuchte der Staat von den Arbeitnehmern, statt der aktuell fälligen 260 Milliarden Mark, lediglich 130 Milliarden Mark von den Bruttogehältern einzubehalten. Da eine Ausweitung des Konsums in dieser Größenordnung nicht sinnvoll wäre, könnten im Gegenzug die Energie- und Verbrauchssteuern um diese 130 Milliarden erhöht werden.
In dieser Bilanz verzeichnet der Staat nun wieder Mehreinnahmen von 130 Milliarden Mark. Sinnvollerweise könnte das Lohnsteueraufkommen erneut um 130 Milliarden Mark gesenkt und, parallel dazu, die Hälfte des Arbeitgeberanteils an den Sozialversicherungskosten auf die Arbeitnehmer umgeschichtet werden.
Alles in allem ergibt sich für die Lohnsteuerzahler dabei weder eine Ent-, noch eine Belastung. Die Finanzierung der Sicherungssysteme liegt nun zu drei Vierteln in ihrer Hand[70], und statt der Lohnsteuer zahlen sie verbrauchsabhängige Steuern. Die Entlastung der Arbeitgeber bei den Lohnnebenkosten erspart diesen rund 130 Milliarden Mark. Diese Einsparungen verbilligen im vollen Umfang die Arbeitskraft und schaffen so großen Spielraum für neue Arbeitsplätze: Legt man die hohen Bruttolöhne von heute zugrunde, könnten mit dieser Summe circa 2,7 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.
Die Arbeitgeber werden demnach dadurch entlastet, daß
a) die Kapitalkosten und
B) die Lohnnebenkosten
erheblich kleiner ausfallen als heute.
Die niedrigen Lohnnebenkosten und niedrigere Preise für Investitionen ersparen den öffentlichen Haushalten wiederum zweistellige Milliardenbeträge, die sie heute als Arbeitgeber beziehungsweise Investoren aufbringen müssen. Die Kommunen könnten diese Einsparungen nutzen, um die desolate soziale und kulturelle Infrastruktur anzukurbeln. Die Länder könnten freiwerdende Mittel einsetzen, um einen Bildungsfond zu gründen. Damit könnte die Privatisierung des Bildungswesens vorangetrieben werden. Der Bund sollte zusätzlich freiwerdende Mittel weiter dafür einsetzen, die Lohnnebenkosten der Arbeitgeber zu übernehmen.
Am Ende dieser Entwicklung zahlen Arbeitgeber keinerlei Abgaben an den Staat, die im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Menschen stehen. Für die Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme sind überwiegend die Beschäftigten selbst zuständig. Diese zahlen keine Lohnsteuer, müssen aber vorübergehend höhere Lohnnebenkosten hinnehmen. Schon bald jedoch werden die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung bedeutungslos werden, da billiges Geld und die verbilligte Arbeitskraft zur Schaffung von Millionen neuer Beschäftigungsverhältnisse führen wird.
Das Gros der Lohnsteuerersparnis wird durch die steigenden Verbrauchssteuern neutralisiert. Hohe Verbrauchssteuern und erheblich günstigere Dienstleistungen werden das Kauf- und Konsumverhalten drastisch verändern. Neue Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich (Gesundheit, Soziales, Kultur) schaffen zusätzlich Sicherheit und Zufriedenheit und stabilisieren die Gesellschaft. Ein entscheidendes Plus für den Standort Deutschland.
All jene, die von sozialen Sicherungssystemen leben und daher nicht von der Senkung der Lohnsteuer profitieren, werden nach diesem Rechenbeispiel durch steigende Verbrauchssteuern überproportional belastet. Und doch werden auch sie unter dem Strich auf vielfältige Weise profitieren, dadurch daß:
· Dienstleistungen erheblich günstiger werden,
· die Mieten sinken,
· die Zahl der auf Arbeitslosenunterstützung und Sozialhilfe Angewiesenen erheblich kleiner wird und so eine bessere Förderung der weiterhin bedürftigen Menschen möglich wird.
Die Wirtschaftskrise ist die Folge eines nicht funktionierenden Geldwesens. Dies gilt für alle Länder und Währungsbereiche sowie in gleicher Weise für den internationalen Handel. Die Möglichkeit der Kapitalbesitzer, durch eine zögerliche Investitionsbereitschaft eine Rendite zu erzwingen, die der Entwicklung der Kapitalmenge nicht angemessen ist, löst diese Krise aus.
Daß die Anleger dabei einzelne Kommunen, Länder, Staaten und mittlerweile sogar Kontinente gegeneinander ausspielen können, um Subventionen zu erpressen, ist lediglich eine Folge dieses Systemfehlers. Wenn sich das Geldkapital auch bei minimalen Sachkapitalrenditen zu entsprechenden Konditionen anbieten muß, werden Investitions- und Nachfrageausfälle vermieden. Zu dem heute üblichen Buhlen der Politiker um Investitionen und Investoren kommt es gar nicht erst.
Die kapitalistische Wirtschaftskrise ist auf die Jokereigenschaften des Geldes, also seine Überlegenheit gegenüber allen Waren, zurückzuführen. Daher müssen Maßnahmen zur Überwindung dieses Phänomens an diesem Punkt ansetzen. Dem Kapital muß auch bei sinkender Rendite ein Investitionsanreiz erhalten bleiben. Für die Volkswirtschaft ist es von großer Bedeutung, daß das Geldkapital ausreichend investiert, beziehungsweise reinvestiert wird. Eine hohe Rendite hingegen ist für das Funktionieren einer Marktwirtschaft weder notwendig, noch von Vorteil. Die kapitalistische Wirtschaftskrise wird durch die Korrektur der Geldordnung überwunden. Gleichzeitig verringert diese Korrektur die negativen Tendenzen, die auf zinstragendes Geld zurückführbar sind. Viele Krisensymptome, wie Überschuldung, Massenarbeitslosigkeit und Verelendung großer Teile der Bevölkerung, treten gar nicht erst auf. Viele Therapiemaßnahmen, die nur der Symptombehandlung dienen, werden nicht mehr notwendig sein.
Der Wegfall staatlicher Subventionen ist ein Beitrag zur Schaffung von mehr Marktwirtschaft und Chancengleichheit. Derzeit erlangen die geförderten Betriebe auf Kosten der Steuerzahler einen Marktvorteil gegenüber ihrer Konkurrenz. Wenn dieser Marktvorteil zur Marktüberlegenheit ausgebaut werden kann, ist dies ein wesentlicher Faktor für Konzentrationsprozesse. Ab einer gewissen Dimension verursacht dies zwangsläufig steigende Preise. Letztlich bezahlt der Verbraucher überhöhte Preise, die durch seine Steuergelder erst ermöglicht wurden.
Weitaus
folgenreicher aber ist die Verzerrung des Marktes durch die milliardenschweren
Zins-Transfer-Zahlungen. Während heute eine kleine Zahl großer Konzerne
gewaltige Überschüsse durch die Ausleihung ihrer Rücklagen erwirtschaftet, muß
die große Masse der Betriebe zu den allgemeinen Betriebskosten, und noch vor
der Ausschüttung eines Unternehmergewinns, Milliarden Mark an Zinsen
erwirtschaften. Die Eigenkapitalquote deutscher Unternehmen lag in den
fünfziger Jahren bei 40 Prozent und verharrt seit den achtziger Jahren bei nur
18 Prozent.[71] Daraus
ergibt sich, daß der Großteil kleiner und mittelgroßer Betriebe, aber auch
Konzerne, die hoch verschuldet sind, entsprechende Zinslasten an kapitalstarke
Konzerne tätigen müssen.
Diese ständig
wachsende monetäre Umverteilung verzerrt die Marktchancen wie kein zweiter
Faktor. In vielen Branchen spielt das unternehmerische Geschick eine geringere
Rolle als die Kapitalstärke. Billiges Geld dagegen fördert die Konkurrenz,
schafft kleinere Einheiten, dezentrale Besitzverhältnisse und reguliert so den
Markt.
Nach der Geldreform ist es den Arbeitnehmern, denen ihr Einkommen zu gering ist oder denen ihre Anstellung zu langweilig ist, ein Leichtes, sich mit Gleichgesinnten zusammenzutun, um sich mit billigem Geld selbständig zu machen. Solange irgendwo Kapitalrenditen oder nennenswerte Unternehmergewinne zu erzielen sind, werden sich neue Bewerber einfinden, um ein Stück vom Kuchen zu erhalten. Denn selbst wenn keine nennenswerten Renditen zu erwirtschaften sind, steht das Kapital weiter zur Verfügung. Geld, das unter Angebotszwang gesetzt wird, kann sich auch bei fallenden Renditen nicht verweigern. So erzwingt das Geldkapital immer neue Investitionen und Angebote, also auch neue Konkurrenten und minimale Preise.
Da auch keine relevanten Zinsgewinne entstehen, mit denen lästige Konkurrenten aufgekauft werden können, werden Akkumulationsprozesse verhindert. Die Forderungen des Kapitals, mit administrativen Maßnahmen Schranken zu setzen, sind lediglich bedingt wirksam. Mit Reglementierungen den Gesetzmäßigkeiten des Marktes entgegenzutreten, schafft nur neue und unter Umständen schwerwiegendere Probleme. Will man darauf verzichten, kapitalstarke Firmen zu enteignen, gibt es letztlich nur die Möglichkeit, über niedrige Zinssätze deren Kapitalüberlegenheit und die daraus resultierenden Konzentrationsprozesse zu überwinden.
Skeptiker mögen einwenden, daß auch bei einem Null-Zins-Niveau Konzerne wie das RWE die Möglichkeit haben, Konkurrenten aufzukaufen. Das ist richtig, nützt ihnen aber auf Dauer nur bedingt, da bei niedrigen Kapitalmarktzinsen sofort neue Anbieter auftauchen, wenn eine Rendite deutlich über den Betriebskosten durchgesetzt wird. Nur wenn die Kapitalmarktzinsen dauerhaft gegen die Null-Prozent Marke tendieren, hat die Marktwirtschaft eine Chance.
Die staatliche Verteilungspraxis ist eine Quelle der Korruption. Erfahrungsgemäß geht mit der Zunahme der zu verteilenden Gelder das Augenmaß, sowie das Verantwortungsgefühl verloren. Es macht allerdings wenig Sinn, einzelne Politiker und Beamte anzuprangern. Schon gar nicht, wenn wir uns eingestehen müssen, daß wir ab einer gewissen Summe selbst fehlbar werden könnten. Wenn es um Milliardenentscheidungen geht, sind ein paar hunderttausend Mark Bestechungsgeld doch ‹peanuts›. Die staatliche Verteilungspraxis kultiviert die Bestechlichkeit regelrecht. Zum Thema Korruption schrieb ‹Die Zeit›:
«Der Nobelpreisträger für Ökonomie, Gary S. Becker, hat einmal gesagt, wenn die Menschen die Korruption vollständig beseitigen wollten, müßten sie den Staat abschaffen».[72] In letzter Konsequenz ist diese Erkenntnis sicherlich richtig, ganz so radikal braucht man jedoch nicht vorzugehen, um die Korruption auf ein unbedeutendes Maß zu reduzieren.
Über die Geldreform verschafft der Staat den Betrieben bei den Kosten eine erhebliche Entlastung. Die staatlich gelenkte Verteilung von Steuermitteln über den Forschungsetat erübrigt sich. Gleiches trifft auf alle bereits beschriebenen Ausgabenbereiche zu. Dies betrifft den Raketenbau ebenso wie die Energiegewinnung. Wird weniger Geld verteilt, sind entsprechend weniger Entscheidungshierarchien notwendig. Entsprechend sinkt die Anfälligkeit für Bestechlichkeit. Leicht manipulierbare Steuerverschwendungs-Bürokratien, die stärker von Lobbyisten als von Wählern beeinflußt werden, verlieren an Bedeutung. Selbst in einer Megabehörde, wie der EU-Verwaltung, wird die Korruptionsanfälligkeit verringert, wenn die Subventionsetats dahinschmelzen.
Die Geldreform wird einen Boom von Neugründungen und damit eine Zunahme der Konkurrenzsituation auslösen. Umso mehr Konkurrenten, desto problematischer wird es sein, Preisabsprachen zu treffen und Kartelle zu bilden. Der Einfluß der mächtigen Multis wird mit ihrer Kapitalüberlegenheit zurückgehen. Auch die Gewinne der Großbanken und Großspekulanten werden kleiner ausfallen. Dementsprechend wird sich deren Einfluß verringern. Manipulative Einflußnahme auf Konkurrenten, Politiker und Verwaltungen werden erschwert.
Ein positiver Nebeneffekt der gelegentlichen Bargeld Umtauschaktionen besteht im ‹Aufstöbern› krimineller Gelder jeglicher Art. Geld aus Überfällen, Erpressungen, Betrug, aus Drogen-, Waffen-, oder Menschenhandel sowie Bargeldbestände, die zum Zwecke der Steuerhinterziehung oder Bestechung gehalten werden, müssen dann schneller als heute gewaschen werden. Es ist Eile geboten, die das Risiko der Enttarnung zwangsläufig steigert. Gelder des organisierten Verbrechens würden im großen Maßstab auffliegen und so diesen Erwerbszweig erheblich schädigen. Erpressungsgelder, wie zum Beispiel die Oetker- und Reemtsma-Millionen, die lange verborgen bleiben, werden in kürzester Zeit schlicht wertlos.
Vollbeschäftigung können wir uns nicht mehr leisten. Davon sind heute sogar viele Gewerkschafter überzeugt. Allen Arbeitswilligen Arbeit zu vernünftigen Löhnen anzubieten, dazu fehle unserer Gesellschaft das Geld, glauben sie. Es würde die Waren unerträglich verteuern und so die Betriebe in den Konkurs zwingen. Um die Größenordnungen anschaulich zu machen, zeigt die folgende Grafik die Zinsbelastung unserer Gesellschaft in den Jahren 1988 und 1992. In diesem Zeitraum stieg das Zinsniveau am Kapitalmarkt um 50 Prozent, von sechs auf neun Prozent an.
1992 waren die Zinslasten in Deutschland um 202 Milliarden Mark höher als noch 1988. Wäre es mit Hilfe niedriger Zinssätze gelungen, die Aufwendungen für Zinsen 1992 auf dem Niveau von 1988 zu halten, hätten mit dem eingesparten Betrag die Bruttolöhne von über vier Millionen Menschen bezahlen werden können. Um die volkswirtschaftliche Arbeitsleistung konstant zu halten, wäre unter diesen Bedingungen eine Arbeitszeitverkürzung auf 33 Stunden pro Woche nötig geworden.
Kapitalmarktzinsen um die null Prozent hätten der Volkswirtschaft schon 1992 Ausgaben von über 440 Milliarden Mark erspart. Eine Summe, die ausreicht, um die Bruttolöhne für neun Millionen Menschen oder den gesamten Bundeshaushalt zu finanzieren. Bereits eine Annäherung der Kapitalmarktzinssätze an die Null-Prozent-Marke würde genügend Entlastung bringen, um Vollbeschäftigung finanzieren zu können. Mit einer optimal funktionierenden Währung und einem modernen Steuersystem wird es keine erzwungene Arbeitslosigkeit mehr geben. Jeder Arbeitswillige wird die Möglichkeit haben, mit seinen Fähigkeiten am Markt aufzutreten. In dem Maße, wie es seine Talente ermöglichen, kann er mit allen übrigen Marktteilnehmern in Konkurrenz treten. Überall dort, wo andere Gewinne erwirtschaften, kann er sich um einen Anteil an diesen Gewinnen bemühen. Der entscheidende Unterschied zu heute ist, daß sich das notwendige Kapital zu günstigeren Bedingungen anbietet. Der unternehmerisch Tätige wird keine hohen Kapitalkosten haben, und die Kapitalüberlegenheit eines Mitkonkurrenten wird keine große Rolle spielen.
Die Entlastung der Arbeitskraft durch den Wegfall von Kapital-, Steuer- und Abgabenbelastung macht diese beinahe grenzenlos konkurrenzfähig. Es entsteht ein riesiger Pool neuer Arbeitsplätze in Handwerk, Kultur und allen Dienstleistungsbereichen.
Die Schlagzeile, die jeden Unternehmer erfreut:
Schlußverkauf bei ihrer
Bank!
Heute Investitionskredite
schon ab 1,5 Prozent!
Ein Null-Zins-Niveau[73] entlastet nicht nur die öffentlichen Kassen, sondern vor allem die Betriebe. Da die Summe der Schulden der Unternehmen etwa doppelt so hoch ist wie die der öffentlichen Haushalte, schlägt sich eine Verringerung der Zinssätze deutlich in ihren Bilanzen nieder.
Die Unternehmen werden zudem direkt durch die geringeren Zinszahlungen und Steuern entlastet. Indirekt drückt der geringe Kapitalmarktzins auch auf die Renditen und Gewinnausschüttungen. Die Sachkapitalrendite kann nicht auf hohem Niveau verharren, wenn Konkurrenten mit billigem Geld und geringer Renditeerwartung auf den Markt drängen. Nach den Gesetzen der Marktwirtschaft wird auch die Sachkapitalrendite gegen Null fallen, wenn die Märkte gesättigt sind.
1993 zahlten die Produktionsunternehmen 252 Milliarden Mark Zinsen an die Banken. Bereits eine Halbierung der Zinssätze hätte ihnen eine Entlastung von 126 Milliarden Mark verschafft, ein Null-Zins-Niveau sogar eine Ersparnis von über 200 Milliarden Mark.
Wahrscheinlich wird es im Bereich der industriellen Produktion auf absehbare Zeit kaum mehr Beschäftigung geben. Die Verbrauchssteuern müssen aus ökologischer Notwendigkeit den Absatz vieler Produkte bremsen. Außerdem wird die Automatisierung weiter voranschreiten und menschliche Arbeitsleistung weiter ersetzen. Die finanziellen Spielräume der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber werden aber zu erheblichen Arbeitszeitverkürzungen führen. Nach der Geldreform wird es die Sache der Gewerkschaften sein, um einen angemessenen Anteil an den beschriebenen Einsparungen für Neueinstellungen und Arbeitszeitverkürzungen bei vollem Lohnausgleich zu kämpfen. Bei guten Bilanzen macht der Kampf um mehr Lohn und kürzere Arbeitszeiten auch wieder Sinn. Außerdem wird dadurch die Motivation und die Zufriedenheit der Beschäftigten steigen. Auch dies ist ein wesentlicher Standortfaktor im Zeitalter von Information, Innovation und globaler Konkurrenz.
Ökosteuern fördern Arbeitsplätze
Eine Umwandlung der Hälfte des Lohnsteueraufkommens in verbrauchsorientierte Steuern ist mit dem gegenwertigen Geldsystem völlig undenkbar. Würden viele Bürger ihr Verhalten zugunsten der Umwelt verändern, hätte dies heute katastrophale Folgen. Erst wenn ein Produktionsrückgang nicht automatisch zur Wirtschaftskrise führt, kann der Staat ökologisch unverträgliches Verhalten beliebig verteuern.
Durch niedrige Zinsen wird eine Tendenz zu mehr Investitionen entstehen. Entsprechend der Entlastungen bei den Kapital- und Personalkosten, müssen die Betriebe für umweltbelastendes Verhalten zur Kasse gebeten werden. Mit einer ökologischen Steuerreform müssen deshalb Energie- und Rohstoffverbrauch sowie umweltbelastende Herstellungsverfahren drastisch verteuert werden. Durch ökologisch orientierte Verbrauchssteuern bremst der Staat die Nachfrage nach belastenden Produkten und macht so gewisse Bereiche unwirtschaftlich, wodurch andere Bereiche an Bedeutung gewinnen. So werden zum Beispiel die Produkte einer weitgehend automatisierten Möbelfabrik, mit hohem Material- und Energieaufwand sowie umweltbelastenden Fertigungsverfahren, teurer werden. Gleichzeitig wird die Arbeit von Schreinern und Tischlern günstiger, ernsthaft konkurrenzfähig und entsprechend wichtiger für die Volkswirtschaft.
Die Kaufkraft nimmt durch die Steuerreform nicht ab. Sie wird lediglich in verträgliche Produkte oder in die verstärkte Nachfrage nach Dienstleistungen umgelenkt. Nur so ist eine nachhaltige und auf Dauer die Umwelt bewahrende Wirtschaftsweise erreichbar.
Rüstungsaufträge zur Sicherung von Wachstum und Arbeitsplätzen braucht es nach der Geldreform nicht mehr. Bei der Verabschiedung des Rüstungsetats bietet sich den Parlamenten somit eine völlig andere Entscheidungsgrundlage als heute. Weniger gegängelt durch sogenannte Sachzwänge können Regierung und Abgeordnete ungezwungener entscheiden. Wer in Zukunft mit Rüstung Geld verdienen will, muß sich ebenso wie andere Unternehmer und Investoren den Regeln der Marktwirtschaft unterwerfen. Heute finanziert der Staat, oft im voraus, die Entwicklung von Produkten und garantiert häufig eine Mindestabnahme. Dabei kauft er allzu oft die ‹Katze im Sack›. Eine Praxis, die den Gesetzen der Marktwirtschaft widerstrebt.
Für den Jäger 90/Eurofighter zahlte der Steuerzahler bereits acht Milliarden Mark, bevor ihm das erste Exemplar zum Kauf angeboten wurde.[74] Daß die Anschaffung zum veranschlagten Stückpreis und in der nötigen Menge bis ins Kabinett hinein umstritten war, spielte letztlich keine Rolle.
In einer funktionierenden Marktwirtschaft werden ‹die
Spielregeln› anders gestaltet. Im Vertrauen auf die Leistungsfähigkeit unserer
Industrie und die Vorteile, die ihr durch die beschriebenen Reformen zugute
kommen, verzichtet der Staat zukünftig auf langfristige Preis- und
Abnahmegarantien. Ein gewinnorientiertes Unternehmen muß sich an Marktanalysen
orientieren. Es ist die Sache der Produzenten, sich ausreichend Gedanken über
die Entwicklung des Marktes zu machen. Bei der Beurteilung der politischen
Rahmenbedingungen sind diese nicht schlechter dran als Politiker und
Bürokraten. Am Markt vorbei zu entwickeln, ist ein mögliches Risiko und
charakteristisch für die Marktwirtschaft. Dieses Unternehmerrisiko kann und
soll ihnen niemand abnehmen. Das fertige Produkt, mit dem entsprechenden Preis,
wird den Militärs und dem Parlament vorgestellt. Die Parlamentarier entscheiden
dann aktuell, in welchem Umfang welche Waffensysteme gekauft werden. Das
günstigste Angebot sticht. Mit Sicherheit wird dies bewirken, daß etliche
Waffensysteme, die heute bereits viele Jahre im voraus gekauft werden, gar
nicht erst in Produktion gehen.
Das Argument, mit staatlicher Unterstützung den Anschluß an die Zukunftstechnologien sichern zu müssen, erübrigt sich. Die Betriebe haben durch die Reformen ausreichend Ressourcen, um die notwendige Forschung, einschließlich der Grundlagenforschung, selbst zu finanzieren. Wenn ein potentieller Anbieter die notwendigen Mittel nicht aufwenden will, verzichtet er auf ein mögliches Geschäft. Wahrscheinlich werden andere Firmen diese Lücke nutzen. Tun sie dies nicht, dann deshalb, weil sie davon ausgehen müssen, daß für ein Produkt kein Bedarf vorhanden ist.
«Freiheit, das heißt keine Angst haben vor Nichts und Niemanden!»
Konstantin Wecker[75]
Sowohl die Planwirtschaft als auch der Kapitalismus basieren auf Unterdrückung und Bedrohung des Individuums.
Die planwirtschaftliche Gesellschaft beraubt ihre Bürger der freien beruflichen und politischen Entfaltung. Sie unterdrückt individuelle Leistungsbereitschaft und Kreativität. Dadurch ist dieses System darauf angewiesen, so viel Angst zu erzeugen, daß die Bürger bereit sind, die Einschränkungen zu ertragen.
Das kapitalistische System selektiert durch einen extrem beschränkten Zugang zu Kapital und Boden und damit zu den Produktionsgütern. Durch die ungebremste Akkumulation von Besitz und Macht werden immer größere Teile der Bevölkerung ihrer Existenzgrundlagen beraubt. Damit entzieht es dem Gros der Menschen die Möglichkeit, sich frei zu entfalten. Zwingenderweise müssen solche Verhältnisse durch physische und strukturelle Gewaltanwendung abgesichert werden. Nur Angst und Resignation lassen die Menschen ein unwürdiges Schicksal akzeptieren.
Die freiwirtschaftliche Geld- und Bodenreform macht es möglich, die Rolle des Staates auf seine hoheitlichen Aufgaben zu reduzieren. Die Ausgaben, die heute zur Regulierung des Marktes aufgebracht werden, entfallen. Durch die Minimierung negativer Tendenzen verringert sich die Notwendigkeit, regulierend eingreifen zu müssen. Infolgedessen kann sich der Staat aus vielen Bereichen zurückziehen, in denen er heute unerläßlich ist. Dies wird eine gewaltige Entstaatlichung der Gesellschaft bedeuten und ist die Grundlage für eine wirkliche Marktwirtschaft.
Die freiwirtschaftliche Reform ist wirtschaftsliberal, da sie viel stärker als dies heute üblich ist, auf marktwirtschaftliche Prozesse aufbaut. Das sich zu günstigen Konditionen anbietende Kapital ermöglicht die Verwirklichung der wirtschaftsliberalen Grundsätze. Auf einem freien Markt kann jeder zu gleichen Bedingungen als Konkurrent auftreten und so dafür sorgen, daß sich die Preise auf ein denkbar niedriges Niveau einpendeln.
Hohe Steuerbelastungen und die Überlegenheit des Kapitals bedrohen mittelständische Strukturen. So stellte die ‹Wirtschaftswoche› im Februar 1998 fest:
«Für viele Mittelständler lohnt sich das Geschäft immer weniger. Sie verkaufen statt dessen ihren Betrieb und legen ihr Geld in Wertpapieren an - zum Nachteil von Volkswirtschaft und Beschäftigten».[76] Mit der freiwirtschaftlichen Reform wird sich dieser Trend umkehren. Eine vom Mittelstand geprägte Wirtschaft kann so dauerhaft die Basis der demokratischen Gesellschaft bilden.
Die freiwirtschaftliche Reform hat auch einen sozialistischen Charakter, da sie entscheidende Ursachen der Ausbeutung überwindet und allen Menschen ein Leben in Würde und sozialer Sicherheit gewährleistet.
Durch die Minimierung der Kapitalkosten hebt sie die Trennung zwischen Arbeitern und Kapitalisten faktisch auf. Die Entkapitalisierung des Geldes ist die wesentliche Grundlage dafür, die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen zu überwinden. Die Forderung der traditionellen Sozialisten, den Arbeitenden ihren vollen Arbeitsertrag zu gewährleisten, rückt mit den freiwirtschaftlichen Veränderungen in greifbare Nähe. Die automatisierten Produktionsstätten werden nicht mehr Quelle der Umverteilung von den Arbeitenden zu den Besitzenden sein. Mit dem Absinken des Geldzinses wird auch die Sachkapitalrendite fallen. Auf diese Weise verlieren Produktionsmittel ihren ausbeuterischen Charakter. Vor allem aber steht Kapital in ausreichender Menge zur Verfügung. Solange ein Bedarf vorhanden ist, bildet sich auch ein Angebot.
In einer krisenfreien Marktwirtschaft wird es über kurz oder lang zur Sättigung des Marktes kommen. Bei einer ausgewogenen Einkommensverteilung bedeutet dies eine Befriedigung der Bedürfnisse. Die Verlagerung von Kaufkraft in Höhe von mehreren hundert Millionen Mark pro Tag wird der Masse der Bevölkerung zugute kommen. Geringere Gewinnspannen bedeuten zusätzlich niedrigere Preise für die Verbraucher.
Der Staat, mit seinen planwirtschaftlichen Strukturen, wird weitgehend überflüssig. Eine ökonomische Funktion erfüllt er letztlich nur noch insoweit, als er jene unterstützen muß, denen es nicht möglich ist, ihren Lebensunterhalt selbständig zu bestreiten. Daraus entwickelt sich vielleicht das Ideal, daß der Status von schwachen, kranken und hilflosen Menschen für das Prestige einer Gesellschaft und deren Vertreter wichtiger wird, als die Leistungsfähigkeit der Rüstungsindustrie. Die weitgehende Entmündigung der Bürger durch die absurde Höhe von Steuern und Abgaben wird nicht mehr lange akzeptiert werden. Mit den neuen ökonomischen Spielräumen werden die Menschen verstärkt darüber mitentscheiden wollen, in welche Bereiche ihre Leistungen einfließen sollen.
Die freiwirtschaftliche Geld- und Bodenreform muß zwangsläufig mit einer weiteren, zum Ende des 20. Jahrhunderts ganz wesentlichen Errungenschaft verbunden werden: umweltverträglich gesellschaftliches und individuelles Handeln.
Das unsinnige Wirtschaftswachstum unserer Epoche wird schon bald ein Ende finden. Das ist definitiv.
Wir sind daran gewöhnt, politische Entwicklungen in Zeitspannen von vier bis fünf Jahren zu bewerten. Wirtschaftliche Entwicklungen werden heute auf der Basis von Zeiträumen beurteilt, die sich über zehn bis 20 Jahre erstrecken. Um jedoch historische Prozesse beurteilen und daraus weitreichende Einschätzungen vornehmen zu können, müssen Entwicklungen über den Zeitraum von Jahrhunderten betrachtet werden. Die Prognosen für den Rohstoff- und Energieverbrauch zeigen, daß ein Ende der Ressourcen und damit der Zuwachsraten absehbar ist. Auch die Luftverschmutzung, der Wasserverbrauch und die Bodenversiegelung erzwingen ein Umdenken und Umkehren. Betrachten wir die dreiprozentige Wachstumskurve, die heute von allen Politikern angestrebt wird, über einen Zeitraum von 200 Jahren, wird deutlich, wie absurd dieses Streben ist.
Fraglich bleibt lediglich, ob wir Menschen das Ende des materiellen Wachstums einer Art Urknall überlassen, der sowohl die sozialen, als auch die materiellen Grundlagen gesellschaftlichen Lebens nachhaltig zerstören wird. Oder ob wir Kraft unseres Verstandes bereit sind, auf die Bremse zu treten.
In dem Filmklassiker ‹Denn sie wissen nicht was sie tun› rasen junge Männer mit durchgetretenem Gaspedal auf einen Abgrund zu. Der Nervenkitzel begeistert die Zuschauer und bringt den Akteuren Anerkennung. Allerdings ist allen klar, daß sie rechtzeitig vom Gaspedal auf die Bremse wechseln müssen. Auch das Raumschiff Erde jagt mit immer höherem Tempo auf einen Abgrund, ein schwarzes Loch, zu. Den Lenkern in Politik und Ökonomie ist dabei jedoch noch nicht klar, wo das Bremspedal ist. Und im Unterschied zum Film sitzt das vom Fortschrittsglauben geblendete Publikum mit im Wagen.
Zweifellos hat die ethische, moralische und geistige Entwicklung des Homo sapiens nicht mit dem Tempo der technischen Entwicklung schrittgehalten. Man tut der Menschheit allerdings unrecht, wenn man ihr pauschal abspricht, das notwendige Bewußtsein zu haben. Daß ein ‹weiter so› nicht möglich ist, liegt auf der Hand. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann wir die exponentiellen Wachstumsraten überwinden. Erörtert werden muß die Frage: Welche Schritte sind für eine Kehrtwendung notwendig und sinnvoll? Wenn es nicht gelingen sollte, die notwendigen Maßnahmen rechtzeitig einzuführen, wird die Konsequenz lauten: Das ungebremste materielle Wachstum überwindet die Existenz der Menschheit. Eine Variante, für die eine Vielzahl von Szenarien zur Verfügung steht. Dem ständigen Wirtschaftswachstum ein Ende zu setzen, ist für alle Lebewesen die angenehmste aller Zukunftsaussichten.
Das Ende des Wachstumszwangs
Dem ständigen Wachstum unserer Produktion, beziehungsweise der Verbrauchsgrößen, die ökologisch notwendigen Grenzen zu setzen, ist erst dann möglich, wenn sich das Finanzkapital nicht mehr im heutigen Maße vermehrt. Die zu reinvestierende Kapitalsumme muß kleiner werden, oder zumindest auf ein erträgliches Maß begrenzbar sein, damit auch der Zwang zu immer neuen Investitionen geringer werden kann. Dies ist jedoch nur aufgrund geringerer Zinserträge zu erreichen. Tägliche Zinsgutschriften von 900 Millionen Mark, alleine in Deutschland, erzwingen eine absurde Ausweitung der Produktion. Die Minimierung dieser Zerstörungskraft entlastet die Umwelt weltweit. Wenn parallel dazu die Sach- und Geldkapitalrendite gegen den Wert Null sinken kann, werden ausreichende Investitionsmöglichkeiten vorhanden sein, die ökologisch und sozial wünschenswert sind. Es kann zwar auch weiterhin zerstörerisches Wachstum geben, aber das Kapital, das dieses Wachstum erzwingt, ist im Vergleich zu heute verschwindend gering und somit vergleichsweise ungefährlich.
Für die einzelnen Unternehmen ist von Bedeutung, daß die Kapitalbelastung abnimmt. Wenn ausreichend billiges Kapital zur Verfügung steht, entfällt der monetäre Zwang zur Produktionsausweitung. Der Betrieb kann expandieren, wenn er eine Marktchance erkennt. Er muß aber nicht mehr um jeden Preis expandieren, um seine Kapitalbelastung tragen zu können. Die Unternehmen erhalten zusätzlich Spielraum für notwendige ökologische und soziale Entwicklungen.
Arbeiten statt Produzieren
Die völlige Entlastung der menschlichen Arbeitskraft von Kapital- und Staatskosten ermöglicht den Wandel von der Produktions- zur Dienstleistungsgesellschaft. Unabhängig von volkswirtschaftlichen Bedrohungen können Politiker die Empfehlungen des Umweltgipfels von Rio und der zahlreichen Nachfolgekonferenzen umsetzen. Energie- und Rohstoffverbrauch müssen nicht länger von Abgaben verschont werden.
Überall da, wo die Arbeitskraft der maßgebliche Kostenfaktor ist, wird es durch die Reduzierung der Lohnnebenkosten zu Einsparungen kommen. Ein Theaterbetrieb oder ein Kinderheim, bei dem die Lohnkosten bis zu 80 Prozent des Gesamtetats ausmachen, wird von einer grundlegenden Geld- und Steuerreform begünstigt. Innerhalb eines Krankenhausbetriebs sinken die Kosten für Pflegekräfte und therapeutische Tätigkeiten. Dies schafft Spielraum für Neueinstellungen. Die geringeren Kapitalkosten müssen die gestiegenen Verbrauchssteuern ausgleichen. Branchen mit hohem Kapitalaufwand und geringem Personalstand werden von dieser Umorientierung nur begrenzte Zeit profitieren. Zunächst werden ihre Profite zwar steigen, in dem Maße, wie die Fremdkapital-Belastung sinkt: Das ausreichend angebotene Kapital wird aber für zusätzliche Konkurrenz sorgen, bis die Gewinnspannen minimiert sind.
Geringe Kapitalkosten fördern ökologische Entwicklungen
Ein weiterer Effekt fördert energiesparendes und damit ökologisches Verhalten bei den Verbrauchern: In Berlin-Spandau errichtete eine Wohnungsbaufirma ein ‹Null-Heizenergie-Haus›, das etwa 200.000 Mark teurer ist, als ein vergleichbares Haus herkömmlicher Bauweise.[77] Werden steigende Energiepreise zugrundegelegt, könnte sich ein Großteil dieser Investition in 70 bis 80 Jahren durch die Einsparung von Brennstoff amortisieren. Bei einer günstigeren Serienproduktion rechnen sich diese und vergleichbare Investitionen für Bauherren bereits eher. Da heute die zusätzlichen Baukosten, auf dem Kapitalmarkt aufgenommen, verzinst werden müssen, verschlechtert sich die Bilanz erheblich. Bis die Kredite für Bau- und Grundstückskosten abbezahlt sind, vergehen in der Regel 25 bis 30 Jahre. Die ursprünglichen Mehrkosten verdoppeln sich durch Zins und Zinseszins also bereits, bevor man beginnt, sie abzuzahlen. Wenn die letzte Rate fällig wird, können sich die Mehrkosten auf das Dreifache gesteigert haben. Dies ist der Grund dafür, daß eine monatliche Gas- oder Ölrechnung von den meisten bevorzugt wird.
Erst billiges Geld macht eine Investition rentabel, wenn sie hilft, Energie zu sparen, und entlastet so unseren Planeten.
«Seiner festen Überzeugung nach beobachten Frauen besser als Männer, sind scharfsinniger und besser imstande, Einzelheiten zu erkennen, die im Augenblick unerheblich scheinen mögen. Dafür (...) seien Männer bessere Lagerleiter.»
Biruté Galdikas über Louis Leakey[78]
Eine Volkswirtschaft, die ständig exponentiell wachsen muß, um den Eindruck ‹stabiler Verhältnisse› zu erwecken, kann keine Basis für eine stabile Entwicklung sein. Wo allerdings Instabilität, und damit gesellschaftliche Erschütterungen, mit mathematischer Logik zwingend in das Betriebssystem eingebaut sind, darf man nicht ruhen, bis dieser Automatismus überwunden ist. Weisen Sie die Verantwortlichen auf deren Denkfehler hin, wenn diese sich weigern oder unfähig sind, ganzheitlich und zukunftsorientiert zu denken. Überlassen Sie keine wichtige Entscheidung den ‹Lagerverwaltern›, die glauben, mit altbekannten Rezepten und mit kosmetischen Korrekturen wie bisher weitermachen zu können.
Kritiker behaupten, daß die Thesen der Freigeldtheorie zu einfache Lösungen anbieten, als daß sie den komplexen Problemstellungen gerecht werden könnten. Auf solche Einwände muß die Frage erlaubt sein: Kann ein Lösungsvorschlag falsch sein, lediglich weil er plausibel, verständlich und leicht umsetzbar ist?
Was hält die Strategen der Zentralbanken davon ab, behutsame Schritte in Richtung einer Umlaufgebühr einzuleiten? Ein Währungsrisiko ist mit den Vorschlägen sicherlich nicht verbunden. Die Furcht der sogenannten Fachleute, die niedrigen Zinssätze könnten das Kapital in gefährlichem Ausmaß zur ‹Flucht› ins Ausland treiben, ist nicht durchdacht und unlogisch. Selbst wenn Finanzkapital im Ausland bessere Renditen sucht, so würde sich dieser Effekt durch die Anpassung der Wechselkurse ausgleichen. Hinzu kommt, daß die Geldreform durch die Verringerung der Geld- und Kapitalkosten zu einer signifikanten Verbesserung des Investitionsklimas bei minimalem Risiko führt. Dies lockt unweigerlich Anleger an. Zu befürchten wäre eher, daß dieser Anreiz das Absinken der Kapitalmarktzinssätze verzögert.
Was hält aber alle Verantwortlichen derzeit davon ab, sich inhaltlich mit den Reformvorschlägen zu befassen? Ist es vor allem die Angst, sich als Außenseiter oder Phantast unbeliebt zu machen?
Wo bleibt im Währungsbereich die oft gelobte Innovationsstärke des marktwirtschaftlichen Systems? Wo steckt das geistige Risikokapital? Die Volkswirtschaftslehre geht so unbefangen mit einigen Grundlagen unserer Gesellschaft um, daß dies schon als leichtsinnig bezeichnet werden muß. So ist der Geldmengenbegriff weitgehend ungeklärt, die Geldmengenentwicklung wird lediglich indirekt und nur unzureichend gesteuert, und die vollkommen überproportional exponentiell zunehmenden Schulden- und Guthabenberge beschäftigen die Wissenschaftler kaum. Warum unternehmen die Finanzwissenschaftler keine Feldversuche, wie dies in anderen Fakultäten üblich und unerläßlich ist? Warum starten sie keine lokalen Experimente mit umlaufgesicherten Gutscheinen, wie dies bereits 1929 in Schwanenkirchen und 1930 im österreichischen Wörgl durchgeführt wurde? Es wäre schon ein Schritt in die richtige Richtung, wenn bestehende Tauschringe zum Gegenstand wissenschaftlicher Arbeit würden. So schnell die Verantwortlichen sind, wenn es darum geht, neue Ansätze zu verbieten, so träge sind sie, wenn es darum geht, mit Phantasie neue Wege zu entwickeln.
Wir haben mit den beschriebenen Reformen nichts zu verlieren, aber eine Menge zu gewinnen! Die bedrohlichen Entwicklungen, mit denen wir zum Ende dieses Jahrhunderts scheinbar ausweglos konfrontiert sind, sind durchaus abwendbar. Viele der existentiellen Bedrohungen und Fehlentwicklungen sind sowohl theoretisch, als auch in der Praxis zu lösen. Tatsächlich verlangt der Aufbruch zu neuen Ufern keinen gewaltigen Umbruch. Die Fähigkeiten und Möglichkeiten, die die Zivilisation hervorgebracht haben, geben genügend Anlaß zur Hoffnung. Worauf es letztlich ankommt, ist, daß die Ressourcen unserer Gesellschaft in den Dienst von Mensch und Umwelt worden. Die Wirtschaft und das Kapital müssen den Menschen Untertan werden.
Während viele Menschen über Jahrzehnte hinweg auf die Verheißungen des marxistischen Sozialismus gehofft haben - und nicht wenige haben ihr Leben dafür geopfert - haben auch in der Planwirtschaft die Diskrepanzen unaufhörlich zugenommen.
In der Zerstörung der Lebensgrundlagen, und bei der Ausbeutung von Mensch und Natur, unterscheiden sich Staatssozialismus und Kapitalismus nicht wesentlich voneinander. Die Widersprüche innerhalb der konkurrierenden Gesellschaftsordnungen nahmen ebenso bedrohlich zu, wie die Kluft zwischen armen und reichen Staaten.
Das schnelle und überraschende Ende der Planwirtschaft ist eine Quelle des Optimismus! Die marxistische Wirtschaftsanalyse hat zu viele fortschrittliche Kräfte jahrzehntelang auf einen Irrweg gelockt. Da diese Lehre der Vergangenheit angehört, können wir zuversichtlich sein, daß man auch bei der Überwindung des Kapitalismus schon bald einen großen Schritt vorankommt.
Die monetäre, zinsorientierte Problemanalyse ist jahrzehntelang im Kampf der Systeme untergegangen. Die historischen Machtverhältnisse wollten es so, daß sich die Marxisten mit ihrer Theorie (die Ausbeutung ergebe sich aus dem Privatbesitz an den Produktionsmitteln) durchsetzten, als es vor gut hundert Jahren um die Frage ging, wie der Kapitalismus zu überwinden sei.
Seither wurde die Frage, welche Alternative zum Kapitalismus möglich ist, nicht mehr grundsätzlich gestellt. Entweder man war für ihn, oder man war dagegen. Wer ihn ablehnte, glaubte mehr oder weniger an die Thesen von Karl Marx und unter Umständen sogar an den real existierenden Sozialismus. Andere, die sahen, daß dieses marxistisch-planwirtschaftliche System gefährliche Fehler aufwies, versuchten sich mit dem Kapitalismus zu arrangieren und ihm soziale Reformen abzutrotzen.
Die Überwindung des bürokratischen Sozialismus hat uns an einen historischen Wendepunkt gebracht. Wir haben heute - seit hundert Jahren erstmals - die Chance, das kapitalistische Prinzip in Frage zu stellen, ohne zwangsläufig auf die Planwirtschaft verwiesen zu werden.
Die Zerstörungskraft des kapitalistischen Geldes ist so ungeheuerlich, daß man es den Ökonomen nicht länger verzeihen darf, die Ursachen dafür als unabänderlich einzustufen. Millionen hungernde und verzweifelte Menschen sowie der bedrohliche Zustand unserer Ökosphäre zwingen uns, neue Wege zu erproben. Wir können es uns nicht leisten, die Zukunft der Ökonomie einer Verwaltermentalität, mit ihren typisch männlichen ‹nur weiter so› Parolen, zu überlassen.
Leserinnen und Leser, die die dargestellten Befürchtungen mit mir teilen und den beschriebenen Lösungsansatz für plausibel halten, möchte ich ermutigen die gesellschaftliche Diskussion in diese Richtung voranzutreiben. Dies ist unter anderem durch eine aktiv oder eine finanzielle Förderung der freiwirtschaftlichen Verbände möglich. Wenn viele Menschen intensive Forschung und Experimente zur Lösung des Zinswahnsinns einfordern, werden sich Wissenschaftler und Politiker verstärkt bereit erklären, diese Ziele aufzugreifen. Nur mitgliederstarke Verbände, die dieses Ziel haben, sind in der Lage die dazu notwendige Öffentlichkeit zu schaffen.
Empfehlenswert sind folgende
Gruppen:
Initiative für Natürliche Wirtschaftsordnung e.V. (INWO),
Max-Bock-Str. 55, 60320 Frankfurt;
Tel. und Fax: 069/563168;
e-Mail: 069563168-0001@t-online.de
Schweiz: Postfach 3359, CH-5001 Aarau
Österreich: Staudingergasse 11, A-1200 Wien
Christen für Gerechte Wirtschaftsordnung e.V. (CGW),
Rudelofweg 12, 14195 Berlin; Tel.:030/8312717
Seminar für Freiheitliche Ordnung e. V. (SFO),
Badstraße 35, 73087 Bad Boll
Sozialwissenschaftliche Gesellschaft 1950 e. V. (SG),
Postfach 1150, 37154 Northeim
Aktion Arbeit Umwelt Frieden, c/o Georg Otto,
Gänseberg 11, 31078 Eberholzen
[1] Leserinnen und Leser, die auf eine geschlechtsspezifische Schreibweise wert legen, mögen mir nachsehen, dass ich darauf im folgenden verzichtet habe. Auch bitte ich um Nachsicht, dass mir stellenweise eine unterhaltsame Schreibweise wichtiger war als die streng wissenschaftliche Arbeitsweise.
[2] Buchtitel von Carl Roger, amerikanischer Psychologe
[3] Aus dem Vorwort der "Allgemeinen Theorie", nach Campester, in "Der Dritte Weg", 5/1995, S. 21
[4] Adam Smith (1723 -1790), "Untersuchungen über das Wesen und die Ursachen des Volkswohlstandes", Berlin 1905, S. 127
[5] monetär: Geld bezogen
[6] Robert Kurz, "Der Kollaps der Modernisierung", S. 266
[7] Edward de Bono, "Die positive Revolution", Düsseldorf 1992, S. 29
[8] Der Spiegel, 47/1993, S. 21
[9] Die Zeit, 29.12.1995
[10] Johann Philipp von Bethmann, "Das Kartenhaus unseres Wohlstandes", Düsseldorf 1991, S. 132
[11] ebd., S. 130
[12] Der Spiegel, 29/1996, S. 82
[13] Robert Kurz, a.a.O., S. 272/273
[14] Eine der seltenen Ausnahmen ist das Buch "Der Nebel um das Geld" des Ökonomieprofessors Bernd Senf.
[15] Die Woche, 24.2.1994, S. 18
[16] Der Spiegel, 14/1995, S. 46
[17] Die Woche, 3.3.1995, S. 5
[18] Der Spiegel, 14/1994, S. 34
[19] Rita Mae Brown, "Galopp ins Glück", Reinbeck 1997, S. 176
[20] Zu den existentielle Bedürfnisse in einer entwickelten Gesellschaft gehören: Gesundheit, Nahrung, Wohnraum, Bildung, Alterssicherung, Kultur, soziale Wärme und Mobilität.
[21] Die Rendite ist die "tatsächliche Verzinsung" des investierten Kapitals.
[22] Der Spiegel, 20/1994, S. 105
[23] Die Woche, 31.3.1995, S. 13
[24] Die Woche, 18.8.1995, S. 14
[25] Zitty, 15/1996
[26] vgl.: Berliner Morgenpost, 19.1.1996
[27] Der Spiegel, 50/1997, S. 32
[28] Die Woche, 21.4.1995, S. 12
[29] Jeremy Rifkin, "Das Ende Der Arbeit und ihre Zukunft", Frankfurt/a. M. 1996
[30] ebd., S. 189 ff
[31] WDR Moderator Jürgen Thebrath im "Weltspiegel" 3.9.1995
[32] Martin Luther (1483-1546); zitiert nach Roland Geitmann, in "Zeitschrift für Sozialökonomie", 80/1989, S. 21
Anmerkung zum Lutherzitat: Unter Wucherern verstand man damals alle Personen, die für den Geldverleih Zins forderten, unabhängig von dessen Höhe. Der Geizhals war derjenige, der sein Geld einsperrt, also nicht bereit ist, es zu verleihen.
Luthers Zinskritik war nicht nur ökonomisch, sondern sehr stark auch durch seinen Antisemitismus motiviert. Dieser zweite Aspekt ist so unsinnig wie er verwerflich ist. Er sollte dennoch nicht benutzt werden, um die ökonomischen Zusammenhänge zu verschleiern, wie dies von einigen Agitatoren gelegentlich versucht wird.
[33] Südwest Presse Ulm, 16.7.1996
[34] Diese Form des Parlamentarismus wird gewöhnlich als Demokratie bezeichnet. Er stellt allerdings nur eine Säule einer möglichen demokratischen Gesellschaft dar.
[35] Fay Weldon, "Darcys Utopia", München 1992, S. 41
[36] Silvio Gesell (1886-1930), "Die Natürliche Wirtschaftsordnung", neunte Auflage, Nürnberg 1949, S. 190
[37] Westdeutsche Zeitung, 30.5.1995
[38] In welchem Umfang sich steigende beziehungsweise fallende Zinssätze auf die Höhe der Miete auswirken, vgl.: Helmut Creutz, "Bauen, Wohnen, Mieten - Welche Rolle spielt das Geld?", St. Georgen 1990
[39] Die Woche 22.4.1993, S. 14
[40] vgl.: Helmut Creutz, in: Deutsches Allgemeine Sonntagsblatt, 18.2.1994
[41] Dies ändert sich allerdings, wenn der Kapitalmarktzins drastisch sinkt.
[42] Mit dem BIP versucht man die Summe der im Verlauf eines Jahres geschaffenen Waren und Dienstleistungen zu beziffern.
[43] nach einer Idee von Helmut Creutz
[44] Durch Fremdkapital wird in den Betrieben die Kapitalverzinsung zum wichtigsten Ausgabenposten. Von den Einnahmen werden zuerst die Gläubiger bezahlt. Erst dann wird der Rest für Löhne Sachkosten und Steuern herangezogen. Wenn dann noch etwas übrig bleibt, werden Dividenden und Unternehmergewinne fällig.
[45] Berliner Morgenpost, 9.11.1995
[46] vgl.: ÖTV-Magazin, 7/8.1994, S.30
[47] vgl.: Bündnis 90/Die Grünen; Alexandra Landsberg, unveröffentlichtes Manuskript, 9.7.1996
[48] vgl.: Die Zeit, 25.4.1997
[49] Der Begriff "Freiwirtschaft" geht zurück auf Silvio Gesell (1862-1930), dem Begründer der Freiwirtschaftsbewegung. Er beschreibt eine Wirtschaftsweise, die frei von leistungslosen Einkommen und damit frei von Ausbeutung ist.
[50] Der Begriff "neutrales Geld" besagt, daß es sich verteilungsneutral verhält. Da der Urzins entfällt und damit der Kapitalertrag gegen Null fallen kann, ist eine Geldvermehrung ohne Arbeitsleistung nicht mehr gegeben.
[51] Dieter Suhr, "Der Kapitalismus als monetäres Syndrom", Frankfurt 1988, S. 43
[52] Eine geringere Umlaufgeschwindigkeit bedeutet auch weniger Kaufvorgänge pro Geldschein, also ein Nachfrageausfall. Ein Geldschein der ausgegeben wird, fragt Arbeitsleistung nach. Ein Geldschein der liegen bleibt, verursacht Arbeitslosigkeit.
[53] Der Begriff Stückelungen besagt, daß einmal 200 Mark, einmal 500 Mark und einmal die 1000 Mark Scheine eingezogen werden.
[54] Zum Grundzins werden der Inflationsausgleich, ein Knappheitspreis und ein Risikoaufschlag addiert. Aus diesen Größen bildet sich der Kapitalmarktzins.
[55] Erst durch diese Ergänzung der Geldordnung wird das Geld zu dem, was Karl Marx als bereits gegeben angenommen hat: Das Geld wird zum Warenäquivalent. Wie die Arbeitsleistung und die Waren auch, kann es nun nicht mehr vom Markt zurückgehalten werden.
[56] Der Grundzins, von Gesell auch als Urzins benannt, ist der Anteil des Guthabenzinses, den der Gläubiger zusätzlich zum Inflationsausgleich, dem Risikoaufschlag und dem Knappheitspreis erzielen kann. (vgl. Creutz 1993, S.87ff)
[57] Diskontsatz: Angebotener Zinssatz für ein begrenztes Kontingent an Bargeld.
Lombardsatz: Zinssatz für Notenbankgeld, das von den Geschäftsbanken zusätzlich nachgefragt wird.
[58] Otto Schily, "Flora, Fauna und Finanzen" Hoffmann und Campe, Hamburg 1994, S. 89ff
[59] William Greider, "One World, Ready Or Not", New York 1997
[60] Helmut Creutz, in Kennedy, "Geld ohne Zinsen und Inflation",München 1990, S. 119
[61] vgl.: Bundesbank Monatsbericht 10/1993, S. 27
[62] Rückzahlung der Kreditsumme in Raten.
[63] Entgegen der gängigen Anschauung profitieren Kleinsparer, die zum Beispiel für Konsumzwecke ansparen, kaum oder gar nicht von Zinsgutschriften. Die Spanne zwischen Inflation und Haben-Zinssatz wird erst bei großen Beträgen und langfristigen Ausleihungen lukrativ. Der Zins ist daher, entgegen hartnäckiger Interpretationen vieler Ökonomen, nur zu einem verschwindend geringen Anteil eine Prämie für den Konsumverzicht.
[64] Die Staatsausgabenquote, kurz Staatsquote genannt, ist der Anteil an der volkswirtschaftlichen Wertschöpfung, der staatlich verordnet, beziehungsweise gelenkt ausgegeben wird.
[65] vgl.: Bundesbank Monatsbericht 6/1996
[66] Auch beim Altbaubestand beeinflußt das Zinsniveau die Miethöhe. Der Verkehrswert einer Immobilie muß, unabhängig von ihrem Alter und den Besitzverhältnissen, eine angemessene Verzinsung erbringen. Außerdem müssen die Instandhaltungsmaßnahmen finanziert werden.
[67] Brakteaten sind einseitig geprägte Münzen, die 1150 in Magdeburg erstmals in Umlauf gebracht wurden. Bis 1450 waren sie in weiten Teilen des deutschen Sprachraums gängiges Zahlungsmittel. Zur Steuereintreibung wurden sie vom jeweiligen Münzherrn häufig für ungültig erklärt, eingezogen und mit neuer Prägung in Umlauf gebracht. So wurde dem Geld die Möglichkeit der Hortung genommen, was zur Folge hatte, daß auch keine Zinsen erpreßt werden konnten.
[68] vgl.: Dr. Hans Weitkamp, "Das Hochmittelalter - ein Geschenk des Geldwesens", Hilterfingen, Schweiz, 1985
[69] ebd.: S. 61
[70] Derzeit wird die Hälfte der für Kranken-, Alters-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung fälligen Beiträge von den Bruttoeinkommen abgezogen. Die andere Hälfte überweisen die Arbeitgeber direkt an die jeweiligen Leistungsträger.
[71] vgl.: Rheinische Post, 21.1.1991
[72] Die Zeit, Nr. 15/1997
[73] Ein Null-Zins-Niveau bei den Guthabenzinsen führt zu einem entsprechend niedrigen Niveau der Kreditzinsen. Diese nähern sich im Idealfall der 1,5 Prozent-Marke.
[74] vgl.: Der Spiegel, 31/1996, S. 17
[75] Konstantin Wecker, Liedermacher, Textauschnitt aus "Willi", 1977
[76] Wirtschaftswoche Nr.7, 1998, S. 17
[77] vgl.: Der Spiegel, 29/1996, S. 161/ 162
[78] Biruté Galdikas, "Meine Orang-Utans", Bern, München, Wien 1995, S. 60
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