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Auszug aus:

Werner Onken:
Modellversuche mit sozialpflichtigem Boden und Geld;
Lütjenburg: Fachverlag für Sozialökonomie, 1997;
ISBN 3-87998-440-9


1 Selbsthilfe-Aktionen zur Überwindung der Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre
 
Große, vom Humanismus und der Aufklärung genährte Hoffnungen auf ein
menschliches Leben in Freiheit standen am Beginn der Neuzeit. Der moderne
Kapitalismus hat sie jedoch nicht erfüllen können. Wie ein Schatten begleitete seine
Entwicklung deshalb eine Vielzahl von sozialen Bewegungen, die das kapitalistische
Wirtschaftssystem entweder umgestalten oder wieder ganz abschaffen wollten. Die
sozialen Bewegungen brachten meistens Vorstellungen hervor, wie das bestehende
Wirtschaftssystem als Ganzes auf dem Wege der Reform oder Revolution verändert
werden könnte. Daneben hat es jedoch aufgrund fehlender Aussichten auf die parla-
mentarische Durchsetzung von Reformen oder enttäuschender Ergebnisse von Re-
volutionen immer auch Bestrebungen gegeben, in kleinerem Rahmen zeichenhaft zu
handeln, mit anderen Lebensformen zu experimentieren und kleine Modelle als
Keime einer besseren Welt zu schaffen.


So versuchte zum Beispiel der englische Frühsozialist Robert Owen, seine Vor-
stellungen in seiner Mustersiedlung "New Harmony" zu verwirklichen. Von dem
Franzosen Cabet und anderen frühen Kommunisten sind Initiativen zur Gründung
gütergemeinschaftlicher Kolonien ausgegangen, die jedoch allesamt wieder ausein-
andergefallen sind. Gegen Ende des letzten Jahrhunderts trat der Liberalsozialist
Franz Oppenheimer fiir die Idee der Siedlungsgenossenschaft ein, von der später
starke Impulse auf die israelische Kibbuz-Bewegung ausgegangen sind. Und der
freiheitliche Sozialist und Kulturphilosoph Gustav Landauer entwickelte die Vor-
stellung einer Föderation von verschiedenen autonomen und untereinander in
Gerechtigkeit tauschenden Wirtschaftsgemeinden.


In der Zeit der großen Weltwirtschaftskrise hat es noch eine weitere Form solcher
sozialreformerischen Experimente gegeben, die der Erprobung eines neuartigen
Geldes galten. Sie stellten zugleich auch regelrechte Selbsthilfe-Aktionen zur
Überwindung der Wirtschaftskrise dar. Anders als ihre zahlreichen Vorläufer
konnten diese Experimente schon bald nach ihrem Beginn spektakuläre Achtungs-
erfolge erzielen und in der internationalen Presse ein großes Aufsehen erregen. Sie
wurden aber nach einer gewissen Zeit wieder verboten und gerieten dann während
des zweiten Weltkriegs und des darauffolgenden Wirtschaftswunders nahezu in
Vergessenheit.
 

 


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Dieser Text wurde im Januar 1998 ins Netz gebracht von Wolfgang Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.