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Rudolf Richter:

Notgeld Österreich

Heinrich Gietl Verlag; Regenstauf; 1993; ISBN 3-924861-11-0;

Seite 12:

Schwundgeld

Das nach einer Theorie von Silvio Gesell (1862 - 1930) in den 30er Jahren im lokalen Bereich verwendete 'Schwundgeld' stellt ein Ersatzzahlungsmittel besonderer Art dar. In seiner geplanten Form als 'Freigeld' sollte es das Geld in der uns allen bekannten Form verdrängen. Gesell's Ideen zur Geldreform und Schaffung einer neuen Wirtschaftsordnung sind uns in vielen seiner Schriften zur Freiwirtschaftslehre überliefert. Mit dem 'Wunder von Wörgl' schien auch bewiesen, daß ein derartiges 'Geld' Zukunftsaussichten haben könnte.

Der damalige Bürgermeister von Wörgl (Tirol) Michael Unterguggenberger sah in der Verwirklichung Gesell'schen Gedankengutes 1932 durch die Ausgabe 'Bestätigter Arbeitswerte' die einzige Möglichkeit, der nahezu ausweglosen Finanzlage seiner Gemeinde und der ständig steigenden Arbeitslosenzahl Einhalt gebieten zu können. Das zu langsam umlaufende 'offizielle Geld' und die damit verbundene Eindämmung des Leistungsaustausches zwischen den Menschen schienen die Hauptursachen für die Deflation nach dem Ersten Weltkrieg zu sein. Dies galt es anzukurbeln, denn der Außenwert des österreichischen Schillings war stabil und führte zu seinem Beinamen 'Alpendollar'.

Die Wörgler beschlossen also eine 'eigene Währung', hinterlegten den Nennwert der auszugebenden Summe in österreichischen Banknoten bei der örtlichen Raiffeisenkasse und setzten den Wohlfahrtsausschuß für den Verkauf der Scheine ein. Monatlich mußte vom jeweiligen Besitzer der Arbeitsbestätigungsscheine der 1%ige Schwund des Nominales durch den Kauf von Klebemarken ausgeglichen werden. Ein früherer Umtausch dieser Bestätigungen in Banknoten hatte einen Verlust von 2% zur Folge (Arbeitsbeschaffungsbeitrag). Die Gemeindesteuern konnte man ohne Abzug zahlen. Nach anfänglichem Mißtrauen der Bevölkerung wurden die Scheine angenommen. Bald vergab man gemeindeeigene Bauaufträge und konnte sich über den Eingang von Steuerrückständen freuen.

Eine Reihe von österreichischen Gemeinden folgten dem Wörgler Beispiel oder wollten es jedenfalls. Selbst aus den USA kamen führende Wirtschaftsexperten zum Studium dieses 'Phänomens'. Das 'Aus' in Österreich zu diesem Experiment kam aus dem Finanzministerium unter Hinweis auf das alleinige Recht der ÖNB für den Druck und die Herausgabe von Banknoten. Dagegen halfen keinerlei Einwände, auch nicht die Klage bei den obersten Behörden. Die Aktion mußte eingestellt werden.

Schwundgeld gab es in Deutschland, Frankreich, Rumänien, Schweden und besonders in den USA, wo man sich den 'Schwund' mit höheren Prozentsätzen abgelten ließ.


Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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