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Lorenz Krieg (im März 2006):
BIP steht hüstelnd am Rednerpult und wischt sich den Schweiß von der auffällig schmalen Stirn. Jetzt, wo sich die Kameras auf ihn richten, bläht er sich zu einem buntschillernden Ballon. Er hebt den rechten Arm zum Gruß und ballt die Hand zur Faust, wie eben alle die was zum sagen haben. Die Erzeuger erstarren zur Masse, am Ort ist es mucksmäuschenstill.
BIP hustet rußschwarze Wolken und nimmt einen ordentlichen Schluck Benzin, bevor er sich an die Versammlung wendet.
„Erzeuger..., mir ist zu Ohren gekommen, daß Zweifel an meiner Politik geäußert werden.“
Vorwurfsvoll blickt er über seine dicken Brillengläser in die Menge.
Die Erzeuger schauen sich erschrocken an und schütteln im Takt heftig mit den Köpfen als wäre da vielleicht was locker. Nach Abschluß der Übereinstimmung fährt BIP fort:
„Wie ihr wißt, gebe ich wirklich alles, um euerem Lebensdasein den notwendigen Sinn zu geben...“
An dieser Stelle muß BIP würgen. Das aufstoßende Benzin rülpst er in einer gewaltigen Stichflamme über den Platz. In Rauchwolken gehüllt krächzt er:
Dabei neutralisiert er seine Säuretränen mit einigen Spritzern Natronlauge und spricht mit vorwurfsvollem Ton, fast blind seine Brille säubernd:
„Meinen Zustand habe ich denen zu verdanken, die nicht fest an mich glauben. Wo soll das noch hinführen? Ich will es euch sagen und ich sag es nicht gern..., die Arbeit wird ausgehen!“
Ein jäher Aufschrei geht durch die Masse. Taschentücher werden gezückt, einige Erzeuger fallen in Ohnmacht und müssen vom Platz getragen werden.
„Aber ich bin nicht so ein schlechtes BIP, als das ich euch damit allein lassen würde, nein das tue ich mir nicht an.“
Beifall braust auf. Hinter der Bühne drückt das geheimnisvolle Gesetz auf den Knopf. Über Tausende Lautsprecher tönt es BIPi..., BIPi..., bis die Masse sich einstimmig in Trance wiegt. Überdimensionale Videowände lassen die vergangenen Erfolge des BIP Revue passieren.
Eine gönnerhafte Handbewegung schafft Ruhe.
„Liebe Erzeuger, wie ihr seht geht es euch dank meiner Arbeit sehr gut. Im Sinne einer gesunden Partnerschaft kann es aber nicht sein, daß nur einer von uns partizipiert. Seht mich an, ich bin auf euch angewiesen. Was habt ihr aus mir gemacht? Ich will es euch sagen und ich sag es nicht gern..., Ihr hattet genug und dachtet, wir brauchen den alten BIP nicht mehr. Sieht so eure Dankbarkeit aus? Sind das die über Jahrhunderte mühsam erworbenen Tugenden?“
Betreten schauen die Erzeuger zu Boden und bekreuzigen sich.
„Jedes Kind weiß doch, daß ich wachsen muß. Warum, muß ich euch nicht sagen, ich frage euch doch auch nicht warum ihr immer mehr Plunder anhäuft. Aber in dem ihr das macht, denkt ihr wenigstens an eueren Freund, den alten BIP.“
Dabei grinst er leutselig und hebt die Schultern.
Jetzt lachen alle wieder. Urplötzlich kracht die Faust auf das Rednerpult.
„Verweigerungsterror von Konsum und Arbeit muß also hart bestraft werden!“
Ein Ruck geht durch die Massen und wieder ist es mucksmäuschenstill. BIP wuchtet seinen überproportionalen Körper weit über das Pult und weist mit ausholender Armbewegung über den Platz. Die Brille in der Hand taktiert er den ersten Satz mit mahnender Stimme:
„Jedem ist anzuraten die Niederungen des Müßiggangs aufzuspüren und mit dem Finger kenntlich zu machen. Noch etwas muß ich euch sagen und ich sag es nicht gern..., auch wenn ich euch dann etwas schikanieren muß, so ist es doch allemal besser, als wenn ihr gerade so viel hättet wie ein Mohr. Das Land, was zur Geburt ihr suchtet, soll stolz auf eure Werte sein, denn wo viele Schulden sind, ist auch viel Geld. Während aber das Eine in die Niederungen fällt, wandert das Andere nach oben. Lenkt eure Schritte also dort hinauf und schaut nicht zurück, auf das es euch vielleicht schwindelt!
Nun muß er reichlich nach Luft schnappen, welche sich sofort vernixnutzt, als eine Wolke giftigen Gases ausbreitet. Herbeigeeilte Sanitäter evakuieren die ersten Reihen. BIP hebt beschwörend die Arme und brüllt von grellen Blitzen erleuchtet:
Nach dem obligatorischen Knopfdruck tobt die Masse hypnotisiert vor heißgelaufenen Videowänden.
„Ja, das wollen wir, total großer BIP. Wir wollen dich nähren um unser aller Wohlstandszweckvernuzung. Nichts ist zu schade um nicht verarbeitet, verzweckt und vernutzt zu werden. Und sollte es die Arbeit zur Arbeit willen sein, so werden wir das fraglos tun. Du bist unser Führer, du bist der Sinn des Seins, die Verkörperung unseres Intellekts und Ziel der Evolution. Warum wir so viel nutzlosen Plunder stapeln, brauchen wir nicht zu wissen, denn wir wissen ja auch nicht warum du wachsen mußt.“
Vor Rührung wischt sich BIP eine gelblich dampfende Träne von der Wange.
„Ich liebe euch alle, das wißt ihr nun. Aber eines muß ich euch noch sagen und ich sag es nicht gern..., Jede Generation trägt Verpflichtung für die Vorherigen und die Kommenden. Sichere Renten sind dabei so sicher wie mein ewiges Wachstum. Es wird aber eine Zeit kommen wo die Wurzeln des Wachstums für die Nachkommen nur wenig Nahrung finden...“
Alles schaut erschrocken auf den schluckenden BIP.
„...fragt mich nicht warum. Ich frag euch auch nicht warum Bäume nicht in den Himmel wachsen. Also kurz, ihr müßt den Wurzelbereich vergrößern. Dafür ist natürlich der ein oder andere Streit notwendig. Ich brauch das nicht zu erwähnen, denn ihr wißt es von euren Eltern und Großeltern. Die Sache ist larifari, kurzum wie eine Operation. Danach geht es wieder ein Weilchen.“
Ein paar ewige Dussel stellen die zaghafte Frage:
„Ja und dann?
Für was wollt ihr das wissen, ich frag euch doch auch nicht, ob ihr nach eurem Tode wegen fehlendem Gesetz etwa müßigen müßtet. Oder kann mir das jemand sagen? Bedenkt auch eines jeden Selbstwert in Feindeshand, der des Mohres ist minus Null.“
Die Erzeuger vernicken sich gegenseitig.
„Ja, zum Müßiggang sind wir zu wertvoll, denn selbst als Geisel ist der Wert viel Mehrwert. Wir leben jetzt und hier zum zweckvernutzen und das wollen wir so viel es geht. Was nach dem Tod kommt interessiert uns nicht, weil uns auch dein ewiges Wachstum nicht interessiert.“
BIP versprüht freudig ein paar Funken und räuspert sich.
„Nun, da wäre auch noch etwas elementares zu sagen, was ich euch noch nicht so gern gesagt hätte..., aber ich sage es freiheraus, weil ihr es ohnehin nicht versteht. Es werden gewisse Tage kommen wo ihr danach fragen werdet. Ihr wüstet demnach also Bescheid!
Es ist ein geheimnisvolles Gesetz welches vor Jahrhunderten diese Welt erschuf und sie im Nichts des unendlichen Raumes an einem Fleck festmachte. Ziellos müßten wir sonst von einem Nichts zum nächsten irren. Nur das große BIP darf dieses Gesetz verzwecknutzen, das da lautet:
Arbeitet,
arbeitet, Proletarier, vermehrt den gesellschaftlichen Reichtum und damit euer
persönliches Elend.
Arbeitet,
arbeitet, um immer ärmer geworden, noch mehr Ursache zu haben, zu arbeiten und
elend zu sein. Das ist das unerbittliche Gesetz der kapitalistischen
Produktion.
Dadurch,
daß die Arbeiter den trügerischen Reden der Ökonomen Glauben schenken und Leib
und Seele dem Laster Arbeit ausliefern, stürzen sie die ganze Gesellschaft in
jene industriellen Krisen der Überproduktion, die den gesellschaftlichen
Organismus in Zuckungen versetzen.
Dann
werden wegen Überfluß an Waren und Mangel an Abnehmern die Werke geschlossen,
und mit seiner tausendsträhnigen Geißel peitscht der Hunger die arbeitende
Bevölkerung.
Betört
von dem Dogma der Arbeit sehen die Proletarier nicht ein, daß die Mehrarbeit,
der sie sich in der Zeit des angeblichen Wohlstandes unterzogen haben, die
Ursache ihres jetzigen Elends ist.
(Paul
Lafargue, aus „Das Recht auf Faulheit“, 1883)
Die Erzeuger halten sich entsetzt die Ohren zu und schreien:
„Das verstehe wer will, bloß wir nicht, großer totaler BIP! Wir wollen lieber arbeiten bis zur Selbstverwurstung. Wir fangen sofort an und arbeiten am Tag und auch in der Nacht, so daß du dank dieser Formel die Erde im Nichts verankern kannst. Wir fragen dich auch nicht warum wir endlos arbeiten sollen, denn du sagst uns ja auch nicht, wo im Nichts der Hagen liegt.“
„Ich wußte, daß euch die Evolution mit Vernunft für mich geschaffen hat. Nichts anderes habt ihr hier bewiesen. Aber ich muß euch noch etwas sagen und ich sage es nicht gern..., Erzeugungen kosten Subventionen. Das heißt, ihr müßt eure Arbeit natürlich selbst bezahlen. Dazu schneid ich oben und unten etwas ab. Und ich sage es rund heraus, wenn auch nicht gern..., auch an den Seiten werd ich kürzen. Was verbleibt könnt ihr mir zum Überfluß mit eurem Plunder nutzverbrutzeln.
Knappheit erzeugen im Überfluß. Das ist das Perpetuum mobile meiner Politik. Erzeugung zeugend zeugen lassen..., Zins mit Zinseszins verzinsen..., Wertgemäß den Wert verwerten..., Menschlichkeit dem Mensch entmenschen... Das sind meine Visionen für einen sicheren Anker dieser Welt im ewigen Nichts. Für euch ist das mein Versprechen für nicht nur eine Zukunft.
„Wir danken dir, mächtiger totalitärer BIP. Erzeugende Subventionen sind eine vernünftige Evolution für unsere Arbeit. Erzeugende Zinsen die wertgerecht vermenschlichen, haben wir schon. Warum wir davon mehr brauchen, wollen wir nicht wahr haben, denn du warst es ja auch nicht, der zum Brauchen weniger will. Eine Zukunft ist Knapp, viele Zukünfte ist der Überfluß mit dem du die Erde knapp entmenschlichst. Wie Zinsen deinen Überfluß menschlich verknappt, fragen wir erst gar nicht. Wie überhaupt Fragen von der Arbeit abhält. Es wird also wieder Zeit.“
„Ich entlasse euch voll Zuversicht auf 100%ige Unterstützung.“
Er wirft beide Arme nach
oben, und läßt ein paar Atomkugelblitze über die tobende Masse donnern.
„Erzeuger..., überzeugt euch..., akkumuliert“
Unter Jubelrufen verschwindet BIP hinter die Bühne. Das geheimnisvolle Gesetz stößt ihm grinsend den Ellenbogen in die Rippen, das Licht geht aus und die Erzeuger eilen an ihre Plage. Etwa so wie 1883 und auch noch viel Früher. Nur um so viel sinnloser, da die Evolution unerbittlich voranschreitet, während das Gesetz in den Köpfen und im Nichts der Unendlichkeit verankert bleibt.
(Lorenz Krieg 2006)