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BUNDpositionen Nr. 14; 1991; Seite 29 - 32

Plädoyer für eine ökologisch-soziale Marktwirtschaft

Hans G. Nutzinger und Angelika Zahrnt


Aus dem Impressum:

In seiner Reihe BUNDpositionen bezieht
der Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland e.V. (BUND)
Stellung zu wichtigen umweltpolitischen
Themen und Ereignissen.
Die formulierten Aussagen geben
den momentanen Stand der Diskussion
innerhalb des Verbandes wieder.
Die BUNDpositionen erheben keinen Anspruch
auf Absolutheit. Sie sollen Beiträge
zu laufenden Diskussionen liefern.
Nach entsprechendem Zeitablauf
und Vorliegen neuer Erkenntnisse
werden sie fortgeschrieben.


Herausgeber:

Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland e.V. (BUND)
(V.i.S.d.P.: Lorenz Graf)
Im Rheingarten 7, 5300 Bonn 3
Lektorat: Dr. Lutger Hüning

September 1991


Anhang 2

Die Freiwirtschaftslehre
als Lösung der Umweltprobleme?

1. Einführung

Die Freiwirtschaftslehre wurde von
Silvio Gesell (1862 bis 1930) begrün-
det. In einer weiterentwickelten Form
wird diese Lehre vor allem von Helmut
Creutz und Dieter Suhr vertreten; sie
berücksichtigen die Tatsache, daß heu-
te im wesentlichen nicht mehr mit Bar-
geld, sondern mit Bankgeld bezahlt
wird. Die Grundideen auch der heuti-
gen Freiwirtschaftslehre sind jedoch
schon im Hauptwerk von Silvio Gesell
(Die Natürliche Wirtschaftsordnung
durch Freiland und Feigeld, Berlin
1918) vorhanden.

Die Freiwirtschaftslehre erhebt den
Anspruch, eine "Natürliche Wirt-
schaftsordnung" jenseits von Kapita-
lismus und Sozialismus entwickelt zu
haben, die die sozialen Probleme und
- wie die Anhänger dieser Lehre heute
proklamieren - auch die ökologischen
Probleme dier Gesellschaft löse. Als
Haupthindernis einer Harmonie von
Ökonomie und Ökologie gilt der heu-
tigen Freiwirtschaftslehre die unge-
bremste kapitalistische Wachs-
tumsdynamik, die mit der Begrenzt-
heit unseres Planeten unvereinbar sei.
Hinter dem unaufhörlichen Wachstum
der umweltzerstörenden Güterproduk-
tion steckt ihr zufolge das zinsfordern-
de Geldkapital, das sich infolge des
Zineszins-Mechanismus exponen-
tiell vermehre und der materiellen Pro-
duktion gleichfalls eine fortwährende
Expansion aufzwinge (vgl. Löhr 1988,
S. 3 ff).

Dieser ökologisch orientierte Argu-
mentationsstrang ist der Grund dafür,
hier auf die Freiwirtschaftslehre einzu-
gehen, die im wissenschaftlichen
Raum kaum Beachtung findet. Nach-
dem die Anhänger der Freiwirtschafts-
lehre nach dem 2. Weltkrieg versucht
hatten, ihr Programm über verschide-
ne kleinere Parteien zu verbreiten [so
der Deutschen Sozialen Partei (DSP),
des Bundes der Entrechteten (BDE),
der Freisozialen Union (FSU) oder der
Deutschen Sozialen Union (DSU)],
setzten sie nach deren Scheitern bei
Wahlen auf eine Zusammenarbeit mit
der außerparlamentarischen Oppo-
sition und suchten Verbündete unter
den Natur- und Umweltschützern und
bei den GRÜNEN. Da die wirtschafts-
politische Programmatik bei den
GRÜNEN in den Anfangsjahren nicht
sehr entwickelt war, gelang es den Ver-
tretern der Freiwirtschaftslehre an-
fangs in einigen Bundesländern, ihre
Ideen einzubringen; sie wurden dort
aber nach einer intensiven Auseinan-
dersetzung mehrheitlich abgelehnt.

Zu den Natur- und Umweltschüt-
zern haben die Anhänger der Freiwirt-
schaftslehre insofern guten Zugang,
als lebensreformerische Positionen,
biologischer Landbau, Natur- und Le-
bensschutz in der freiwirtschaftlichen
Bewegung eine lange Tradition haben.

Im Weltbund zum Schutz des Le-
bens (WSL) sind führende Vertreter
der Freisozialen Union aktiv. Im fol-
genden soll die Freiwirtschaftslehre,
wie sie heute vertreten wird, kurz dar-
gestellt und vor allem unter ökologi-
schen Gesichtspunkten kritisch be-
fragt werden, denn von verschiedenen
Vertretern der Freiwirtschaftslehre
wird die Lösung der heutigen ökologi-
schen Probleme durch eine Geldre-
form gefordert, die die Einführung von
"Schwundgeld" und tendenziell die
Abschaffung des Zinses zum Ziel hat.

2. Die freiwirtschaftliche Geldreform


Silvio Gesell entwickelte eine aus-
schließlich monetäre Krisentheorie,
derzufolge sich Währungsstabiltiät
nur durch die Anpassung der umlau-
fenden Geldmenge an das Wa-
renangebot erreichen lasse; nur be-
ständig umlaufendes Geld gewährlei-
ste eine derartige Anpassung. Horten
von Geld erzeuge krisenhafte Stok-
kungen des Warenaustausches infolge
ausfallender Nachfrage und "erpresse"
den Zins als arbeitsloses Einkommen,
was der Marktwirtschaft erst ihren so-
genannten "kapitalistischen" und da-
mit unsozialen und ausbeuterischen
Charakter gebe. Für den Bereich des
Geldwesens laute daher die geeignete
Therapie: Beseitigung der Eigenschaft
des Geldes, Zinsen zu tragen
("Schwund- oder Freigeld").

"Bei 5 % Zins mag es sich loh-
nen, einen Wald in Kanada abzu-
hauen und als Weide einzurichten,
wobei es dem Zahn der Zeit über-
lassen bleibt, die Stümpfe zu be-
seitigen. Bei 4 % lohnt es sich, die
Stümpfe mit Dynamit zu beseiti-
gen. Bei 3 % lohnt es sich, den
Boden zu rigolen [= tief pflügen],
bei 2 % ihn zu planieren, bei 1 %
ihn zu bewässern, und bei 0 %
endlich wird man die ganze Acker-
krume durchsieben können, um
die Steine zu entfernen!"

(Silvio Gesell, Die Natürliche
Wirtschaftsordnung; S. 228)

Die Neuordnung des Geldwesens
ist folglich das Kernstück der Freiwirt-
schaftslehre, denn für die "Freiwirte"
stellt die Möglichkeit, Geld zu horten,
die Quelle des Zinses und die tatsäch-
liche Hortung von Geld die Ursache
von Stockungen im Kreislauf von
Produktion und Konsumtion dar.

Um eine wachstumsfreie "ökologi-
sche Kreislaufwirtschaft" (Löhr 1988)
zu erreichen, sollen die Nettoinvesti-
tionen in Produktionsanlagen als
wichtigste Wachstumsdeterminante
auf Null gebracht werden. Alle "Kre-
dite" - gemeint ist: die
gesamtwirtschaftliche Ersparnis (l) -
sollten von den Investitionen wegge-
lenkt werden und zu hundert Prozent
in den Konsum gehen (2). Der angestreb-
te Endzustand, die wachstumsfreie
"stationäre Wirtschaft" oder "einfache
Reproduktion", beruht auf folgenden
notwendigen Voraussetzungen:

Die Bedingung zur Erreichung die-
ses Zustandes sei ein gegen Null ten-
dierender Zins, der aber mit der heuti-
gen Geldverfassung nicht erreicht
werden könne. Mit sinkendem Zins
werde allmählich der Wachstums-
zwang überwunden. Erst der Nullzins
ermögliche qualitatives statt quantita-
tives Wachstum, weil der Rentabili-
tätszwang für Investitionen künftig
entfalle. Heute noch unrentable Inve-
stitionen in "sanfte" Energiespar- und
Umweltschutztechnologien ließen
sich in der zinsfreien Wirtschaft viel
leichter durchführen als heute (vgl.
Löhr 1988, S. 11 f).

Die Beseitgung des Zinses will die
Freiwirtschaftslehre durch die Aufer-
legung eines "Schwundsatzes" von 2,5
bis 5 % auf die gesamte Tauschgeld-
menge, d.h. die Summe aus Bargeld
und Giralguthaben erreichen. Das be-
deutet, daß die Tauschgeldmenge jähr-
lich um diesen Prozentsatz weniger
wert ist. Durch diese planmäßige Ent-
wertung der Tauschgeldmenge soll der
Liquiditätsvorteil des Geldes elimi-
niert und ein rascher, stockungsfreier
Umlauf des Geldes gewährleistet wer-
den; wer sein Geld nicht rasch ausgibt,
wird ja durch die Entwertung bestraft
(vgl. Löhr 1988, S.4, 11, 14). Mit einer
Umlaufsicherung der Tauschgeldmen-
ge habe die Deutsche Bundesbank
auch erstmals die Geldmengenent-
wicklung vollkommen im Griff, und
sie könne daher gesetzlich auf absolute
Währungsstabilität (eine Preissteige-
rungsrate von Null) verpflichtet wer-
den (vgl. Löhr 1988, S.13; Kaun 1986,
S.8)

Als Folge der Geldreform durch
Auferlegung des "Schwundsatzes",
auch als "Hortungssteuer" oder "Um-
laufsicherungsgebühr" bezeichnet,
verspricht die Freiwirtschaftslehre ei-
ne Reihe höchst segensreicher Wir-
kungen:

3. Kritik der freiwirtschaft-
lichen Argumentation

Im folgenden soll weniger auf die
volkswirtschaftliche Problematik der
Freiwirtschaftslehre im allgemeinen
(vgl. dazu Kaun 1986) eingegangen
werden, sondern auf die ökologischen
Folgerungen, die heute aus dieser Leh-
re gezogen werden.

Die Freiwirtschaftslehre versteht
den Zins ausschließlich als
"Liquiditätsverzichtsprämie". Weil
Geld ein allgemeines, jederzeit flüssi-
ges Tauchmittel ist, muß jedem Geld-
besitzer ein Geldzins bezahlt werden,
damit er sein Geld in Umlauf bringt
und nicht in seiner Kasse horte, was
einen Nachfrageausfall nach sich zö-
ge. Bei sehr niedrigem Zins gerät näm-
lich die Geldnachfrage in die "Liquidi-
tätsfalle": Geld wird in den Kassen der
Privaten gehortet, denn der Vorteil,
sein Geld jederzeit zu Verfügung zu
haben, wird jetzt attraktiv - schließlich
müssen die Geldhorter bei extremem
Niedrigzins nicht mit wesentlichen
Ausfällen an Zinseinnahmen rechnen,
die sie sonst bei fester Geldanlage kas-
siert hätten.

Der Geldzins wird durch die Frei-
wirtschaftslehre gebrandmarkt als
"Zinsausbeutung", als "leistungsloses
Einkommen", das die Geldbesitzer
von den Unternehmern und Arbeitern
erpressen könnten; deshalb ist die Zen-
tralforderung der Freiwirte, daß dieser
Zins allmählich verschwinden soll.

Dagegen läßt sich einwenden, daß
Geld ein ökonomisches Gut darstellt,
das prinzipiell knapp ist. Jedes knappe
Gut - somit auch Geld - kann einen
positiven Preis, hier den Geldzins, er-
zielen. In einer Marktwirtschaft und
bei prinzipieller Knappheit des Geldes
bildet sich an den Geld- und Kapital-
märkten aus dem Zusammentreffen
von Angebot und Nachfrage ein Zins-
satz als Knappheitspreis des Geldes,
wobei der Zinssatz zu verstehen ist als
Preis für die zeitweise Überlassung
von Kaufkraft in Geldform (Kredit).
Das Kreditangebot stammt vor allem
von den Privathaushalten, aber auch
von Unternehmen und in Zusammen-
hang mit der Geldschöpfung von den
Banken. Die Kreditnachfrage erfolgt
für Zwecke des Investierens, Konsu-
mierens und zur Spekulation. Die
Zinshöhe sorgt nun dafür, daß nur die-
jenigen Vorhaben am Kreditmarkt pla-
ziert werden können, die für die renta-
belsten bzw. erfolgreichsten gehalten
werden.

Selbst wenn man der Argumenta-
tion der Freiwirtschaftslehre folgt und
unterstellt, die von ihr geforderten
Maßnahmen führten zu einem gestie-
genen Kapitalangebot, das durch zu-
rückgehende Kapitalknappheit den
Zins gegen Null drängte - was wären
dann die Folgen für die Arbeitslosig-
keit und die Umwelt? Zinslose Investi-
tionsdarlehen würden extrem kapita-
lintensive und oft umweltbelastende
Großtechnologien, wie Kern-
kraftwerke, Staudämme usw., deren
hoher Zinskostenanteil bei der Finan-
zierung besonders ins Gewicht fällt,
im Verhältnis zu anderen Investitionen
am stärksten verbilligen. Nicht eine
"ewige" Vollbeschäftigung, sondern
eine forcierte Wegrationalisierung von
Arbeitsplätzen wäre zu erwarten, weil
langlebige, kostspielige und hochauto-
matisierte Produktionsanlagen beim
Wegfall der Zinskosten weit billiger
als heute zu installieren wären: Der
Faktor Arbeit würde relativ zum Fak-
tor Kapital immer teurer.

Wie verhält es sich nun mit der Fra-
ge des Wachstums, die unter ökologi-
schen Gesichtspunkten die "Schick-
salsfrage" ist? Von den heutigen
Vertretern der Freiwirtschaftslehre
wird die Auffassung vertreten, daß
wirtschaftliches Wachstum durch ei-
nen positiven Zins erzwungen wird
und um so stärker ist, je höher der Zins
ist. Steigt der durchschnittliche Zins-
satz einer Volkswirtschaft, so führt
dies nach ihrer Auffassung dazu, daß
zusätzliche Mittel erwirtschaftet wer-
den müssen, um das Kapital auch wei-
terhin problemlos bedienen zu kön-
nen: Die Unternehmung muß wach-
sen, um aus dem vermehrten Gewinn
die Zinsen zahlen zu können.

Dagegen ist einzuwenden, daß mit
steigendem Zinssatz Investitionspro-
jekte mit relativ niedriger Gewinnrate
(dazu gehören auch langfristige Um-
weltinvestitionen) unrentabel werden
und infolgedessen unterbleiben. Dies
hat zunächst eine wachstumshemmen-
de Wirkung. Auf der anderen Seite
könnte man mit den Freiwirten ein-
wenden, daß höhere Zinsen einen ver-
stärkten Wachstumszwang zur Bedie-
nung des Fremdkapitals ausüben. Im
Prinzip sind hier zwei gegenläufige
Tendenzen eines hohen Zinssatzes
wirksam: Die Kostenbelastung durch
hohe Zinsen reduziert tendenziell die
Ausweitung der Produk-
tionskapazitäten durch Netto-Investi-
tionen, auf der anderen Seite führen
hohe Zinsen aber auch zu vermehrten
Anstrengungen zur Rationaliserung
und zur Steigerung der Arbeitsproduk-
tivität (und damit zu Rationalisie-
rungsinvestitionen). Dabei läßt sich
theoretisch nicht von vornherein ablei-
ten, welche dieser Tendenzen die
Übermacht gewinnen wird. In der Pra-
xis hat sich jedoch die wachs-
tumshemmende Wirkung von Zins-
erhöhungen deutlich bewiesen. Immer
wenn es darum geht, die Investitionen
aus konjunkturpolitischen Gründen zu
senken, werden die Leitzinsen von den
Zentralbanken vorübergehend erhöht.
In der Folge verringert sich jeweils das
Wachstum des Bruttosozialprodukts.

Darüber hinaus zeigt sich in bezug
auf die Wachstumsfrage eine entschei-
dende Inkonsequenz der Freiwirt-
schaftslehre: Die "Hortungssteuer"
soll angeblich "streikendes"; d.h. ge-
hortetes Geld, in wirksame monetäre
Nachfrage verwandeln. Die Folge
würde ein Nachfrageschub seitens der
Konsumenten sein, die auf Grund der
drohenden Geldabwertung zu be-
schleunigten Geldausgaben veranlaßt
würden. Es trete zudem eine Kapital-
fülle ein, die den Zins sinken lasse.
Dies würde eine weitere Mehrnachfra-
ge nach Konsumgütern (wegen der
wegfallenden Sparanreize) und nach
Investitionsgütern (wegen der dra-
stisch verbilligten Fremdfinanzie-
rungskosten) auslösen. Diese Argu-
mentation der Freiwirtschaftslehre be-
deutet, daß de facto anerkannt wird, es
werde zu einem Wachstumsschub
kommen. Dies steht im Widerspruch
zur Kritik am behaupteten
Wachstumszwang durch das "Zins-
geld": Die vorgeschlagene Geldre-
form würde, falls sie erfolgreich wäre,
selbst einen kräftigen Wachstums-
schub auslösen, der allein wegen des
erhöhten Energie- und Ressourcenver-
brauchs zu vermehrten Umweltbela-
stungen führen würde. Die Vertreter
der Freiwirtschaftslehre behaupten
zwar, daß durch einen niedrigen Zins
vor allem die langfristigen, tendenziell
wenig gewinnbringenden Umweltin-
vestitionen rentabel werden. Die er-
höhte Rentabilität gilt aber gleicher-
maßen für alle Investitionen, ins-
besondere, wie bereits gesagt, für ka-
pitalintensive Großprojekte.

Fazit: In der hier sehr knapp gehal-
tenen Kritik an den zinspolitischen
Vorstellungen der Freiwirtschaftslehre
soll nicht übersehen werden, daß Ge-
sells Forderungen zur Umlauf-
sicherung des Geldes in einer wirt-
schaftlichen Depressionssituation
durchaus sinnvoll sein können. Von
daher erklären sich auch Keynes posi-
tive Äußerungen über Gesell, da er
hier einenTeil seiner wirtschaftspoliti-
schen Ideen vorgezeichnet sah. Seit
der Weltwirtschaftskrise der 30er Jah-
re haben sich die Weltwirtschaft und
der Erkenntnisstand der Wirtschafts-
wissenschaft wesentlich verändert:
Heute herrschen inflatorische Krisen
vor. Derartige Krisensituationen hatte
Gesell seinerzeit nicht im Auge und
machte sie deshalb auch nicht zum Ge-
genstand seiner zinspolitischen Über-
legungen.

Fragen der Geldpolitik sind sicher-
lich für die Analyse des Wirtschafts-
wachstums von Bedeutung und müs-
sen, gerade auch unter ökologischen
Gesichtspunkten, kritisch betrachtet
werden. Die Fixierung auf die Zinsfra-
ge als Angelpunkt der Wachstumspro-
blematik wird aber der Komplexität
wirtschaftlicher Zusammenhänge
nicht gerecht. Gesells geldpolitische
Forderungen haben daher weder bei
der großen Mehrheit der Wirtschafts-
wissenschaftler noch bei Wirt-
schaftspolitikern Resonanz gefunden.

Entgegen ihrem Anspruch eignet
sich die Freiwirtschaftslehre nicht zum
Umbau unserer Wirtschaft in eine öko-
logisch-soziale Marktwirtschaft. An-
statt weiteres Wirtschaftswachstum
wirksam zu begrenzen, würde die Ein-
führung der Hortungssteuer durch das
"Schwundgeld" kurzfristig sogar zu-
sätzliche Wachstumsimpulse durch ei-
ne Stimulierung der Konsum- und
Investitionsgüternachfrage auslösen -
mit steigendem Umweltverbrauch.
Längerfristig würden Effizienz und
Funktionsfähigkeit des marktwirt-
schaftlichen Systems nachhaltig ge-
schädigt. Der Übergang vom quantita-
tiven Wachstum zu einer qualitativen,
umweltverträglichen Entwicklung
kann so nicht erreicht werden.

Anmerkungen

(1) Die Vermischung der Begriffe
"Ersparnis" und "Kredit", die in
der Freiwirtschaftslehre häufig
erfolgt, führt zu zahlreichen Un-
gereimtheiten und Verständi-
gungsproblemen.

(2) Nur diejenigen Aufwendun-
gen, die zum Erhalt des beste-
henden Produktionsapparates
notwendig sind (die Ersatzin-
vestitionen), sollen und müssen
noch - aus Abschreibungen fi-
nanziert werden:

Literatur


Creutz, Helmut / Dieter Suhr / Werner
Onken: Wachstum bis zur Krise?,
Berlin 1986

Gesell, Silvio: Die neue Lehre vom
Geld und Zins, Leipzig 1911

Ders.: Die Natürliche Wirtschafts-
ordnung durch Freiland und Frei-
geld, Berlin 1918

Kaun, Jürgen (Mitarbeit: Friedrich
Feldmann): Kritik der freiwirt-
schaftlichen Geld- und Zinstheo-
rie, Stuttgart 1986, Selbstverlag

Löhr, Dirk: "Zins und Wirtschafts-
wachstum". Sonderdruck aus: Zeit-
schrift für Sozialökonomie; Nr.
79/1988


Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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