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Bern, den 31. März 2000/27. Januar 2006

Der WIR-Wirtschaftsring

Das weltgrößte alternative Zahlungssystem, ein Schweizer Modell

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Der Wirtschaftsring WIR

Der schweizerische WIR-Wirt­schaftsring, kurz „der WIR“ genannt, ist das weltweit größte alternative Verrechnungssystem. Von Freiwirtschaftlern wurde er 1934 zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes wegen der damaligen Wirtschaftsflaute gegründet. Zu den Gründungsmitgliedern zählten vor allem Werner Zimmermann, Paul Enz und Otto Studer. Ihren Einfluss hat der WIR jedoch bald abgeschüttelt und weist keine freiwirtschaftlichen Elemente mehr auf. Insbesondere arbeitete er nur bis 1948 mit Umlaufsicherung.

Bis 1992 war der Wirtschaftsring eine reine Genossenschaft. Nach dieser Zeit beginnt eine Umstrukturierung zur „WIR-Bank“ mit der Einführung eines Genossenschaftskapitals von rund 15 Millionen Franken und der Ausgabe von Stammanteilen, die an einer WIR-internen Börse zum Marktwert gehandelt werden. Ab 1995 wurden auch Bargeschäfte voll in die Geschäftstätigkeit aufgenommen, nach­dem sie von Anbeginn an nur Aus­nahmefälle waren. Die Bezeichnung „Wirtschaftsring“ verschwindet aus den Geschäftsdokumenten.

Ende 1997 betrug die Bilanzsumme der WIR-Bank 1‘063 Millionen Franken. Die Verrechnungsguthaben der Teilnehmer in WIR beliefen sich auf 866 Millionen Franken.

Die WIR-Bank untersteht dem schweizerischen Bankengesetz wie jede andere Geschäftsbank auch. Außer der Zentrale in Basel bestehen sechs WIR-Filialen über die ganze Schweiz verteilt.

In der Schweiz kann man an Laden- oder Hoteleingängen immer wieder dem WIR-Signet begegnen, dem blauen „WIR“ in blauem Kreis auf quadratisch-weißem Feld, neuerdings einer banknotenähnlichen Ausführung. In Geschäftspapieren und Anzeigen geben die WIR-Teilnehmer ihren WIR-Annahmesatz bekannt.

Das WIR-Verrechnungssystem

Das WIR-Verrechnungssystem funk­tioniert als bargeldloser Zahlungs­verkehr unter den WIR-Teilneh­mern. Guthaben und Belastungen wer­den am Hauptsitz der WIR-Bank in Basel verbucht. Ein scheckartiges Papier, der Buchungs­auftrag, oder der WIR-Zahlungs­schein dienen dabei als Zahlungs­mit­tel. Zusätzlich können mit der WIR-Karte reine WIR-Zahlungen, kom­binierte WIR-/Barzahlungen und auch reine Barzahlungen vorgenommen werden.

Insgesamt nahmen 1999 über 60‘000 Klein- und Mittelunternehmen, verteilt über die ganze Schweiz und aus allen Branchen, am WIR-Verrechnungsverkehr teil. Jeder WIR-Teilnehmer legt seinen individuellen WIR-Annahmesatz fest, den Prozentsatz, zu welchem er Zahlungen statt in Franken in WIR entgegennehmen will. Dabei wird offiziell ein WIR einem Franken gleichgesetzt.

Zum Auffinden von möglichen WIR-Geschäftspartnern gibt es die Branchen-Teilnehmerverzeichnisse, verfügbar in gedruckter Form, über Videotext und als CD-Rom. Darin sind alle Teilnehmer mit einem festen WIR-Annahmesatz aufgeführt. Außerdem finden in der Schweiz jährlich fünf WIR-Verkaufsmessen statt, an denen die WIR-Teilnehmer als Aussteller und als Kunden auftreten.

In einem Prospekt heißt es: „Das WIR-System bietet seinen Teilnehmern über den WIR-Verrechnungs­ver­kehr die Möglichkeit, mehr Umsatz und Gewinn zu erzielen. Dies ist möglich, weil WIR-Geld im Teilnehmerkreis gebundene Kauf­kraft darstellt. Die Guthaben werden allein im Kreis der WIR-Teilnehmer ausgegeben, wodurch eine gegensei­tige Berücksichtigung der Teilneh­mer erzielt wird.

WIR-Geld trägt als aktives Geld keine Zinsen, denn es soll immer wieder rasch in Umlauf gebracht werden. Der zusätzliche Umsatz, der dank dem WIR-System erzielt wird, umfasst nicht nur WIR-Geld, sondern auch Bargeld, da ein Teil des Kaufes in der Regel in Landeswährung beglichen wird.“

WIR-Geldschöpfung

WIR-Guthaben werden kreditweise von der WIR-Bank geschaffen, wobei der Kreditnehmer-Teilnehmer der WIR-Bank einen Vermögenswert verpfändet, also „eine Sicherheit stellt“, wie er es bei einer üblichen Geschäftsbank ebenfalls tun würde.

Die Kredite stammen aus direkter, eigener Geldschöpfung der WIR-Bank. Die WIR-Bank hat im WIR-System die gleiche Geldschöpfungsfunktion wie die Schweizerische Nationalbank als Zentralbank der Franken-Welt. WIR-Guthaben entstehen in der Regel nicht gegen Einlage von Schweizerfranken. Kontoeröffnungen rein zum Abwickeln von Zahlungen, also ohne Kredit, sind jedoch möglich, werden aber selten beansprucht.

WIR-Kredite werden von der WIR-Bank also weder aus ersparten WIR-Guthaben der Teilnehmer noch mit Nationalbankgeld erteilt. Etwas Ähnliches wie Spar- oder andere Geldanlagen in WIR gibt es im WIR-System nicht, weil es, wie man mir sagte, „auf der Freigeldtheorie basiert. Geld soll keine Zinsen tragen!“ WIR-Guthaben der Teilnehmer stehen der WIR-Bank also nicht als Einlagen für Kredite zur Verfügung.

WIR-Guthaben verfügen demnach über keine Deckung durch Franken! Die Kredite sind stattdessen durch Zugriffsrechte auf Grundstücke und zu erstellende Sachwerte (z. B. Gebäude) der WIR-Kreditnehmer abgesichert, „gedeckt“. Aus diesem Grund können übrigens in der Regel auch nur selbstständige Unternehmer Mitglied des WIR werden.

Der WIR-Bank entstehen aus ihrer Geldschöpfung keine Kredit- bzw. Refinanzierungskosten. Sie selbst muss für die vergebenen Kredite also keine Zinsen aufbringen. Genau aus diesem Grund kann sie ihre Kredite gegen so niedrige Zinssätze zur Verfügung stellen.

Der meistangewandte Zinssatz lag jahrzehntelang um 2 %! Heute, 2000, verlangt die WIR-Bank für ihre Kredite folgende Zinssätze:

n   Hypothekar- und Investitionskredit: 13/4 %;

n   Baukredit: 21/2 %;

n   Kontokorrentkredit, gedeckt durch Schweizerfranken: 21/2 %; für die Hinterlegung von Schweizerfranken gewährt die WIR-Bank: 31/4 %. Der Kreditnehmer gewinnt also gegenüber seinem Kontokorrentkredit 3/4%!

n   Kontokorrentkredit ungedeckt: 31/4%;

n   Kontoüberzüge: 41/2 %.

In diesen besonders zinsgünstigen Krediten sehe ich den wesentlichen Grund für die Anziehungskraft des WIR-Wirtschaftsrings. Der WIR selbst nennt dagegen die Verpflichtung der Kreditnehmer zum Zurückzahlen ihrer WIR-Kredite als Hauptmotor zu seinem Erfolg.

Niedriger Kurs

Offiziell wird, wie erwähnt, ein WIR einem Schweizerfranken gleichgesetzt. In der Praxis wurde der WIR aber oft zu deutlich weniger als einem Franken bewertet und getauscht. Die WIR-Leitung hat 1973 den Handel von WIR gegen Franken für die Teilnehmer mit harten Strafbestimmungen verboten, um das Abwandern von WIR aus dem Teilnehmerkreis zu unterbinden, ein Verbot, das aus praktischer Notwendigkeit immer wieder durchbrochen wurde.

Den niedrigen Kurs des WIR-Geldes im Verhältnis zum Franken möchte ich mit einer zu hohen WIR-Geldmenge im Verhältnis zur Menge der gegen WIR handelbaren Waren und Dienste begründen, weil die selbstständige Geldschöpfung des WIR-Systems nicht, wie die Geldschöpfung der Nationalbank, auf ein festes Preisniveau im WIR-Bereich ausgerichtet ist und daher zu viel WIR in Verkehr gebracht werden kann.

Bei der gegebenen Praxis der WIR-Geldschöpfung gibt es keine Begrenzung für die zu schaffende WIR-Geld­menge. Deshalb konnte – so meine ich – im Verhältnis zu dem Leistungsangebot, das innerhalb der WIR-Teilnehmerschaft verfügbar und umsetzbar ist, zu viel WIR-Geld geschaffen werden. Die übermäßige WIR-Geldmenge führte zur der genannten Wertminderung des WIR-Geldes. Es gab – mit anderen Worten – eine WIR-Inflation unter den WIR-Teilnehmern. Deshalb wird der WIR, der gemäß WIR-Idee einen Franken wert sein sollte, billiger gehandelt als der Franken.

Wird die freie Umtauschbarkeit („Konvertibilität“) eines Zahlungsmittels untersagt, dann kommt es immer zu solchen Schwarzgeschäften wie im WIR. Selbst wenn das WIR-Geld vollständig in Franken gedeckt wäre, könnte niemand das Wertverhältnis des WIR zum Franken garantieren.

Die Erfahrung mit dem WIR macht deutlich, dass freie Umtauschbarkeit und freie Wechselkurse zwischen verschiedenen Zahlungsmitteln bzw. Währungen doch immer ein Bedürfnis sind. Es ist immer und überall ein schwerwiegender Fehler, wenn diese Bedingungen nicht eingehalten werden! Die Forderung nach freier Umtauschbarkeit und freien Wechselkursen zwischen Währungen ist deshalb stets ein zentraler Punkt der Freiwirtschaftslehre gewesen.

Mit der Unterbewertung des WIR gegenüber dem Franken ist schon versucht worden, die Tatsache zu erklären, dass der WIR-Wirt­schafts­ring seine Kredite so zinsgünstig abgeben kann. Doch das Umgekehrte scheint mir richtig: Weil die Kredite so günstig sind, lässt sich die WIR-Geldmenge leicht über ein gesundes Maß hinaus ausdehnen, was dann zur genannten Unterbewertung führt.

Dokumentation

Die WIR-Bank hat 1998 die ausführliche, 76-seitige Schrift „WIR in der Volkswirtschaft“ herausgegeben, verfasst von Prof. Dr. Tobias Studer vom Wirtschaftswissenschaftlichen Zentrum der Universität Basel. Sie ist bei den WIR-Filialen erhältlich. Sie bringt neben Geschichtlichem, Geldtheoretischem, Praktischem und Statistischem auch interessante Vergleiche mit Tausch- bzw. Barter-Systemen und mit dem Talent-Experiment. Die Freiwirtschaft wird als Hilfsmittel zur Bekämpfung von lahmender Wirtschaft im Kleinen und von daher als Ausgangsidee des WIR-Wirtschafts­rings dargestellt, wird darüber hinaus aber in typischem Unverständnis der Zinsproblematik als „exotisch“ und als „Sackgasse“ abgetan.

Die Nachteile des WIR

Der WIR kann meines Erachtens aus folgenden Gründen kein Modell für eine ganze Volkswirtschaft sein:

n   Die WIR-Zahlungsgemeinschaft ist kein selbstständiger Währungsraum, in dem sich Preis-, Lohn- und Zinsbildung wie in einer einheitlichen Volkswirtschaft abspielen, sondern ist in den Franken-Währungsraum eingebettet. Die Preise im WIR sind Franken-Preise, keine WIR-Preise, die Löhne Franken-Löhne, keine WIR-Löhne.

n   WIR-Teilnehmer arbeiten deshalb mit zwei Währungen gleichzeitig, mit WIR-Geld und mit Schweizerfranken, weil WIR-Geld nur beschränkt verwendbar ist.

n   Zwischen WIR-Geld und Franken besteht keine freie Umtauschmöglichkeit, deshalb auch kein freier Wechselkurs, sondern das starre rechnerische Wertverhältnis 1:1.

n   Spargelder der WIR-Teilnehmer können nicht innerhalb des WIR angelegt werden; es besteht also kein echter WIR-Kreditmarkt.

n   Es besteht deshalb innerhalb des WIR auch keine realistische Zinsbildung, die auf Angebot und Nachfrage von und nach WIR-Krediten im Teilnehmerkreis beruhen würde.

n   WIR-Kredite sind demzufolge keine echten Kredite, die auf Ersparnissen beruhen, sondern Scheinkredite, „monetäre“ Kredite, die aufgrund von Geldschöpfung zustande kommen; nur deshalb kann ihr Zinssatz so niedrig sein.

n   Die Geldschöpfung des WIR wirkt generell inflationär, sowohl innerhalb des WIR wie theoretisch auch im gesamten Währungsgebiet des Schweizerfrankens. Innerhalb des WIR zeigt sich dies in der Entwertung des WIR-Geldes gegenüber dem Schweizerfranken, die beim Schwarzhandel mit WIR-Geld in Erscheinung tritt. Deshalb hat der WIR-Wirtschaftsring ihre strengen Strafbestimmungen zur Unterbindung dieses Handels und zur Aufrechterhaltung des offiziellen Rechnungskurses von 1:1 eingeführt. Auf den Wert des Schweizerfrankens hat die WIR-Geldschöpfung praktisch keine Auswirkung, weil das WIR-Geld innerhalb der Franken-Geldmenge nur einen verschwindend kleinen Anteil ausmacht: unter 0,5 % der Geldmenge M1.

n   WIR-Teilnehmer können freie Gelder außerhalb des WIR in Schweizerfranken anlegen und die dortigen höheren Zinssätze nutzen, während sie selbst Kredite zu den niedrigen WIR-Zinssätzen in Anspruch nehmen können, eigentlich eine ungerechte Bereicherung zu Lasten der übrigen Bevölkerung.

n   Aufgrund der freien, nicht durch zahlenmäßige Deckungsvorschriften eingeschränkten und nur an die Stellung von bankmäßigen Sicherheiten gebundenen Geldschöpfung des WIR besteht keine Gewähr für eine stabile Kaufkraft des WIR.

n   WIR-Geld ist hortbar, weil es keiner Umlaufsicherung unterstellt ist. Nur der Zwang zur Rückzahlung von WIR-Krediten hält den WIR in Umlauf.

Kontaktadresse:

WIR-Wirtschaftsring
Auberg 1
CH-4002 Basel
Tel: 061/277 91 11,
Fax: 061/277 92 39
E-Mail: basel@wir.ch

Eberhard Knöller, Bern


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Schwierigkeiten von Komplementärwährungen

Wenn ein Teilnehmer ein Zuviel an Komplementärwährungen nicht verwenden kann, ist das eine Unterbrechung des Wirtschaftskreislaufes genauso wie absichtliches Horten. Dagegen hilft auch keine Umlaufsicherung, keine „Liegegebühr“ oder wie das Ding heißen mag, wenn er keinen geeigneten Geschäftspartner zur vollen Befriedigung seiner Bedürfnisse finden kann oder wenn er sich im Teilnehmerkreis nur mit zweitrangiger Ware begnügen muss.

Deshalb müssen den Teilnehmern für die Verwertung solcher Überschüsse in Komplementärzahlungsmitteln zur Verfügung stehen:

1.    das Verleihen innerhalb des Teilnehmerkreises, d. h. Sparen und Kreditgeben bzw. die Kreditvermittlung durch Vermittlungsstellen, auch dann, wenn damit eine Zinswirtschaft nicht vermieden werden kann, obschon dies in manchen Kreisen dem Ideal der Zinsfreiheit widerspricht – dies zeigt, dass dieses Ideal für die Wirklichkeit unrealistisch sein kann.

2.    die Umtauschmöglichkeit (Konvertibilität) in offizielle Währung oder in andere Komplementärwährungen, auch dann, wenn damit das Bestreben, den Teilnehmerkreis gegen außen abzuschirmen, um seine Vorteile nur den erklärten Teilnehmern zu sichern, aufgeweicht wird. Damit muss auch die wertmäßige Bindung an eine andere Währung fallen. Eine Komplementärwährung kann nicht wirklich Tauschmittel sein, während die offizielle Währung Wertmesser ist. (Lietaer schlägt für den Währungstausch unter Komplementärwährungen eine Verrechnungs-(Clearing-)stelle im Internet vor.)

Das planmäßige Gestatten dieser Möglichkeiten entspricht ohnehin unserem menschlichen Wunsch nach Freiheit. Ohne sie versuchen die Teilnehmer „hintenherum“, sich die gewünschte Freiheit zu verschaffen, indem sie irgendwelche Schlupflöcher suchen und finden und Schwarzhandel mit ihrer Komplementärwährung treiben.

Genau dies geschieht beim WIR! Mein Nachbar, selbst WIR-Teilnehmer, berichtete mir, dass WIR im Schwarzhandel zu nur 70 Rappen (= 0,70 Franken) getauscht wird, also mit einem Wertverlust von 30 %. „Inflation“ heißt dies doch!

Austrittsregelung

Eine Komplementärwährung braucht immer auch eine Regelung für den Fall, dass Teilnehmer wieder austreten wollen. Es kann nämlich sein, dass sie noch Schulden in Komplementärwährung an die Gemeinschaft haben. Dafür müssten sie verpflichtet sein, die Schuld in offizieller oder in anderer Komplementärwährung abzuzahlen.

Eberhard Knöller, Bern