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Bern, den 19. Januar 2002/25. September 2005

Umlaufsicherung

Erweiterter Auszug aus dem Aufsatz „Geld und Nachhaltigkeit“ in evolution 3/99

Eine Umlaufsicherung soll den stetigen Umlauf des Geldes in der Wirtschaft sicherstellen, um Wirtschaftskrisen zu vermeiden. In der Freiwirtschaftslehre ist Umlaufsicherung ein grundlegender Begriff. Hiernach ist es ihre vordringlichste Aufgabe, die ungerechte Vormachtstellung des Geldes gegenüber der Arbeit von ihren Wurzeln her zu überwinden und dadurch die soziale Frage zu lösen, die sich aus der immer größer werdenden Kluft zwischen Arm und Reich ergibt. Neben einer dauerhaft stabilen Wirtschaftstätigkeit soll die Umlaufsicherung auch zu einem dauerhaften Absinken der Kreditzinsen führen. Die anschließende Darstellung gibt Einblick in das Wesen der Umlaufsicherung.

 


Definition der Umlaufsicherung

Umlaufsicherung sind Maßnahmen zur Sicherstellung eines möglichst gleichmäßigen Umlaufs des Geldes in der Wirtschaft. Sie sollen Wirtschaftskrisen mildern oder vermeiden, die aufgrund von allgemeiner Käuferzurückhaltung („Käuferstreik“) oder Kreditzurückhaltung („Anlegerstreik“) auftreten können. Käuferstreik führt zu Nachfrageausfall auf dem Güter- und Dienstleistungsmarkt, Anlegerstreik zu Angebotsausfall auf dem Kapitalmarkt. Beides kann zu bedeutenden Störungen des Wirtschaftskreislaufes führen, besonders zu allgemeiner Arbeitslosigkeit.

Der Umlauf des Geldes wird in der bestehenden Wirtschaftsordnung traditionell durch zwei verschiedene wirtschaftliche Impulse unterstützt:

n   Inflation zwecks ständiger leichter Geldentwertung. Sie wirkt auf Geldbesitzer als Druckmittel und fördert den Konsum.

n   Zins für Geldanlagen. Er wirkt auf Geldbesitzer als Lockmittel für stillliegendes Geld und fördert Investitionen.

Beide Impulse haben Nachteile. Bei Inflation sind nicht nur flüssige Geldmittel einer Wertminderung unterworfen, was allein dem Zweck der Umlaufsicherung entsprechen würde, sondern sämtliche in Geldwerten ausgedrückten Vermögensgüter überhaupt, also auch Geldanlagen und Kredite, Guthaben und Schulden, Löhne, Renten und Versicherungsleistungen. Zins auf der anderen Seite hat bei Gläubigern Vermögensanhäufung auf Kosten der Schuldner zur Folge, auch dies kein Zweck einer Umlaufsicherung. Außerdem ist zu beobachten, dass Kreditzinsen und Inflation nicht unabhängig voneinander sind, sondern die Zinssätze stets über der Inflationsrate liegen.

Hintergrund der Umlaufsicherung

Hinter der Idee einer freiwirtschaftlichen Umlaufsicherung steht die Tatsache, dass Geld nicht verdirbt. Sachgüter hingegen verlieren von Natur aus laufend an Wert, weil sie veralten oder verderben oder aus der Mode kommen, und Arbeitskraft kann nicht aufbewahrt werden. Anbieter von Arbeitskraft und Sachgütern sind deshalb gezwungen, sie nutzbringend einzusetzen oder beizeiten zu verkaufen. Als Anbieter von Arbeitskraft gelten hier alle arbeitswilligen Menschen.

Für Geldbesitzer gibt es keinen solchen Druck, auch nicht wirklich bei Inflation. Sie können auf ihrem Geld sitzen bleiben. Deshalb sind sie den Anbietern von Arbeitskraft und Sachgütern heute stets überlegen. Sie können kaufen und verleihen, wann sie wollen. Die anderen aber sind zum Arbeiten und Verkaufen gezwungen, um Verlusten zu entgehen!

Wer Geld hat und es weder zum Kaufen ausgibt noch anderen leihweise zur Verfügung stellt, sondern es irgendwo aufbewahrt oder spekulativ in Wartestellung hält, der blockiert im Grunde immer den Gang der Wirtschaft und ist mitverantwortlich für Arbeitslosigkeit. Jedes zu lange zurückgehaltene Geld unterbricht den Fluss der Wirtschaftstätigkeit und trägt bei zu ihrem allzubekannten Auf und Ab. Doch Geld soll umlaufen! Es erfüllt seine Aufgabe als Zahlungsmittel nur, wenn es von Hand zu Hand wandert. Als längerfristiges Wertaufbewahrungsmittel verfehlt es diesen Zweck.

In der Überlegenheit von Geldbesitzern hat der Zins für Kredite seine eigentliche Wurzel. Das heutige Geld ist einseitig parteiisch zugunsten seiner Besitzer. Darin liegt seine magische Macht! Weil Geldbesitzer gegenüber Nicht-Geldbe­sitzern heute immer am längeren Hebel sitzen, sind sie in der Lage, beim Verleihen ihres Geldes einen so hohen Zins zu verlangen, dass er ein Liquiditätsentgelt einschließt, einen Zinsanteil, den sie für ihren Verzicht auf Zahlungsfähigkeit („Liquidität“) und Wahlfreiheit verlangen. Zu diesem grundlegenden, unvermeidlichen und ethisch nicht zu rechtfertigenden Zinsanteil hinzu kommen je nach Zinsart als weitere Anteile der Inflationsausgleich zur Absicherung des Kreditgebers gegen Geldentwertung (Inflation), der Wachstumsanteil als Beteiligung des Kreditgebers am Produktivitätszuwachs der Wirtschaft, der Risikozuschlag wegen des möglichen Ausbleibens der Kreditrückzahlung und ein Vermittlerentgelt für die Kreditvermittlung der Bank.

Oder das Ganze noch anders betrachtet: Wer über flüssiges Geld verfügt, der verfügt über ein Rechtstransportmittel, das er nicht selbst geschaffen hat und das darum nicht sein Eigentum sein darf. Vielmehr besitzt er es von der Gemeinschaft aller Geldbenützer sozusagen leihweise zur Nutzung. Diesen enthält er die entsprechende Geldmenge unwillkürlich vor und schließt sie während dieser Zeit von der Verfügung darüber aus.

Sinn der Umlaufsicherung

Der Sinn der freiwirtschaftlichen Umlaufsicherung ist es nun, zwischen Geldbesitzern einerseits und Anbietern von Arbeitskraft und Sachgütern andererseits die Spieße gleich lang zu machen. Zu diesem Zweck muss auch die Verfügung über Geld mit einem Nachteil belastet werden. Dies soll durch eine Abgabe oder Nutzungsgebühr geschehen, die auf flüssige Geldmittel regelmäßig wiederkehrend erhoben wird. Sie würde wenige Prozent pro Jahr betragen.

Zur Erläuterung: Flüssige Geldmittel, auch „Zahlungsmittel“ genannt, sind Bargeld (Banknoten und Münzen), Guthaben auf Konten, die für den Zahlungsverkehr unmittelbar geeignet sind, sowie auf Wertkarten gespeicherte und davon abbuchbare Geldbeträge. Nicht zu den Zahlungsmitteln gehören alle nicht dem Zahlungsverkehr dienenden Geldanlagen und Finanzvermö­gens­werte wie zum Beispiel Obligationen oder Aktien. Diese sollen nicht durch die Umlaufsicherungs­abgabe belastet werden.

Geldbesitzer können der Abgabe entgehen, wenn sie ihr Geld zum Kaufen ausgeben oder langfristig anlegen und so als Kredit anderen zur Verfügung stellen. Sie können es auch verschenken. Dann geht das Geld und mit ihm die Pflicht zum Bezahlen der Abgabe auf die neuen Geldbesitzer über.

Durch die Umlaufsicherungs­abgabe wird Geld ebenso einem Verschleiß unterliegen wie Arbeitskraft und Waren. Dadurch wird es in seiner Wertschätzung diesen gleichgestellt. Die Zahlungsfähigkeit und die Freiheit der Wahl, die Geldbesitzer genießen, soll sie etwas kosten. Dies entspricht dem Prinzip der Gerechtigkeit: Wer den Vorteil der Verfügung über Geld hat, soll dafür bezahlen. Die Abgabe wird die Überlegenheit von Geldbesitzern von ihrer Ursache her beseitigen. Sie soll diese dazu bewegen, sich von flüssigen Geldmitteln so bald wie möglich wieder zu trennen und sie nicht zu horten.

Horten ist es nicht nur, wenn jemand Geld unter der berühmten Matratze oder im Wäscheschrank hütet. Horten ist es vor allem, wenn jemand Geld als kurzfristige verzinsliche Termingeldanlage bei der Bank liegen hat, zum Beispiel als Festgeld auf einen Monat. Diese Form der Geldzurückhaltung findet heutzutage in grossem Stil immer dann statt, wenn das Zinsniveau unter ein Maß absinkt, das Geldanlegern zu gering erscheint. Sie halten dann ihr Angebot absichtlich knapp. Dies ist die sogenannte „Liquiditätsfalle“ (Zahlungsmittelfalle), in der das Kreditangebot zu verschwinden scheint. Die Anleger "parken" ihre Geldmittel so lange auf derartigen Konten, bis die Kreditnehmer wieder bereit sind, höhere Zinssätze zu zahlen. Genau diese Geldzurückhaltung, diese Art der Hortung, soll Großanlegern durch eine Umlaufsicherungsabgabe kostspielig gemacht werden, um sie vom Behindern des Wirtschaftskreislaufs abzuhalten.

Horten ist es dagegen nicht, wenn Geld längerfristig angelegt wird. Dann steht es anderen in Form von Krediten zur Verfügung.

Geldtheoretischer Hintergrund

Gemäß John Maynard Keynes ist der Wert jedes wirtschaftlichen Gutes bestimmt durch den mit ihm erzielbaren Nutzen, durch die anfallenden Unterhaltskosten, von Keynes „Durchhaltekosten“ genannt, und durch den Vorteil seiner Verkäuflichkeit und Tauschbarkeit, seine „Liquiditätsprämie“. Die Liquiditätsprämie von Geld besteht in der Zahlungsfähigkeit und der Wahlfreiheit seines Besitzers bei der Auswahl unter dem Marktangebot. Bargeld in der Tasche seines Besitzers besitzt die höchste Liquiditätsprämie und verursacht die geringsten Durchhaltekosten von sämtlichen Wirtschaftsgütern und ist aus diesem Grund das begehrteste Gut überhaupt. Im Gegensatz dazu sind bei Arbeitskraft und Waren die Liquiditätsprämie (Verkäuflichkeit) vergleichsweise gering und die Durchhaltekosten hoch.

Eine Umlaufsicherungs­abgabe wird nun auch Geld mit spürbaren Durchhaltekosten belasten, idealerweise in einer Höhe, dass sie seiner Liquiditätsprämie gleichkommen. Dadurch würde ein „neutrales Geld“ entstehen, weil es die Überlegenheit seiner Besitzer über die Anbieter von Arbeitskraft und Sachgütern beseitigt.

Geld mit Umlaufsicherung wurde erstmals von Silvio Gesell, dem Schöpfer der Freiwirtschaftslehre, vorgeschlagen. Er war schon vor Keynes der hohen Liquiditätsprämie und den tiefen Durchhaltekosten des Geldes auf die Spur gekommen, ohne jedoch diese Begriffe zu kennen und zu verwenden. Die Bezeichnung „Umlaufsicherung“ geht zurück auf die Absicht, in Zeiten sinkender Preise und sinkender Nachfrage (Deflation), die durch einen Rückgang der Geldumlaufgeschwindigkeit gekennzeichnet sind, den Geldumlauf wieder anzuregen. Gesell nannte umlaufgesichertes Geld „Freigeld“.

Eine ähnliche Forderung wie Gesell hat später auch Keynes erhoben, ganz in Kenntnis Gesell'­scher Gedankengänge. Er schlug vor, ein internationales Zahlungsmittel mit Namen Bancor zu schaffen, das ebenfalls mit Umlaufsicherungsabgaben belastet werden sollte.

Für staatlich ausgegebenes Geld besteht Annahmepflicht. Die Bürger des Landes müssen es entgegennehmen, wenn jemand ihnen eine Schuld begleichen will. Demgegenüber gibt es keine Verpflichtung zur Weitergabe von Geld, wie es zur Aufrechterhaltung einer gesunden Wirtschaft nötig wäre. Mit einer Umlaufsicherungs­abgabe kann hier Abhilfe geschaffen werden: Durch die mit dem Besitz von Geld verbundenen Kosten wird ein ständiger leichter Druck zur Weitergabe des Geldes erzeugt.

Praktisches zur Umlaufsicherung

Theoretisch müsste jede Art von Zahlungsmitteln der Umlaufsicherung unterstellt werden: Münzen, Banknoten, Wertkarten und diejenigen Bankguthaben, die dem Zahlungsverkehr dienen, unabhängig davon, ob sich Zahlungsmittel in Verbraucherhand oder im Gewahrsam von Banken befinden.

Für die praktische Durchführung gibt es da jedoch Schwierigkeiten. Bei Münzen ist eine Umlaufsicherung technisch nicht durchführbar. Für Banknoten kommt das 1932 in Wörgl angewendete wiederkehrende Aufkleben von gebührenpflichtigen Marken wegen seiner Aufwändigkeit heutzutage nicht mehr in Frage. Bedenklich für Banknoten ist auch das diskutierte Seriengeldverfahren. Bei diesem würden von Zeit zu Zeit gewisse Notenserien oder -werte für ungültig erklärt und ihren augenblicklichen Inhabern gegen die von ihnen zu entrichtende Umlaufsicherungs­abgabe in neue umgetauscht. Die Geldbenützer müssten hier die Banknoten jedes Mal auf ihre Gültigkeit überprüfen, wenn sie diese entgegennehmen oder weitergeben. Auch wenn ihnen diese Kontrolle durch auffällige Merkmale erleichtert werden könnte, so müssten sie doch stets auf dem Laufenden sein und wissen, welche Banknoten gerade gültig sind – für Kinder und Touristen unzumutbar und für Gauner ein gefundenes Fressen zum Betrügen. Eine eher praktikabel erscheinende Möglichkeit sind Banknoten mit zeitlich begrenzter Gültigkeit. Bei Verfall würden sie gegen Bezahlen der aufgelaufenen Umlaufsicherungs­gebühr durch neue ersetzt. Von Wertkarten hingegen könnten Geldautomaten die Abgabe wie einen Negativzins automatisch abbuchen. Dasselbe Verfahren lässt sich auch auf alle diejenigen Bankguthaben anwenden, die dem Zahlungsverkehr dienen.

Umlaufsicherung ist also eine aufwändige und kostspielige Angelegenheit. Sie ist aber immer noch bedeutend billiger als die Milliarden an Zinsen, die ununterbrochen dorthin fließen, wo sich ohnehin schon genug Reichtum befindet.

Um den Schwierigkeiten mit der Umlaufsicherung bei den Banknoten zu entgehen und angesichts der Eleganz, mit der die Umlaufsicherung von Konten abgebucht werden kann, hat Professor Dieter Suhr in seinem Buch „Geld ohne Mehrwert“ vorgeschlagen, jeder Haushalt solle verpflichtet werden, mindestens ein Konto für seinen Zahlungsverkehr einrichten zu lassen und bargeldlose Zahlungen darauf entgegen zu nehmen. Dann würde praktisch jedermann zum bargeldlosen Zahlungsverkehr übergehen, soweit er das nicht schon getan hat. Der Gebrauch von Bargeld würde danach drastisch zurückgehen – eine Entwicklung, in welcher wir ohnehin drinstecken – und Maßnahmen am Bargeld würden überflüssig werden.

Die Höhe der Umlaufsicherungs­abgabe auf die damit zu belastenden Zahlungsmittel sollte so bemessen sein, dass der Zinssatz für kurzfristige Termingeldanlagen möglichst zu null wird, weil dieser ungefähr dem Liquiditätsentgelt entspricht. Dies dürfte bei 2–3 % der Beträge der damit zu belastenden Zahlungsmittel pro Jahr liegen.

Die eingezogenen Beträge gehen an die öffentliche Hand und gelangen so in den Umlauf zurück. Sie dürfen die ausgegebene Geldmenge nicht verändern.

Kreditfreie Geldschöpfung erforderlich

Eine wesentliche Voraussetzung für das Funktionieren der Umlaufsicherung muss bei den Geschäftsbanken geschaffen werden. Solange diese das benötigte Zentralbankgeld nur von der Zentralbank auf Kredit erhalten und dafür Zinsen bezahlen müssen, läuft eine Umlaufsicherung mit Sicherheit ins Leere. Die Banken werden das von ihrem Publikum an sie zurückfließende und von ihnen augenblicklich nicht benötigte Geld an die Zentralbank zurückleiten, um auf diese Weise ihre eigenen Kredite zu tilgen und Zinsen zu sparen. Sie werden nicht, wie im freiwirtschaftlichen System angestrebt, das überschüssige Geldangebot ihres Publikums zum Senken der Zinssätze für ihre Kreditkunden verwenden. Im bestehenden Geldschöpfungssystem wird also eine freiwirtschaftliche Umlaufsicherung die Zinsen nicht zum Sinken bringen.

Aus diesem Grund ist es unumgänglich, die Rückflussmöglichkeit von einmal ausgegebenen Zahlungsmitteln von den Geschäftsbanken zur Zentralbank zu verbauen. Deshalb scheint eine kredit- und zinsfreie Geldschöpfung Voraussetzung für das Spielen einer freiwirtschaftlichen Umlaufsicherung zu sein. Nur dann und wenn auch die Banken für die bei ihnen liegenden Zahlungsmittel Umlaufsicherungsabgaben zu zahlen haben, werden sie sich veranlasst fühlen, die Kreditzinsen für ihre Kunden gebührend zu senken.

Wirkung der Umlaufsicherung

Die ausgegebene Geldmenge wird verhältnismäßig gleichmäßig und vollständig in Umlauf stehen. Geldhortung geht auf ein unproblematisches Ausmaß zurück. Die Steuerung der Geldmenge durch die Zentralbanken ist voll wirksam, weil im Wesentlichen keine Hortgelder dem Umlauf entzogen oder wieder in Verkehr gebracht werden. So wird die Vermeidung von Inflation und Deflation wesentlich erleichtert.

Die Umlaufsicherungs­abgabe beseitigt die Überlegenheit von Geldbesitzern. Sie stellt zwischen ihnen und den Anbietern von Arbeitskraft und Sachgütern Chancengleichheit her.

Wegen des Drucks, den die Abgabe auf Geldanleger erzeugt, können sie sich ihren Verzicht auf Zahlungsfähigkeit und finanzielle Wahlfreiheit, ihren „Liquiditätsverzicht“, nicht mehr von ihren Kreditnehmern durch das Liquiditätsentgelt im Zins vergüten lassen, das sie heute stets ohne eigene Anstrengung von ihnen kassieren können. Die Abgabe nimmt ihnen die Möglichkeit, auf Kosten anderer mühelos reich zu werden. Sie werden stattdessen Kredite billiger, d. h. zu niedrigerem Zinssatz abgeben, als es heute ohne diesen Druck der Fall ist. Genau betrachtet wird das Liquiditätsentgelt im Zins zu null werden. Damit würde es aus allen Zinsarten verschwinden. Eine Umlaufsicherungs­abgabe würde so zu einer spürbaren und dauerhaften Absenkung des allgemeinen Zinsniveaus führen, zum Nutzen aller Arbeitenden und Konsumenten. Damit schafft umlaufgesichertes Geld auch die Voraussetzung für größere Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich. Ein „gerechtes Geld“ wäre Wirklichkeit.

Bei der Absenkung des Zinsniveaus kann es nur um die Schrumpfung des ungerechten Liquiditätsentgelts gehen, um diesen einen Zinsanteil allein! Zins darf nicht als Ganzes abgelehnt werden, weil sich die übrigen vier Zinsanteile wirtschaftlich und ethisch rechtfertigen lassen. Darüber gibt meine Arbeit „Zins aus fünf Teilen“ nähere Auskunft.

Die Umlaufsicherungs­abgabe führt auch dann noch zu einem Kreditangebot, wenn nach heutigem Geldsystem die Anleger ihre Geldmittel wegen zu niedriger Zinssätze aus der Wirtschaft zurückhalten würden. Sie sorgt also dafür, dass Unternehmen auch in einer drohenden Wirtschaftsflaute, die zu niedrigen Zinssätzen neigt, mit Geldmitteln aus Krediten ausgestattet werden. Dadurch wirkt die Umlaufsicherung ausgleichend auf den Wirtschaftsverlauf. Gerade dies ist einer ihrer wichtigsten Vorteile!

Die Umlaufsicherung wird ihre Wirkung in aller­erster Linie im Senken des Zinsniveaus entfalten. Damit wird der Zinsanteil, der unsichtbar in allen Preisen, Mieten und Steuern steckt, der zu starker Verteuerung der Produkte führt und der die schleichende Verarmung fast aller Bevölkerungskreise wie auch armer Länder bewirkt, verschwinden. Dadurch verbleiben mehr Geldmittel in der Hand der Arbeitenden und weniger bei Großanlegern. Mit der Umlaufsicherung wird zwar im Ganzen nicht mehr Geld und Einkommen verfügbar sein als bisher, aber die Verfügung darüber in der Bevölkerung wird gleichmäßiger verteilt sein. Auf diese Weise führt eine Umlaufsicherungs­abgabe automatisch zu sozialem Ausgleich.

Die aus den Umlaufsicherungs­abgaben eingezogenen Beträge erlauben das Senken der üblichen Steuern in entsprechendem Umfang. Dadurch kommen die Umlaufsicherungs­abgaben allen Geldbenützern gleichermaßen wieder zugute.

Aufgrund der zu erwartenden gleichmäßigeren Verteilung der Einkommen wird die breite Bevölkerung ihre Geldanlagen nach ihren eigenen Bedürfnissen bestimmen können. So könnten Geldanlagen gemäß den Interessen der Verbraucher auch leichter und vermehrt in umweltschonende und in weniger auf Gewinn ausgerichtete Projekte fließen. Heute hingegen wird das Geldanlegen hauptsächlich von jener Minderheit gesteuert, die über das große Geld verfügt.

Erfahrungen mit Umlaufsicherung

In einer international viel beachteten Aktion gelang es 1932/33 dem österreichischen Städtchen Wörgl, die darniederliegende Wirtschaftstätigkeit durch die Ausgabe von Freigeld zu beleben. Dadurch ging vor allem die örtliche Arbeitslosigkeit um ein Viertel zurück. Die Gemeinde bezahlte ihre Verpflichtungen mit sogenannten „Arbeitswertscheinen“, die monatlich mit käuflich zu erwerbenden Marken von 1 % ihres Nennwertes beklebt werden mussten, um sie gültig zu erhalten.

Die Einführung von Freigeld hatte damals auch an anderen Orten, besonders in Deutschland, einen belebenden Einfluss auf die örtliche Wirtschaftstätigkeit, doch alle diese Aktionen mussten aus rechtlichen Gründen abgebrochen werden, ehe sie ihre Wirkung auf Kredit und Zins hätten erweisen können.

Im Gegensatz dazu hatten neuere Bestrebungen, alternative Zahlungsringe mit Umlaufsicherung zu betreiben, bis jetzt nicht die gewünschten Erfolge, weil die Anzahl der Teilnehmer meistens zu gering ist. Da können Umlaufsicherungsabgaben den Umfang der Geschäftsbeziehungen nicht genügend erhöhen. Auch der 1934 in der Schweiz gegründete, inzwischen weltweit größte Zahlungsring, der Wirtschaftsring WIR, der heute über 60'000 Kleinunternehmen als Mitglieder und Umsätze von mehreren hundert Millionen Franken pro Jahr aufweist, hat wenige Jahre nach seiner Gründung die Umlaufsicherung wieder abgeschafft. In allen diesen Aktionen fehlt – soweit mir bekannt – vor allem die Kreditvermittlung unter den Teilnehmern. Für den Erfolg alternativer Zahlungsringe scheint es auch wesentlich zu sein, sowohl gewerbsmäßig wirtschaftende Unternehmen als auch Behörden als Teilnehmer zu gewinnen.

Missverständnisse um die Umlaufsicherung

Die Umlaufsicherungs­abgabe darf keinesfalls im Sinne einer Steuer verstanden und erhoben werden! Dies trotzdem zu tun hieße, sie zur Gewinnung von Finanzmitteln für die öffentliche Hand zu missbrauchen! Dann würde sie dem öffentlichen Finanzbedarf unterworfen sein, dem Begehren von Parlamentariern und Räten unterliegen und in ihrer Höhe von Fall zu Fall verändert werden. Stattdessen muss die Höhe der Abgabe nach rein geldtechnischen Erfordernissen festgelegt werden können, wie gesagt zum Beispiel so, dass Termingelder im Zinssatz um 0 % pendeln.

Die Umlaufsicherung wäre auch missverstanden, wenn man annähme, sie solle den Umlauf des Geldes beschleunigen und dadurch zu verstärktem Wirtschaftswachstum und erhöhten Verdienstmöglichkeiten führen. Dies ist nicht ihr Zweck!

Umgekehrt ist nicht zu befürchten, eine Umlaufsicherung würde die Wirtschaft erst recht zum Wachstum antreiben und dadurch die Umwelt zusätzlich belasten. Die Abgabe soll vielmehr, wie der Name sagt, den Umlauf des Geldes in der Wirtschaft „sichern“, das heißt verstetigen, nicht aber beschleunigen. Die Abgabe soll das zinsabhängige Auf und Ab des Geldumlaufs dämpfen und glätten und so der Wirtschaft zu einer höheren Krisenfestigkeit verhelfen. Dadurch hilft sie auch mit, generelle Arbeitslosigkeit zu vermeiden. Sie dient aber nicht der Ankurbelung der Wirtschaft, sondern ihrer Stabilisierung. Sie soll es zugleich ermöglichen, auch eine nicht wachsende Wirtschaft funktionstüchtig zu erhalten.

Trotzdem kann die Umlaufsicherung bei Deflation zu der erwünschten Belebung der Wirtschaftstätigkeit beitragen, wie Freigeldaktionen in den 1930er Jahren zeigten. Vor allem wird ein Absinken des allgemeinen Zinsniveaus erwartet. In einer Übergangs- und Anpassungsphase dürfte dies einerseits eine Erleichterung und deshalb Ausweitung der Kreditaufnahme für Investitionen von Unternehmen zur Folge haben, andererseits die Verlagerung von Kaufkraft von den Geldvermögensbesitzern zu den Arbeitenden  aufgrund niedrigerer Preise bzw. höherer Löhne. Dadurch würde eine erhöhte Nachfrage nach entsprechenden Investitions-, Konsum- und Gebrauchsgütern ausgelöst werden. Beide Faktoren bedeuten eine Belebung der Wirtschaft. Jedoch können sich Gesamtproduktion und ‑verbrauch mittel- bis langfristig nicht über die Arbeits- und Konsummöglichkeiten hinaus entwickeln, so dass dem geldumlaufbedingten Wirtschaftswachstum automatisch Grenzen gesetzt sind. Dabei ist übrigens zu beachten, dass Wirtschaftswachstum und Ausweitung der Produktion aufgrund von Produktivitätsfortschritten durch fortschreitende Industrialisierung nicht einer freiwirtschaftlichen Umlaufsicherung zuzuschreiben sind.

Andere Kritiker befürchten, der Rückgang des Zinsniveaus würde neben einer Entlastung der Wirtschaft von Zinskosten auch ein Abschwächen des Wirtschaftswachstums oder gar einen Rückgang der Wirtschaft mit sich bringen, weil bei den bisherigen Investoren weniger Geld zur Verfügung steht. Ein Abbau noch vorhandener Arbeitsplätze müsste die Folge sein. – Richtig ist, dass die bisherigen Investoren über weniger Geld verfügen werden. Die Entlastung der Wirtschaft bedeutet aber nicht zwangsläufig einen Konsumrückgang oder einen Investitionsausfall. Bei einer Absenkung des Zinsniveaus geht es in erster Linie um eine Entlastung derer, die bis heute die Zinslasten zu tragen haben. Dies sind die Nettozinszahler, denen „die Wirtschaft“ die von ihr zu zahlenden Zinsen weiterbelastet, indem sie diese in die Preise ihrer Produkte einkalkuliert. Damit sind es die Käufer dieser Produkte, welche die Zinsen gezwungenermaßen erarbeiten und tragen müssen. Diese Nettozinszahler werden aufgrund einer Umlaufsicherung mit ihren Minderausgaben ihren Konsum aufrecht erhalten und ihrerseits Investitionen finanzieren können.

Es ist zu bedenken, dass beim Wirtschaftswachstum heute oft nicht „die Wirtschaft“ wächst, sondern die Einnahmen derer, die von den Zinsflüssen profitieren und deshalb nach Wirtschaftswachstum rufen. Wirtschaftswachstum wirkt jedoch immer mehr kontraproduktiv, wie wir über die letzten zehn und mehr Jahre beobachten können. Es bringt gerade das hervor, wogegen es angepriesen wird: mehr Schulden, mehr Pleiten, mehr Arbeitslose, mehr Arme, mehr Hunger, mehr Abfall, mehr Umweltverschmutzung, mehr Wirtschaftsflüchtlinge, mehr Kriminalität. Warum? Weil Wirtschaftswachstum über die explosionsartig steigenden Zinsflüsse die Konzentration von Vermögen und Macht in immer weniger Händen immer weiter fördert, immer zum Nachteil der sogenannten „kleinen Leute“.

Eine allgemeine Zinssenkung nach freiwirtschaftlichem Modell wird eine gleichmäßigere Verteilung der Geldströme bewirken. Eine Umlaufsicherungs­gebühr ist in erster Linie ein Instrument zum nachhaltigen Abbau der Kluft zwischen Arm und Reich. Wenn mehr Geldmittel breiter gestreut sind, kann es – im Gegensatz zu heute – eher zu solchen Investitionen kommen, die auch von der breiten Bevölkerung als sinnvoll empfunden werden. Wir müssen nicht annehmen, dass die heutigen Großinvestoren genügend Klugheit besitzen, um die Wirtschaft zum Vorteil der Bevölkerung zu beeinflussen. Andererseits können sie nur investieren, wenn Kreditnachfrager da sind. Diese sind aber auch dann noch vorhanden, wenn der Reichtum anders verteilt sein wird.

Fraglich ist, ob eine Zinsentlastung der Wirtschaft zu zusätzlichen Arbeitsplätzen führen würde. Die Wirtschaft wächst nicht wegen des Zinses, sondern weil die Arbeitsproduktivität des einzelnen Erwerbstätigen aufgrund immer höherer Maschinisierung und des dementsprechend wachsenden Energieverbrauchs zunimmt. Die heute aufgrund von Zinslasten zunehmende Verschuldung erzeugt nur den Druck, die Möglichkeiten zur Produktivitätssteigerung bis an die Grenze des Möglichen auszuschöpfen. Dieser Produktivitätszuwachs setzt einerseits Arbeitskräfte frei und verlangt andererseits immer höher ausgebildete Arbeitskräfte – eine fortschreitende Spaltung der Gesellschaft. Der Produktivitätszuwachs wird fortdauern, solange der Einsatz technischer Energie billiger ist als Menschenarbeit. Zusätzliche Arbeitsplätze benötigen die Nachfrage der Bevölkerung nach Konsumgütern, die erst ihrerseits Investitionen erfordern. Nicht zuerst investieren und dann auf die Nachfrage der Bevölkerung warten! Dazu braucht aber diese Bevölkerung mehr von den Geldmitteln, die sich heute wegen des Zinses bei immer weniger Vermögenden konzentrieren.

Umlaufsicherung oder Inflation?

Ein vielfach anzutreffender, aber grundlegender Irrtum ist die Behauptung, eine Inflation bedeute ebenfalls eine Geldentwertung, habe somit eine umlaufsichernde Wirkung und würde daher die freiwirtschaftlich geforderte Umlaufsicherung überflüssig machen.

Die Minderung der Kaufkraft des Geldes bei Inflation beruht auf Geldvermehrung und hat dadurch eine allgemeine Preissteigerung zur Folge. Dies wirkt ohne Zweifel umlaufsichernd. Hingegen entwertet eine Inflation sämtliche in Geld bewerteten Güter, nicht nur die flüssigen Zahlungsmittel. Hier verlieren neben dem Geld auch sämtliche Guthaben, Löhne, Renten, Versicherungsleistungen und ebenso Schulden fortlaufend an Wert. Dies bedeutet eine ständig weiterschreitende Verzerrung der Werte. Außerdem treibt Inflation erfahrungsgemäß die Zinssätze in die Höhe, denn diese liegen stets über der Inflationsrate.

Demgegenüber lässt eine Umlaufsicherungs­abgabe die Geldmenge unverändert und hat demzufolge keine preissteigernde oder wertverzerrende Wirkung. Die Abgabe wird – wie gezeigt – nur auf flüssige, zum Bezahlen verfügbare Zahlungsmittel erhoben, nicht auch auf Geldanlagen oder andere Geldvermögenswerte. Ein Geldbesitzer verfügt aufgrund der von ihm zu zahlenden Umlaufsicherungsabgabe mit der Zeit zwar über etwas weniger Zahlungsmittel (wenige Prozent im Jahr), doch verliert sein Geld nicht an Kaufkraft. Er kann sich für seinen Franken oder Euro gleich viel kaufen wie zuvor. Bei der Umlaufsicherung handelt es sich also um einen Mengenverlust für den Geldbesitzer, nicht um einen Kaufkraftverlust der Geldeinheit wie bei Inflation.

Eberhard Knöller, Bern