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Bern, den 21. März 1995/22. Juni 2000

Kreditkettentheorie:

Buchgeldschöpfung durch Kreditketten

Im ersten Teil dieser Arbeit wird eine „Kreditkettentheorie der Buchgeldschöpfung“ beschrieben. Ihr Kennzeichen: Das Buchgeld entsteht aus dem wiederholten Durchlauf des Bargeldes durch die Banken. Im zweiten Teil folgen Überlegungen zur Frage, ob Buchgeldschöpfung inflationär wirken kann. Dabei stellt der Autor eine erweiterte Verkehrsgleichung des Geldes vor.

 


Einleitung

„Der Dritte Weg“ hat in einigen der letzten Ausgaben wieder einmal das Problem der Buchgeldschöpfung durch Banken aufgeworfen. Prof. Eckhard Grimmel bejaht sie in Aufsatz und Leserbrief (DDW 5/99 und 10/99). Für Norbert Olah steht die Buchgeldschöpfung durch Banken außer Frage; er nennt die Fragestellung aber ein „Scheinproblem“, das er an der Definition von „Geld“ aufhängt („Sieben Scheinprobleme der Freiwirtschaft“, DDW 3/00). Bernd Hercksen will das „Gespenst der Buchgeldschöpfung … vertreiben“ („Geld aus dem Nichts?“, DDW 4/00). Helmut Creutz fand früher schon „keinerlei Anhaltspunkte für eine Geld- oder Kreditschöpfung durch die Banken“ und warnte vor „herkömmlichen Lehrbuchmeinungen und deren Fragwürdigkeiten“ („Theorien oder Fakten – was führt uns weiter?“, DDW 10/94). Noch ausführlicher hat er sich mit dieser Frage in „Geldschöpfung durch Geschäftsbanken – Theorie oder Wirklichkeit?“ befasst, ohne anderes Ergebnis (Zeitschrift für Sozialökonomie 108/1996). Trotzdem kann die Buchgeldschöpfung der Banken nicht ganz aus der Luft gegriffen sein, wenn Lehrbücher sie mit großer Regelmäßigkeit beschreiben.

Schon im Januar 1995 hat der „Dritte Weg“ für einen Sonderdruck zur Aufarbeitung dieses Themas und zur Beantwortung einer Reihe entscheidender Fragen aufgerufen. Arbeiten dazu sind jedoch nie veröffentlicht worden.

Zur Frage der Buchgeldschöpfung stelle ich hier eine nicht mehr neue Theorie vor, welche die Auflösung der Widersprüche zwischen den verschiedenen Buchgeld-Schöpfungstheorien erlaubt. Ich nenne sie „Kreditkettentheorie“. Grundlage dazu bildet die Dissertation von Martin Scheidt über „Theoretische Grundlagen der bankgeschäftlichen Kreditgewährung" aus dem Jahre 1962 (Verlag Duncker & Humblot).

Vorbemerkung

Meinen Ausführungen lege ich die nachstehenden Festsetzungen zugrunde:

n   „Buchgeld“ sind Guthaben auf Girokonten, auch „Sichtguthaben“ oder „Giralgeld“ genannt.

n   Buchgeld ist Geld, weil es als Zahlungsmittel verwendet werden kann.

n   Buchgeldschöpfung bedeutet den Vorgang des Entstehens von Buchgeld.

n   Bargeld und Buchgeld sind Belege für Kaufrechte.

n   Aufgrund von Geldschöpfung und -vernichtung darf sich die Menge der vorhandenen Kaufrechte nicht ändern.

n   „Geldmenge“ ist die Summe von Bargeld und Buchgeld.

n   Wenn im Folgenden von „Banken“ die Rede ist, sind immer Geschäftsbanken gemeint, nicht Zentralbanken. Die Geldschöpfung von Zentralbanken ist nicht Thema dieses Aufsatzes.

 

Teil 1

Zwei unbefriedigende Theorien

Zur Lösung der Frage Buchgeldschöpfung ist es nötig, den Wahrheitsgehalt der beiden bisher hauptsächlich diskutierten, einander extrem gegenüberstehenden Theorien zu verschmelzen. Scheidt nennt sie in seiner Dissertation die „orthodoxe" und die „moderne" Theorie. Er definiert:

n   Orthodoxe Theorie: „Nach der orthodoxen Auffassung entsteht jedes Bankguthaben durch eine Bargeldeinzahlung. Mit dem Bargeld erteilen die Banken Kredite. Die Bargeldeinzahlung ist die Grundlage, der Kredit die Folge. Die Banken sind Vermittler von Kredit. Sie können nicht mehr vermitteln, als sie empfangen haben."

n   Moderne Theorie: „Für die moderne Kredittheorie ist demgegenüber der Kredit die Grundlage, die Einlage ist Folge. Die Bank schöpft sich die Mittel zu Krediten aus dem Nichts."

Keine der beiden Theorien kann alle Erscheinungen der Buchgeldschöpfung befriedigend erklären.

Die orthodoxe gibt keine Erklärung dafür, woher die große Menge von Buchgeld kommt, welche die Menge des Bargeldes weit übersteigt.

In diese Lücke springt zwar die moderne Theorie, doch ist diese nicht in der Lage, eine Begründung für das Fehlen von großen Zinsgewinnen der Banken anzugeben und aufzuzeigen, warum die Banken mit ihrer Geldschöpfung Bankpleiten nicht verhindern können.

Buchgeldschöpfung durch Bankkunden

Scheidt stellt in seiner Dissertation fest, dass die Buchgeldschöpfung durch das Verhalten der Bankkunden gegenüber den Banken stattfindet. Buchgeld wird von den Bankkunden geschaffen, nicht von den Banken! Es entsteht, indem Bargeld von Bankkunden auf Konten eingezahlt wird. Die Menge des Buchgeldes nimmt zu, indem das gleiche Bargeld mehrmals nacheinander von verschiedenen Bankkunden auf Girokonten eingezahlt wird, zwischendurch aber immer wieder das Bankensystem auf dem Kreditweg verlässt. Jede Einzahlung von Bargeld hinterlässt bei den Banken zahlungsfähiges Buchgeld als Spur, das so lange im Bankensystem erhalten bleibt und von Konto zu Konto als Zahlungsmittel umläuft, bis eine Bank dem Einzahler wieder Bargeld ausbezahlt.

Die zentrale Feststellung Scheidt's lautet:

Buchgeld entsteht aus dem wiederholten Durchlauf des Bargeldes durch die Banken.

Scheidt sagt zusammengefasst:

„ ... dass das gleiche Bargeld mehrfach zur Kreditgewährung verwendet wird. ... Unrichtig ist, dass die Bank die Mittel zur Kreditgewährung selbst schafft. ... Es sind die tatsächlichen Gläubiger, die das Entstehen von neuen Bankguthaben bestimmen. ... Die bankgeschäftliche Kreditgewährung ist in keinem Fall Kreditschöpfung, sondern ausschließlich Kreditvermittlung. ... (Dies) schließt eine Kreditautonomie der Banken aus."

Das heißt:

n   Buchgeld entsteht der Wirtschaft unter der Hand!

n   Die Buchgeldschöpfung geschieht ohne Wissen der Bankkunden und ohne Absicht der Banken.

n   Buchgeld entsteht nicht ohne Einlagen.

n   Es gibt keine Bilanzprobleme bei den Banken. Kein Wunder, kennt der Bankbuchhalter die Buchgeldschöpfung nicht!

n   Buchgeld entsteht nicht rechtswidrig.

n   Buchgeld entsteht weder aus dem Nichts noch aufgrund geleisteter Arbeit.

n   Eine „aktive", das heißt beabsichtigte Buchgeldschöpfung der Banken gibt es nicht.

Eine „aktive" Buchgeldschöpfung der Banken muss es auch nicht geben. Es gibt nur eine sozusagen „passive" Buchgeldschöpfung „bei“ den Banken. Deshalb darf es nicht „autonome Buchgeldschöpfung der Banken" heißen, sondern richtigerweise „unwillkürliche Buchgeldschöpfung durch Bankkunden" oder einfacher „Buchgeldentstehung bei Banken“.

Tabelle 1 zeigt eine Zusammenstellung der Merkmale der drei Theorien. Dabei steht die Kreditkettentheorie in der Mitte, weil sie auch von ihrem Wesen her eine vermittelnde Stellung einnimmt.

 



 

Theorie

Orthodoxe Theorie

Kreditkettentheorie

Moderne Theorie

Schöpfer des Buchgeldes

Bankkunden als Einleger

Banken

Quelle der
Buchgeldschöpfung

Bargeldeinzahlung

wiederholter Bargelddurchlauf durch Bankensystem

Das „Nichts"

Art der Buchgeldschöpfung

passiv

aktiv

Krediterteilungsfähigkeit der Banken

gleich groß wie „Einlagen minus Reserven“

größer als „Einlagen minus Reserven“

Wirkung auf Geldmenge

ohne Geldvermehrung

mit Geldvermehrung

Umfang der Buchgeld-deckung durch Bargeld

volle Deckung

Teildeckung

Tabelle 1: Buchgeldschöpfungstheorien im Vergleich

 


Der Ablauf der Buchgeldschöpfung

Zur Verdeutlichung der Geldvermehrung durch Buchgeldschöpfung sei hier der Vorgang im Bankenverkehr dargestellt.

1.    Ein Bankkunde (A) macht eine Bareinzahlung auf sein Girokonto (Sichtguthabenkonto). Aufgrund dieser Einzahlung verfügt er über Buchgeld, sein Kontoguthaben. Er hat die Belegart seiner Kaufrechte (Geld) von Bargeld auf Buchgeld gewechselt. Das eingezahlte Bargeld liegt vorläufig in der Kasse der Bank. Das Bilanzvolumen der Bank ist vergrößert; die Bilanz ist um die Einzahlung verlängert. Die Menge der insgesamt in Verkehr stehenden Kaufrechte (Geld) hat sich nicht verändert.

2.    Die Bank legt das eingenommene Bargeld nicht still, wie es nötig wäre, um die Gesamtmenge der umlaufenden Kaufrechte (Geld) nicht zu verändern. Statt dessen erteilt sie einem andern Bankkunden (B) einen Kredit über beispielsweise neun Zehntel des eingezahlten Bargeldbetrags und zahlt ihn bar aus. Oder der Kreditbetrag wird vom Kreditnehmer (B) auf das Konto eines weiteren Bankkunden (C) überwiesen, von wo aus dieser sich das Geld bar auszahlen lässt. Das zehnte Zehntel der Einzahlung behält die Bank als Sicherheitsreserve zurück. Mit diesem Schritt findet keine Bilanzverlängerung der Bank statt.

3.    Der erste Bankkunde (A) kann nun durch eine Überweisung seines Giroguthabens auf ein anderes Girokonto (an D) eine Rechnung bezahlen zum gleichen Zeitpunkt, wie ein anderer (B oder C) eine Barzahlung ausführt (an E) mit einem Teil genau des Geldes, das der erste Bankkunde (A) eingezahlt, seine Bank aber durch einen Kredit (an B) wieder in Verkehr gesetzt hat. Zwei Zahlungen können gleichzeitig ausgeführt werden (von A und von B oder C), wo zuvor nur eine einzige möglich war (von A allein). Diese Möglichkeit besteht, weil nun zwei verschiedene Beleg­arten für Kaufrechte (Geld) anstelle einer einzigen im Spiele sind (Buchgeld und Bargeld gleichzeitig anstatt nur Bargeld allein). Genau in diesem Punkt liegt die Geldvermehrung.

Wohlgemerkt – beide Zahlungen sind rechtskräftig! Das überwiesene Giroguthaben ist Guthaben geblieben; mit ihm kann weiterhin von wechselnden Kontoinhabern gezahlt werden. Das gleiche trifft für das wieder ausgegebene Bargeld zu: Es bleibt Bargeld und kann für weitere Zahlungen außerhalb des Bankensystems verwendet werden. Damit hat sich die Gesamtmenge der in Umlauf stehenden Kaufrechte, d. h. die Geldmenge als Summe von Bargeld und Buchgeld erhöht.

4.    Das über den Kredit wieder ausgegebene Bargeld kann ein weiteres Mal und von einem neuen Besitzer auf ein Girokonto eingezahlt werden, entweder auf sein eigenes oder auf dasjenige eines andern.

Mit dieser Einzahlung wiederholt sich das Spiel ab Schritt 1. Neues Buchgeld kann geschaffen werden, die Geldmenge erneut vergrößert, jedesmal um neun Zehntel der Einzahlung. Dies führt nach vielen Wiederholungen zu einer Buchgeldmenge, die das Neunfache der eingezahlten Bargeldmenge ausmacht.

5.    Die Wiederholung der Schritte 1 bis 3 wird unterbrochen, wenn einer der Bareinzahler sich ein Giroguthaben wieder bar auszahlen lässt. Dann findet Buchgeldvernichtung statt.

Hieraus geht hervor:

Buchgeld entsteht in dem Moment, in dem ein Kontoguthaben zusätzlich zum Bargeld Zahlungsmittel wird.

Buchgeldschöpfung ist die Tatsache, dass bei den Banken aus Bargeld Buchgeld entsteht und zusätzlich zum Bargeld in Verkehr gelangt. Dadurch können gleichzeitig und nebeneinander mehrere Zahlungen ausgeführt werden, einerseits durch Übergeben von Bargeld von Hand zu Hand außerhalb des Bankensystems wie andererseits auch durch Überweisen von Buchgeld innerhalb des Bankensystems.

Die Krediterteilung von neun Zehnteln der eingezahlten Bargeldmenge entspricht der maximal üblichen Größenordnung. Dieses Verhältnis kann schwanken je nach dem Bedarf der Banken an Sicherheitsreserve. Steigt der Bedarf der Banken an Sicherheitsreserve in Bargeld, so nimmt ihre Krediterteilungsfähigkeit ab, und die Buchgeldmenge muss sinken. Doch immer bleibt der Bargelddurchlauf durch die Banken die Grundlage der Buchgeldschöpfung.

Die Krediterteilung von neun Zehnteln der eingezahlten Beträge führt in der Praxis zu einer Buchgeldmenge, die das Zwei- bis Zweieinhalbfache der Bargeldmenge ausmacht, die sich in der Bevölkerung in Verkehr befindet.

Beispiel: Dreigliedrige Kreditkette

Betrachten wir den Vorgang der Buchgeldschöpfung jetzt mehrmals nacheinander und zahlenmäßig am Beispiel einer dreigliedrigen Kreditkette, zunächst theoretisch vereinfacht ohne Mitwirkung einer Bank, anschließend praxisnäher auf dem Weg über eine Bank.

Zwischen den sechs Wirtschaftsteilnehmern A, B, C, D, E und F finden folgende Geschäftsvorgänge ohne Bank statt, ausgehend von der Bargeldmenge 100 (siehe Tabelle 2, „Kreditkette ohne Bank“):

A leiht B. B zahlt an C. (Schritte 1 und 2)

C leiht D. D zahlt an E. (Schritte 3 und 4)

E leiht F. F zahlt an G. (Schritte 5 und 6)

Hier liegt eine dreigliedrige Kreditkette vor: Es sind drei Leihvorgänge mit dem gleichen Geld ausgeführt worden. Folglich ist die Kreditmenge dreimal so hoch wie die benützte Geldmenge. Wenn die Kreditguthaben ihrerseits zum Zahlen verwendet werden, sind sie Zahlungsmittel und damit Geld. Dies geschieht im Beispiel gegenüber den drei weiteren Wirtschaftsteilnehmern H, I und K. A überträgt sein Guthaben bei B an H, C sein Guthaben bei D an I, E sein Guthaben bei F an K, alle zu der gleichen Zeit, wie F an G zahlt (Schritt 6).

Auf diese Weise ist zusätzliches Geld entstanden, und die Gesamtgeldmenge ist auf das 4-fache angewachsen. Bei noch längerer Kreditkette wäre die Gesamtgeldmenge noch weiter vergrößert.

Unter Einschaltung einer Bank in die Kreditkette mit den gleichen Teilnehmern ergeben sich die Werte von Tabelle 3, „Kreditkette mit Bank“. Die Bank erteilt jeweils Barkredite zu neun Zehnteln des eingezahlten Bargeldes. Ein Zehntel behält sie als Reserve. Am Schluss stehen bei der Bank den Einlagen von 271 (= 100 + 90 + 81) ein Reservenbestand von 28 und Kredite von 243 gegenüber. Die Geldmenge beim Publikum (Bargeld und Buchgeld zusammen) macht 343 aus. Bei unaufhörlicher Fortsetzung von Einzahlung und Kredit­erteilung würde sich theoretisch alles Bargeld (100) bei der Bank sammeln; ihre Kredite würden auf 900 steigen und die Geldmenge auf 1000. Dazu kommt es in der Praxis jedoch nie, weil ständig Bargeld von Girokonten wieder abgehoben wird.

Kreditkettentheorie

Das Wesentliche des beschriebenen Vorgangs ist das Existieren von Kreditketten.

Eine Kreditkette liegt vor, wenn das gleiche Geld mehrmals nacheinander zum Erteilen von Krediten verwendet worden ist, wobei abwechselnd geliehen und gezahlt wird.

Kreditketten allein sind Voraussetzung und Erklärung der Tatsachen,

1.      dass einstmals aus einer begrenzten Menge Münzgeld eine größere Menge Banknotengeld entstehen konnte;

2.      dass heute die Buchgeldmenge größer ist als die Bargeldmenge;

3.      dass das gesamte Finanzvermögen einer Gesellschaft größer ist als deren in Verkehr stehende Geldmenge (vgl. Punkt 3, Seite 6).

Bei der Buchgeldschöpfung durch Kreditketten grundlegend entscheidend ist das wiederholte Wechseln der Art des Zahlungsmittels. Nur mit dem Wechsel des Zahlungsmittels bzw. der Belegart des Kaufrechtes Geld kann Buchgeld bei Banken entstehen.

Auflösung der Meinungsverschiedenheiten

Aufgrund dieser Erkenntnisse lassen sich folgende immer wieder vorgebrachten Behauptungen bestätigen:

n   Alles Buchgeld bei den Banken entsteht aus Einlagen von Bargeld.

n   Eine Bank kann höchstens so viel Kredit geben, wie sie Einlagen erhalten hat.

n   Die Zinseinnahmen und -ausgaben der Banken lassen keine selbstständige, so genannt „autonome“ Buchgeldschöpfung der Banken erkennen.

n   Nach Entstehung eines Sichtguthabens aus einer Bargeldeinzahlung und einer darauf aufgebauten Krediterteilung mit nachfolgender Bargeldabhebung kann über Bargeld außerhalb des Bankensystems und Buchgeld innerhalb des Bankensystems von verschiedenen Inhabern gleichzeitig und nebeneinander verfügt werden. Beide Geldarten sind zum gleichen Zeitpunkt Zahlungsmittel.

Ergänzend hierzu müssen folgende Aussagen gelten:

n   Die Banken befähigen ihre Kunden durch Kreditgewährung und Auszahlung von Bargeld zur Schaffung von Buchgeld.

n   Das Geld aus gewährten Krediten kann nach Auszahlung in Barform als Einlage von Bargeld zu den Banken zurückkehren und von ihnen als neue Grundlage von Kreditgewährungen verwendet werden.

n   Ob ein gewährter Bankkredit eine neue Bankeinlage zur Folge hat, liegt allein in der Entscheidung der Bankkunden. Ihre Entscheidung hängt ab von ihrer Möglichkeit und Bereitschaft, aus Krediten stammendes Bargeld außerhalb des Bankensystems zu verwenden oder zu einer neuen Bankeinlage zu machen und innerhalb des Bankensystems Buchgeld zu überweisen. Dies wiederum hängt ab von den Zahlungsgewohnheiten der Bevölkerung, d. h. vom Verhältnis zwischen bargeldlosem und bargeldgebundenem Zahlungsverkehr.

Daraus verbleiben unbestreitbar zwei Tatbestände:

n   Bei den Geschäftsbanken findet Buchgeldschöpfung statt.

n   Buchgeldschöpfung erhöht die Geldmenge und kann deshalb inflationär wirken. Ob sie dies tatsächlich tut, ist eine Frage des Verwendungszwecks und der Umlaufgeschwindigkeit der verschiedenen Geldarten Buchgeld und Bargeld.

Aus dieser Darstellung ergibt sich außerdem:

n   Der Theorienstreit, ob eine Bank allein oder nur im Verein und im Gleichschritt mit andern Banken Buchgeld schaffen kann, ist gegenstandslos und überflüssig, weil die Einleger die Kreditvermittlungsfähigkeit der Banken bestimmen und nicht die Banken. Es gibt also kein Zusammenwirken der Banken bei der Buchgeldentstehung und muss es nicht geben. Jedoch ist das Zusammenwirken von Bankkunden und Banken zwingend erforderlich.

n   Eine Bilanzverlängerung ist nicht Grundlage der Buchgeldschöpfung. Sie ergibt sich automatisch aus einer Bargeldeinzahlung, nicht jedoch findet sie bei der nachfolgenden Krediterteilung statt.

n   Es gibt bei der Buchgeldschöpfung keine undurchsichtigen Bilanztricks der Banken.

n   Es liegt in der Verantwortung des Bankensystems, dem bei ihm eingezahlten Bargeld die Gelegenheit zu verschaffen, ein weiteres Mal eingezahlt und wieder ausgeliehen zu werden und so zum Anwachsen der Geldmenge über Buchgeldschöpfung beizutragen.



 

Schritt Nr.

Wer an wen

Vorgang

Bewegter Betrag

Bargeld in Verkehr

Guthaben wer

Schulden
wer

Geldmenge

1

A –> B

Leihen bar

100

100

100       A

100       B

100

2

B –> C

Zahlen bar

100

100

100       A

100       B

100

3

C –> D

Leihen bar

100

100

100       A
100       C

100       B
100       D

100

4

D –> E

Zahlen bar

100

100

100       A
100       C

100       B
100       D

100

5

E –> F

Leihen bar

100

100

100       A
100       C
100       E

100       B
100       D
100       F

100

6

F –> G

Zahlen bar

100

100

100       A
100       C
100       E

100       B
100       D
100       F

400
= Total von
"Bewegter
Betrag"
in
Schritt 6

A –> H

Zahlen mit Guthaben

100

100       H
100       C
100       E

C –> I

Zahlen mit Guthaben

100

100       H
100        I
100       E

E –> K

Zahlen mit Guthaben

100

100       H
100        I
100       K

Tabelle 2: Dreigliedrige Kreditkette ohne Bank

 

Schritt Nr.

Wer an wen

Vorgang

Bewegter Betrag

Bargeld in Verkehr

Guthaben wer

Reserve bei Bank

Schulden wer

Geldmenge

1a

A –> Bank

Einzahlen bar

100

100       A

100

100

1b

Bank –> B

Kredit bar

90

90

100       A

10

   90       B

100

2

B –> C

Zahlen bar

90

90

100       A

10

   90       B

190

3a

C –> Bank

Einzahlen bar

90

100      A
   90       C

100

   90       B

190

3b

Bank –> D

Kredit bar

81

81

100      A
   90       C

19

   90      B
   81       D

190

4

D –> E

Zahlen bar

81

81

100      A
   90       C

19

   90      B
   81       D

271

5a

E –> Bank

Einzahlen bar

81

100      A
   90      C
   81       E

100

   90      B
   81       D

271

5b

Bank –> F

Kredit bar

72

72

100      A
   90      C
   81       E

28

   90      B
   81      D
   72       F

271

6

F –> G

Zahlen bar

72

72

100      A
   90      C
   81       E

28

   90      B
   81      D
   72       F

343
= Total
von
"Bewegter
Betrag"
in
Schritt
6

A –> H

Zahlen
mit Guthaben

100

100      H
   90      C
   81       E

C –> I

Zahlen
mit Guthaben

90

100      H
   90       I
   81       E

E –> K

Zahlen
mit Guthaben

81

100      H
   90       I
   81       K

Tabelle 3: Dreigliedrige Kreditkette mit Bank


Teil 2

Buchgeldschöpfung

Bei der Buchgeldschöpfung bei den Geschäftsbanken entsteht, wie wir gesehen haben, eine neue, zusätzliche Geldart. Es handelt sich nicht, wie immer wieder auch zu hören ist, um eine Zunahme der Geld„nutzung“, um eine Mehrfachnutzung des gleichen Geldes, sondern eben um das mehrfache Entstehen und In-Umlauf-setzen einer anderen Zahlungsmittelart. Diese, das Buchgeld, wird von ihren Inhabern, den Girokontobesitzern, mit einer dieser Geldart eigenen Häufigkeit für Zahlungen eingesetzt. Diese Umlaufgeschwindigkeit des Buchgeldes liegt deutlich höher als diejenige des Bargeldes, meines Wissens etwa doppelt so hoch.

Auch statistisch wird die Geldart Buchgeld selbstständig behandelt und als Sichtguthabenmenge erfasst. Diese Mengenangabe ist unabhängig von der Einsatzhäufigkeit des Buchgeldes für Zahlungen, d. h. unabhängig vom damit getätigten Umsatz, unabhängig von ihrer „Nutzung“.

Beantwortung von Fragen

Aus der Kreditkettentheorie lassen sich jetzt die Fragen um die Buchgeldschöpfung beantworten, die der „Dritte Weg“ im Januar 1995 gestellt hat. In den nachstehend von mir gegebenen Erklärungen ist die zugehörige Fragestellung in Anführungszeichen eingekleidet.

1.    „Die gesamten von Banken bei Nichtbanken aufgenommenen Einlagen einschließlich ihres Eigenkapitals liegen über ihren gesamten an Nichtbanken ausgegebenen Krediten“ deshalb, weil es keine autonome Geldschöpfung der Banken gibt bzw. weil die Banken nicht mehr Kredite gewähren können, als sie Einlagen erhalten.

2.    „Das Kreditwesengesetz macht für die Kreditgewährungen größenbezogene Auflagen, die an die Kundeneinlagen und andere Passiva gebunden sind und zum Teil (z. B. für Sichtguthaben) unter deren Größe liegen“, um die Sicherheit der Banken gegen Massenabhebungen und Zahlungsunfähigkeit zu erhöhen. Dies belegt ebenfalls, dass es keine autonome Geldschöpfung der Banken gibt.

3.    „Der Tatbestand, dass die Geldvermögen und Schulden bzw. Bankeinlagen und Kreditgewährungen, gemessen an der Wirtschaftsleistung und dem Bargeld- und Sichtguthabenbestand, immer größer werden“, erklärt sich aus Kreditketten (vgl. Punkt 0, Seite 4).

4.    Dem „Tatbestand, dass die Sichtguthaben von 1950 bis 1970 im Verhältnis zum Sozialprodukt weniger zunahmen als die Bargeldmenge abnahm und dass 1970 bis 1987 das Verhältnis zwischen Bargeld und Sichtguthaben mit 1:2 konstant geblieben ist“, liegt eine Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit der Sichtguthaben gegenüber derjenigen des Bargeldes zugrunde. Dabei kann ihr Mengenverhältnis unverändert bleiben.

5.    Der Hinweis „von verschiedensten Seiten …, dass die Ausweitung der Verschuldung (hier vor allem der Staatsverschuldung) an die Ersparnisse gebunden sei und diese nicht überschreiten könne“, ist ebenfalls damit zu erklären, dass es keine autonome Geldschöpfung der Banken gibt.

6.    „Der Tatbestand, dass die US-Regierung seit Jahren ihre Lücken im Etat weitgehend im Ausland schließen muss und auch die deutsche Bundesregierung bei ihrer Kreditaufnahme zunehmend dazu gezwungen war“, bestätigt, dass auch die Zentralbanken nicht willkürlich Geld aus Geldschöpfung an ihre Regierungen ausgeben. Die Aufnahme von Krediten im Ausland durch Regierungen ist eine Frage des Kreditangebots zwischen In- und Ausland und des Zinsgefälles.

7.    Die Frage 7 umfasste drei Teilfragen zur Kaufkraftstabilität für den Fall, dass eine Geldschöpfung durch Banken bejaht wird.

n    „Welche Folgen hat eine Geldschöpfung durch Banken für die Kaufkraftstabilität des Geldes?“

n    „Ist dann die Bundesbank noch in der Lage, die Kaufkraftstabilität zu erreichen?“

n    „Wie kommt es trotzdem zeitweise zu einer Inflation nahe null?“

Zu diesen Teilfragen meine generelle Antwort:

Eine Ausweitung der Buchgeldmenge führt unter einer oder mehreren der folgenden Voraussetzungen nicht zu einer Steigerung des Preisniveaus, jeweils bei sonst gleichbleibenden Größen:

n    Die umgesetzte Wirtschaftsleistung nimmt im gleichen Maße zu.

n    Die Umlaufgeschwindigkeit des Buchgeldes nimmt entsprechend ab.

n    Der Geldbedarf für rein vermögensübertragende Zahlungen nimmt entsprechend zu (siehe unten).

Angesichts der Vielfalt der Einflussgrößen auf Preisniveau und Kaufkraftstabilität ist es für eine Zentralbank wie der Bundesbank tatsächlich äußerst schwierig, die Kaufkraft des Geldes konstant zu halten. Diese Einflussgrößen sind nicht nur Zinsniveau, Umfang ihrer Kredite an Geschäftsbanken, Umlaufgeschwindigkeit der Zahlungsmittel und die Wirtschaftsleistung, sondern eben auch das Verhältnis zwischen einkommenswirksamen Zahlungen und vermögensübertragenden Zahlungen.

Dieser letzte Punkt – das Problem der Zahlungsarten – muss in den nächsten Abschnitten verdeutlicht werden.

Zweierlei Zahlungsbedürfnisse

Die vorhandene Geldmenge hat zwei grundsätzlich verschiedene Zahlungsbedürfnisse zu befriedigen, nämlich das

1.    Bezahlen wirtschaftlicher Leistungen und Nutzungsrechte, also alles dessen, was produziert und genutzt wird, und das

2.    Abwickeln von reinen Vermögensübertragungen, die keine wirtschaftlichen Leistungen abgelten ("Transferzahlungen").

Das Bezahlen wirtschaftlicher Leistungen und Nutzungsrechte führt zu Einkommen, reine Vermögensübertragungen dagegen nicht. Es sind dementsprechend

n   einkommenswirksame Zahlungen und

n   vermögensübertragende Zahlungen

zu unterscheiden.

Zu reinen Vermögensübertragungen führen: Abhebungen von Konten und Wiedereinzahlungen auf Konten unter Zwischenschaltung von Bargeld, Kredite und Kreditrückzahlungen, Wertpapierhandel, Devisenhandel, Steuern, Subventionen, Schenkungen, Versicherungsprämien und -auszahlungen, Renten, Erbe, Lotto, Toto, Geldstrafen, Schmerzensgelder, Schmiergelder, spekulative Geldflüsse, vor allem aber die alltäglichen, unsichtbaren indirekten Einkommenszahlungen in praktisch allen Produktepreisen.

Die allermeisten Preise enthalten Anteile beider Zahlungsarten. Jeder Verkaufserlös wird vom Empfänger verwendet für zwei grundsätzlich verschiedenartige Zwecke: Zum einen zur Abgeltung von Löhnen, Zinsen, Bodenrenten und Gewinnen, die er an sich und an seine Mitarbeiter, Kreditgeber, Bodenverpächter und Aktionäre auszahlt, zum andern zum Bezahlen seiner Lieferanten. Mit dem Bezahlen der Lieferanten überträgt er Vermögen von seinen Kunden an diese Lieferanten.

In Ländern mit Mehrwertsteuer lassen sich die beiden Zahlungsanteile deutlich erkennen: Vom einkommenswirksamen Anteil der Zahlungen muss Mehrwertsteuer abgeführt werden, vom vermögensübertragenden Anteil dagegen nicht.

Zahlungsanteile für wirtschaftliche Leistungen haben Auswirkungen auf Preisniveau und Geldwertstabilität. Vermögensübertragende Zahlungsanteile gelten dagegen keine Leistungen ab und haben deshalb keinen Einfluss auf Preise und Geldwert.

In der Wirtschaft wird daher mehr Geld benötigt, als zum Umsatz von wirtschaftlichen Leistungen allein erforderlich wäre.

Wenn zunehmende Mengen von Geld bei gleichbleibender Umlaufgeschwindigkeit für zunehmende Vermögensübertragungen benötigt werden, hat Geldmengenausweitung keinen Einfluss auf Preisniveau und Geldwert.

Zusätzlich entstandenes Buchgeld kann also vom steigenden Bedarf an vermögensübertragenden Zahlungen aufgesogen werden.

Eine inflationäre Wirkung kann die Buchgeldschöpfung nach diesen Überlegungen nur dann nicht haben, wenn sie über den wachsenden Bedarf für Vermögensübertragungen nicht hinaus geht, bei sonst gleichbleibenden Größen.

Neue Verkehrsgleichung des Geldes

Diese Überlegungen verlangen eine Erweiterung der Verkehrsgleichung des Geldes. Damit sie den beiden beschriebenen Zahlungsbedürfnissen Rechnung trägt, muss sie lauten:

P = (M•U – V):L

Darin gilt:

P:      Preisniveau;

M:      Geldmenge = Summe von Bargeld und Buchgeld, bekannt als „M1";

U:      mittlere Umlaufgeschwindigkeit des Geldes;

V:      Summe der reinen Vermögensübertragungen;

L:       Umgesetzte Wirtschaftsleistung;

M•U: Summe aller Zahlungen.

Ausgedeutscht heißt die Gleichung: Das Preisniveau „P“ ist gleich Geldmenge „M“ mal mittlere Umlaufgeschwindigkeit „U“ abzüglich der reinen Vermögensübertragungen „V“, dies dividiert durch die umgesetzte Wirtschaftsleistung „L“.

Anders gesagt: Die Summe der reinen Vermögensübertragungen „V“ muss von der Summe aller Zahlungen, das heißt von der Umsatzleistung „M•U“ der Geldmenge „M“, abgezogen werden, um die einkommenswirksamen Zahlungen „M•U – V“ zu erhalten, aus denen sich dann durch Division durch die umgesetzte Wirtschaftsleistung „L“ das Preisniveau „P“ ergibt.

Zum Vergleich die traditionelle Verkehrsgleichung:

P = M•U:L.

Erkenntnisse

Zusammenfassend ergeben sich folgende Erkenntnisse:

1.    Die Entstehung des Buchgeldes geht grundsätzlich darauf zurück, dass beim Umtausch einer Geldart in eine andere die Möglichkeit besteht, die Summe der belegten Kaufrechte (Geld) zu verändern, anstatt sie unverändert zu belassen. Dies widerspricht dem Grundsatz, dass beim Umtausch von Geldarten die Menge der Kaufrechte (Geldmenge) unverändert bleiben muss.

2.    Den normalen Geschäftsbanken entsteht das Buchgeld unter der Hand. Demgegenüber schaffen Zentralbanken und private Verrechnungssysteme das Buchgeld „aus dem Nichts“ (in der Schweiz der WIR-Wirtschaftsring seit 1934, das INWO-Talent-Experiment seit 1993).

3.    Die Buchgeldschöpfung bei den Geschäftsbanken kann inflationär wirken, weil es keinen Mechanismus gibt, der sie automatisch an den Umfang der Wirtschaftsleistung koppelt. Die Buchgeldschöpfung hängt allein von der Entwicklung der Zahlungsgewohnheiten des Bankenpublikums ab. Diese sind nicht vom Umfang der Wirtschaftsleistung abhängig, sondern vom unterschiedlichen Aufwand, den die verschiedenen Zahlungsmittel beim Zahlen und Aufbewahren verursachen.

4.    Der Geldbedarf für rein vermögensübertragende Zahlungen ist für eine Zentralbank am schwierigsten zu beurteilen und kann ihre Geldmengenplanungen im Hinblick auf Geldwertstabilität wegen seines großen Umfangs am leichtesten durchkreuzen. In Ländern mit Mehrwertsteuer würden sich bei Bedarf jedoch die Anteile von einkommenswirksamen und vermögensübertragenden Zahlungen statistisch erfassen lassen, so dass sie einer Zentralbank für Entscheidungen zur Geldmengensteuerung zur Verfügung stünden.

Ausblick

Um die Menge der durch Bar- und Buchgeld belegten Kaufrechte unverändert zu belassen, müssten die Banken der Tendenz nach auf folgendes Verhalten verpflichtet werden:

1.    Aus Einzahlungen auf Girokonten stammendes Bargeld ist so lange aus dem Verkehr zu ziehen, bis eine Abhebung von Bargeld von einem solchen Konto stattfindet, d. h. so lange, wie beim Bankenpublikum Buchgeld anstelle von Bargeld vorhanden ist.

2.    Demgegenüber darf Bargeld, das auf Spar- und anderen Anlagekonten eingezahlt wurde, ungeschmälert zu Krediten verwendet werden, weil diese Guthaben nicht Zahlungsmittel sind, sondern Kredite von Bankkunden an die Bank und deshalb keine Geldart darstellen.

3.    Einzahlungen auf Konten, die sowohl als Anlage- wie als Buchgeldkonten anzusehen sind, dürfen von den Banken nur zu einem gewissen, nach bestimmten Regeln festzulegenden Teil zu Krediten verwendet werden.

Diese Regeln laufen auf das Halten sehr hoher Mindestreserven hinaus. Zum Beispiel hat auch der amerikanische Wirtschaftswissenschaftler Milton Friedman einen Mindestreservesatz von 100 % gefordert.

Im Grunde genommen sollte den Banken Buchgeldschöpfung unmöglich gemacht werden und – wie die Bargeldschöpfung schon seit langem – allein den Zentralbanken vorbehalten bleiben, wenn Inflation und Deflation wirksam vermieden werden sollen. Dass hierzu eine geeignete Form von Umlaufsicherung gehört, ist unbestritten.

Private Verrechnungssysteme müssten dementsprechend verpflichtet werden, ihre Geldschöpfung durch Einzug und Stilllegung von offiziellem Geld in gleichem Umfang abzudecken, sobald sie einen preisniveaugefährdenden Geschäftsumfang erreichen.

Zum Schluss: Wer hat recht?

Die Kreditkettentheorie nach Martin Scheidt ist tatsächlich in der Lage, die bisher diskutierten, widersprüchlichen Theorien der Buchgeldschöpfung durch ein widerspruchsfreies Ganzes zu ersetzen. Im Streit der Meinungen um die Buchgeldschöpfung gibt die Kreditkettentheorie jedem Vertreter der anderen Theorien einerseits Recht, andererseits Unrecht – jeweils zum Teil. Es wäre schön, wenn alle an der Diskussion Beteiligten zu einem alle überzeugenden „Dritten Weg“ zum Buchgeld finden könnten.

Die anhaltenden Meinungsverschiedenheiten um die Buchgeldentstehung im Bankwesen beruhen nach meiner Beobachtung weitgehend auf den unterschiedlichen Blickwinkeln der Betrachter und auf dem unterschiedlichen Verständnis der von ihnen verwendeten Begriffe. Die Betrachter sind je nachdem Geschäftsbankleute, Zentralbankleute, Volkswirtschaftler, Betriebswirtschaftler, Theoretiker oder Praktiker, sowie Hobby-Geldtheoretiker – wie auch ich einer bin – mit der Suche nach einer gerechten Geldordnung. Zu den unterschiedlich verstandenen Begriffen gehören Geld, Geldmenge, Buchgeld und Kredit. Dazu kommt das unbemerkte und unzulässige Gleichsetzen von Geldmenge und Umsatz, von Geldschöpfung und Wertschöpfung. Gestört wird das Ganze noch vom Bedürfnis vieler Menschen, für die Ungerechtigkeiten der Welt Sündenböcke zu suchen, die sie dann in den Banken zu finden glauben. Statt dessen ist unsere Geld­ordnung, in dem die Banken unter Nutzung ihrer Möglichkeiten nur eine sehr geschäftstüchtige Rolle spielen, als Ganzes weiterzuentwickeln.

Eberhard Knöller, Bern