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Bern, den 22. März 2002/1. Oktober 2005

Das Kopfgeldverfahren

Eine Geldmengensteuerung auf Einwohnerebene

Zu Helmut Creutz „Was könnte zinsfreies Notenbankgeld verändern und bewirken?“ in „Humanwirtschaft“ 10/11 2001 und Leserbrief hierzu von Gerhard Margreiter in „Humanwirtschaft“ 12 2001/1 2002

 


Immer wieder tauchen Vorschläge auf, wie der Bedarf des bedürftigen Staates an Geld gedeckt und die Ungerechtigkeiten unserer Gesellschaft gemildert oder gar beseitigt werden könnten. So auch die Idee, den Staat mit zinsfreiem Geld direkt von der Zentralbank ausstatten zu lassen. Diese Vorschläge sollen zugleich die heutigen Zustände möglichst wenig antasten. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass für grundsätzliche systemverändernde Lösungen in der tonangebenden Öffentlichkeit – bei den Geldmächtigen und den ihnen nacheifernden Politikern und Wirtschaftswissenschaftlern – kein Wille besteht oder keine allgemeine Zustimmung gefunden werden kann.

Helmut Creutz hat für die heutigen Verhältnisse überzeugend gezeigt: Zinsfreies „Noten“bankgeld würde die Zinsbelastung der Gesellschaft nicht wesentlich senken und auch sonst keine grundlegenden Vorteile bringen. Dazu erklärt auch Gerhard Marg­reiter in seiner Erwiderung: „Solange Geld noch über Kredit in die Wirtschaft kommt, wird das Instrument des Zinses unverzichtbar bleiben, um die Geldmenge einigermaßen kontrollieren zu können. … Wie könnten Zentralbanken (heute) ohne Zinsbremse eine Inflation verhindern?“

Trotzdem kommen wir in einem freiwirtschaftlichen Geldsystem mit Umlaufsicherung nicht um ein zinsfreies Zentralbankgeld herum! Bevor wir dieser Frage ausführlicher nachgehen, zuerst einige weitere Überlegungen.

Vorweg zur Erinnerung: Die freiwirtschaftliche Umlaufsicherung soll einmal ausgegebenes Geld gleichmäßig in Umlauf halten, indem Geldbesitzer von ihren augenblicklich verfügbaren Zahlungsmitteln eine prozentuale Abgabe zahlen, eine Art Pacht. Damit sollen vor allem Großgeldbesitzer veranlasst werden, ihr Geld auch bei niedrigen Zinssätzen für Kredite anzubieten und nicht aus der Wirtschaft zurückzuhalten, wie das heute regelmäßig geschieht. Dies würde die Vormachtstellung von Großgeldbesitzern gegenüber Arbeitnehmern beseitigen und das allgemeine Zinsniveau dauerhaft senken.

Gesetzmäßigkeiten der Wirtschaft und Grundsätze des Geldwesens

Die Wirtschaft jeder Gesellschaft unterliegt grundsätzlich den nachstehenden Gesetzmäßigkeiten.

1.    Die wirtschaftliche Grundlage unserer Gesellschaft ist die Gesamtheit aller von Menschen erbrachten Arbeitsleistungen. Aus diesem einen „Topf“ müssen ohne Ausnahme sämtliche Verbraucher der Gesellschaft leben: Menschen und Institutionen, Private und Staat, Produzenten und Konsumenten, Banken und Unternehmen, Organisationen jeglicher Art.

2.    Zum wirtschaftlichen Austausch der erbrachten Arbeitsleistungen und für alle Wertübertragungen dient das Geld in der Gesellschaft in seiner jeweils vorhandenen Gesamtmenge als Zahlungsmittel. Dies ist vergleichbar mit unserem Blut, das für alle Materialtransporte in unserem Körper stets vorhanden ist.

3.    Am Geldfluss haben ausnahmslos alle genannten Menschen und Organisationen teil. In unserem Körper entspricht dies den verschiedenen Organen, die alle am Blutkreislauf hängen.

4.    Auf dieser Grundlage kann sich jeder Geldbedürftige nur innerhalb der zur Verfügung stehenden Gesamtgeldmenge aus dem einen zur Verfügung stehenden Topf bedienen.

Damit ist gesagt: Sondergeld für Staatsaufgaben oder für soziale Bedürfnisse passt da nicht hin. Vorrangige Aufgaben der Gesellschaft dürfen grundsätzlich nicht zu erweiterter Geldschöpfung oder zur Schaffung von Sondergeld berechtigen. Die mit vorrangigen Aufgaben betrauten Institutionen dürfen zwar bevorzugt am Geldfluss beteiligt werden, aber nicht durch ein Sondergeld. Die Erfahrung in der Praxis zeigt ohnehin, dass jedes Sondergeld von denjenigen, in deren Besitz es gelangt, gegen das allgemeine Geld getauscht wird und sich auf diese Weise wie eine neue Währung in das allgemeine Geldsystem eingliedert. Nur unzulängliche Strafmaßnahmen können dieses Verhalten behindern, aber nicht wirklich unterbinden.

Ein wesentlicher Grundsatz unseres Geldsystems muss deshalb lauten: Geldschöpfung und Geldvernichtung zur Beeinflussung der Geldmenge darf kein Mittel zur Konjunktursteuerung oder zur Tilgung von Staatsschulden sein, sondern nur zum Aufrechterhalten eines gleichbleibenden Preisniveaus und Geldwerts. Auch in einem freiwirtschaftlichen Geldsystem muss sich der Staat aus seinen Landesbewohnern finanzieren, sei es durch Steuern, sei es vorübergehend durch Kredite, die er wieder aus Steuern zurückzahlen muss.

Wird dieser Grundsatz nicht eingehalten, so werden die Landesbewohner dennoch auf schleichende Art zur Kasse gebeten, sei es durch inflationäre Geldentwertung, sei es über versteckte Zinsen. Beides ist im Grunde genommen heimlicher Betrug und passt nur in autoritäre Staaten. Es hat in einem demokratischen Staat grundsätzlich nichts zu suchen.

Das Kuriose der Geldschöpfung

Die Geldschöpfung und Geldverbreitung über Kredite ist wahrlich ein sonderbares Ding. Wer einer Geschäftsbank einen Sachwert – ein Grundstück oder Wertpapier – verpfänden kann, der hat die Chance, einen Kredit und Geld zu bekommen. Gegen Zins! Anders geht es nicht. Und anders geht es auch nicht zwischen Geschäftsbanken und Zentralbank. Auch die Geschäftsbanken verpfänden ihrer Zentralbank Wertpapiere, um von ihr Zentralbankgeld zu bekommen, das sie selbst nicht schaffen können. Gegen Zins! Zahlungsmittel auf Kredit und Zins erhält also derjenige, der Vermögen hat. Wer nur über Können und Arbeitskraft verfügt und damit arbeitet möchte, erhält nur in äußerst seltenen Fällen einen Kredit, allenfalls von einer Geschäftsbank, nie von einer Zentralbank.

Die Kreditnehmer der Banken haben somit gegenüber ihren Banken einerseits verpfändetes Vermögen, andererseits Schulden. Im Gegenzug haben die Banken gegenüber ihren Kreditnehmern den Anspruch auf Zinszahlung und Rückzahlung der Kredite, notfalls auch auf deren verpfändetes Vermögen. Das gleiche gilt zwischen Geschäftsbanken und ihrer Zentralbank.

In unserer Gesellschaft kann es also heutzutage nur Geld geben, wenn jemand sowohl verschuldet ist wie auch Zinsen zahlt. Da aber eine Gesellschaft unmöglich auf irgendwelche Zahlungsmittel, also auf Geld verzichten kann, um funktionieren zu können, müsste eine schuldenfreie Grundversorgung mit Geld gewährleistet sein. Für jeden Landesbewohner müsste grundsätzlich eine bestimmte Geldmenge ausgegeben sein, beruhend auf einem Grundrecht auf Zahlungsmittel.

Es ist natürlich einzusehen, dass Schulden und die ihnen gegenüberstehenden Ansprüche der Gläubiger zum Entstehen von Zahlungsmitteln führen, dann nämlich, wenn die ausgestellten Schuld­urkunden von den Gläubigern an andere weitergegeben werden. Dann sind sie automatisch Zahlungsmittel, Geld. Denn Schulden einerseits und Vermögensansprüche andererseits sind grundsätzlich dann übertragbar, wenn sich Leute finden, die in ihre Übertragbarkeit Vertrauen haben und sie entgegennehmen. Auf diese Weise sind die Banknoten als Urkunden für hinterlegtes Münzgeld ursprünglich entstanden. Als nächste Geldgeneration entstanden so auch die übertragbaren Bankguthaben als buch- und computermäßig gespeicherte „Belege“ über Einzahlungen von Bargeld.

Wie soll Geld idealerweise in den Kreislauf gelangen?

In Zusammenhang mit einer Umlaufsicherung ist nun die Art der Steuerung der Geldmenge ganz entscheidend. Diese Frage wurde – wenn ich richtig sehe – in der freiwirtschaftlichen Diskussion bis heute nicht beachtet. Solange nämlich die Geschäftsbanken das für sie nötige Zentralbankgeld von der Zentralbank nur auf Kredit erhalten und dafür Zinsen bezahlen müssen, läuft eine Umlaufsicherung mit Sicherheit ins Leere! Die Banken werden das bei ihnen nicht benötigte Geld zur Tilgung ihrer Kredite an die Zentralbank zurückleiten und auf diese Weise Zinsen sparen, statt es zinsgünstiger für Kredite anzubieten. Sie werden nicht, wie im freiwirtschaftlichen System angestrebt, das überschüssige Geldangebot ihres Publikums zum Senken der Zinssätze für ihre Kreditkunden verwenden. Die Umlaufsicherung wird im bestehenden Geldschöpfungssystem die Kreditzinsen also nicht zum Sinken bringen. Eine kredit- und zinsfreie Geldschöpfung ist darum Voraussetzung für das Spielen einer Umlaufsicherung.

Aus diesem Grund ist es unumgänglich, die Rückflussmöglichkeit von ausgegebenen Zahlungsmitteln von den Banken zur Zentralbank zu verbauen. Nur dann und wenn auch die Banken für die bei ihnen liegenden Zahlungsmittel Umlaufsicherungsabgaben zahlen müssen, werden sie sich bemüßigt fühlen, ihre Kreditzinsen gebührend zu senken.

Es tut sich nun die große Frage auf: Wie sollte Geld idealerweise in den Kreislauf gelangen? Auch Gerhard Marg­reiter scheint hier etwas anderes als das Bestehende zu erwarten.

Silvio Gesell hat sich nicht darüber ausgesprochen, wie er sich die Ausgabe seines Freigeldes vorstellt. Er hielt nur eine Druckerpresse und einen Ofen für ausreichend, um erforderliches Geld herzustellen und überflüssiges zu vernichten. Das erforderliche Mehr oder Weniger sollte am Preisniveau abgelesen werden, welches stets gleich hoch bleiben soll. Bei sinkendem Preisniveau muss Geld ausgegeben werden, bei steigendem Niveau eingezogen. Doch offen ließ er, wer auf welche Weise wieviel des zusätzlichen Geldes erhalten soll und von wem auf welche Weise wieviel des überschüssigen Geldes zurückzuziehen sei.

Werfen wir zuerst noch einmal einen Blick auf die Verfahren zur Geldschöpfung. Eine Zentralbank hat vor allem die Aufgabe, die ausgegebene Geldmenge den wirtschaftlichen Erfordernissen ihres Landes oder Währungsgebiets anzupassen. Bis heute tut sie dies mit den traditionellen Kredit- und Kaufverfahren. Sie erteilt, wie beschrieben, den Geschäftsbanken gegen zu verpfändende Wertpapiere Kredite in Landesgeld zu wechselnden Zinssätzen. Diese Kredite haben meist nur kurze Laufzeiten von beispielsweise vierzehn Tagen und müssen dann erneuert werden, damit die Zentralbank ihre Zinssätze rasch wieder neuen Erfordernissen anpassen kann. Oder die Zentralbank kauft Wertpapiere und fremde Währungen von den Geschäftsbanken zu wechselnden Kursen an und gibt dafür Landesgeld aus oder verkauft sie ihnen zurück und zieht dafür Landesgeld ein.

Zwischen Zentralbank und Geschäftsbanken findet also ein ununterbrochener, reger Austausch alter Kredite gegen neue mit neuen Zins- und Laufzeitvereinbarungen und ein ständiger Handel in Wertpapieren und Währungen statt. Dabei sind die fremden Währungen, bezeichnet als „Devisen“, von ausländischen Zentralbanken ebenfalls auf Kredit geschaffen worden. Zinssätze und Kurse werden von der Zentralbank angesichts der augenblicklichen Nachfrage der Wirtschaft nach Bankkrediten so festgelegt, dass die Banken sich nicht zu viel und nicht zu wenig Zentralbankgeld verschaffen, damit Geldmenge und Preisniveau auf der gewünschten Höhe erhalten bleiben.

Die Geschäftsbanken haben selbstverständlich alles Interesse daran, die Zinsen, die sie der Zentralbank zahlen müssen, so niedrig wie irgend möglich zu halten und deshalb ihre Kredite raschmöglichst an sie zurückzuzahlen.

Die genannten Geldschöpfungsverfahren haben Nachteile. Sie beeinflussen prinzipiell das Zinsniveau zwischen Banken und Wirtschaft und den Wechselkurs und sind deshalb keine neutralen Mittel zur Geldmengensteuerung, bei der im Grunde ausschließlich die Geldmenge verändert werden sollte und nichts anderes.

Vor allem aber wirken diese Verfahren zu langsam auf das Preisniveau. Heute besteht eine enorme Verzögerung zwischen Geldeinspeisung und ihrer Wirkung auf Preisniveau und Inflation von zwei Jahren und mehr. Dies bedeutet für die Zentralbank eine große Unsicherheit bei ihren Entscheidungen über das Ausmaß von Geldeinspeisungen und ‑rückzügen.

Wie also könnte eine Geldversorgungsmethode aussehen, welche der Zentralbank eine kredit- und zinsfreie Geldschöpfung ermöglicht? – Dazu möchte ich ein gänzlich neues Verfahren in die freiwirtschaftliche Diskussion einbringen, das zusätzlich zu den bisherigen Verfahren anwendbar sein muss. Ich nenne es das „Kopfgeldverfahren“ in Anlehnung an das Vorgehen bei der bundesdeutschen Währungsreform von 1948, bei der jeder Landesbewohner für den Start mit der neuen Währung ein gleich hohes „Kopfgeld“ ausbezahlt erhielt.

Das „Kopfgeldverfahren“

Um es gleich vorweg zu betonen: Das Kopfgeldverfahren ist der Vorschlag für eine neue Art, wie die Zentralbank Geld in den Umlauf bringt. Es schafft keine neue Art von Geld und ist weder ein Mittel, die Konjunktur zu steuern, noch Bedürftige mit Geld zu versorgen oder Ungerechtigkeiten im Geldwesen zu beseitigen. Es schafft „nur“ die Voraussetzung dafür, dass die freiwirtschaftliche Umlaufsicherung ihr Ziel erreicht, nämlich das Zinsniveau nachhaltig zu senken.

Die wesentlichen Merkmale des Kopfgeldverfahrens sind:

1.    Die Änderung der Geldmenge wird direkt bei den Landesbewohnern zu gleichen Teilen vorgenommen. Dies bedeutet: Jede natürliche Person ist mit dem gleichen Betrag, dem „Kopfgeld“, an der Anpassung der Geldmenge beteiligt, sowohl an einer Erhöhung wie an einer Verringerung.

2.    Die Steuerbehörden nehmen die Abwicklung des Kopfgeldverfahrens vor. Bei einer Geldmengenausweitung zieht die steuereinziehende Behörde pro Haushaltsmitglied den Pro-Kopf-Betrag vom eigentlichen Steuerbetrag ab, so dass der Steuerpflichtige weniger zu zahlen hat. Den der Steuerbehörde an der Steuer fehlenden Betrag erhält sie von der Zentralbank ersetzt. Eine Geldmengenverringerung wird in umgekehrter Weise abgewickelt. Den eingeforderten Steuerbeträgen werden jeweils die Pro-Kopf-Beträge zugeschlagen, also von den Steuerbehörden zusammen mit der Steuer zusätzlich eingezogen und der Zentralbank zugeleitet.

3.    Die Zentralbank legt die Höhe des Kopfgeldes von Fall zu Fall neu fest und gibt ihn den Steuerbehörden bekannt.

In diesem Verfahren sind die Steuerbehörden neutrale, organisatorische Durchgangsstationen für die Geldmengensteuerung der Zentralbank. Das eigentliche Steueraufkommen ist davon nicht berührt. Ausweitung oder Verringerung der Geldmenge findet wie beabsichtigt bei den Landesbewohnern statt. Es bleibt ihnen überlassen, was sie mit dem Mehr an Geld anfangen und wo sie allenfalls das Weniger hernehmen.

Die Zusatzbelastung der Steuerbehörden gegenüber heute wäre in der Schweiz, wo die Steuern direkt bei den Einwohnern erhoben werden, sehr gering, weil sich die Berechnung ohne weiteres computerisieren ließe. In Deutschland wären allerdings die Arbeitgeber, welche die Lohnsteuer ihrer Mitarbeiter abführen, mit zusätzlicher Rechnerei und die Finanzämter mit zusätzlichen Kontrollen belastet.

Der Pro-Kopf-Betrag muss für jede Einzelperson gleich hoch sein, unabhängig von Alter, Geschlecht, Konfession, Zivilstand, Ausbildung, Anstellungsverhältnis, Gesundheitszustand, Einkommen, Vermögen und Steuerpflicht, bei Ausländern auch unabhängig von der Nationalität. Es ist nicht Zweck der Geldmengenanpassung, Einkommens-, Vermögens- oder Steuerpolitik zu betreiben. Das Ausmaß einer Geldmengenanpassung wäre ohnehin gering. Bei einer jährlichen Zusatzgeldmenge von 90 Franken pro Kopf – in der Schweiz gegenwärtig die ungefähre Größenordnung, in Deutschland bisher etwa 100 DM – ergäbe dies für eine 4-köpfige Familie 360 Franken, um welche der zu zahlende Jahres­steuerbetrag geringer ausfiele.

Firmen und andere Organisationen, insbesondere Banken müssen von dieser Art der Geldmengensteuerung ausgenommen bleiben, weil nicht sie die letztendlichen Leis­tungserbringer und Verbraucher sind, sondern immer nur ihre einzelnen Mitarbeiter.

Die kredit- und zinsfreie Geldschöpfung auf Kopfgeldbasis muss als weiteres Verfahren in die Werkzeugkiste der Zentralbanken eingeführt werden, zusätzlich zu den bisherigen Verfahren. Dann kann es sich nach und nach bewähren und die kredit- und zinsgebundenen Verfahren weitgehend ersetzen.

Das Kopfgeldverfahren läuft im Endeffekt darauf hinaus, dass einmal geschaffenes Zentralbankgeld nicht wieder aus dem Verkehr gezogen werden kann, wie dies heute beim Zurückzahlen von Zen­tralbankkrediten laufend geschieht, von den allermeisten Menschen völlig unbemerkt und selbst unteren Bankangestellten unbekannt. Wir werden es dann mit einer quasi-konstanten Geldmenge zu tun haben.

Die Vorteile

Das Kopfgeldverfahren hat eine Menge gewichtiger Vorteile, die bis jetzt nicht zur Verfügung stehen.

1.    Umlaufsicherungsverträglich: Infolge des Wegfalls zinsbelasteter Zentralbankkredite sind die Banken unter einer Umlaufsicherung veranlasst, das ihnen von ihren Kunden anvertraute Geld für verbilligte Kredite anzubieten, statt es zur Tilgung der eigenen Zentralbankkredite der Zentralbank zurückzuzahlen.

2.    Sofortige Wirkung: Die heute enorme Verzögerung zwischen Geldeinspeisung und ihrer Wirkung auf Preisniveau und Inflation entfällt, ebenso die Unsicherheit der Zentralbank über Zeitpunkt und Ausmaß von Geldeinspeisungen und -rückzügen.

3.    Direkte Wirkung: Der Eingriff findet ohne Beteiligung der Banken unmittelbar beim Konsumenten statt, der letztlich mit seinen Bedürfnissen den Gang der Wirtschaft bestimmt.

4.    Vollständige Wirkung: Vom zur Verfügung gestellten oder abgezogenen Geld staut sich nichts in den Kreditkanälen und in Kassen ohne Bedarf, sondern Zufuhr und Abzug finden direkt auf der Ebene des Konsumbedarfs statt.

5.    Neutrale Wirkung: Das Zinsniveau zwischen Banken und Wirtschaft und der Wechselkurs zu ausländischen Währungen bleiben unbeeinflusst von der Zentralbank, weil Zusatzgeld nicht kreditmäßig und gegen Zinsforderungen an Banken ausgegeben wird und weil mit der Direktausgabe an die Bevölkerung keine wechselkursbeeinflussenden Devisengeschäfte verbunden sind.

6.    Unabhängigkeit vom Vorhandensein von Sicherheiten: Das Kopfgeldverfahren ist außerdem unabhängig vom Vorhandensein von ausreichenden Sicherheiten der Kreditschuldner (Banken), wie sie bei kreditmäßiger Geldschöpfung erforderlich sind, um die Kredite zu decken.

7.    Demokratieverträglichkeit: Jeder Landesbewohner ist an der Geldmengensteuerung gleichberechtigt, direkt und in gleichem Umfang beteiligt, gerechtfertigt aus seiner Stellung als Ur-Wirtschaftsteilneh­mer, als Produzent und Konsument: Kinder und Erwachsene; Junge und Alte; Arbeitnehmer, Arbeitslose und Selbstständige; Gesunde und Kranke; Schüler, Studenten und Berufsleute. Damit wird das Geldwesen auf eine demokratiegerechte Grundlage gestellt. Dies ist auch ein ideell-ethisches Gebot.

8.    Wirtschaftsunabhängigkeit: Die Geldschöpfung ist unabhängig von kredit- und investitionspolitischen Entscheidungen von Banken und Unternehmungen. Nicht mehr Investitionsbedürfnisse sind ausschlaggebend für die Wirtschaftsentwicklung, sondern die Konsumbedürfnisse der verbrauchenden Menschen. Es entscheiden nicht verhältnismäßig wenige Kreditnehmer von „oben“ über den Geldfluss an der Quelle, sondern viele von „unten“. Damit wird der Gang der Wirtschaft vom Kopf auf die Füße und auf ein sichereres Fundament gestellt.

9.    Verträglichkeit mit anderen Verfahren: Das Kopfgeldverfahren lässt sich technisch ohne weiteres neben den bisher gebräuchlichen Geldschöpfungsverfahren einsetzen. Es muss nicht schlagartig eingeführt werden, sondern es können damit Erfahrungen gesammelt werden, ehe die anderen Verfahren zurückgenommen und möglicherweise aufgegeben werden. Damit wäre auch der Weg frei, nach und nach sämtliche Zahlungsmittel von der Zentralbank ohne Umweg über die Geschäftsbanken schaffen und steuern zu lassen.

10. Internationale Verträglichkeit: Ein Land bzw. eine Zentralbank kann dieses Verfahren einführen, ohne geldtechnische Auswirkungen auf andere Länder oder Rückwirkungen von dort berücksichtigen zu müssen.

Ist zusätzlich Feinsteuerung nötig?

Helmut Creutz hat mir zu diesem Verfahren entgegengehalten, es sei für die Feinsteuerung der Geldmenge nicht geeignet. – Dies trifft zu. Für eine Feinsteuerung ist das Kopfgeldverfahren nicht gedacht. Jedoch sind bei den häufigen Steuerzahlungen – in der Schweiz drei Mal pro Jahr, in Deutschland bei Lohnsteuerpflichtigen monatlich – die Möglichkeiten für eine Feinsteuerung schon sehr gut.

Ich frage mich allerdings, ob eine Feinsteuerung in einem freiwirtschaftlich geregelten Geldsystem überhaupt nötig sein wird. Das ständige Erneuern von Zentralbankkrediten mit kurzen Laufzeiten und wechselnden Zinssätzen könnte ohnehin wegfallen. Der durch eine Umlaufsicherung verstetigte Geldfluss sorgt nach freiwirtschaftlicher Lehrmeinung von selbst für ein verhältnismäßig gleichbleibendes Preisniveau und demzufolge für Inflationsfreiheit, so dass eine Feinsteuerung der Geldmenge praktisch überflüssig werden dürfte.

Zu fragen ist auch grundsätzlich, warum die Geldmenge schwanken soll, solange die Wirtschaftsleistung eines Landes und die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes stabil sind. Selbst wenn diese beiden Größen schwanken, dürfte das Spiel der Wirtschaftskräfte unter freiwirtschaftlichen Bedingungen auch ohne künstliche Eingriffe laufend von selbst für Ausgleich sorgen.

Etwas anderes ist es mit dem besonders hohen Zahlungsmittelbedarf, der jeweils am letzten Banktag eines Monats, eines Vierteljahres und eines Jahres herrscht. An diesen Tagen, den so genannten „Ultimos“ (von italienisch „ultimo“, „der letzte“) müssen besonders viele Geldgeschäfte mit besonders hohen Beträgen von den Banken abgewickelt werden. Um die erforderliche Geldmenge zur Verfügung zu haben, nehmen die Banken von der Zentralbank sehr kurzfristige Kredite auf. Diese laufen über nur einen oder zwei Tage, oft sogar nur über Stunden. Die Zinssätze dafür liegen extrem hoch. Selbstverständlich kann für solche Kurzfrist-Geldschöpfung das Kopfgeldverfahren nicht in Frage kommen.

Für das Ausgeben von Geld an den Staat, wie Helmut Creutz es sieht, kann ich mich aus grundsätzlichen Überlegungen nicht erwärmen. Dieser Weg stachelt nur die Begehrlichkeit von Parlamentariern und Finanzministern an. Auch wäre damit die breit angelegte Ausgabe, wie die Ausgabe an die Bevölkerung sie darstellt, nicht gewährleistet. Das urdemokratische Motto aus der alten DDR „Wir sind das Volk!“ würde wieder einmal nicht gelten.

Mögliche Missverständnisse

Wir dürfen von diesem Verfahren nicht mehr erwarten und verlangen, als es leisten soll und kann. Mit ihm wird „nur“ die Voraussetzung für die volle Funktions­tüchtigkeit der Umlaufsicherung geschaffen.

Das Kopfgeldverfahren schafft kein neuartiges Geld, welches „Kopfgeld“ heißt, sondern ist ein neuartiges Verfahren zu Ausgabe und Rückzug von Geld. „Kopfgeld“ heißt nur der Betrag, der pro Kopf der Bevölkerung ausgegeben oder eingezogen wird.

Das ausgegebene Kopfgeld ist kein Lohnersatz und soll ebenso wenig Mittel zur Wirtschaftsbelebung sein. Nicht gelöst mit dem Kopfgeldverfahren ist auch das Verschuldungsproblem. Und es soll und kann außerdem keine Vermögensumverteilung vornehmen, so berechtigt alle diese Anliegen sind.

Soziale, fiskalische oder ökologische Überlegungen und Wünsche müssen von einer Geldschöpfung systemisch getrennt bleiben. Die auf diesen Gebieten liegenden Probleme haben ihre Ursachen nicht in der Art der Geldschöpfung und müssen aus ihren eigenen Gesetzmäßigkeiten heraus geregelt werden.

Auch wenn das Kopfgeldverfahren denjenigen Zins abschaffen hilft, den die Zentralbank für ihr ausgegebenes Geld von den Geschäftsbanken verlangt, so ist das Zinsproblem als Ganzes damit nicht gelöst. Kredite zwischen Banken und Unternehmen und zwischen Unternehmen untereinander werden unabhängig vom Geldausgabeverfahren der Zentralbank nach wie vor gegen Zinsen erteilt werden. Dem Senken des Zinsniveaus als Ganzes dient die immer wieder erwähnte Umlaufsicherung, welche erst durch eine kredit- und zinsfreie Geldschöpfung nach dem Muster des hier beschriebenen Kopfgeldverfahrens den nötigen Unterbau erhält.

Weitere Gesichtspunkte

Die Direktausgabe zusätzlichen Geldes nach dem Kopfgeldverfahren stellt die Geldflüsse bei der Geldeinspeisung buchstäblich auf den Kopf. Die Geldeinspeisung geschieht nicht wie heute bei den Banken, sondern bei der Bevölkerung. Nicht von den Banken über Kredite an Unternehmen und über deren Löhne an Arbeitnehmer sickert zusätzliches Geld langsam in die Bevölkerung. Sein Weg von der Bevölkerung in die Wirtschaft verläuft vielmehr über Einkäufe bei Unternehmen und über Einlagen bei Banken und die daraus erteilten Kredite.

Bei der Zentralbank ergibt sich da auch ein Bilanzierungsproblem. Die von ihr ausgegebenen Geldbeträge erscheinen in ihrer Bilanz auf der Passivseite als Eigentumsansprüche. Ihnen gegenüber stehen auf der Aktivseite die deckenden Vermögenswerte im Besitz der Zentralbank. Für das Kopfgeldverfahren braucht es nun eine neue Art der Bilanzierung, da dem Kopfgeld, welches auf die Passivseite zu stehen käme, auf der Aktivseite keine verpfändeten Werte gegenübergestellt werden können.

Als Lösung sehe ich zwei Möglichkeiten. – Erste Möglichkeit: Für die Deckung von Kopfgeld werden rein ideelle, körperlich nicht vorhandene „Einwohnerbürgschaften“ geschaffen, eine reine Formsache. Sie treten für das Kopfgeld an die Stelle der sonst zur Deckung verwendeten Wertpapiere. Einwohnerbürgschaften sind unpersönlich, unverzinslich, nicht einlösbar und nicht handelbar. Ihr Wert wird von der Zentralbank je nach ihren Deckungsbedürfnissen festgelegt. Den Landesbewohnern erwachsen aus den Einwohnerbürgschaften keine Rechte oder Pflichten.

Eine Einwohnerbürgschaft kann gedacht werden als ausgestellt auf einen Landesbewohner und von ihm mit seiner Leistungskraft gedeckt. Dies ist deshalb sinnvoll, weil – wie erläutert – alle Wirtschaftswerte aus menschlicher Leistung entstehen und aus nichts anderem. So erhält auch Geld seinen Wert nur daraus, dass es gegen erarbeitete Leistungen getauscht werden kann. An die Stelle von Einwohnerbürgschaften könnte eine einzige, rein formale Staatsbürgschaft treten, ebenso unverzinslich, nicht einlösbar, nicht handelbar und mit anpassungsfähigem Deckungswert.

Zweite Möglichkeit: Das Kopfgeld wird aus der Bilanz der Zentralbank völlig herausgelassen. Damit würde sich die Zentralbank im Umfang des ausgegebenen Kopfgeldes so verhalten wie ein Wäh-
rungsamt, das Silvio Gesell für die bankunabhängige Steuerung der Geldmenge vorgeschlagen hatte und welches neben der Zentralbank eingerichtet werden sollte.

Zu überlegen ist, in welcher Weise die im heutigen System bestehenden zinsbelasteten Kredite der Geschäftsbanken bei der Zentralbank ersetzt werden könnten, ohne dass sich die Geldmenge im Land verringert. Das beim Zurückzahlen solcher Kredite an die Zentralbank zurückfließende Geld ver­ringert selbstverständlich die ausgegebene Geldmenge. Dieses Geld müsste den Banken rasch wieder für Kredite an ihre Kunden zur Verfügung stehen, damit die Wirtschaftstätigkeit nicht gestört wird. Es müsste kredit- und zinsfrei und ohne Deckung durch Vermögenswerte wieder in Verkehr gebracht werden. Das Kopfgeldverfahren wäre dafür nicht geeignet, weil es zu lange dauern würde, bis genügend Geld von der Bevölkerung zu den Banken geflossen wäre, damit diese wieder über ausreichende Geldmittel verfügen könnten. Ob statt dessen eine Neuausgabe von Geld an die Banken ohne Kreditvereinbarung in Frage kommen könnte, also ohne Rückzahlungspflicht und ohne Zinsen, vermag ich noch nicht zu überblicken. Doch würden sich die Einwohnerbürgschaften zur Ablösung anderer Deckungsmittel eignen, in der Schweiz auch zur Ablösung des Goldes. Die Umwandlung von Zentralbankkrediten in eine zinsfreie Geldausgabe sollte im Übrigen schrittweise über einen längeren Zeitraum hinweg vorgenommen werden und nicht schlagartig, um Schocks in Bankwesen und Wirtschaft zu vermeiden.

Gewisse grundsätzliche theoretische Bedenken gegen das Kopfgeldverfahren könnten sich aus folgender Überlegung ergeben: Das schuldenfreie Austeilen von Geld verleiht allen betroffenen Geldbesitzern sofort einen entsprechenden Anspruch auf angebotene Waren und Dienste, ohne dass sie selbst zu Leistungen verpflichtet wären. Im theoretischen Extremfall könnten sie alle zusammen einem Einzelnen alles abkaufen, ohne dass dieser von ihnen je eine Gegenleistung erhalten könnte, sofern sie nichts leisten und ihm anbieten wollen.

Soweit mein Vorschlag zur Diskussion. Ich wiederhole es noch einmal: Eine kredit- und zinsfreie Geldschöpfung der Zentralbank, wie das Kopfgeldverfahren sie erlaubt, ist Voraussetzung für das Funktionieren einer Umlaufsicherung, mit welcher das Geldsystem der Zukunft die Grundlage schafft, um zwischen Geldbesitzern und Arbeitenden die Spieße im Wettbewerb der Wirtschaft gleich lang zu machen und dadurch in der Gesellschaft Gerechtigkeit einziehen zu lassen.

Eberhard Knöller, Bern