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Auszug aus:
Margrit Kennedy: Geld ohne Zinsen und Inflation
Ein Tauschmittel, das jedem dient
Wilhelm Goldmann Verlag, München 1994
ISBN 3-442-12341-0
DM 14,90

(Stand: 3.4.1996)


KAPITEL 6: EVOLUTION STATT REVOLUTION

Obwohl in diesem Buch Geld-, Boden- und Steuerreformen als wichtige Aspekte einer zur Zeit stattfindenden tiefgreifenden globalen Transformation behandelt wurden, heißt das nicht, daß diese Themen wichtiger sind als andere.

Die Funktionsweise des Geldes und die Verbindung zum Boden- und Steuerrecht in Bezug auf die Folgen für unsere Gesellschaft werden jedoch in Analysen über den Wandel gesellschaftlicher Werte allzu häufig übersehen, obwohl es sich dabei um zentrale Aspekte handelt. Weder die Experten noch jene, die sich mit Alternativen zum existierenden Wirtschaftssystem befassen, scheinen diese wichtigsten Faktoren sozialer und ökologischer Probleme in ihrer Bedeutung zu würdigen.

Obwohl die in diesem Buch vorgeschlagenen Geld, Boden- und Steuerreformen nur einen kleinen Teil der für das Überleben auf diesem Planeten notwendigen Veränderungen darstellen, passen sie doch gerade jetzt zu den Bemühungen um eine Verbesserung der Beziehung zwischen Mensch und Natur und den Menschen untereinander. Soziale Gerechtigkeit, ökologisches Überleben und gesellschaftliche Freiheit werden bedroht, wenn wir die Existenz von gesellschaftlichen Strukturen billigen, die in ihrer Tendenz gegen diese Ziele arbeiten.

Von grundsätzlicher Wichtigkeit scheint mir folgende Überlegung: Um soziale Gerechtigkeit mit größtmöglicher Freiheit zu verbinden, sollte die Spekulation mit allen zum Leben wichtigen Gütern verhindert werden. Dazu gehören nicht nur Geld und Boden, sondern auch Energie, Nahrung, Wasser und andere Grundlagen des Lebens. Wie beim Geld-, Boden- und Steuerrecht gezeigt wurde, ist dies möglich, ohne den freien Markt und die Eigeninitiative von Einzelnen und Gruppen als wichtigster Voraussetzung für die gesellschaftliche Entwicklung einzuengen. Im Gegenteil, eine gesellschaftliche Entwicklung in Freiheit für alle wird dadurch erst möglich. Spekulanten können sich weiterhin dort betätigen, wo es niemandem schadet: bei Briefmarken, antiken Möbeln, Glas, Porzellan usw. Es gibt genügend Bereiche, die zwar wichtig, aber nicht überlebenswichtig sind.

Der kommunistische Versuch, die Menschen von Ausbeutung zu befreien, schlug deshalb fehl, weil er zugunsten der Gleichheit die persönliche Freiheit und den freien Markt eliminierte. Auf der anderen Seite gefährdet die kapitalistische Überbetonung der Freiheit die soziale Gerechtigkeit, das ökologische Gleichgewicht und die Grundbedürfnisse der Mehrheit der Menschen. Beide Systeme sind jeweils über das Ziel hinausgeschossen. Das eine setzte Gleichheit über Freiheit, das andere Freiheit über Gleichheit. Beide haben teilweise recht, aber keines hat es bisher geschafft, die Voraussetzung für eine wirklich menschenwürdige Existenz für alle zu schaffen, auch wenn es nach den jüngsten Entwicklungen in kommunistischen Ländern den Anschein hat, als hätte der Kapitalismus gesiegt.

Die vorgeschlagenen Reformen könnten die Vorteile einer freien Marktwirtschaft bieten, ohne die Nachteile des heutigen Kapitalismus. Sie führen zur Lösung auf einer dritten Ebene, d.h. individuelle Freiheit und individuelles Wachstum können dabei mit einer freien Marktwirtschaft und mit einem weit höheren Grad an sozialer Gerechtigkeit gekoppelt werden. Die Reformen würden die Ausbeutung der Mehrheit von Menschen durch das Geldsystem, welches einer Minderheit Vorteile bringt, unterbinden und zwar ohne eine ineffiziente Planwirtschaft oder eine allmächtige Bürokratie. Sie könnten die Voraussetzungen für eine ökologische Marktwirtschaft erschaffen, in der Waren und Dienstleistungen in optimaler Menge und Vielfalt produziert werden.

Während in den hochindustrialisierten Ländern das Ausmaß der Umverteilung des Reichtums durch Geld- und Bodenrecht aufgrund der Ausbeutung der Entwicklungsländer nicht so offenbar ist, zahlen letztere den wirklichen Preis für die beiden Un-Rechts-Systeme, welche die Kolonialmächte eingeführt haben und welche sie heute schlimmer ausbeuten als die ehemaligen Kolonialherren. Obwohl die Menschen in Entwicklungsländern am meisten darunter leiden, bleibt die Hoffnung gering, daß die notwendigen Veränderungen im Geldsystem zuerst in der dritten Welt verwirklicht werden. Die politische Macht liegt in den Händen einer winzigen Elite, die sich ihre Pfründe ohne Waffengewalt kaum nehmen lassen wird.

Dagegen könnte eher die Möglichkeit für eine Änderung in den kleineren demokratischen Staaten Europas bestehen und seit neuestem in den osteuropäischen Ländern, die sich der kommunistischen Zentraldiktatur entledigt haben. Skandinavien mit einer großen Zahl von relativ reichen und gut ausgebildeten Menschen z.B. ist vergleichsweise offen für einen sozialen Wandel. Die DDR, Polen, Ungarn und die Tschechoslowakei suchen nach neuen Wegen, eine freie Marktwirtschaft mit größerer sozialer Gerechtigkeit zu verbinden.

In einer öffentlichen Anhörung der UN-Weltkommission in Moskau am 11. Dezember 1986 sagte A. S. Timoschenko vom staatlichen Rechtsinstitut der Akademie der Wissenschaften der UDSSR:

"Wir können heute die Sicherheit eines Staates auf Kosten eines anderen nicht mehr unterstützen. Sicherheit kann nur universell sein, aber sie kann nicht auf politische und militärische Belange beschränkt werden, sondern muß ökologische, wirtschaftliche und soziale Aspekte miteinbeziehen. Sie muß den Wunsch nach Frieden, den die gesamte Menschheit hat, endlich verwirklichen." (53)

Der Kampf der Menschheit um soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit war lang und heftig. Dabei wurden scharfe Trennungen in politischen Richtungen und religiösen Überzeugungen geschaffen. Viele Menschenleben gingen dabei verloren. Es ist dringend erforderlich, daß wir einsehen lernen, daß niemand seine Sicherheit auf Kosten anderer gewinnen kann, noch auf Kosten der Umwelt, von der wir alle abhängen. Um dies praktisch zu verwirklichen, benötigen wir einige tiefgreifende und praktikable Veränderungen in unseren sozialen Rahmenbedingungen. Die Frage bleibt, werden wir unser Geldsystem, Boden- und Steuerrecht vor oder erst nach der nächsten großen Wirtschaftskrise oder ökologischen Kathastrophe verändern. In jedem Fall wird es nützlich sein, zu wissen, wie man ein Tauschmittel schafft, das allen dient.


Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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