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Auszug aus:
Margrit Kennedy: Geld ohne Zinsen und Inflation
Ein Tauschmittel, das jedem dient
Wilhelm Goldmann Verlag, München 1994
ISBN 3-442-12341-0
DM 14,90

(Stand: 3.4.1996)


KAPITEL 5: WIE KANN JEDER AN DER VERÄNDERUNG DES GELDSYSTEMS MITWIRKEN?

Der wichtigste Schritt ist: Informieren Sie sich und tragen Sie dazu bei, daß anderen ebenfalls bewußt wird, welche Probleme durch unser Geldsystem entstehen und wie eine Alternative aussehen könnte.

Das größte Hindernis für die Transformation des Geldwesens liegt darin, daß so wenige Leute das Problem verstehen und noch weniger wissen, daß es eine Lösung gibt. Jedoch scheinen mehr Menschen seit dem Oktober 1987, als in der Wall Street 1,5 Milliarden Dollar verschwanden, offene Ohren zu bekommen. Der erste Schritt in Richtung einer Veränderung sollte darin bestehen, sich genauestens über die Funktionsweise von Zins und Zinseszins zu informieren und anschließend zu lernen, die Lösung mit allen sich daraus ergebenden Folgen diskutieren zu können.

Probieren Sie anfangs im Familien- und Freundeskreis, inwieweit Sie den Sachverhalt vermitteln können. Dann sollten Sie mit Leuten darüber sprechen, die Sie weniger kennen, zögern Sie nicht, mit Ihrem Bankangestellten, Versicherungsagenten, Ihren örtlichen Politikern, Journalisten und Presseleuten darüber zu reden. Viele Diskussionen mit Bankleuten und Wirtschaftwissenschaftlern haben mich überzeugt, daß es keine wirklichen Schwierigkeiten gibt, außer den geistigen Blockaden, die sich durch Erziehung und begrenzende Vorstellungen über die Funktionsweise des Geldes aufgebaut haben.

Machen Sie sich bewußt, daß Geld eines der zentralen Probleme im Leben vieler Menschen ist. Es ist zutiefst mit dem Bild der Menschen von sich selbst und ihrer Beziehung zur Welt verbunden. Großzügigkeit oder Geiz, Offenheit oder Verschlossenheit, Wärme oder Kälte spiegeln sich im Verhalten zum Geld. Es ist gewöhnlich schwierig, Geld getrennt von anderen Dingen zu betrachten.

Zuerst müssen Sie jedoch erklären können, daß der kontinuierliche Bezug von Zinsen mathematisch nachweisbar unmöglich ist und auf welche Weise durch Zinsen Einkommen umverteilt wird. Erst dann können Sie über die sozialen und politischen Folgen sprechen.

Machen Sie auch klar, daß das Geldproblem aufs engste mit einer Vielzahl anderer Probleme verbunden ist, die durch eine Reform nicht alle automatisch zu lösen sind. Die Geldreform wird nicht von selbst für die Armen, die Alten, die Kranken oder andere sozial Bedürftige sorgen. Die Geldreform wird lediglich die Hilfe für diese Gruppen erleichtern. Das heißt aber nicht, daß wir ohne spezielle Programme und besonderes Engagement soziale und ökologische Probleme lösen können, wie das von allzu begeisterten und naiven Geldreform-Anhängern in der Vergangenheit machmal behauptet wurde.

Wenn Sie das Geschehen in der Welt über die Medien verfolgen, werden Sie mehr und mehr die Dringlichkeit und Machbarkeit dieser Veränderung erkennen und gleichzeitig die Verantwortung sehen, die ein jeder, der eine Lösung kennt, für die Verbreitung dieses Wissens trägt.

DIE FÖRDERUNG VON MODELLVERSUCHEN

Zu den wichtigsten Voraussetzungen für ein Neutrales Geldsystem gehört, daß dieses im realen Leben erprobt wird, damit wir eine Vorstellung über die Wirkung dieser Veränderung bekommen, soll sie in größerem Maßstab durchgeführt werden.

Es wäre wünschenswert, daß Regionen oder Länder, bei denen ein Interesse an der Durchführung solcher Aktionen besteht, sich miteinander abstimmen, um eine größere Zuverlässigkeit der Ergebnisse unter verschiedenen sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen zu erzielen. Die Gebiete, in denen das Experiment durchgeführt werden soll, müßten von ausreichender Größe sein, um für das ganze Land aussagekräftige Ergebnisse zu liefern. Außerdem wäre ein hoher Selbstversorgungsgrad wünschenswert, so daß viele der benötigten Güter und Dienstleistungen in dem Gebiet dem Handel und wirtschaftlichen Austausch zur Verfügung stehen.

Als andere Möglichkeit käme ein strukturschwaches Gebiet in Frage, wo das Neutrale Geld ein Anreiz für die Schaffung einer vielfältigeren und stabileren Wirtschaft bieten würde. Wahrscheinlich wäre der letztere Fall verlockender, da Regionen mit schlechter wirtschaftlicher Situation offener für einen Wandel sind, besonders wenn die Chance besteht - wie im Falle von Wörgl (Kapitel 2) - dabei zu gewinnen und nichts zu verlieren. Um zuverlässige Ergebnisse zu erhalten, wäre es gut, Experimente nicht auf die eine oder andere Situation zu beschränken. Die Vielfalt der Erfahrungen kann dann zeigen, was ein zinsfreies Geld unter verschiedenen gesellschaftlichen Voraussetzungen bewirkt.

DIE EINFÜHRUNG EINES ÖRTLICHEN ODER REGIONALEN TAUSCHMITTELS

Von allen Versuchen, mit zinsfreiem Geld Güter und Dienstleistungen auszutauschen, ist das von Michael Linton auf der Insel Vancouver in Kanada begonnene am bekanntesten. Das LET ("Local Employment and Trade" = Lokales Beschäftigungs- und Austausch-) System arbeitet mit am normalen Dollar orientierten Verrechnungseinheiten, den sogenannten "grünen Dollars". Die Tauschpartner vereinbaren selbst die Preise für Waren und Dienstleistung, die sie voneinander beziehen, in grünen oder in normalen Dollars - manchmal auch in beiden - und geben nach jeder Transaktion ihr Soll oder ihr Haben an eine zentrale computerisierte Kontenführung weiter. Zu Beginn wird dabei für jeden eine Obergrenze der Verschuldung festgelegt, die später geändert werden kann, um das Risiko für alle Teilnehmer möglichst gering zu halten. Es ist klar, daß das System umso lohnender wird, je mehr daran teilnehmen. 1987 gab es etwa ein Dutzend LET Systeme in Kanada und weitere 10 in anderen Teilen der Welt (49).

Das Problem bei diesem System ist, daß Leute, die ein zu großes Guthaben ansammeln, keinen Anreiz haben, diese "Tauschsicherheit" anderen zur Verfügung zu stellen, die vielleicht mehr brauchen als sie borgen können. Das heißt, es neigt ohne Umlaufgebühr zur Stagnation.

In der Schweiz gibt es seit den 30er Jahren einen landesweit arbeitenden Tauschring, WIR genannt, mit 1,5 Milliarden Schweizer Franken Umsatz, einen der wenigen erfolgreichen Versuche, Güter und Dienstleistungen zinsfrei auszutauschen, der überlebt hat. Er arbeitet wie alle anderen mit Hilfe einer zentralen Kontenführung, in der Soll und Haben zentral verbucht und kontrolliert werden (50). Auf kommerzieller Basis arbeiten zahlreiche, ähnliche Tauschringe in den Vereinigten Staaten.

In Dänemark und Schweden gibt es - ebenfalls seit den 30er Jahren - die JAK Banken ("Jord, Arbejde, Kapital" = Boden, Arbeit, Kapital). Sie bieten zinsfreie Kredite nach einer gewissen Zeit des Ansparens ohne Zinsen. Da nicht alle zur selben Zeit einen Kredit brauchen, jeder aber einen gewissen Prozentsatz angespart haben muß, um einen Kredit bekommen zu können, bietet das System die Möglichkeit, Spargelder und Kreditwünsche der Mitglieder so zu koordinieren, daß alle, die daran teilnehmen, von dem zinsfreien System profitieren.

Unterschiedliche Versuche mit alternativem Geld sind politisch sinnvoll, damit wir besser verstehen lernen, wie Geld funktioniert und welchen Zwecken es zu dienen hat. Praktische Erfahrungen sind wichtig, denn sie machen Mut, Veränderungen im notwendigen größeren Umfang durchzuführen. Keiner dieser kleineren Versuche ändert jedoch etwas an den großen weltweiten Problemen, die das heutige Geldsystem verursacht. Deswegen darf das Ziel, Veränderungen im Geldwesen auf nationaler und internationaler Ebene herbeizuführen, nicht aus den Augen verloren werden.

UNTERSTÜTZUNG ETHISCHER INVESTITIONEN

Als Sofortmaßnahme sollte jede(r) darauf achten, daß sie/er überschüssiges Geld in ethisch vertretbare Projekte investiert. Mehr und mehr Menschen haben die sozialen und moralischen Auswirkungen ethischer Investitionen erkannt. Daraus ist in den U.S.A. inzwischen ein Geschäft in der Größenordnung von einigen Milliarden Dollar geworden. Nach den Worten von Hazel Henderson "witterte eine wachsende Menge von gewöhnlichen Menschen den Modergeruch des verrottenden Systems an ihrer Hausschwelle und konnte nicht länger zulassen, daß ihr Geld genau dem entgegenwirkt, was sie für ihr eigenes Leben wünschen" (51).

Ethische Investoren wählen ihre Anlagemöglichkeiten nach ökonomischen und sozialen Gesichtspunkten aus. Firmen, wie die von Robert Schwarz in New York, einem frühen Pionier sozial verträglicher Investitionen, strichen von der Liste ihrer potentiellen Investitionen als erstes Firmen der Rüstungsindustrie, und weiterhin solche, die inhumane Arbeitsbedingungen hatten oder notorische Umweltverschmutzer waren. Sie investierten weder in Atomkraftwerksbetreiber noch solche Firmen, die mit repressiven Regimen wie Südafrika zusammenarbeiteten (52).

Umweltbewußtsein ist nicht nur lebensnotwendig, sondern auch in wirtschaftlicher Hinsicht sinnvoll, besonders wenn aufgrund der vorangehenden gewissenlosen Verschwendung von Ressourcen die Vorräte immer knapper werden. So hat sich die Nuklearindustrie mit ihren Milliarden verschlingenden Folgekosten, Unfällen und Säuberungskosten für Investoren in den U.S.A schon heute als äußerst unrentabel erwiesen. Investitionen in alternative Energien hingegen sind immer häufiger lohnend. Da bei uns staatlich abgesicherte Monopole die EVU's (Energie-Versorgungs-Unternehmen) die Kosten und Risiken tragen, sind die damit verbundenen Probleme weniger durchsichtig.

Ethische Investitionen sind sofort durchführbar, ganz gleich, ob wir das Geldsystem früher oder später ändern. Ein gutes Konzept ist die ethische Investition in jedem Geldsystem.


Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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