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(Stand: 3.4.1996)
Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beobachtete Silvio Gesell, ein erfolgreicher Kaufmann in Deutschland und Argentinien, daß sich seine Waren manchmal schnell verkaufen ließen und einen guten Preis erbrachten, zu anderen Zeiten jedoch verkauften sie sich langsam und neigten zu geringeren Preisen. Er begann darüber nachzudenken und Gründe dafür zu suchen. Schnell verstand er, daß dieses Auf und Ab wenig mit dem Bedarf für seine Güter zu tun hatte oder mit deren Qualität, sondern fast ausschließlich mit dem Preis des Geldes auf dem Geldmarkt.
Er begann diese Bewegungen zu beobachten und fand bald heraus, daß die Leute kauften, wenn die Zinssätze niedrig waren und daß sie nicht kauften, wenn diese hoch waren. Daß es manchmal mehr und manchmal weniger Geld gab, lag an der Neigung der Geldbesitzer, ihr Geld auszuleihen. Wenn sie für ihr Geld weniger als 2,5% Zinsen erhielten, neigten sie eher dazu, es zu behalten und verursachten damit eine Verringerung der Investitionen, mit der Folge, daß Firmen zusammenbrachen und es weniger Arbeitsplätze gab. Wenn dann nach einiger Zeit die Leute bereit waren, wieder mehr Zinsen für Geld zu bezahlen, wurde es wieder zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise entstand wieder ein neuer wirtschaftlicher Zyklus. Anfangs gab es dann hohe Zinssätze und hohe Preise für die Waren, dann wurden mit langsam steigendem Waren- und vermehrtem Geldangebot die Zinssätze wieder niedriger und führten schließlich wiederum zu einem "Streik" des Kapitals.
Silvio Gesell erklärte dieses Phänomen damit, daß Geld im Gegensatz zu allen anderen Gütern und Dienstleistungen praktisch ohne Kosten zurückbehalten werden kann. Wenn jemand eine Tasche voll Äpfel hat und eine andere Person das Geld hat, um diese Äpfel zu kaufen, so wird derjenige mit den Äpfeln in kurzer Zeit gezwungen sein, zu verkaufen, wenn er nicht seine Ware verlieren will. Der Geldbesitzer jedoch kann warten, bis der Preis seinen Erwartungen entspricht. Sein Geld verursacht keine "Lagerkosten", im Gegenteil, es bringt ihm einen "Liquiditätsvorteil", d.h. mit Geld in der Tasche oder auf dem Bankkonto kann man warten bis der günstigste Zeitpunkt bzw. Preis für eine Ware erreicht ist.
Silvio Gesell folgerte: Wenn wir ein Geldsystem schaffen könnten, in dem das Geld ebenso wie alle anderen Dienstleistungen und Waren Lagerkosten verursacht (dabei müßten für diese Lagerkosten im Mittel 5% jährlich zugrunde gelegt werden, was genau den Zinsen entspräche, die im Laufe der Geschichte für Geld bezahlt wurden, dann würde es eine Wirtschaft frei vom Auf und Ab der Geldspekulation geben. Er schlug vor, ein Geldsystem so zu gestalten, daß das Geld darin "rostete", d. h. es sollte einer Benutzungsgebühr unterworfen werden.
1916 formulierte Silvio Gesell seine Idee einer "natürlichen Wirtschaftsordnung" (6), die den Geldfluß sichert, indem Geld zu einer staatlichen Dienstleistung wird, für die Menschen eine Nutzungsgebühr entrichten. Statt denjenigen Zinsen zu zahlen, die mehr Geld haben, als sie benötigen, damit sie das Geld zurück in den Umlauf geben, sollen diese eine geringe Gebühr zahlen, wenn sie ihr Geld vom Umlauf zurückhalten. Diese Gebühr kommt nicht einzelnen zugute, sondern den aktiv am Marktgeschehen Beteiligten, die miteinander Austausch betreiben und die Akzeptanz des Zahlungsmittels gewährleisten.
Um diesen Gedanken besser zu verstehen, ist es hilfreich, das Geld mit einem Eisenbahnwaggon zu vergleichen, der ebenso wie Geld den Austausch von Gütern erleichtert. Natürlich zahlt niemand demjenigen, der einen Waggon benutzt, eine Prämie (= Zins), damit er ihn entlädt, um ihn zurück in den Umlauf zu bringen, sondern der Nutzer zahlt eine geringe Gebühr, "Standgeld" genannt, wenn er den Waggon nicht entlädt. Das wäre im Grundsatz alles, was wir mit dem Geld tun müßten, um den Zins und seine negativen Folgen abzuschaffen. Der jeweilige Benutzer bezahlt eine geringe "Parkgebühr" , wenn er das neue Geld länger behält, als für den Zweck des Austausches erforderlich ist.
Während heutzutage Zinsen einen privaten Gewinn darstellen, würde die Benutzungsgebühr für das Geld einen öffentlichen Gewinn darstellen. Die Gebühr müßte wiederum in den Geldkreislauf zurückgebracht werden, damit das Gleichgewicht zwischen dem Geldvolumen und Volumen der wirtschaftlichen Aktivität bestehen bleibt. Sie würde eine öffentliche Einnahmequelle darstellen, mit der die Kosten der Notenbank und des Geldumtauschs abgedeckt werden. Überschüsse gingen - wie heute auch - in die Bundeskasse und könnten für Schuldentilgungen zweckgebunden werden. Diese Änderung - so einfach sie auch scheinen mag - ist eine Lösung für die vielen Probleme, die durch den Zins und Zinseszins in der Vergangenheit und Gegenwart hervorgerufen wurden.
Silvio Gesell nannte dieses Geld, weil es zinsfrei war, "Freigeld" (7). Dieter Suhr hat dafür in den letzten Jahren den Begriff "Neutrales Geld" (8) geprägt, weil es allen dient und keinem einseitige Vorteile einräumt wie das heutige Geldsystem. Dieser Bezeichnung möchte ich mich anschließen. Ich verwende deshalb im folgenden den Begriff Neutrales Geld, wenn ich über zinsfreie Tauschmittel spreche, die einer Nutzungsgebühr unterliegen. In der folgenden historischen Betrachtung benutze ich die zu der jeweiligen Zeit gebräuchlichen Bezeichnungen.
Um die Funktionsweise einer solchen Geldreform zu verdeutlichen, werden in den folgenden zwei Abschnitten historische Erfahrungen und heutige Lösungsansätze geschildert.
In den 30'er Jahren unternahmen die Anhänger der Gesell'schen
Theorie - der Freiwirtschaft - einige Versuche mit zinsfreiem
Geld, die die Richtigkeit ihrer Gedanken bewiesen. In Österreich,
Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweiz und den U.S.A. gab es
Bemühungen, Freigeld einzuführen, um die Arbeitslosigkeit
zu beheben (9). Am erfolgreichsten erwies sich ein Versuch in
Wörgl in Österreich (10).
Wörgl, mit etwa 3000 Einwohnern, begann zwischen 1932 und
1933 sich mit dem Thema Geldreform zu befassen. Der Bürgermeister
der Stadt überzeugte die Kaufleute und die Verwaltung, daß
sie viel zu gewinnen, aber nichts zu verlieren hatten, wenn sie
ein Geldexperiment durchfuhren würden, so wie es in Silvio
Gesell's Buch "Die natürliche Wirtschaftsordnung"
vorgeschlagen wurde.
Die Einwohner stimmten zu, und so gab der Stadtrat 32.000 "Freie
Schillinge" (d. h. zinsfreie Schillinge) heraus, die durch
den gleichen Betrag von gewöhnlichen österreichischen
Schillingen in der Bank abgedeckt wurden. Die Stadt ließ
eine Brücke erbauen, verbesserte Straßen und investierte
mehr Geld in Öffentliche Dienste. Sie bezahlte Löhne
und Material mit diesem Geld, welches die Händler und Geschäftsleute
in der Stadt akzeptierten.
Die Benutzungsgebühr für dieses Geld betrug l% monatlich,
also 12% im Jahr. Die Gebühr mußte von demjenigen entrichtet
werden, der die Banknote am Ende des Monats besaß. Sie wurde
in Form einer Marke mit dem Wert von 1 % der Banknote entrichtet,
- die auf der Rückseite der Banknote aufgeklebt wurde. Ohne
diese Marke war die Banknote ungültig. Die geringe Gebühr
bewirkte, daß ein jeder, der Freie Schillinge als Bezahlung
erhalten hatte, diese so schnell wie möglich wieder ausgab,
bevor er sein gewöhnliches Geld benutzte. Die Bewohner
von Wörgl bezahlten sogar ihre Steuern im voraus, um das
Zahlen der Gebühr zu vermeiden. Innerhalb eines Jahres
waren die 32.000 Freien Schillinge 463 Mal umgelaufen und
hatten auf diese Weise Güter und Dienstleistungen im Wert
von (32.000 x 463 =) 14.816.000 Schillingen geschaffen. (11)
Gerade zu jener Zeit, in der viele Länder Europas mit zunehmender
Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatten, verminderte Wörgl
seine Arbeitslosenquote um 25% innerhalb dieses einen Jahres.
Die vom Stadtrat eingenommene Gebühr betrug insgesamt
12% von 32.000 Freien Schillingen = 3.840 Freie Schillinge.
Diese wurden für öffentliche Zwecke verwendet, d.h.
für das Wohl der Gemeinschaft und nicht zur Bereicherung
Einzelner.
Als sich dann über 300 Gemeinden in Österreich für
dieses Modell zu interessieren begannen, sah die österreichische
National Bank ihr Monopol gefährdet. Sie intervenierte beim
Stadtrat und verbot das Drucken dieses lokalen Geldes. Trotz
eines lang anhaltenden Streites bis vor das höchste österreichische
Gericht, konnte weder Wörgl noch eine andere Gemeinde in
Europa dieses Experiment wiederholen.
In Dieter Suhrs Buch "The Capitalistic Cost-Benefit Structure
of Money" (Deutsch: "Die kapitalistische Kosten-Nutzen
Struktur von Geld") berichtet Cohrssen von dem Versuch, das
Konzept von Gesell 1933 im Rahmen des "Stamp Scrip Movement"
(der "Marken-Geld Bewegung") in den U.S.A. einzuführen
(12). Zu jener Zeit planten mehr als 100 Gemeinden, darunter mehrere
große Städte in den U.S.A., das Geld, was ähnlich
wie das "Freigeld" in Wörgl funktionieren sollte,
einzuführen.
Das Arbeitsministerium, das Innenministerium und das Wirtschaftsministerium
in Washington D.C. befaßten sich mit diesen Anträgen,
und obwohl keines von ihnen dagegen war, hatten sie nicht die
Macht, die notwendige Erlaubnis zu gewähren. Zuletzt fragte
Dean Acheson, der später Innenminister wurde, den wirtschaftlichen
Berater der Regierung, Professor Russel Sprague, der an der Universität
von Harvard lehrte, nach seiner Meinung.
Cohrssen erinnert sich eines Treffens mit ihm, welches sehr herzlich
war und in welchem Prof. Sprague sagte, daß im Grunde nichts
gegen die Herausgabe von Marken-Geld einzuwenden sei, um neue
Arbeitsplätze zu schaffen. Dennoch meinte er, ginge der Vorschlag
weit darüber hinaus: Es wäre eine Maßnahme, die
das amerikanische Geldsystem vollkommen umstrukturieren würde,
und er hätte nicht die Vollmacht, eine solche massive Veränderung
zu befürworten. Damit war die "Stamp Scrip" Bewegung
zu Ende, ein Modellprojekt, welches wahrscheinlich zu einer wirklichen
Geldreform geführt hätte.
Präsident Roosevelt verfügte am 04. März 1933,
die Banken zeitweise zu schließen, und er verbot, irgendwelches
Notgeld herauszugeben. Als Schlußfolgerung aus seinen intensiven
Bemühungen schrieb Cohrssen: "Insgesamt können
wir sagen, daß die technischen Schwierigkeiten, um eine
Stabilität des Geldes zu gewährleisten, im Verhältnis
zum mangelnden Verständnis des Problems sehr klein sind.
Solange die Illusion des Geldes nicht überwunden wird, wird
es praktisch unmöglich sein, die notwendige Geldstabilität
politisch durchzusetzen." (13)
Grundlage einer Geldreform müßte die Erkenntnis
eines großen Teils der Bevölkerung sein, daß
wir das Geld auf seine Funktionen als Tauschmittel, Wertmaßstab
und Wertspeicher oder Wertaufbewahrungsmittel beschränken
müssen, wenn wir die Probleme lösen wollen, die seine
jetzige Zusatzfunktion als Ware (und zwar die begehrteste unter
allen) verursacht.
Die Umlauf- oder Nutzungsgebühr, die verhindert, daß
Geld zurückgehalten wird, würde eine genaue Anpassung
an die für alle Transaktionen notwendige Geldmenge notwendig
machen. Wäre genug neues Geld für die Ausführung
sämtlicher Transaktionen vorhanden, brauchte kein weiteres
mehr in Umlauf zu gelangen. Somit würde das Anwachsen des
neuen Geldes dem natürlichen oder qualitativen Wachstum (Kurve
a, Abb. 1) und nicht mehr dem exponentiellen oder quantitativen
Wachstumsverhalten folgen.
90% von dem, was wir heute "Geld" nennen, sind in Wirklichkeit
Geldguthaben in Form von Zahlen in einem Computer. Deshalb würde
bei dem jetzt üblichen giralen Zahlungsverkehr die Nutzungsgebühr
nach Einführung des Neutralen Geldes sehr einfach zu erheben
sein. Geldguthaben auf dem Girokonto, welche ihrem Besitzer jeder
Zeit zur Verfügung stehen, würden z.B. mit monatlich
einem halben Prozent belastet, also mit 6% im Jahr. Jeder, der
auf seinem Girokonto mehr Neutrales Geld hätte, als er für
Ausgaben im laufenden Monat benötigt, würde, um Verluste
zu vermeiden, den Überschuß auf sein Sparkonto überweisen,
wo es keiner Gebühr unterliegt.
Zwar würde Neutrales Geld den Besitzern auf dem Sparkonto
keine Zinsen einbringen, jedoch behielte es seinen stabilen Wert,
denn mit einem umlaufgesicherten Geld wird die wichtigste Inflationsursache
entschärft (eine vernünftige Geldpolitik
der Notenbank vorausgesetzt, siehe Kapitel 1). Wer
einen Kredit erhält bezahlt ebenfalls keine Zinsen, sondern,
bis er das Geld ausgegeben hat, nur die Nutzungsgebühr (ca.
0,5% pro Monat) sowie eine Risikoprämie und Bearbeitungsgebühr,
wie sie auch heute in jedem Bankkredit enthalten sind. Letztere
betragen ungefähr 1,5% bis 2,5% der normalen Kreditkosten.
Insgesamt würde sich somit praktisch sehr wenig ändern.
Die Aufgabe der Banken bliebe weiterhin die Vermittlung von
Geld.
Um ein Gleichgewicht zwischen volkswirtschaftlicher Leistung und
der Geldmenge zu gewährleisten, würden die Banken -
genau wie heute größere Überschüsse an Neutralem
Geld an die Zentralbank zurückgeben bzw. an andere Banken
mit Geldbedarf transferieren. Schwankungen in der Nachfrage nach
Krediten könnten über eine sehr niedrige Regelgebühr
(Anreiz zum Leihen +1%, wenn zuviel Geld da ist, Gebühr von
-1%, wenn zu wenig da ist) austariert werden. Diese Regelgebühr
von +/-l% wäre aber nur temporär einsetzbar und nicht,
wie heute, ein Mechanismus zur ständigen Umverteilung von
Reichtum.
Die Hortung barer Scheine des neuen Geldes könnte auf elegantere
Weise, als mit dem Aufkleben von Marken auf die Rückseite
von Banknoten, verhindert werden. Man könnte z.B.
Banknoten in Serien mit verschiedenen Farbmarkierungen
und Größen drucken, von denen eine Serie ein
oder zweimal im Jahr ohne Vorankündigung eingezogen würde,
so daß niemand größere Mengen von Banknoten ohne
Verlust horten könnte. Das wäre für den Staat
nicht viel aufwendiger, als das Ersetzen von abgenutzten Banknoten
durch neue, wie es heute üblich ist.
Es würde für die 80% der Bevökerung, die bei dem
heutigen System draufzahlen (s. Kapitel 1), einen enormen Zuwachs
an Verdienst (ca. 30 - 50%) bedeuten. Den 10% der Bevölkerung,
die heute von dem System profitieren, würde zwar der Zuwachs
ohne Arbeit verwehrt, aber dafür ein stabiler Geldwert geboten.
Wie mit der bisher entstandenen Ungleichheit umgegangen würde
(z.B. Versuch eines Ausgleichs über höhere Vermögens-
oder Erbschaftssteuern), wäre dann eine weitere wichtige
politische Frage, die allein durch die Veränderung des Geldsystems
nicht beantwortet wird.
Was die Umlaufgeschwindigkeit angeht, so wird sie weniger von
der Höhe der Umlaufgebühr bestimmt als von den Notwendigkeiten
der Wirtschaft selbst. Zu bestimmten Zeiten, z.B. vor Weihnachten,
wird es eine höhere Nachfrage nach Gütern geben, dann
wird das Geld schneller umlaufen, mal wird es eine geringere Nachfrage
geben, dann wird Geld langsamer zirkulieren, dabei braucht die
Geldmenge insgesamt nicht unbedingt größer oder kleiner
zu werden.
Durch die Einführung von Sparkonten, auf denen das Geld seinen
Wert behält, kann man die Zahlung der Umlaufgebühr ausschalten.
Das bewirkt, daß die Umlaufgebühr nicht zu einer vermehrten
Geldausgabe führt, was unter ökologischen Gesichtspunkten
fatal wäre. Im Gegenteil, die neue Stabilität von Neutralem
Geld bietet eine größere Sicherheit als der mal schneller
und mal langsamer sinkende Wert unseres heutigen Geldes und kann
damit langfristig als Sparanreiz wirken. Das heißt, mit
der Einführung des Neutralen Geldes paßt sich die Wirtschaft
den Bedürfnissen der Menschen an und nicht dem Wachstumszwang
im Geldsystem.
Um den Geldwert innen- und außenpolitisch für alle
nachvollziehbar stabil zu machen, könnte das Geld auf einen
Warenkorb bezogen und abgesichert sein, der sich in erster Linie
auf die Exportgüter der geldausgebenden Regionen oder Länder
bezieht. Damit hätte jede(r) die Sicherheit, den entsprechenden
Gegenwert für ihr/sein Geld bekommen zu können. Notwendig
wäre diese Maßnahme bei einer richtigen Notenbankpolitik
nicht.
Die oben beschriebene Geldreform - in großem Maßstabe
durchgeführt - müßte von einer Land und Steuerreform
begleitet werden. Ohne eine Landreform würde sonst überschüssiges
Geld von der Bodenspekulation angezogen. Ohne eine Steuerreform,
die uns zu einem anderen Umgang mit den Gütern der Natur
bewegt, blieben die ökologischen Probleme bestehen.
Die Vergangenheit lehrt, wann immer der Zins niedrig war, wurde
mehr Land gekauft. Das heißt, wenn wir Geld ohne Zinsen
und Inflation einführen, besteht die Gefahr, daß die
Geldbesitzer, in noch größerem Umfang als heute, ein
arbeitsloses Einkommen aus dem Besitz von Grund und Boden zu erzielen
versuchen.
Geld- und Boden sind für jeden lebensnotwendig. Ob wir essen,
schlafen oder arbeiten, leben ohne Land ist undenkbar. Deshalb
sollte der Grund und Boden ebenso wie die Luft und das Wasser
jedem gehören. Die Indianer von Nordamerika sagen: "Die
Erde ist unsere Mutter, wie könnten wir sie aufteilen und
verkaufen." Der Grund und Boden sollte der Gemeinde gehören
und dann von der Gemeinde verpachtet werden. So war es in vielen
europäischen Ländern üblich, bis das römische
Recht den Privatbesitz im späten Mittelalter einführte
(14).
Heute kennen wir zwei grundsätzlich verschiedene Systeme
in der Welt:
- Privateigentum und private Nutzung von Land in den kapitalistischen
Ländern
- Gemeinschaftseigentum und gemeinschaftliche Nutzung des Landes
in den kommunistischen Ländern.
Abbildung 7 zeigt, wie in den kapitalistischen Ländern
die Mehrheit der Menschen für die hohen Profite der Bodenspekulanten
bezahlt. Hier konzentriert sich Grund und Boden in den Händen
von immer weniger Leuten. Dies wiederum verwehrt anderen die Befriedigung
ihrer Grundrechte zu vertretbaren Preisen.
In den kommunistischen Ländern dagegen liegt das Hauptproblem
in der unwirtschaftlichen Nutzung des Landes.
So werden in Rußland, wo der Grund und Boden gemeinschaftlich
besessen und genutzt wird, über 60% der Nahrungsmittel auf
jenen 4% des Bodens geerntet, der privat bewirtschaftet wird.
Hier liegt also das Problem in der gemeinschaftlichen Nutzung,
die weniger effektiv ist als die private Nutzung, wenn sie mit
entsprechender Verantwortung und Eigeninteresse gekoppelt wird.
Aus diesem Grunde würde eine Kombination aus privater
Nutzung und gemeinschaftlichem Besitz die vorteilhafteste Lösung
sein, um individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und
soziale Gerechtigkeit zu ermöglichen. Genau diese Vorschläge
machten bereits 1879 Henry George (15), 1904 Silvio Gesell (16)
und Yoshito Otani 1981 (17).
Nach den katastrophalen Folgen der Enteignung in Ländern
mit kommunistischer Verfassung würde heute keine westliche
Nation mehr den Besitzwechsel von Land in Gemeineigentum ohne
Entschädigung erwägen. Obwohl das römische Recht,
welches das Privateigentum an Grund und Boden in die westliche
Zivilisation einführte, ursprünglich den Völkern
von seiten ihrer Eroberer aufgezwungen wurde, gehören jene,
die davon zuerst profitierten, bereits der Geschichte an. Die
heutigen Eigentümer haben das Land, das sie besitzen, entweder
gekauft oder legal geerbt. Aus diesem Grund muß eine Entschädigung
gezahlt werden, will man eine gerechte Situation schaffen. Dazu
sind die Gemeinden jedoch nur in der Lage, wenn sie zusätzliche
Mittel bekommen. Langfristig könnten beispielsweise die Gemeinden
auf sämtliches Land eine jährliche Abgabe von 3% des
Wertes erheben. Mit diesem Geld könnten sie das Land erwerben,
das zum Verkauf ansteht. Auf diese Weise würde eine Gemeinde
über einen gewissen Zeitraum - theoretisch 33 Jahre bei einer
3%igen Gebühr und Neutralem Geld - ihren Grund und Boden
erwerben, um ihn dann an private Nutzer zu verpachten.
Alternativ könnte man den Grundeigentümern die Möglichkeit
geben, daß sie statt Zahlung der 3%igen Abgabe auf ihr Land
dies der Gemeinde über 33 Jahre verkaufen. Danach hätten
sie weiterhin das Recht, dasselbe Land in Erbpacht zu nutzen.
Jedoch müßten sie nach diesen 33 Jahren die 3%ige Abgabe
auf den dann gültigen Wert des Bodens an die Gemeinde zahlen.
Eine Staffelung dieser Steuer könnte nach sozialen oder ökologischen
Gesichtspunkten erfolgen.
Als sofortige Folge würde die Spekulation aufhören.
Der größte Teil des Landes, das Menschen heute besitzen,
ohne es zu nutzen, würde auf dem Markt angeboten, um einen
fortschreitenden Verlust zu vermeiden. Je mehr Land auf diese
Weise verfügbar würde, desto mehr würde der Bodenpreis
sinken, und zunehmend mehr Menschen hätten die Möglichkeit,
das verfügbare Land auf produktive Weise zu nutzen. Besonders
in den Entwicklungsländern hätte dies einen erheblichen
Effekt auf die Produktion von Nahrungsmitteln. Die im Verhältnis
zum Bevölkerungswachstum immer geringer werdende Nahrungsmittelerzeugung
ist nicht eine Frage der Agrartechnik, sondern ein Mangel der
Verfügbarkeit von Boden für kleine landwirtschaftliche
Produktionsbetriebe.
Die Pächter hätten in diesem neuen System sämtliche
Vorteile des heutigen Erbpachtsystems: Sie könnten ihren
Besitz im Rahmen der lokalen Planungsvorgaben nutzen. Sie könnten
darauf bauen. Sie könnten ihre Häuser verkaufen. Sie
könnten ihre Häuser ihren Nachkommen vererben. Sie könnten
an dritte weitervermieten, solange sie die Pacht bezahlen. Der
genaue Betrag der Pacht wäre durch öffentliche Ausschreibung,
Auktionen oder ähnliche Veräußerungsformen festzulegen,
womit die Ineffektivität der Planwirtschaft oder bürokratischer
Festlegungen vermieden werden könnte.
Langfristig würde diese Änderung einen enormen Ballast
von den Schultern der arbeitenden Bevölkerung nehmen, die
letztlich immer für den Gewinn der Spekulanten bezahlt. Und
eben dafür wurde Land nur allzu häufig mißbraucht.
Soll hierfür eine realistische gesellschaftliche Lösung
gefunden werden, so muß die Spekulation mit Boden und Geld
aufhören. Wiederum zielt die vorgeschlagene Lösung nicht
darauf ab, jene zu bestrafen, die vom gegenwärtigen System
profitieren, sondern langsam aber sicher die Voraussetzungen dafür
abzuschaffen, daß wenige Menschen enorme Vorteile haben,
während der Mehrheit abverlangt wird, dafür zu zahlen.
Aus Abbildung 7 ist zu ersehen, daß sich seit 1950
die mittlere Arbeitszeit etwa verdreifacht hat, um ein Stück
Land als Eigentum erwerben zu können.
Länder mit einer fortschrittlichen Verfassung hätten
vom rechtlichen Standpunkt aus keine Probleme, eine solche Veränderung
einzufahren. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland z.
B. bezeichnet den Boden als "sozialpflichtiges Gut"
und bestimmt in Artikel 15: "Grund und Boden, Naturschätze
und Produktionsmittel können zum Zweck der Vergesellschaftung
durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung
regelt, in Gemeindeeigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft
übergeführt werden".
Da diese Lösung heute sicherlich auf erheblichen politischen
Widerstand stößt, weil ein Stück Land zu besitzen
eine wesentliche Form von Sicherheit bedeutet, wäre eine
politisch realistischere Alternative, den Zugewinn aus dem Boden
über eine entsprechende Steuer der Allgemeinheit zuzuführen.
Damit könnte ein großer Teil der heutigen Steuern entfallen.
Ein Beispiel dafür bietet die Stadt Zürich, die im vergangenen
Jahrhundert ihre Wallanlagen als Baugrundstücke an Private
verkaufte. Hätte sie diese Bodenfläche behalten und
in Erbpacht für Wohnzwecke vergeben, könnte sie heute
von den Pachteinnahmen den gesamten Kommunalhaushalt bestreiten.
Grundsätzlich ist jede Lösung akzeptabel, die die Spekulation
verhindert und den Mehrwert aus dem Boden der Allgemeinheit zuführt.
Es wird geschätzt, daß etwa die Hälfte bis zwei
Drittel des gegenwärtigen Bruttosozialproduktes im Hinblick
auf seine ökologischen Auswirkungen als gefährlich bezeichnet
werden können (18). Die vorgeschlagene Geld- und Bodenrechtsreform
würde den Weg für eine Steigerung der Produktion und
der Beschäftigung freimachen. Damit beide in einer ökologisch
vertretbaren Art und Weise geschehen, müßten die Steuergesetze
in zwei Richtungen verändert werden:
1. Statt Steuern auf das Einkommen - Besteuerung der Produkte.
2. Die ökologischen Kosten der Produkte sollten in die Bemessung
der Produktsteuer einfließen.
Hermann Laistner weist in seinem Buch "Die Ökologische
Wirtschaft" (19) daraufhin, daß die Einkommenssteuer
die menschliche Arbeit derart verteuert, daß es für
Unternehmer günstiger ist, diese durch gesteigerte Mechanisierung
zu ersetzen. Durch eine sinnlose, an den tatsächlichen Bedürfnissen
der Menschen vorbeigehende Massenproduktion werden wertvolle unwiederbringliche
Ressourcen aufgezehrt. Würde man stattdessen die Produkte
besteuern und die ökologischen Kosten der Herstellung miteinbeziehen,
so ergäben sich natürlich höhere Produktpreise.
Aber kombiniert mit den nun weitaus geringeren Arbeitskosten sänke
der Druck zu immer weiterer Automatisation und die Beschäftigung
würde steigen. Immer mehr Menschen fänden Arbeit.
Gegenwärtig bezahlt die Gesellschaft doppelt, wenn ein Arbeiter
durch eine Maschine ersetzt wird. Sie verliert erstens die Einkommenssteuer
- weil das Einkommen von Maschinen nicht besteuert wird - und
zahlt des weiteren das Arbeitslosengeld für den entlassenen
Arbeiter. Um nun der Besteuerung des Einkommens zu entgehen,
gibt es weiterhin einen beträchtlichen Anteil an Schwarzarbeit.
Ohne eine Besteuerung des Einkommens wäre diese Schattenwirtschaft
legal.
Der jetzige Lebensstandard würde nicht sinken, weil den durch
die Reform steigenden Produktpreisen ein steuerfreies Einkommen
gegenüberstände. Daraus würde sich langfristig
ein sehr unterschiedliches aber ökologisch sinnvolleres Konsumverhalten
ergeben. Die Menschen würden sich den Kauf eines neuen Fahrrades
oder Autos zweimal überlegen, da es billiger wäre, Dinge
reparieren zulassen.
Diese Änderung der Besteuerungsgrundlagen könnte nach
und nach eingeführt werden und würde selbst ohne Geld-
und Bodenreform sinnvoll sein. Auf wirkungsvolle Weise würden
dadurch eine Vielzahl von Forderungen und Vorschlägen unterstützt,
die Ökologen in den letzten Jahrzehnten vorgebracht haben.
Die Kombination beider Reformen würde viele Umweltprobleme
beseitigen, eine Reihe von "Umweltschutzmaßnahmen"
überflüssig machen und zur Lösung der Arbeitslosenproblematik
beitragen.
ERSTE EXPERIMENTE MIT ZINSFREIEM GELD
LÖSUNGSANSÄTZE HEUTE
DIE NOTWENDIGE BODENREFORM
DIE NOTWENDIGE STEUERREFORM
Dieser Text wurde ins Netz gebracht von:
W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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