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Auszug aus:
Margrit Kennedy: Geld ohne Zinsen und Inflation
Ein Tauschmittel, das jedem dient
Wilhelm Goldmann Verlag, München 1994
ISBN 3-442-12341-0
DM 14,90

(Stand: 3.4.1996)


KAPITEL 2: EIN GELDSYSTEM OHNE ZINSEN UND INFLATION

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts beobachtete Silvio Gesell, ein erfolgreicher Kaufmann in Deutschland und Argentinien, daß sich seine Waren manchmal schnell verkaufen ließen und einen guten Preis erbrachten, zu anderen Zeiten jedoch verkauften sie sich langsam und neigten zu geringeren Preisen. Er begann darüber nachzudenken und Gründe dafür zu suchen. Schnell verstand er, daß dieses Auf und Ab wenig mit dem Bedarf für seine Güter zu tun hatte oder mit deren Qualität, sondern fast ausschließlich mit dem Preis des Geldes auf dem Geldmarkt.

Er begann diese Bewegungen zu beobachten und fand bald heraus, daß die Leute kauften, wenn die Zinssätze niedrig waren und daß sie nicht kauften, wenn diese hoch waren. Daß es manchmal mehr und manchmal weniger Geld gab, lag an der Neigung der Geldbesitzer, ihr Geld auszuleihen. Wenn sie für ihr Geld weniger als 2,5% Zinsen erhielten, neigten sie eher dazu, es zu behalten und verursachten damit eine Verringerung der Investitionen, mit der Folge, daß Firmen zusammenbrachen und es weniger Arbeitsplätze gab. Wenn dann nach einiger Zeit die Leute bereit waren, wieder mehr Zinsen für Geld zu bezahlen, wurde es wieder zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise entstand wieder ein neuer wirtschaftlicher Zyklus. Anfangs gab es dann hohe Zinssätze und hohe Preise für die Waren, dann wurden mit langsam steigendem Waren- und vermehrtem Geldangebot die Zinssätze wieder niedriger und führten schließlich wiederum zu einem "Streik" des Kapitals.

Silvio Gesell erklärte dieses Phänomen damit, daß Geld im Gegensatz zu allen anderen Gütern und Dienstleistungen praktisch ohne Kosten zurückbehalten werden kann. Wenn jemand eine Tasche voll Äpfel hat und eine andere Person das Geld hat, um diese Äpfel zu kaufen, so wird derjenige mit den Äpfeln in kurzer Zeit gezwungen sein, zu verkaufen, wenn er nicht seine Ware verlieren will. Der Geldbesitzer jedoch kann warten, bis der Preis seinen Erwartungen entspricht. Sein Geld verursacht keine "Lagerkosten", im Gegenteil, es bringt ihm einen "Liquiditätsvorteil", d.h. mit Geld in der Tasche oder auf dem Bankkonto kann man warten bis der günstigste Zeitpunkt bzw. Preis für eine Ware erreicht ist.

Silvio Gesell folgerte: Wenn wir ein Geldsystem schaffen könnten, in dem das Geld ebenso wie alle anderen Dienstleistungen und Waren Lagerkosten verursacht (dabei müßten für diese Lagerkosten im Mittel 5% jährlich zugrunde gelegt werden, was genau den Zinsen entspräche, die im Laufe der Geschichte für Geld bezahlt wurden, dann würde es eine Wirtschaft frei vom Auf und Ab der Geldspekulation geben. Er schlug vor, ein Geldsystem so zu gestalten, daß das Geld darin "rostete", d. h. es sollte einer Benutzungsgebühr unterworfen werden.

EINE UMLAUFGEBÜHR ERSETZT DIE ZINSEN

1916 formulierte Silvio Gesell seine Idee einer "natürlichen Wirtschaftsordnung" (6), die den Geldfluß sichert, indem Geld zu einer staatlichen Dienstleistung wird, für die Menschen eine Nutzungsgebühr entrichten. Statt denjenigen Zinsen zu zahlen, die mehr Geld haben, als sie benötigen, damit sie das Geld zurück in den Umlauf geben, sollen diese eine geringe Gebühr zahlen, wenn sie ihr Geld vom Umlauf zurückhalten. Diese Gebühr kommt nicht einzelnen zugute, sondern den aktiv am Marktgeschehen Beteiligten, die miteinander Austausch betreiben und die Akzeptanz des Zahlungsmittels gewährleisten.

Um diesen Gedanken besser zu verstehen, ist es hilfreich, das Geld mit einem Eisenbahnwaggon zu vergleichen, der ebenso wie Geld den Austausch von Gütern erleichtert. Natürlich zahlt niemand demjenigen, der einen Waggon benutzt, eine Prämie (= Zins), damit er ihn entlädt, um ihn zurück in den Umlauf zu bringen, sondern der Nutzer zahlt eine geringe Gebühr, "Standgeld" genannt, wenn er den Waggon nicht entlädt. Das wäre im Grundsatz alles, was wir mit dem Geld tun müßten, um den Zins und seine negativen Folgen abzuschaffen. Der jeweilige Benutzer bezahlt eine geringe "Parkgebühr" , wenn er das neue Geld länger behält, als für den Zweck des Austausches erforderlich ist.

Während heutzutage Zinsen einen privaten Gewinn darstellen, würde die Benutzungsgebühr für das Geld einen öffentlichen Gewinn darstellen. Die Gebühr müßte wiederum in den Geldkreislauf zurückgebracht werden, damit das Gleichgewicht zwischen dem Geldvolumen und Volumen der wirtschaftlichen Aktivität bestehen bleibt. Sie würde eine öffentliche Einnahmequelle darstellen, mit der die Kosten der Notenbank und des Geldumtauschs abgedeckt werden. Überschüsse gingen - wie heute auch - in die Bundeskasse und könnten für Schuldentilgungen zweckgebunden werden. Diese Änderung - so einfach sie auch scheinen mag - ist eine Lösung für die vielen Probleme, die durch den Zins und Zinseszins in der Vergangenheit und Gegenwart hervorgerufen wurden.

Silvio Gesell nannte dieses Geld, weil es zinsfrei war, "Freigeld" (7). Dieter Suhr hat dafür in den letzten Jahren den Begriff "Neutrales Geld" (8) geprägt, weil es allen dient und keinem einseitige Vorteile einräumt wie das heutige Geldsystem. Dieser Bezeichnung möchte ich mich anschließen. Ich verwende deshalb im folgenden den Begriff Neutrales Geld, wenn ich über zinsfreie Tauschmittel spreche, die einer Nutzungsgebühr unterliegen. In der folgenden historischen Betrachtung benutze ich die zu der jeweiligen Zeit gebräuchlichen Bezeichnungen.

Um die Funktionsweise einer solchen Geldreform zu verdeutlichen, werden in den folgenden zwei Abschnitten historische Erfahrungen und heutige Lösungsansätze geschildert.

ERSTE EXPERIMENTE MIT ZINSFREIEM GELD

In den 30'er Jahren unternahmen die Anhänger der Gesell'schen Theorie - der Freiwirtschaft - einige Versuche mit zinsfreiem Geld, die die Richtigkeit ihrer Gedanken bewiesen. In Österreich, Frankreich, Deutschland, Spanien, Schweiz und den U.S.A. gab es Bemühungen, Freigeld einzuführen, um die Arbeitslosigkeit zu beheben (9). Am erfolgreichsten erwies sich ein Versuch in Wörgl in Österreich (10).

Wörgl, mit etwa 3000 Einwohnern, begann zwischen 1932 und 1933 sich mit dem Thema Geldreform zu befassen. Der Bürgermeister der Stadt überzeugte die Kaufleute und die Verwaltung, daß sie viel zu gewinnen, aber nichts zu verlieren hatten, wenn sie ein Geldexperiment durchfuhren würden, so wie es in Silvio Gesell's Buch "Die natürliche Wirtschaftsordnung" vorgeschlagen wurde.

Die Einwohner stimmten zu, und so gab der Stadtrat 32.000 "Freie Schillinge" (d. h. zinsfreie Schillinge) heraus, die durch den gleichen Betrag von gewöhnlichen österreichischen Schillingen in der Bank abgedeckt wurden. Die Stadt ließ eine Brücke erbauen, verbesserte Straßen und investierte mehr Geld in Öffentliche Dienste. Sie bezahlte Löhne und Material mit diesem Geld, welches die Händler und Geschäftsleute in der Stadt akzeptierten.

Die Benutzungsgebühr für dieses Geld betrug l% monatlich, also 12% im Jahr. Die Gebühr mußte von demjenigen entrichtet werden, der die Banknote am Ende des Monats besaß. Sie wurde in Form einer Marke mit dem Wert von 1 % der Banknote entrichtet, - die auf der Rückseite der Banknote aufgeklebt wurde. Ohne diese Marke war die Banknote ungültig. Die geringe Gebühr bewirkte, daß ein jeder, der Freie Schillinge als Bezahlung erhalten hatte, diese so schnell wie möglich wieder ausgab, bevor er sein gewöhnliches Geld benutzte. Die Bewohner von Wörgl bezahlten sogar ihre Steuern im voraus, um das Zahlen der Gebühr zu vermeiden. Innerhalb eines Jahres waren die 32.000 Freien Schillinge 463 Mal umgelaufen und hatten auf diese Weise Güter und Dienstleistungen im Wert von (32.000 x 463 =) 14.816.000 Schillingen geschaffen. (11)

Gerade zu jener Zeit, in der viele Länder Europas mit zunehmender Arbeitslosigkeit zu kämpfen hatten, verminderte Wörgl seine Arbeitslosenquote um 25% innerhalb dieses einen Jahres. Die vom Stadtrat eingenommene Gebühr betrug insgesamt 12% von 32.000 Freien Schillingen = 3.840 Freie Schillinge. Diese wurden für öffentliche Zwecke verwendet, d.h. für das Wohl der Gemeinschaft und nicht zur Bereicherung Einzelner.

Als sich dann über 300 Gemeinden in Österreich für dieses Modell zu interessieren begannen, sah die österreichische National Bank ihr Monopol gefährdet. Sie intervenierte beim Stadtrat und verbot das Drucken dieses lokalen Geldes. Trotz eines lang anhaltenden Streites bis vor das höchste österreichische Gericht, konnte weder Wörgl noch eine andere Gemeinde in Europa dieses Experiment wiederholen.

In Dieter Suhrs Buch "The Capitalistic Cost-Benefit Structure of Money" (Deutsch: "Die kapitalistische Kosten-Nutzen Struktur von Geld") berichtet Cohrssen von dem Versuch, das Konzept von Gesell 1933 im Rahmen des "Stamp Scrip Movement" (der "Marken-Geld Bewegung") in den U.S.A. einzuführen (12). Zu jener Zeit planten mehr als 100 Gemeinden, darunter mehrere große Städte in den U.S.A., das Geld, was ähnlich wie das "Freigeld" in Wörgl funktionieren sollte, einzuführen.

Das Arbeitsministerium, das Innenministerium und das Wirtschaftsministerium in Washington D.C. befaßten sich mit diesen Anträgen, und obwohl keines von ihnen dagegen war, hatten sie nicht die Macht, die notwendige Erlaubnis zu gewähren. Zuletzt fragte Dean Acheson, der später Innenminister wurde, den wirtschaftlichen Berater der Regierung, Professor Russel Sprague, der an der Universität von Harvard lehrte, nach seiner Meinung.

Cohrssen erinnert sich eines Treffens mit ihm, welches sehr herzlich war und in welchem Prof. Sprague sagte, daß im Grunde nichts gegen die Herausgabe von Marken-Geld einzuwenden sei, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Dennoch meinte er, ginge der Vorschlag weit darüber hinaus: Es wäre eine Maßnahme, die das amerikanische Geldsystem vollkommen umstrukturieren würde, und er hätte nicht die Vollmacht, eine solche massive Veränderung zu befürworten. Damit war die "Stamp Scrip" Bewegung zu Ende, ein Modellprojekt, welches wahrscheinlich zu einer wirklichen Geldreform geführt hätte.

Präsident Roosevelt verfügte am 04. März 1933, die Banken zeitweise zu schließen, und er verbot, irgendwelches Notgeld herauszugeben. Als Schlußfolgerung aus seinen intensiven Bemühungen schrieb Cohrssen: "Insgesamt können wir sagen, daß die technischen Schwierigkeiten, um eine Stabilität des Geldes zu gewährleisten, im Verhältnis zum mangelnden Verständnis des Problems sehr klein sind. Solange die Illusion des Geldes nicht überwunden wird, wird es praktisch unmöglich sein, die notwendige Geldstabilität politisch durchzusetzen." (13)

LÖSUNGSANSÄTZE HEUTE

Grundlage einer Geldreform müßte die Erkenntnis eines großen Teils der Bevölkerung sein, daß wir das Geld auf seine Funktionen als Tauschmittel, Wertmaßstab und Wertspeicher oder Wertaufbewahrungsmittel beschränken müssen, wenn wir die Probleme lösen wollen, die seine jetzige Zusatzfunktion als Ware (und zwar die begehrteste unter allen) verursacht.

Die Umlauf- oder Nutzungsgebühr, die verhindert, daß Geld zurückgehalten wird, würde eine genaue Anpassung an die für alle Transaktionen notwendige Geldmenge notwendig machen. Wäre genug neues Geld für die Ausführung sämtlicher Transaktionen vorhanden, brauchte kein weiteres mehr in Umlauf zu gelangen. Somit würde das Anwachsen des neuen Geldes dem natürlichen oder qualitativen Wachstum (Kurve a, Abb. 1) und nicht mehr dem exponentiellen oder quantitativen Wachstumsverhalten folgen.

90% von dem, was wir heute "Geld" nennen, sind in Wirklichkeit Geldguthaben in Form von Zahlen in einem Computer. Deshalb würde bei dem jetzt üblichen giralen Zahlungsverkehr die Nutzungsgebühr nach Einführung des Neutralen Geldes sehr einfach zu erheben sein. Geldguthaben auf dem Girokonto, welche ihrem Besitzer jeder Zeit zur Verfügung stehen, würden z.B. mit monatlich einem halben Prozent belastet, also mit 6% im Jahr. Jeder, der auf seinem Girokonto mehr Neutrales Geld hätte, als er für Ausgaben im laufenden Monat benötigt, würde, um Verluste zu vermeiden, den Überschuß auf sein Sparkonto überweisen, wo es keiner Gebühr unterliegt.

Zwar würde Neutrales Geld den Besitzern auf dem Sparkonto keine Zinsen einbringen, jedoch behielte es seinen stabilen Wert, denn mit einem umlaufgesicherten Geld wird die wichtigste Inflationsursache entschärft (eine vernünftige Geldpolitik der Notenbank vorausgesetzt, siehe Kapitel 1). Wer einen Kredit erhält bezahlt ebenfalls keine Zinsen, sondern, bis er das Geld ausgegeben hat, nur die Nutzungsgebühr (ca. 0,5% pro Monat) sowie eine Risikoprämie und Bearbeitungsgebühr, wie sie auch heute in jedem Bankkredit enthalten sind. Letztere betragen ungefähr 1,5% bis 2,5% der normalen Kreditkosten. Insgesamt würde sich somit praktisch sehr wenig ändern. Die Aufgabe der Banken bliebe weiterhin die Vermittlung von Geld.

Um ein Gleichgewicht zwischen volkswirtschaftlicher Leistung und der Geldmenge zu gewährleisten, würden die Banken - genau wie heute größere Überschüsse an Neutralem Geld an die Zentralbank zurückgeben bzw. an andere Banken mit Geldbedarf transferieren. Schwankungen in der Nachfrage nach Krediten könnten über eine sehr niedrige Regelgebühr (Anreiz zum Leihen +1%, wenn zuviel Geld da ist, Gebühr von -1%, wenn zu wenig da ist) austariert werden. Diese Regelgebühr von +/-l% wäre aber nur temporär einsetzbar und nicht, wie heute, ein Mechanismus zur ständigen Umverteilung von Reichtum.

Die Hortung barer Scheine des neuen Geldes könnte auf elegantere Weise, als mit dem Aufkleben von Marken auf die Rückseite von Banknoten, verhindert werden. Man könnte z.B. Banknoten in Serien mit verschiedenen Farbmarkierungen und Größen drucken, von denen eine Serie ein oder zweimal im Jahr ohne Vorankündigung eingezogen würde, so daß niemand größere Mengen von Banknoten ohne Verlust horten könnte. Das wäre für den Staat nicht viel aufwendiger, als das Ersetzen von abgenutzten Banknoten durch neue, wie es heute üblich ist.

Es würde für die 80% der Bevökerung, die bei dem heutigen System draufzahlen (s. Kapitel 1), einen enormen Zuwachs an Verdienst (ca. 30 - 50%) bedeuten. Den 10% der Bevölkerung, die heute von dem System profitieren, würde zwar der Zuwachs ohne Arbeit verwehrt, aber dafür ein stabiler Geldwert geboten. Wie mit der bisher entstandenen Ungleichheit umgegangen würde (z.B. Versuch eines Ausgleichs über höhere Vermögens- oder Erbschaftssteuern), wäre dann eine weitere wichtige politische Frage, die allein durch die Veränderung des Geldsystems nicht beantwortet wird.

Was die Umlaufgeschwindigkeit angeht, so wird sie weniger von der Höhe der Umlaufgebühr bestimmt als von den Notwendigkeiten der Wirtschaft selbst. Zu bestimmten Zeiten, z.B. vor Weihnachten, wird es eine höhere Nachfrage nach Gütern geben, dann wird das Geld schneller umlaufen, mal wird es eine geringere Nachfrage geben, dann wird Geld langsamer zirkulieren, dabei braucht die Geldmenge insgesamt nicht unbedingt größer oder kleiner zu werden.

Durch die Einführung von Sparkonten, auf denen das Geld seinen Wert behält, kann man die Zahlung der Umlaufgebühr ausschalten. Das bewirkt, daß die Umlaufgebühr nicht zu einer vermehrten Geldausgabe führt, was unter ökologischen Gesichtspunkten fatal wäre. Im Gegenteil, die neue Stabilität von Neutralem Geld bietet eine größere Sicherheit als der mal schneller und mal langsamer sinkende Wert unseres heutigen Geldes und kann damit langfristig als Sparanreiz wirken. Das heißt, mit der Einführung des Neutralen Geldes paßt sich die Wirtschaft den Bedürfnissen der Menschen an und nicht dem Wachstumszwang im Geldsystem.

Um den Geldwert innen- und außenpolitisch für alle nachvollziehbar stabil zu machen, könnte das Geld auf einen Warenkorb bezogen und abgesichert sein, der sich in erster Linie auf die Exportgüter der geldausgebenden Regionen oder Länder bezieht. Damit hätte jede(r) die Sicherheit, den entsprechenden Gegenwert für ihr/sein Geld bekommen zu können. Notwendig wäre diese Maßnahme bei einer richtigen Notenbankpolitik nicht.

Die oben beschriebene Geldreform - in großem Maßstabe durchgeführt - müßte von einer Land und Steuerreform begleitet werden. Ohne eine Landreform würde sonst überschüssiges Geld von der Bodenspekulation angezogen. Ohne eine Steuerreform, die uns zu einem anderen Umgang mit den Gütern der Natur bewegt, blieben die ökologischen Probleme bestehen.

DIE NOTWENDIGE BODENREFORM

Die Vergangenheit lehrt, wann immer der Zins niedrig war, wurde mehr Land gekauft. Das heißt, wenn wir Geld ohne Zinsen und Inflation einführen, besteht die Gefahr, daß die Geldbesitzer, in noch größerem Umfang als heute, ein arbeitsloses Einkommen aus dem Besitz von Grund und Boden zu erzielen versuchen.

Geld- und Boden sind für jeden lebensnotwendig. Ob wir essen, schlafen oder arbeiten, leben ohne Land ist undenkbar. Deshalb sollte der Grund und Boden ebenso wie die Luft und das Wasser jedem gehören. Die Indianer von Nordamerika sagen: "Die Erde ist unsere Mutter, wie könnten wir sie aufteilen und verkaufen." Der Grund und Boden sollte der Gemeinde gehören und dann von der Gemeinde verpachtet werden. So war es in vielen europäischen Ländern üblich, bis das römische Recht den Privatbesitz im späten Mittelalter einführte (14).

Heute kennen wir zwei grundsätzlich verschiedene Systeme in der Welt:

- Privateigentum und private Nutzung von Land in den kapitalistischen Ländern

- Gemeinschaftseigentum und gemeinschaftliche Nutzung des Landes in den kommunistischen Ländern.

Abbildung 7

Abbildung 7 zeigt, wie in den kapitalistischen Ländern die Mehrheit der Menschen für die hohen Profite der Bodenspekulanten bezahlt. Hier konzentriert sich Grund und Boden in den Händen von immer weniger Leuten. Dies wiederum verwehrt anderen die Befriedigung ihrer Grundrechte zu vertretbaren Preisen.

In den kommunistischen Ländern dagegen liegt das Hauptproblem in der unwirtschaftlichen Nutzung des Landes.

So werden in Rußland, wo der Grund und Boden gemeinschaftlich besessen und genutzt wird, über 60% der Nahrungsmittel auf jenen 4% des Bodens geerntet, der privat bewirtschaftet wird. Hier liegt also das Problem in der gemeinschaftlichen Nutzung, die weniger effektiv ist als die private Nutzung, wenn sie mit entsprechender Verantwortung und Eigeninteresse gekoppelt wird.

Aus diesem Grunde würde eine Kombination aus privater Nutzung und gemeinschaftlichem Besitz die vorteilhafteste Lösung sein, um individuelle Entwicklungsmöglichkeiten und soziale Gerechtigkeit zu ermöglichen. Genau diese Vorschläge machten bereits 1879 Henry George (15), 1904 Silvio Gesell (16) und Yoshito Otani 1981 (17).

Nach den katastrophalen Folgen der Enteignung in Ländern mit kommunistischer Verfassung würde heute keine westliche Nation mehr den Besitzwechsel von Land in Gemeineigentum ohne Entschädigung erwägen. Obwohl das römische Recht, welches das Privateigentum an Grund und Boden in die westliche Zivilisation einführte, ursprünglich den Völkern von seiten ihrer Eroberer aufgezwungen wurde, gehören jene, die davon zuerst profitierten, bereits der Geschichte an. Die heutigen Eigentümer haben das Land, das sie besitzen, entweder gekauft oder legal geerbt. Aus diesem Grund muß eine Entschädigung gezahlt werden, will man eine gerechte Situation schaffen. Dazu sind die Gemeinden jedoch nur in der Lage, wenn sie zusätzliche Mittel bekommen. Langfristig könnten beispielsweise die Gemeinden auf sämtliches Land eine jährliche Abgabe von 3% des Wertes erheben. Mit diesem Geld könnten sie das Land erwerben, das zum Verkauf ansteht. Auf diese Weise würde eine Gemeinde über einen gewissen Zeitraum - theoretisch 33 Jahre bei einer 3%igen Gebühr und Neutralem Geld - ihren Grund und Boden erwerben, um ihn dann an private Nutzer zu verpachten.

Alternativ könnte man den Grundeigentümern die Möglichkeit geben, daß sie statt Zahlung der 3%igen Abgabe auf ihr Land dies der Gemeinde über 33 Jahre verkaufen. Danach hätten sie weiterhin das Recht, dasselbe Land in Erbpacht zu nutzen. Jedoch müßten sie nach diesen 33 Jahren die 3%ige Abgabe auf den dann gültigen Wert des Bodens an die Gemeinde zahlen. Eine Staffelung dieser Steuer könnte nach sozialen oder ökologischen Gesichtspunkten erfolgen.

Als sofortige Folge würde die Spekulation aufhören. Der größte Teil des Landes, das Menschen heute besitzen, ohne es zu nutzen, würde auf dem Markt angeboten, um einen fortschreitenden Verlust zu vermeiden. Je mehr Land auf diese Weise verfügbar würde, desto mehr würde der Bodenpreis sinken, und zunehmend mehr Menschen hätten die Möglichkeit, das verfügbare Land auf produktive Weise zu nutzen. Besonders in den Entwicklungsländern hätte dies einen erheblichen Effekt auf die Produktion von Nahrungsmitteln. Die im Verhältnis zum Bevölkerungswachstum immer geringer werdende Nahrungsmittelerzeugung ist nicht eine Frage der Agrartechnik, sondern ein Mangel der Verfügbarkeit von Boden für kleine landwirtschaftliche Produktionsbetriebe.

Die Pächter hätten in diesem neuen System sämtliche Vorteile des heutigen Erbpachtsystems: Sie könnten ihren Besitz im Rahmen der lokalen Planungsvorgaben nutzen. Sie könnten darauf bauen. Sie könnten ihre Häuser verkaufen. Sie könnten ihre Häuser ihren Nachkommen vererben. Sie könnten an dritte weitervermieten, solange sie die Pacht bezahlen. Der genaue Betrag der Pacht wäre durch öffentliche Ausschreibung, Auktionen oder ähnliche Veräußerungsformen festzulegen, womit die Ineffektivität der Planwirtschaft oder bürokratischer Festlegungen vermieden werden könnte.

Langfristig würde diese Änderung einen enormen Ballast von den Schultern der arbeitenden Bevölkerung nehmen, die letztlich immer für den Gewinn der Spekulanten bezahlt. Und eben dafür wurde Land nur allzu häufig mißbraucht. Soll hierfür eine realistische gesellschaftliche Lösung gefunden werden, so muß die Spekulation mit Boden und Geld aufhören. Wiederum zielt die vorgeschlagene Lösung nicht darauf ab, jene zu bestrafen, die vom gegenwärtigen System profitieren, sondern langsam aber sicher die Voraussetzungen dafür abzuschaffen, daß wenige Menschen enorme Vorteile haben, während der Mehrheit abverlangt wird, dafür zu zahlen. Aus Abbildung 7 ist zu ersehen, daß sich seit 1950 die mittlere Arbeitszeit etwa verdreifacht hat, um ein Stück Land als Eigentum erwerben zu können.

Länder mit einer fortschrittlichen Verfassung hätten vom rechtlichen Standpunkt aus keine Probleme, eine solche Veränderung einzufahren. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland z. B. bezeichnet den Boden als "sozialpflichtiges Gut" und bestimmt in Artikel 15: "Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zweck der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeindeeigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft übergeführt werden".

Da diese Lösung heute sicherlich auf erheblichen politischen Widerstand stößt, weil ein Stück Land zu besitzen eine wesentliche Form von Sicherheit bedeutet, wäre eine politisch realistischere Alternative, den Zugewinn aus dem Boden über eine entsprechende Steuer der Allgemeinheit zuzuführen. Damit könnte ein großer Teil der heutigen Steuern entfallen. Ein Beispiel dafür bietet die Stadt Zürich, die im vergangenen Jahrhundert ihre Wallanlagen als Baugrundstücke an Private verkaufte. Hätte sie diese Bodenfläche behalten und in Erbpacht für Wohnzwecke vergeben, könnte sie heute von den Pachteinnahmen den gesamten Kommunalhaushalt bestreiten.

Grundsätzlich ist jede Lösung akzeptabel, die die Spekulation verhindert und den Mehrwert aus dem Boden der Allgemeinheit zuführt.

DIE NOTWENDIGE STEUERREFORM

Es wird geschätzt, daß etwa die Hälfte bis zwei Drittel des gegenwärtigen Bruttosozialproduktes im Hinblick auf seine ökologischen Auswirkungen als gefährlich bezeichnet werden können (18). Die vorgeschlagene Geld- und Bodenrechtsreform würde den Weg für eine Steigerung der Produktion und der Beschäftigung freimachen. Damit beide in einer ökologisch vertretbaren Art und Weise geschehen, müßten die Steuergesetze in zwei Richtungen verändert werden:

1. Statt Steuern auf das Einkommen - Besteuerung der Produkte.

2. Die ökologischen Kosten der Produkte sollten in die Bemessung der Produktsteuer einfließen.

Hermann Laistner weist in seinem Buch "Die Ökologische Wirtschaft" (19) daraufhin, daß die Einkommenssteuer die menschliche Arbeit derart verteuert, daß es für Unternehmer günstiger ist, diese durch gesteigerte Mechanisierung zu ersetzen. Durch eine sinnlose, an den tatsächlichen Bedürfnissen der Menschen vorbeigehende Massenproduktion werden wertvolle unwiederbringliche Ressourcen aufgezehrt. Würde man stattdessen die Produkte besteuern und die ökologischen Kosten der Herstellung miteinbeziehen, so ergäben sich natürlich höhere Produktpreise. Aber kombiniert mit den nun weitaus geringeren Arbeitskosten sänke der Druck zu immer weiterer Automatisation und die Beschäftigung würde steigen. Immer mehr Menschen fänden Arbeit.

Gegenwärtig bezahlt die Gesellschaft doppelt, wenn ein Arbeiter durch eine Maschine ersetzt wird. Sie verliert erstens die Einkommenssteuer - weil das Einkommen von Maschinen nicht besteuert wird - und zahlt des weiteren das Arbeitslosengeld für den entlassenen Arbeiter. Um nun der Besteuerung des Einkommens zu entgehen, gibt es weiterhin einen beträchtlichen Anteil an Schwarzarbeit. Ohne eine Besteuerung des Einkommens wäre diese Schattenwirtschaft legal.

Der jetzige Lebensstandard würde nicht sinken, weil den durch die Reform steigenden Produktpreisen ein steuerfreies Einkommen gegenüberstände. Daraus würde sich langfristig ein sehr unterschiedliches aber ökologisch sinnvolleres Konsumverhalten ergeben. Die Menschen würden sich den Kauf eines neuen Fahrrades oder Autos zweimal überlegen, da es billiger wäre, Dinge reparieren zulassen.

Diese Änderung der Besteuerungsgrundlagen könnte nach und nach eingeführt werden und würde selbst ohne Geld- und Bodenreform sinnvoll sein. Auf wirkungsvolle Weise würden dadurch eine Vielzahl von Forderungen und Vorschlägen unterstützt, die Ökologen in den letzten Jahrzehnten vorgebracht haben. Die Kombination beider Reformen würde viele Umweltprobleme beseitigen, eine Reihe von "Umweltschutzmaßnahmen" überflüssig machen und zur Lösung der Arbeitslosenproblematik beitragen.


Dieser Text wurde ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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