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Text aus:
Zeitschrift
für Sozialökonomie Nr. 142, September 2004
Seite 13 -
21
ISSN 0721-0752
Joseph Huber:
Reform der
Geldschöpfung – Wiederherstellung des staatlichen Geldregals durch Vollgeld (*)
(*) Dieser
Artikel stellt die überarbeitete deutsche Fassung eines Vortrags dar, den der
Autor im Juni 2001 unter dem Titel "Seigniorage Reform and Plain Money"
vor dem Forum for Stable Currencies, House of Lords, London, gehalten hat.
Geldregal,
Seigniorage und Vollgeld
Geldregal
bedeutet das hergebrachte Vorrecht des Staates, in seinem Hoheitsbereich die
offizielle Währung zu bestimmen und die gesetzlichen Zahlungsmittel in dieser
Währung zu schöpfen und in Umlauf zu bringen. Daraus erwächst dem Staat ein
Geldschöpfungsgewinn. Dieser wird als Seigniorage bezeichnet. Die Seigniorage
besteht in der Differenz zwischen den Produktions- und Bereitstellungskosten
der Zahlungsmittel einerseits und ihrer Kaufkraft andererseits, die der Staat
realisiert, indem er neu geschöpfte Zahlungsmittel durch öffentliche Ausgaben
in Umlauf bringt. Zum Beispiel betrugen die Produktionskosten eines
1-Mark-Stücks zuletzt 16 Pfennige. Die Seigniorage, hier als Münzgewinn, betrug
damit 84 Pfennige oder 84% abzüglich der Verwaltungs- und sonstigen
Transaktionskosten.
Der Staat
streicht heute den Zentralbankgewinn ein. Dieser entsteht aus den (relativ
geringen) Kreditvergaben an die Geschäftsbanken sowie aus der Anlage nationaler
Devisenreserven. Aber Seigniorage im dargelegten Sinn - die erheblich höher
wäre als der Zentralbankgewinn - bezieht der Staat nicht mehr. Denn die heute
überwiegende Form der Geldschöpfung besteht in der Bereitstellung von
Sichtguthaben auf Girokonten durch die Banken. Die Banken schöpfen die
Sichtguthaben im Zuge ihrer Kreditvergabe an das Publikum durch einen einfachen
Eintrag in den Büchern: Kreditkonto an Kundenkonto. Weiter nichts. Ein
Schöpfungsakt 'ex nihilo', oder vielleicht richtiger, 'ex scientia'. Bei der
Bank steht die Forderung auf fristgerechte Kreditrückzahlung und Verzinsung als
Aktivum, während die Verbindlichkeit der Kreditauszahlung an den Kunden als
Passivum steht. Auf dem Girokonto des Kunden erscheint genau umgekehrt der
erhaltene Kredit als verfügbares Haben, und die Zins- und
Rückzahlungsverpflichtung als Soll.
Von da an
bis zur Tilgung eines Kredits 'zirkulieren' die Guthaben im Publikum wie Geld,
und zwar durch Verrechnung auf den Girokonten. Die in diesem Sinne
'zirkulierenden' Sichtguthaben stellen nun in dem Sinn einen Kredit der
Geldnutzer an die Bank dar, dass die Geldnutzer auf die Auszahlung von Bargeld
weitgehend verzichten und eben bargeldlos mit den Sichtguthaben der Banken zahlen.
So kommen die Banken faktisch kaum in die Verlegenheit, große Reserven an
Zentralbankgeld in Bewegung setzen zu müssen. Die Guthaben der Kunden werden
untereinander so weit wie möglich verrechnet, und die tatsächlichen Abflüsse an
die Kunden anderer Banken oder ins Ausland, zu deren Abwicklung
Zentralbankguthaben aktiviert werden müssen, bewegen sich in etwa in Höhe der
Zuflüsse von Kunden anderer Banken und aus dem Ausland; und dies ist beim
Abfluss und Zufluss von Bargeld am Kassenschalter nicht anders. Eine
Zahlungsreserve von 8-14% der Umsätze genügt den Banken normalerweise, um auf
dieser Grundlage ein Vielfaches an Krediten aufzubauen. Daher die Bezeichnungen
fraktionales Reservesystem und multiple Geldschöpfung.
Sichtguthaben
stellen in der Eurozone heute 85% der Zahlungsmittel dar, wie die Geldmenge M1
sie repräsentiert. Der Rest von Ml besteht aus rund 14% Zentralbanknoten und
etwa 1% Münzen. Damit hat die Zentralbank die Kontrolle über die Geldmenge
weitgehend verloren. Das Geldregal ist dem Staat faktisch entglitten und auf
die Banken übergegangen. Dies ist eine unmittelbare Folge der historischen
Ausbreitung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs im 20. Jahrhundert und zuletzt
seiner Beschleunigung durch die IuK-technischen Zahlungsverfahren. Das
offizielle Finanzmilieu pflegt die geldpolitische Machtverschiebung von den
Zentralbanken zu den Banken als Unthema zu behandeln. Aber die Abkehr der
Zentralbanken von der Geldmengenpolitik und ihre kompensatorische Hinwendung
zur Zinspolitik, in der Hoffnung, wenigstens auf diese Weise das
Geldmengenwachstum zu kanalisieren, spricht faktisch eine deutliche Sprache.
Die Absicht
der hier dargelegten Reform der Geldschöpfung besteht darin, das Geldregal in
zeitgemäßer Weise wieder herzustellen und die damit verbundene Seigniorage
ungeschmälert dem öffentlichen Haushalt zugute kommen zu lassen. Die
Seigniorage ergibt sich aus dem jährlichen Zuwachs der Geldmenge. Dieser
beträgt, bezogen auf M1, derzeit für Deutschland 24-40 Mrd Euro pro Jahr im
Drei-Jahres-Durchschnitt. Die Seigniorage aus der Vollgeldschöpfung könnte also
die öffentlichen Haushalte in Deutschland jährlich in einem Umfang von
durchschnittlich 20-40 Mrd Euro entlasten. Das sind zwar nur etwa 3% der rund
1.000 Mrd Euro, auf die sich heute die interventionistisch aufgeblähte
Staatsquote um 50 % des BIP beläuft. Damit ist auch schon festgestellt, dass
man mit der Seigniorage aus der Vollgeldschöpfung nicht 'alles' finanzieren und
auch nicht die regulären Steuern und Abgaben ersetzen kann. Aber 20-40 Mrd Euro
bzw. 3 % des Staatshaushalts wäre über die Jahre hinweg doch ein erheblicher
Betrag. Er würde eine gewisse Steuersenkung erlauben oder wäre ein
kontinuierlicher Beitrag zum Schuldenabbau.
Voraussetzung
dafür ist die Umwandlung von Sichtguthaben in Vollgeld, oder anders gesagt, die
Umwandlung der heutigen Girokonten in echte Geldkonten. Vollgeld bedeutet
vollwertiges gesetzliches Zahlungsmittel. Frühere Gold- und Silbermünzen waren
schon immer Vollgeld. Scheidemünzen und Banknoten sind Vollgeld, seit sie den
Status des vollwertigen gesetzlichen Zahlungsmittels erlangt haben. (Die Noten
der Deutschen Reichsbank wurden erst 1909 zu gesetzlichen Zahlungsmitteln). Auf
der heute erreichten Entwicklungsstufe geht es nun darum, auch Sichtguthaben zu
Vollgeld zu machen und damit den längst eingetretenen neuen Realitäten Rechnung
zu tragen. Die Realität ist, dass Sichtguthaben wie Zahlungsmittel, tatsächlich
als das bedeutendste Zahlungsmittel, benutzt werden. Rechtlich und
finanzwirtschaftlich aber handelt es sich nicht um gesetzliche Zahlungsmittel,
sondern lediglich um eine täglich fällige Bankenverbindlichkeit, die als
Geldsurrogat benutzt wird.
Kommerzielle
Giralgeldschöpfung außer Kontrolle
In früheren
Jahrzehnten, und in Deutschland noch bis gegen Ende der 1990er Jahre, haben die
Banken aus der Giralgeldschöpfung erhebliche Extragewinne gezogen. Denn sie
konnten die Kredite an den Kunden zum normalen Darlehenszins vergeben, mussten
den Kunden für ihre Guthaben auf Girokonten aber keine Einlagezinsen zahlen.
Will man
wissen, wie hoch der Extragewinn der Banken aus der multiplen Geldschöpfung
gewesen ist, muss man den jeweiligen Bestand an Sichtguthaben multiplizieren
mit einem realistisch gewichteten Durchschnitt der Zinssätze für Geldaufnahme
bzw. für Depositen. Das ergab für die deutschen Banken in den 1980-90er Jahren
Summen in einer Größenordnung von jährlich 10-15 Mrd Euro - ein stattlicher
Extragewinn, den manche Kritiker als heimliche 'private Geldsteuer'
angeprangert haben.
Die
Finanzwissenschaft nennt den Gewinn der Banken aus der Sichtguthabenschaffung
ebenfalls Seigniorage. Dies ist ein irreführender Sprachgebrauch. Seigniorage
sollte man auf das beschränken, als was sie eingangs definiert wurde: die
Differenz zwischen den Kosten und der Kaufkraft eines neu geschöpften
Zahlungsmittels im Rahmen chartaler Geldschöpfung (historisch als Münzgewinn).
Was dagegen die Banken bei der Bereitstellung von Sichtguthaben realisieren,
ist: ein Zins-Extragewinn. Der Vorteil für die Bank liegt 'nur' in den Zinsen.
Von dem Zahlungsmittel, den Sichtguthaben, die die Bank den Kreditkunden zur
Verfügung stellt, hat die Bank selbst nichts (obwohl sie für den Betrag gerade
stehen muss, wenn der Kredit faul wird). Tilgt der Kunde seinen Kredit, werden
die betreffenden Einträge in den Büchern wieder gelöscht, und das Geld ist
somit nicht mehr vorhanden (Reflux-Prinzip der Banking-Lehre). Von daher stellt
auch der Zentralbank-Gewinn, der an die Regierung abgeliefert wird, keine
Seigniorage im definitiven Sinne dar, sondern die Summe der diversen
Zinsgewinne, die die Zentralbank durch ihre Kredit- und Devisengeschäfte
erwirtschaftet.
Inzwischen
muss man die Extragewinne aus der Bankengeldschöpfung nicht mehr
skandalisieren. Sie existieren wohl kaum mehr in erheblichem Ausmaß. Unter dem
Druck des sich europäisierenden und globalisierenden Wettbewerbs sowie aufgrund
der Vorgaben der Aufsichtsbehörden kommen die Banken, inzwischen auch in
Deutschland, nicht mehr umhin, ihren Kunden auf alle Arten von Guthaben, auch
auf Sichtguthaben, Einlagezinsen zu zahlen. Damit ist dieser frühere
Extragewinn faktisch abgeschmolzen. Was aber mehr denn je existiert, ist die
Giralgeldschöpfung der Banken - deren ökonomische Funktionsprobleme
weiterbestehen.
Skandalisiert
hatten den Sachverhalt der Banken-Extragewinne aus der Schaffung von
Sichtguthaben auch jene Chicagoer Ökonomen, die in der Großen Depression der
1930er Jahre das Konzept des 100%-Banking entwickelten (Hart 1935). Unter ihnen
waren Henry Simons (1948) und Milton Friedman (1948, 1959, 1969). Auch Irving
Fisher unterstützte den Ansatz. Er hatte zunächst Silvio Gesell's Freigeld
favorisiert, nahm dann aber davon Abstand und entwickelte das Konzept des
100%-Money (Fisher/Cohrssen 1934). Die Grundidee des 100%-Ansatzes liegt darin,
die Bankengeldschöpfung und das fraktionale Reservesystem dadurch
auszuschalten, dass jedes unbare Kontoguthaben zu 100% durch Bargeld 'gedeckt'
sein müsse. Es handelt sich gleichsam um einen 100%-Bargelddeckungs-Ansatz,
oder genauer gesagt, ein Ansatz, der 100% Reservehaltung erzwingt. Seine
Verfechter setzten damit die finanzwissenschaftliche Tradition der
Currency-Lehre fort, in Deutschland von Friedrich Knapp (1905) begründet, im
Gegensatz zur Banking-Lehre, zu-letzt von Friedrich von Hayek (1977) vertreten.
Auch der
hier vertretene Vollgeld-Ansatz steht in der chartalen Currency-Tradition. Zu
den damit verbundenen Standpunkten gehört, dass es jemanden geben muss, zumal
unter Bedingungen des frei 'ex scientia' geschöpften Geldes, der die Geldmenge
effektiv kontrollieren kann. Außerdem werden die zirkulierenden Zahlungsmittel,
die allgemeine Geldbasis, als ein öffentliches Gut angesehen. Als solches muss
das Geld von einer öffentlichen Stelle emittiert werden, die der Eigentümer des
zirkulierenden Geldes ist, im Unterschied zum jeweiligen Inhaber. Die Frage der
Geldschöpfung besitzt von daher Verfassungsrang. Was würde man von einem Staat
sagen, der sein militärisches und polizeiliches Gewaltmonopol aufgibt, sein
Gesetzes-, Rechtsprechungs- und Gebietsverwaltungsmonopol, sein Steuermonopol,
die Landeshoheit über Maße und Gewichte, gesetzliche Standards, Lizenzen und
Zertifikate? Sein Geldregal aber hat der Staat sich nehmen lassen.
Der
Standpunkt, dass Geldschöpfung eine gebietshoheitliche Prärogative darstellt,
die sich der Staat, samt Seigniorage, im Interesse einer funktionalen
Wirtschaftsordnung und des Staatshaushalts zu sichern hat, wurde u.a.
nachdrücklich von Irving Fisher vertreten: 'Nationalization of banking, no;
nationalization of money, yes' (1935, 58). Das Bankengeschäft soll frei sein,
samt den Zinssätzen, durch welche die Finanzmärkte sich preislich regeln. Aber
Geldschöpfung und Seigniorage sollen nicht Gegenstand von Geldmacherei sein.
Zuletzt haben Huber/Robertson (2000) oder auch Zarlenga (2002) wieder einen
solchen Standpunkt vertreten. Auch Creutz (2002, 15) unterstützt nach eigenen
Angaben die Umwandlung von Sichtguthaben aus Bankengeld in Zentralbankgeld -
obwohl er der Meinung ist, dass unbare Sichtguthaben nicht frei geschöpft werden
können, sondern durch Einzahlung von Bargeld aufgebaut würden, und es eine
multiple Geldschöpfung überhaupt nicht gäbe (1996).
Die
Vollgeldreform im Einzelnen
Die Reform
der Geldschöpfung durch Vollgeld besteht aus zwei Komponenten, die als zwei Seiten
einer Medaille angesehen werden können: zum einen die vollumfängliche
Wiederherstellung des staatlichen Geldregals und der daraus fließenden
Seigniorage, zum anderen die Beendigung der Sichtguthabenschaffung der Banken
durch Umwandlung der Girokonten in Geldkonten. Das eine setzt das andere
voraus. Auf Geldkonten werden die unbaren Guthaben keine täglich fälligen
Zahlungsversprechungen mehr sein, sondern positives unbares Geld, vollwertige
gesetzliche Zahlungsmittel, eben Vollgeld. Es würde dadurch eine homogene
Geldmenge M entstehen. Diese wäre zugleich die dann vorhandene Geldbasis.
Vollgeld kann weiterhin in jeder technischen Form verwendet und gewechselt
werden - als Münze, Banknote und Guthaben auf dem Geldkonto oder einer
Geldkarte. Es kann weiterhin leicht von einem Geldkonto zu einem anderen
transferiert werden durch die gängigen Überweisung- und Abbuchungsverfahren,
einschließlich Kredit- und Debitkarten.
Erstmalig in
der modernen Geschichte würde die Geldmenge M in ihrer Gesamtheit von einer
dazu autorisierten Quelle emittiert werden, am besten einer
Geldausgabeabteilung der betreffenden staatlichen Zentralbank, in der Eurozone
also der Europäischen Zentralbank. Die Gliederung der Zentralbank in eine
Ausgabeabteilung und eine Geschäfteabteilung besteht zum Beispiel schon bei der
Bank of England (Issue Department und Banking Department). Eine solche
Gliederung ist nicht unbedingt erforderlich, aber sie schafft klare
Verhältnisse. In einem Vollgeldregime ist die Ausgabeabteilung für die Bereitstellung
des langfristigen Geldmengenzuwachses zuständig, die Geschäfteabteilung für die
kurz- und mittelfristige Feinsteuerung der Geldmenge und für die
Devisenbewirtschaftung. Hierfür kann die Geschäfteabteilung weiterhin die
selben Methoden und Instrumente einsetzen wie heute auch.
Die
Ausgabeabteilung würde, ebenfalls wie heute, in regelmäßigen Abständen
entscheiden, ob und wieviel neues Geld gebraucht wird. Sie sollte dabei
diskretionär vorgehen können und nicht an abstrakte Regeln gebunden sein (im
Gegensatz zum 100%-Plan und der Regel des konstanten Geldmengenzuwachses nach
M. Friedman). Eine starke Unabhängigkeitsposition der Zentralbank gehört zu den
Voraussetzungen eines funktionierenden Geld- und Finanzwesens. Darin ist nichts
weniger zu sehen, als eine Fortentwicklung des Prinzips der staatlichen
Gewaltenteilung. (Bernd Senf hat diesbezüglich einmal vorgeschlagen, von der
'Monetative' zu sprechen). Auch und gerade unter Bedingungen von Vollgeld und
vollständigem Geldregal muss es für Parlament und Regierung ausgeschlossen
sein, von der Zentralbank mehr Geld zu verlangen als diese zu emittieren für
erforderlich hält. Parlament und Regierung sollen ihren eigenen, den
öffentlichen Haushalt ordentlich führen; und sich ansonsten in Geld- und
Finanzangelegenheiten nicht einmischen.
Technisch
gesehen würde die Ausgabeabteilung ihre Entscheidungen auf denselben
Informationsgrundlagen treffen wie heute, insbesondere der Entwicklung der
Geld- und Kapitalnachfrage, der Zinssätze, der sonstigen Preise und des realwirtschaftlichen
Wachstums. Die Ausgabeabteilung würde dann das Geld auf das Konto des
Finanzministers überweisen, zinsfrei, und faktisch auch tilgungsfrei, zum
allgemeinen Nutzen der öffentlichen Hand, durch deren Ausgaben es in Umlauf
gebracht würde. In der Bilanz der Geldausgabeabteilung der Zentralbank steht
das neu geschöpfte Geld buchungstechnisch als ein unbefristeter zinsloser
Kredit an den Finanzminister.
Daneben
würde die Geldausgabeabteilung auch noch Mittel in gewissem Umfang an die
Geschäfteabteilung ausleihen, ebenfalls zinsfrei, teils zur Absorption von
Devisen aus dem internationalen Zahlungsverkehr, teils vielleicht auch für sehr
kurzfristigen direkten Zentralbankkredit an Banken, der im Ausnahmefall noch
erforderlich sein könnte. Im Regelfall aber würde das Geld nach einer
Vollgeldreform als verzinsliche Kundeneinlage zu den Banken kommen, oder am
allgemeinen Geld- und Kapitalmarkt aufgenommen werden. Die Mittel, welche die
Ausgabeabteilung der Geschäfteabteilung für feinsteuernde Emissions- und
Absorptionsgeschäfte zukommen lassen müsste, wären vergleichsweise gering. Sie
würden die Seigniorage daher nur geringfügig schmälern. Sie würden im Gegenzug
auch einen kleinen Zinsgewinn der Geschäfteabteilung, also einen leicht
erhöhten Zentralbankgewinn, mit sich bringen.
Anders
verhält es sich im Falle von Geldmengenwachstum durch Devisenüberschüsse.
Strömen Auslandswährungen ins Land, so vereinnahmt die Zentralbank diese Mittel
als nationale Devisenreserven und gibt im Gegenzug heimische Währung dafür
heraus. In Nationen mit Exportüberschuss entsteht ein nicht unerheblicher Teil
der zirkulierenden Geldmenge auf diese Weise - und je mehr auf diese Weise
entsteht, desto weniger kann als Seigniorage in Umlauf kommen, da die gesamte
inflationsfrei zu vermehrende Geldmenge jeweils begrenzt ist. Dennoch handelt
es sich aus Sicht der Staatskasse nicht gänzlich um entgangene Einnahmen. Denn
die Geschäfteabteilung verleiht die Devisenreserven am internationalen Markt
und erzielt daraus stattliche Zinsgewinne, die dem Finanzminister als normaler
Zentralbankgewinn (dann Gewinn der Geschäfteabteilung) zufließen. In einem Land
mit Außenbilanzdefizit bliebe die Seigniorage ungeschmälert. Dafür aber besitzt
die Währung eines solchen Landes ceteris paribus einen geringeren Wechselkurs.
Ein anderer
Umstand, der die Seigniorage schmälert, ist die Ersetzung verschlissener Münzen
und Banknoten durch neue. Hier fallen Herstellungskosten an, ohne dass eine
Seigniorage daraus erwächst, da dieses Geld sich bereits in Umlauf befindet.
Gut gefertigte Geldscheine können bei normaler Beanspruchung etwa vier Jahre
umlaufen. Da jedoch die Bargeldmenge langfristig zurückgeht, dürfte die
Schmälerung der Seigniorage durch Ersatz von verschlissenem durch neu
gefertigtes Bargeld kaum mehr sonderlich ins Gewicht fallen.
Darüber
hinaus kann man davon ausgehen, dass in einem Vollgeldregime die benötigte
inflationsfreie Geldmenge etwas umfangreicher als heute wäre. Der Grund dafür
liegt darin, dass Einlagefristen dann wieder streng eingehalten werden müssten
und die Banken zusätzlich benötigte Mittel nicht mehr nach Gutdünken als
'instant money' erzeugen können - zum Beispiel per Inanspruchnahme von
Überziehungskredit durch den Kunden, was heute ein Akt der Geldschöpfung ist.
Zwar kann das Publikum weiterhin jederzeitigen Überziehungskredit bekommen und
der Interbankenmarkt wird weiterhin jederzeit liquide sein. Die jederzeit
mögliche (Wieder-) Inumlaufbringung von Geld durch Ausgabe- und
Geschäfteabteilung der Zentralbank schließt die Entstehung irgend einer Art von
Geldversorgungsknappheit faktisch aus. Da die Banken aber nur werden ausgeben
können was sie zuvor positiv eingenommen haben, werden sie ihren zu erwartenden
Geldbedarf noch sorgsamer planen, also Vorsorge treffen, dass genügend
billigeres Geld von Kundeneinlagen verfügbar ist, da sonst teurere Mittel
anderweitig aufzunehmen sind. Von daher dürfte der Übergang zu Vollgeld eine
etwas erweiterte Geldvorratshaltung mit sich bringen. Demzufolge müsste die
Geldmenge M entsprechend größer sein und es würde die effektive Seigniorage für
den Staatshaushalt insoweit höher ausfallen.
Die
Regierung sollte frei entscheiden, wofür sie die zu erwartende Seigniorage,
zusätzlich zum Zentralbankgewinn, einplant - ob für Schuldenabbau, Steuersenkung,
Bildung und Forschung, öffentliche Infrastrukturen, oder einfach als Beitrag
zum allgemeinen Haushalt, in dem alle Einnahmen zur Finanzierung aller Ausgaben
dienen. Gleich, wofür die Regierung das Geld ausgibt, es kommt auf jedem Weg
als öffentliche Ausgabe in Umlauf - und bleibt darin, sozusagen für immer.
Dem Prinzip
nach stellt sich die Frage, was wäre, wenn die Wirtschaft langfristig nicht
mehr wächst, etwa, in fernerer Zukunft, bei Auslaufen des transsäkularen
Übergangs aus der traditionalen in die vollends moderne Gesellschaft auf einem
dann erreichten Erhaltungsniveau. In diesem Fall würde lediglich kein
zusätzliches Geld mehr zu schöpfen sein und somit keine Seigniorage mehr
anfallen.
Anders bei
einer langfristigen Wirtschaftsschrumpfung. In diesem Fall würde sich ein
allgemeiner Geldüberhang ergeben. Sofern der Schrumpfungsprozess langsam und
stetig verliefe, könnte man ihn samt der damit verbundenen milden Inflation im
Prinzip sich selbst überlassen. Vollgeld ist jedoch ein quantitätstheoretisch
abgesichertes Konzept. Es kann von sich beanspruchen, die Geldmenge historisch
erstmalig umfassend und effektiv kontrollieren zu können und einer
Geldmengeninflation damit wirksam vorzubeugen. Die für den
Quantitätstheoretiker zufriedenstellendere Antwort ist denn auch die: Im
Schrumpfungsfall müsste langfristig überschüssiges Geld dadurch dem Umlauf
entzogen werden, dass ein entsprechender Teil der Steuern dazu benutzt wird,
den unbefristeten Kredit bei der Ausgabeabteilung der Zentralbank im nötigen
Ausmaß zu tilgen. Damit wäre das Reflux-Prinzip erfüllt. Dies dürfte freilich
eine eher theoretische Überlegung bleiben, die die Schlüssigkeit des Konzeptes
aufzeigt. Der wirkliche Gang der Geschichte wird wohl auch in Zukunft ein zwar
generell gerichteter, aber im konkreten Einzelschritt krummer Pfad bleiben, der
sich um unser hübsch arrangiertes Gärtlein wenig kümmert. Wenn dem nicht so
wäre, hätten Banken keinen Wertberichtigungsbedarf.
Die andere
Seite einer Vollgeldreform besteht darin, zu gewährleisten, dass Banken mit
allem, was sie heute tun, auch künftig fortfahren können, außer mit der
Schaffung von Sichtguthaben. Die multiple Geldschöpfung durch die Banken muss
ausgeschlossen werden. Man hat sich im Laufe der Zeit mancherlei Gedanken zu
dieser Frage gemacht. Die am meisten beachtete Antwort darauf war der schon
erwähnte Plan der 100% Reservehaltung. Es war dies allerdings ein
geldtheoretisch noch nicht ganz stimmiger, außerdem ziemlich unpraktischer und
mit Übergangsproblemen behafteter Ansatz. Im hier vertretenen Vollgeldansatz
wird das Problem der Unterbindung der Sichtguthabenschaffung durch die Banken
nun auf eine einfache und leicht zu implementierende Weise gelöst, und zwar
durch eine kleine Ergänzung des Zentralbankgesetzes und eine Abänderung des
betreffenden Bankengesetzes durch eine bilanziell-buchungstechnische Maßnahme.
Die
geringfügige, gleichwohl bedeutsame Gesetzesergänzung besteht darin, den
Artikel im Zentralbankgesetz über die Geldschöpfung (in der EWU Artikel 16 der
Zentralbankstatuten) dahingehend zu ergänzen, dass er außer Bargeld auch alles
unbare Geld i.S. der heutigen Sichtguthaben umfasst. Diese werden damit zu
gesetzlichen, ausschließlich von der Zentralbank zu schöpfenden
Zahlungsmitteln. Das Recht würde damit die Realitäten nachvollziehen, die ihm
heute weit vorausgeeilt sind, indem Sichtguthaben wie Geld verwendet werden,
was sie aber im Sinne des Gesetzes und des chartalen Geldes erst dann sein
werden, wenn sie gesetzliche Zahlungsmittel geworden sind.
Die damit zu
verbindende zweite Gesetzesänderung besteht darin, ab einem Stichtag (Tag X)
die laufenden Girokonten bei den Banken zu Geldkonten der Kunden zu erklären
und diese Geldkonten von der Bankenbilanz abzukoppeln. Die Umwandlung von
Girokonten in Geldkonten wird also bilanziell-buchungstechnisch dadurch
realisiert, dass die laufenden Girokonten der Kunden an jenem Tag X aus der
Bankenbilanz herausgenommen werden. Sie bekommen als Geldkonto des Kunden eine
eigenständige Existenz. Der Kunde ist dann nicht nur Inhaber, sondern auch
alleiniger Eigentümer seines Geldkontos. Die Bank hat mit diesem Konto und dem
Geld darauf als Eigentümer nichts mehr zu tun. Das, und nur das, ist die
Umstellung. Alle am Tag X vorhandenen Forderungen und Verbindlichkeiten bleiben
davon unberührt und auf Punkt und Komma bestehen. Niemandes Guthaben wird
angetastet, niemandes Schuldenstand verändert. Der Bankkunde würde von der
Umstellung überhaupt nichts merken, würde man die Öffentlichkeit darüber nicht
informieren. Gleichwohl hätte man ab diesem Tag X in der gleichen Weise Geld
auf seinem Konto wie man Banknoten in der Brieftasche und Münzen im Geldbeutel
hat - was, wie gesagt, heute schon so zu sein scheint, aber eben nicht so ist.
Das
Girokonto des Kunden bzw. das Kundenkontokorrent der Bank sind etwas
Zwittriges. Ihr Inhaber ist der Kunde, aber ihr Eigentümer ist die Bank, in
deren Bilanz es unmittelbar eingeht. Wenn heute der Kunde einer Bank einem
anderen Kunden bei derselben Bank 'Geld überweist', wird überhaupt kein Geld
bewegt, sondern es werden Gutschrift und Lastschrift im Kontokorrent der Bank
gegeneinander verrechnet. Wenn ein Kunde einem anderen Kunden bei einer anderen
Bank oder an einem entfernten Ort oder ins Ausland Geld überweist, dann fließt
ebenfalls kein Geld vom einen Kundenkonto zum anderen Kundenkonto, sondern es
fließen Zahlungsreserven vom Zentralbankkonto der Bank des überweisenden Kunden
auf das Zentralbankkonto der Empfängerbank. Diese behält die empfangenen
Reserven und schreibt dem 'empfangenden' Kunden den Betrag auf seinem Girokonto
gut. Der Kunde erhält kein Geld von der Bank, sondern nur das Versprechen, ihm
auf Verlangen Bargeld auszuzahlen. Werden die Beträge auf dem laufenden Konto
dagegen vollwertige gesetzliche Zahlungsmittel sein, fließt tatsächlich Geld:
vom Geldkonto des einen Kunden auf das Geldkonto des anderen Kunden. Mittel der
Bank sind dabei nicht mehr im Spiel. Die Bank vollzieht nur noch die
Dienstleistung der bargeldlosen Zahlungsabwicklung, so wie Banken auch
Wertpapierdepots für Kunden verwalten. Dafür können die heutigen
Verrechnungssysteme, mit entsprechenden Anpassungen betreffend Sender- und
Empfängeradressen, technisch weiter Anwendung finden.
Der Übergang
von jetzt auf nachher wird ohne Komplikation des weiteren dadurch hergestellt,
dass in der Bilanz der Banken ab jenem Tag X die täglich fälligen
Kontokorrent-Verbindlichkeiten einer Bank gegenüber ihren Kunden zu einer
Verbindlichkeit gegenüber der Zentralbank werden - so, als hätte von vornherein
die Zentralbank, nicht die Bank, diese Mittel emittiert. In dem Maße, wie die
Kunden nachfolgend ihre laufenden Kredite tilgen, leiten die Banken die
zurückbezahlten Mittel (die dann Vollgeld sind) an die Zentralbank weiter, wo
sie damit bilanziell gelöscht werden, so lange, bis die Altkredite, die am Tag
X bestanden haben (in Höhe der täglich fälligen Sichtguthaben in der
Bankenbilanz bzw. in M1), abgeschmolzen sind. Während dieser Zeit, also ab
jenem Tag X, werden neue Kredite bereits als Vollgelddarlehen vergeben.
Wenn eine
Bank unter Vollgeldbedingungen ein Darlehen vergibt, so müssen die betreffenden
Geldmittel auf dem Zentralbankkonto der Bank positiv vorhanden sein, in der
Regel dadurch, dass sie diese zuvor aufgenommen hat. Sofern dabei die Bank Geld
von ihren eigenen Kunden leiht, kann dies nicht mehr dadurch geschehen, dass
eine täglich fällige Verbindlichkeit in eine längerfristige Verbindlichkeit
umgebucht wird. Stattdessen wird ein realer Geldtransfer stattfinden: vom
Geldkonto des Kunden auf das Zentralbankkonto der Bank. Wenn umgekehrt eine
Bank einem Kunden ein Darlehen auszahlt, so erfolgt dies nicht durch
Girokontogutschrift, sondern: durch einen Vollgeldtransfer vom Zentralbankkonto
der Bank auf das Geldkonto des Kunden.
Die hiermit
dargelegte Reform der Geldschöpfung durch Übergang vom fraktionalen
Reservesystem zu einem integrierten Vollgeldkreislauf leistet dasselbe und mehr
als der 100%-Plan, ist obendrein einfacher und kommt nicht mit
Umstellungsproblemen wie jener. Es gab einige deutsche Autoren, die seither zur
Weiterentwicklung jener Ideen beigetragen haben, darunter Jürgen Pahlke (1970),
emeritierter Professor für Finanzwirtschaft, und Rolf Gocht (1975), Mitglied im
Direktorium der Deutschen Bundesbank von 1967-75. Sie hatten beide das Ziel,
ein allgemeines staatliches Geldregal wiederherzustellen. Pahlke blieb dabei
noch dem 100%-Ansatz verhaftet, während Gocht sich davon bereits frei gemacht
hatte; dafür folgte er technisch und ordnungspolitisch der Vorstellung, den
gesamten Zahlungsverkehr, um ihn unter Kontrolle zu haben, den Banken zu
entziehen und dem damaligen Postgiroamt zu übertragen - was einer
Verstaatlichung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs gleichkam.
In den
1980er Jahren verfolgten der Finanzwissenschaftler Wolfgang Filc (1989) und der
Politiker Klaus von Dohnanyi (1985) eine etwas andere Absicht. Als Beitrag zur
Sanierung der Staatsfinanzen sollte die Sichtguthabenschaffung durch die Banken
zwar nicht geändert werden, aber es sollten die Mittel, welche die Zentralbank
heute als Reserven an die Banken ausleiht, dem Finanzminister zur freien
Verfügung überlassen werden. Damit wurde immerhin der Aspekt der Seigniorage
angesprochen, aber doch suboptimal in den engen Grenzen der heutigen
Reservebasis. Die monetäre Problematik der Geldschöpfung und der geteilten Geldkreisläufe
im bestehenden fraktionalen Reservesystems wurde nicht aufgearbeitet.
Folgen und
Vorteile
Die
Wiederherstellung des staatlichen Geldregals und einer hohen Seigniorage durch
eine Vollgeldreform ist sicherlich kein finanzwirtschaftliches Allheilmittel.
Gleichwohl bringt es eine definitive Lösung des Problems der monetären
Sicherheit, der ethischen und verfassungsgemäßen Legitimität der Geldschöpfung
und des damit verbundenen Geldschöpfungsgewinns, und der effektiven Kontrolle
geldmengeninduzierter Inflation.
Die Guthaben
auf Geldkonten wären historisch erstmalig völlig sicheres unbares Geld. Die
zirkulierende Vollgeldmenge bleibt unabhängig von Konjunkturen oder anderen
Einflüssen stabil. Schon dies muss sich stabilisierend auf die Realwirtschaft
auswirken. Die Geldmenge, und vor allem auch ihr Zuwachs, wäre historisch
erstmalig unter der effektiven Kontrolle einer dafür autorisierten öffentlichen
Stelle, hier der Ausgabeabteilung der gewaltenteilig unabhängig gestellten
Zentralbank. Soweit Veränderungen der Geldmenge zur Preisentwicklung beitragen
(Inflation, Disinflation, Deflation), wäre dieser Faktor historisch erstmalig
unter lückenloser Kontrolle, ganz im Gegensatz zum heutigen, fast vollständigen
Verlust der Geldmengenkontrolle im fraktionalen Reservesystem.
Dadurch
würde eine Vollgeldreform auch zur Lösung angrenzender Probleme beitragen. Dies
betrifft nicht nur den Beitrag zur Sanierung der öffentlichen Finanzen. Ein
anderer, ebenso bedeutender Beitrag liegt in der Verstetigung von Konjunkturzyklen
und der Vorbeugung gegen Finanzkrisen. Zwar kann auch eine Vollgeldbasis das
prozyklische Risiko- und Darlehensverhalten der Banken und anderer
Wirtschaftsteilnehmer nicht ändern. Dennoch kann den Übertreibungen von Boom-
und Krisenphasen in einem Vollgeldregime dadurch gegengewirkt werden, dass die
Geldbasis stabil bleibt und der Geldmengenzuwachs konsequent kontrazyklisch,
und damit konjunkturglättend, gestaltet wird. Diese Art von kontrazyklischem
Verhalten hat mit Keynesianischem 'Deficit spending' unseligen Andenkens rein
gar nichts zu tun. Eine Verstetigung von Konjunkturzyklen wirkt ihrerseits
vorbeugend gegen Finanzkrisen.
Der Übergang
zu Vollgeld repräsentiert den nächsten naheliegenden Schritt in der
historischen Entwicklung des Geldes aus der traditionalen in die moderne
Gesellschaft. Der Entwicklungspfad verläuft hierbei vom materiellen Warengeld,
am ausgeprägtesten in Form von Edelmetallgeld, zum frei geschöpften, unbaren,
rein wert- und preisinformationalen Generaläquivalent für das
Wirtschaftsprodukt, das Kaufkraft auf dieses verleiht. Eine der Zwischenstufen
auf diesem historischen Weg bestand in der Einführung von Banknoten und ihrer
Umwandlung von privat emittierten Zetteln in gesetzliche Zahlungsmittel im
Zeitraum von um 1700-1900. Die Vollgeldreform vollzieht nichts anderes als den
nächsten solchen Schritt, nun auf der Entwicklungsstufe des bargeldlosen
Zahlungsverkehrs: nach der allgemeinen Einführung von Sichtguthaben auf
Girokonten als Zahlungsmittel seit bald hundert Jahren nun ihre Umwandlung von
privat emittierten Geldsurrogaten in vollwertige gesetzliche Zahlungsmittel,
die auf eigens dafür konstituierten Geldkonten zirkulieren.
Vollgeld,
obwohl es zinsfrei und im Prinzip auch tilgungsfrei in Umlauf kommt, ist kein
Beitrag zum Ausstieg aus der Zinswirtschaft. Solange die Wirtschaft langfristig
noch wächst, und damit ein gewisser milder Preisauftrieb verbunden ist, wird
die dem Zinsmechanismus inhärente Problematik der Umverteilung von Einkommen
und Vermögen von Schuldner zu Gläubiger kompensiert durch eben diese beiden
Faktoren, erstens dem Wachstum der Realeinkommen und zweitens dem damit
einhergehenden Preisauftrieb (Inflation). Irgendwann freilich wird die Zeit
wieder kommen, und zwar in Annäherung des historischen Endes der transsäkularen
Modernisierungs- und Wachstumsphase, wo die Einkommens- und
Vermögensumverteilung durch den Zinsmechanismus wieder zu einer virulenten
sozialen Frage werden müsste. Obwohl eine Vollgeldreform wie hier dargelegt
noch keine Antwort auf diese Frage gibt, dürfte Vollgeld als zins- und
tilgungsfreie Geldbasis der Wirtschaft eine bessere Ausgangsbasis zur Lösung
des Problems bieten als die heutige verzinsliche Kreditschöpfung der
Zahlungsmittel.
Hauptgewinner
einer Vollgeldreform wären die öffentliche Hand und, der Absicht nach, die
Steuerzahler. Sofern die Regierung die Chancen einer Vollgeldreform zur
Sanierung des Staatshaushalts und zur Rekontribution von Einkommen an die
Bürger nutzt, müsste sich dies außerdem direkt niederschlagen in allgemeinen
wirtschaftlichen Vorteilen in Form einer erhöhten Eigenkapitalbasis, eines
gesteigerten Investitionsniveaus und eines entsprechend gesteigerten
Wirtschafts- und Beschäftigungsniveaus.
Literaturhinweise
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Dohnanyi, Klaus (Hg) 1986: Notenbankkredit an den Staat? Beiträge und
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Money, Valatie, N.Y.: American Monetary Institute.
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Bargeld +
Sichtguthaben = Vollgeld
"Die
Verschiebung der Zahlungsgewohnheiten von baren zu unbaren Abwicklungen wird
auch in Zukunft weitergehen. Damit wird der Hebel für die Notenbanken immer
kürzer, die Geldmenge stabilitätserhaltend zu steuern. Wie die Notenbanken vor
rund 100 Jahren die von Banken herausgegebenen Banknoten in ihre Verantwortung
übernahmen, so wird das auch bald für die Übernahme des von privaten Banken
verwalteten Giralgeldes erforderlich werden.
Die
Zweckmäßigkeit einer solchen Übernahme der für Zahlungen benutzten
Bankguthabenbestände ergibt sich auch aus der heutigen Zwittersituation der
Sichtguthaben, die sowohl zum Nachfrage- als auch zum Kreditpotenzial zu zählen
sind. Die Sichtguthaben stellen ein Guthaben dar, das den Banken, wenn auch
eingeschränkt, als Kreditmittel zur Verfügung steht. Ebenso können die Einleger
damit auch weiterhin selbst Zahlungen vornehmen. Dadurch scheint es zu einer
Doppelnutzung zu kommen, was aber genau betrachtet nicht der Fall ist. Denn die
Banken können das eingezahlte Geld nur so lange für Kredite nutzen, wie es der
Einzahler nicht selbst in Anspruch nimmt, also nur zwischenzeitlich. Es kommt
nicht zu einer Vermehrung des Geldes, sondern nur zu seiner effektiveren
Nutzung.
Anders
ausgedruckt: Während bei der Bargeldnutzung die Kaufkraft zwischen Annahme und
Ausgabe der Geldscheine gewissermaßen eingefroren ist, wird sie auf den Konten
durch die zwischenzeitliche Kreditvergabe genutzt. Diese effektivere Nutzung
führt zu erhöhten unbaren Zahlungen und damit zu einem geringeren Bedarf an
Bargeld, wodurch die Geldmengensteuerung der Notenbanken ungünstig beeinflusst
wird. Durch eine Übernahme der Sichtguthabenbestände in die Verwaltung der
Notenbank käme es also zu einer klaren Trennung zwischen Zahlungs- und
Kreditmitteln und damit auch zwischen den Aufgaben der Notenbanken und
Geschäftsbanken. Diese Trennung wird inzwischen auch von Joseph Huber in seinem
Buch "Vollgeld" empfohlen.
aus: Helmut
Creutz, 29 Irrtümer rund um das Geld,
München
2004, S. 286-287. (Eine Rezension folgt im nächsten Heft,)