Neben der Risikoprämie (Gefahrbeitrag) enthält der
Zinsfuß oft noch einen eigentüm-
lichen, von den Schwankungen im allgemeinen Preisstand der Waren
bestimmten Be-
standteil, den ich in Anlehnung an seinen fremdnamigen Gefährten,
und um ihm einen,
auch für das Ausland brauchbaren Namen zu geben, mit Hausseprämie
bezeichne. Diese
bedeutet den Gewinnanteil des Geldgebers an der erwarteten Preissteigerung.
Um die Natur dieses Zinsbestandteiles richtig zu erfassen, braucht
man sich nur das
Benehmen der Geldborger und der Geldverleiher anzusehen, wenn
eine allgemeine
Preissteigerung erwartet wird. Eine allgemeine Preissteigerung
hat das Eigentümliche
an sich, daß man das geborgte Geld mit einem Teil der Waren,
die man mit dem Geld
erstanden und dann wieder verkauft hat, zurückerstatten kann;
daß also neben dem
regelrechten Handelsgewinn noch ein Sondergewinn, ein Mehr, verbleibt.
Dieses Mehr
muß natürlich die allgemeine Kauflust wecken, und zwar
um so stärker, je größer das
erwartete Mehr ist, und namentlich je begründeter die Erwartung
einer Fortdauer der
Preissteigerung erscheint.
Wer mit fremden Geldern arbeitet, vergrößert dann
seine Ansprüche an die Banken
bis zur äußersten Grenze seines Kredites (der in der
Regel mit der Preissteigerung, die
die Schuldner begünstigt, wächst), und wer sein Geld
bisher an andere verlieh, sucht
selber Geschäfte zu machen und verzichtet nur dann darauf,
wenn der Borger ihn mit
einer Zinsfußerhöhung an den erwarteten Gewinnen beteiligt.
Durch die allgemeine Preissteigerung (Hochkonjunktur, d. h. geschäftliche
Hochflut)
droht dem Besitzer von Bargeld und Bargeldforderungen (Staatspapiere,
Hypotheken
usw.) ein Verlust, der darin besteht, daß er für das
Geld immer weniger Waren erhält.
Vor diesem Verluste würde sich der Geldbesitzer nur dadurch
schützen können, daß
er die verlustbedrohten Papiere verkauft und den Erlös zum
Ankauf von Aktien, Waren,
Häusern verwendet, für welche Dinge allgemein eine Preissteigerung
erwartet wird.
Nach Erledigung dieses Doppelgeschäftes würde die Hochkonjunktur
ihm nichts mehr
anhaben können, und den Schaden würde der Käufer
der verlustbedrohten Papiere
erleiden. Da nun aber auch diesem die Sachlage bekannt ist, so
wird er diese Papiere
nur entsprechend billiger bezahlen wollen, er zahlt also für
die Staatspapiere einen
niedrigeren Preis (Kurs) und kauft die Wechsel nur gegen einen
größeren Abzug (Dis-
kont). So entsteht eine Art Ausgleich.
Wie aber, wenn Schlaumeier sich sagt: Ich habe zwar selbst kein
Geld, doch habe
ich Kredit. Ich borge mir gegen Wechsel das nötige Geld,
kaufe Waren, Aktien usw.,
und wenn der Wechsel fällig wird, so verkaufe ich das Gekaufte
zu den dann höheren
Preisen, bezahle meine Schuld und behalte den Unterschied für
mich! Schlaumeier
dieser Art gibt es viele und diese vielen treffen sich an demselben
Ort, zur selben Zeit,
d. i. im Vorsaal des Geldmannes, der Reichsbank. Die reichsten
Männer des Landes
stehen da, neben kleinen Fabrikanten und Kaufleuten. Alle zeigen
unersättlichen Geld-
hunger. Nun sieht der Geldmann den Andrang und erkennt, daß
sein Geld nicht reicht,
um sie alle zu befriedigen (würde er sie befriedigen, so
kämen sie sogleich mit verdoppel-
ten Ansprüchen zurück). So erhöht er, um sich des
Andranges zu erwehren, den Zins-
fuß (Diskont), erhöht ihn solange, bis die Schlaumeier
im Zweifel sind, ob der vom
geplanten Geschäfte erwartete Gewinn noch Deckung für
den erhöhten Zinsverlust
schafft. Dann ist der Ausgleich geschaffen; der Geldhunger verschwindet,
der Vorsaal
des Geldmannes leert sich. Dann ist das, was der Geldbesitzer
durch die Preis-
steigerung der Waren verliert, in den Zinsfuß übergegangen.
Das also, was durch eine allgemeine Preissteigerung der Waren
am Geldkapital ver-
lorengeht, muß der Zinsfuß ersetzen. Beträgt
z. B. die erwartete Preissteigerung 5%
im Jahr, so muß bei einem Urzins von 3 oder 4% der Zinsfuß
bei Darlehen 8 oder 9%
ausmachen; um das Geldkapital unberührt zu lassen. Zweigt
der Kapitalist vom Ertrag
dieser 9% die 5% ab, die der Preissteigerung entsprechen, und
legt diese zum Kapital,
so ist sein Nutzen derselbe, wie vor der Preiserhöhung, 105
= 100, d. h., für 105 erhält
er jetzt so viel Ware wie vorher für 100.
So würde es gar nicht überraschen, wenn bei näherer
Untersuchung es sich heraus-
stellte, daß die Kapitalisten in Deutschland (Grundrentner
ausgenommen) in den letzten
10 bis 15 Jahren trotz durchschnittlich höherer Dividenden
und Zinsen eigentlich einen
regelwidrig niedrigen Reinzins bezogen haben. Sind nicht in diesem
Zeitraume die Preise
durchschnittlich ganz gewaltig gestiegen? Waren vor 15 Jahren
1000 Mark nicht eben-
soviel wie heute 1500 oder gar 2000? Und wenn der Kapitalist so
rechnet, wo bleibt
der Gewinn aus den hohen Dividenden und Kursdifferenzen? Wo bleibt
der sogenannte
Wertzuwachs? Und er muß doch so rechnen, denn käme
es ihm nur auf den ziffern-
mäßigen Geldbetrag an, so brauchte er nur nach Portugal
zu reisen, da wird er vom
Millionär gleich zum Milliardär. Schlimm aber steht
es mit den Inhabern der festver-
zinslichen Papiere. Verkaufen sie diese, so haben sie einen Kursverlust;
behalten sie
ihre Papiere, so erhalten sie für die Zinsen weniger Waren.
Hätte man vor 15 Jahren
gewußt, daß eine so starke Steigerung der Warenpreise
kommen würde, so wäre der
Kurs der Konsols noch ganz anders, vielleicht auf 50 gesunken.
(2)
Es ist also klar, daß eine erwartete allgemeine Preissteigerung
die Ansprüche an die
Geldverleiher vergrößern muß, und daß diese
dadurch in die Lage versetzt werden,
einen höheren Zinsfuß ausbedingen zu können.
Die Erhöhumg da Zinsfußes ist somit darauf zurückzuführen,
daß nach allgemeiner oder
vorherrschender Ansicht eine Preissteigerung im Anzuge ist. Sie
beruht in letzter Linie darauf,
daß die Borger hoffen, sich ihrer Verbindlichkeiten mit
einem Teil der für das geborgte Geld
erstandenen Waren entledigen zu können. Mit der Preissteigerung
nimmt der Zinsfuß
einen fremden Bestandteil auf, der gar nichts mit dem Kapitalzins
zu tun hat; es ist das,
was wir Hausseprämie nennen, d. h. Gewinnanteil des Geldgebers
an der erwarteten
Preissteigerung.
Natürlich wird dieser Bestandteil des Zinsfußes sofort
verschwinden, sobald die er-
wartete allgemeine Preissteigerung sich verwirklicht hat; nicht
die eingetretene Preis-
steigerung, sondern die Erwartung einer solchen, die Hoffnung
auf einen künftigen,
noch nicht zur Tat gewordenen Preisunterschied reizt zum Kauf,
zur Anlage des Geldes
und bewirkt, daß die Ansprüche an die Banken steigen.
Sobald die Hoffnung auf eine
weitere Preissteigerung schwindet, fehlt auch der Reiz zum Kauf,
und die Gelder kehren
zur Bank zurück. Dann fällt der Zinsfuß; die Hausseprämie
scheidet aus den Bestand-
teilen des Zinsfußes aus. Selbstverständlich verschwindet
bei einem erwarteten allge-
meinen Preisrückgang sofort jede Spur dieser Hausseprämie
aus dem Zinsfuß.
Die Höhe der Hausseprämie richtet sich natürlich
ganz nach dem Umfang der er-
warteten allgemeinen Preissteigerung. Erwartet man eine sprunghafte,
schnelle und
starke Preissteigerung, so werden die Ansprüche an die Geldinstitute
auch gleich in
dasselbe Tempo verfallen, und der Zinsfuß wird sprungweise
schnell und stark steigen.
Als man vor einigen Jahren in Deutschland eine allgemeine Preissteigerung
erwartete,
stieg der Zinsfuß auf 7%; kurz darauf erwartete man einen
Rückschlag, und der Zinsfuß
fiel auf 3%. Den Unterschied können wir hier getrost auf
Rechnung der Hausseprämie
setzen. In Argentinien stand der Zinsfuß zeitweise auf 15%,
und zwar damals, als die
unausgesetzte Vermehrung des Papiergeldbestandes alle Preise sprungweise
in die Höhe
trieb; nachher, als man anfing, das Papiergeld einzuziehen, fiel
der Zinsfuß unter 5%.
Hier haben wir eine Hausseprämie von 10% zu verzeichnen.
In Kalifomien gab es
eine Zeit, wo 2% für einen Monat nicht als übermäßiger
Zinsfuß betrachtet wurde. So
berichtet Henry George, und das war damals, als man in Kalifornien
massenhaft Gold fand.
Da es für eine allgemeine Preissteigerung keine Grenze gibt
(für 1 Pfd. Kerzen
erhielt man in Paris 100 Livres in Assignaten), so kann auch der
Hausseprämie keine
Grenze gesteckt werden. Es lassen sich ganz gut Verhältnisse
denken, unter denen der
Zinsfuß bzw. die Hausseprämie auf 20, 50, ja 100% steigen
würde. Es kommt ganz
darauf an, wie hoch die allgemeine Preissteigerung geschätzt
wird, die man bis zum
Fälligkeitstag erwartet. Wenn sich z. B. die Nachricht verbreitete,
es sei unter der Eis-
decke Sibiriens ein neues Goldfeld entdeckt worden, das alles
bisher Dagewesene an
Ergiebigkeit überträfe, und würden als Bestätigung
dieser Nachricht auch schon große
Goldverschiffungen gemeldet, so ist es sicher, daß eine
allgemeine Kauflust eintreten
und daß die Ansprüche an die Geldverleiher ins Grenzenlose
steigen würden. Der Zins-
fuß würde infolge dieser Goldfunde eine nie gesehene
Höhe erreichen. Bis zur vollen
Höhe des von der allgemeinen Preissteigerung erwarteten Mehrs
wird die Hausseprämie
natürlich nicht steigen können, da ja sonst der erwartete
Gewinn durch den Diskont
vorweg verschluckt würde. Die Hausseprämie wird dem
erwarteten Mehr aber um so
näher kommen, je begründeter oder gesicherter die erwartete
allgemeine Preissteigerung
erscheint.
Es sind in verschiedenen Ländern auf Drängen der Gläubiger
Gesetze erlassen worden,
die darauf zugespitzt waren, die Preise der Waren auf einen niedrigeren,
früheren Stand
herabzusetzen (durch Einziehung des in Übermaß verausgabten
Papiergeldes, durch
die Entmünzung des Silbers usw.). Noch vor wenigen Jahren
bestand in Argentinien
ein solches Gesetz, mit dem der allgemeine Preisstand von 3 auf
1 herabgesetzt werden
sollte.
Wenn man heute in irgendeinem Lande, den Wünschen der Schuldner
nachgebend,
umgekehrt die Warenpreise stufenweise durch Vermehrung des Geldumlaufs
in die
Höhe triebe, und zwar so, daß man mit Bestimmtheit
darauf rechnen könnte, in einem
Jahre die Preise im allgemeinen 10% höher zu sehen, so würde
die Sicherheit des er-
warteten Mehrs die Hausseprämie jenen 10% sehr nahebringen.
Die Anerkennung der Häusseprämie als eines besonderen
Bestandteiles des Zins-
fußes ist für die Erklärung der meisten Erscheinungen
auf dem Gebiete des Zinswesens
unentbehrlich.
Wie will man, um nur ein Beispiel anzuführen, die Tatsache
erklären, daß gewöhnlich
Zinsfuß und Sparkasseneinlagen gleichzeitig steigen, wenn
man anderseits nicht den
Grundsatz fahren lassen will, daß der Zins vom Arbeitsertrag
abgezogen wird?
Die Zergliederung des Zinsfußes in Zins, Risiko- und Hausseprämie
löst diesen schein-
bar unlösbaren Widerspruch auf völlig befriedigende
Weise. Von dem Zinsfuß geht nur
der reine Kapitalzins vom Arbeitsertrag ab, die Hausseprämie
löst sich in den erhöhten
Warenpreisen auf. Folglich ist der Arbeiter (dessen Lohn ja auch
die Bewegung nach
oben mitmacht) an dem erhöhten Zinsfuß völlig
unbeteiligt. Er bezahlt erhöhte Waren-
preise und erhält entsprechend höheren Lohn; das gleicht
sich aus. Der Borger zahlt
höheren Zinsfuß und erzielt einen erhöhten Preis;
das gleicht sich auch wieder aus.
Der Kapitalist erhält sein Geld gestäupt und geschunden
zurück, aber dafür einen er-
höhten Zins; das gleicht sich nicht minder aus. Nun fehlt
noch die Erklärung für die
erhöhte Spareinlage. Diese muß man in der Tatsache
suchen, daß bei einer allgemeinen
Preiserhöhung der Waren, einer geschäftlichen Hochflut
(Hochkonjunktur) es niemals
an Arbeitsgelegenheit fehlt.
Also nicht der Zins, sondern nur der Zinsfuß steigt, zusammen
mit den Sparkassen-
einlagen.
(2) Dies alles ist vor dem Kriege geschrieben.