Der Urzins, den das Geld auf solche Weise von den Waren erhebt,
ist also keine ein-
malige Beute. Der Urzins ist eine dauernd sprudelnde Quelle, und
die Erfahrung von Jahr-
tausenden zeigt, daß man mit einer durchschnittlichen Beute
von 4 oder 5% des jähr-
lichen Umsatzes rechnen kann.
Der Zins, den der Kaufmann in unmittelbarem Verkehr mit der Ware
von dieser
erhebt, - das ist der wahre und volle Urzins. Das, was der Kaufmann
seinem Gläubiger
von diesem Zins abliefert, das ist der Urzins abzüglich Erhebungskosten.
(2) Wie auch das
Wegegeld, daß der Schlagbaumpächter an den Staat abliefert,
nicht das volle Wege-
geld ist.
Wenn man nun mit dem Geld Ziegelsteine, Kalk, Träger usw.
kauft, nicht, um diese
als Ware wieder zu verkaufen, sondern um ein Miethaus zu bauen,
so verzichtet man
freiwillig auf die Wiederkehr des Geldes, auf die sprudelnde Zinsquelle.
Man hat dann
wohl ein Haus, aber kein Geld, keine Zinsquelle. Aber auf ein
solches Kleinod verzichtet
man selbstverständlich nur unter der Bedingung, daß
das Miethaus nun seinerseits den
Zins einbringen wird, den das zu seinem Bau nötige Geld erfahrungsgemäß
jederzeit
im Warenhandel einbringt. Kann das Geld von den Waren aufs Jahr
verteilt, 5% erheben,
so muß auch das Haus von den Mietern, das Schiff von den
Frachtgütern, die Fabrik von
den Löhnen (3) die gleiche Abgabe erheben können, sonst
bleibt das Geld einfach auf dem Markte
bei den Waren, und das Haus wird nicht gebaut.
Das Geld stellt also für das Zustandekommen eines Hauses,
einer Fabrik usw. die
selbstverständliche Bedingung, daß das Haus von den
Mietern, die Fabrik von den
Arbeitern, das Schiff von den Frachten denselben Zins zu erheben
vermag, den es selber
von den Waren jederzeit einziehen kann. Kein Zins = kein Geld
für Häuser, Fabriken,
Schiffe. Und ohne Geld, wie soll da jemand die tausend verschiedenen
Gegenstände
zusammentragen und zusammenfügen, die für ein Schiff,
eine Fabrik, ein Haus nötig
sind? Es ist ganz undenkbar, daß ohne Geld ein Haus usw:
zustande komme. Und so
besteht auch das Grundkapital jedes kapitalistischen Unternehmens
aus einer Summe
Geldes. Fiir alle die Millionen Miethäuser, Fabriken, Schiffe
usw. gilt das Wort: Im
Anfang war das Geld.
Wenn aber das Geld sich nicht hergibt für den Bau von Häusern,
falls diese nicht
den gleichen Zins, den das Geld von den Waren erhebt, erzielen
können, so ruht die
Bautätigkeit, und der alsbald einsetzende Mangel an Häusern
treibt dann den Mietzins
herauf, genau wie der Mangel an Fabriken den Lohn drückt.
Also muß es gesetzmäßig dahin kommen, daß
die Häuser, Schiffe Fabriken, kurz, das
gesamte sogenannte Realkapital den gleichen Zins einträgt,
den das Geld dem Warenaus-
tausch als Urzins aufbürden kann.
Die Häuser, Fabriken, Maschinen usw. sind Kapital. Sie erheben
den Zins nicht
wie die Ware als Kassenbote, um ihn an den Geldbesitzer abzuliefern,
sondern für den
Besitzer des Hauses. Aber diese Macht stützt sich nicht auf
Eigenschaften dieser Dinge,
sondern darauf, daß das Geld, genau wie bei den Waren, die
Marktlage für die Erhebung
des Zinses vorbereitet. Das Verhältnis der Wohnungen zu den
Mietern, der Schiffe zu den
Frachtgütern, der Arbeiter zu den Fabriken, wird vom Geld
immer künstlich, gesetz- und
zwangsweise so gestaltet, daß die Mieter und Arbeiter (die
Nachfrage) einem ungenügenden
Angebot (Wohnungen, Fabriken) gegenüberstehen.
Das herkömmliche, vom Staate verfertigte Geld (Tauschmittel)
schützt alle vor-
handenen Häuser vor einem den Zinsertrag schmälernden
Mitbewerb neuer Häuser.
Das Geld wacht mit Eifersucht darüber, daß seine Geschöpfe
nicht entarten. Geld wird
immer nur zum Bauen von so viel Häusern hergegeben, daß
deren Zinsertrag nie unter
den Urzins fallen kann. Dies wird durch eine jahrtausendelange
Erfahrung bestätigt.
Das sogenannte Realkapital (Sachgut) ist also eigentlich nichts
weniger als real. Das
Geld allein ist das wirkliche Realkapital, das Urkapital. Alle
anderen Kapitalgegenstände
(Sachgüter) sind durchaus von der Beschaffenheit des Geldes
abhängig, sind dessen
Geschöpfe, sind vom Geld in den Adel-, in den Kapitalstand
erhoben worden. Nimmt
man dem Geld das Vorrecht, dem Volk den Bau neuer Häuser
zu verbieten, reißt man
das Wehr ein, das vom Geld zwischen den Arbeitern und den sogenannten
Realkapitalien
errichtet wird, so wächst das Angebot dieser Dinge, und sie
verlieren ihre Eigenschaft
als Kapital. (7)
Es klingt ja fast ungeheuerlich, und man muß seiner Sache
sicher sein, wenn man
die Behauptung aufstellt, daß die Häuser, Fabriken,
Schiffe, Eisenbahnen, Theater,
Elektrizitätswerke, kurz, das gewaltige, düstere Meer,
das man z. B vom Berliner Kreuz-
berg aus überschaut, nur darum Kapital ist und Kapital sein
muß, weil das Geld Kapital
ist. Dieses ungeheure Meer, das sicherlich das Geldkapital 100
mal überragt, brächte nur
darum Zins ein, weil das Geld es so will? Das klingt doch gewiß
unwahrscheinlich.
Aber das Unwahrscheinliche erscheint uns sofort ganz annehmbar,
wenn wir be-
denken, daß unser herkömmliches Geld uralt ist, daß
es seit 3-4000 Jahren ganz
selbsttätig und gesetzmäßig den Bau von Häusern
usw. immer künstlich so weit be-
schränkte, daß die Nachfrage stets größer
als das Angebot war und so die Häuser
Kapital blieben.
Um das Unwahrscheinliche zu begreifen, müssen wir an die
wirtschaftliche Eiszeit,
a1s die wir das Mittelalter bezeichneten, an die tausend Wirtschaftskrisen
denken, die
das Geld seitdem erzwungen hat. Die Milliarden und Abermilliarden
an Realkapital,
die im Laufe der Zeit durch erzwungene Arbeitslosigkeit nicht
erstanden sind, erklären das
Unwahrscheinliche.
Der Mangel an Häusern, Schiffen, Fabriken usw., der im
Zinsertrag dieser Gegenstände
in die Erscheinung tritt, ist das Ergebnis einer seit Jahrtausenden
ununterbrochen wirkenden
Ursache.
Wenn die Volksmassen während der Krisenjahre 1873 bis 1878,
statt zu feiern und
zu hungern, Häuser und Maschinen hätten bauen dürfen,
ob da nicht unter dem Drucke
des Angebots der Hauszins gefallen wäre? Und das waren nur
fünf Jahre! Dabei darf
man nicht vergessen, daß die anderen Ursachen der Wirtschaftskrisen,
die wir im ersten
Teil des Buches besprachen, unabhängig vom Zins in der gleichen
Richtung (Beschrän-
kung und Verhinderung des Tausches) wirken.
Es ist also klar: das sogenannte Realkapital muß Zins
abwerfen, weil es nur durch
Ausgeben von Geld zustande kommen kann, und weil dieses Geld Kapital
ist. Das sog.
Realkapital besitzt nicht, wie das Geld, eigene zinserpressende
Machtmittel. Es handelt
sich bei diesen sogenannten Realkapitalien, genau wie bei den
Waren, um vom Geld
eigens zu diesem Zweck geschaffene und erzwungene Marktverhältnisse,
um eine selbst-
tätig wirkende, künstliche Beschränkung in der
Erzeugung sogenannter Realkapitalien,
so daß deren Angebot niemals die Nachfrage decken kann.
Gesetzmäßig erzeugt das herkömmliche, vom Staate
abgestempelte und verwaltete Geld
durch erzwungene Arbeitslosigkeit die besitz- und obdachlose Menge,
das Proletariat,
dessen Dasein die Voraussetzung für die Kapitaleigenschaft
der Häuser, Fabriken,
Schiffe ist.
Das Geld ist für das Zustandekommen dieser Sachgüter
(Realkapitalien) unentbehrlich,
und ohne Zins gibt es kein Geld. Ohne Proletariat (4) gibt es
aber kein Realkapital. Folglich
muß auch die Unentbehrlichkeit des Geldes das für den
Zins der Realkapitalien und den
Umlauf des Geldes unentbehrliche Proletariat erzeugen.
Das Geld schafft das Proletariat, nicht weil die Zinslasten
das Volk um Hab und Gut
bringen, sondern weil es das Volk gewaltsam daran hindert, sich
Hab und Gut zu schaffen.
Man braucht also für die Herkunftserklärung des Proletariats
nicht zu dem verzweifel-
ten Ausweg der sogenannten geschichtlichen Erklärung zu greifen,
denn das Proletariat
ist eine gesetzmäßig sich einstellende Begleiterscheinung
des herkömmlichen Geldes. Ohne
Proletariat kein Zins der Realkapitalien, ohne Zins kein Geldumlauf,
ohne Geldumlauf
kein Warenumsatz, und als Folge davon Verarmung.
In anderen Zeiten hat das Schwert zweifellos an der Schaffung
des Proletariats kräftig
mitgewirkt. Auch Thron (Gesetze) und Altar sind fleißig
daran beteiligt gewesen. Auch
heute noch sucht man die Grundrente unter den Schutz der Gesetze
zu stellen und durch
Kornzölle dem Volke die Waffen zu entreißen, die es
sich für den Kampf gegen die
Grundrente in Form von Schiffen, Eisenbahnen und landwirtschaftlichen
Maschinen
geschmiedet hat. (Siehe Teil I.) Dem Recht auf Arbeit und Brot
stellt man das Recht
auf Grundrente entgegen. Aber auch ohne diese Hilfe wäre
das Kapital nicht um einen
einzigen Proletarier ärmer. Wäre die Hilfe von Schwert
und Gesetz ausgeblieben, so
hätten wir an deren Stelle ein paar Wirtschaftskrisen, einige
tausend überschüssige
Arbeiter mehr gehabt. Das Ge1dkapital braucht nicht Schwert und
Gesetz, um das nötige
Proletariat für die Realkapitalien zu schaffen; es trägt
die dazu nötigen Kräfte in sich selbst.
Mit der Wucht einer Naturkraft schafft es sie. Metallgeld und
Proletarier sind unzertrennlich.
Das sogenannte Realkapital besteht sicher aus sehr realen und
unentbehrlichen Gegen-
ständen, aber als Kapital sind diese Gegenstände nichts
weniger als real. Der Zins, den
sie heute abwerfen, ist ein Geschöpf des Urkapitals, des
Geldes.
(2) Wir werden noch sehen, daß diese Erhebungskosten durchaus
nicht so gering sind;
sie bestehen in der Hauptsache aus den Verwüstungen, die
die Krisen in der Volkswirt-
schaft anrichten.
(3) Ich gebrauche diesen Ausdruck ungern, weil er vieldeutig
ist. Besser ist es vom Preis
zu sprechen, den der Unternehmer den Arbeitern für ihre Erzeugnisse
bezahlt. Denn nur
diese, die fertige, greifbare Leistung bezahlt der Unternehmer,
nicht die Tätigkeit der
Arbeiter.
(4) Proletariat = die der eigenen Produktionsmittel entblößten Arbeiter