In Übereinstimmung mit obiger Anschauung müssen die
Marxfreunde die Quelle des
Zinses (des Mehrwertes) in der Fabrik, auf alle Fälle in
der Trennung des Arbeiters
von seinen Arbeitsmitteln suchen, und sie wähnen, sie auch
dort festgelegt zu haben.
Ich werde nun zeigen, daß der Zins völlig unabhängig
vom Privateigentum an den Pro-
duktionsmitteln ist, daß er auch dort besteht, wo es keine
besitzlose Menge (Proletariat)
gibt und gab, und daß Sparsamkeit, Ordnung, Fleiß
und Tüchtigkeit niemals den Zins
entscheidend beeinflußt haben. Im Widerspruch zu dieser
Kapitaltheotie werde ich
zeigen, daß der Zins in unserem uralten, aus der Zeit der
Babylonier, Hebräer, Griechen
und Römer stammenden Gelde wurzelt und durch dessen körperliche
oder gesetzlich
erlangte Vorzüge geschützt ist.
Merkwürdigerweise beginnt übrigens Marx (1) mit seinen
Untersuchungen über den
Zins gleichfalls beim Geld. Ihm widerfuhr jedoch das Mißgeschick,
daß er (trotz der
Warnung Proudhons) am entscheidenden Ort mit einer falschen Voraussetzung
begann
und genau wie die gewöhnlichen kapitalfreundlichen Zinsforscher
Geld und Ware als
vollkommene Äquivalente (2) behandelte.
Durch diesen unglücklichen Mißgriff wurde Marx gleich
von Anfang an auf ein
falsches Gleis abgetrieben.
Marx findet am Geld nichts auszusetzen. So wie wir es von den
alten Babyloniern
und Israeliten, von den Griechen und Römern übernommen
haben, ist das Geld nach
Marx ein vollkommenes, tadelloses Tauschmittel, das von Anbeginn
seine Aufgabe
glänzend erfüllt hat. Daß im Mittelalter wegen
Geldmangels Geldwirtschaft und Arbeits-
teilung sich nicht entfalten konnten, daß das Zinsverbot
der Päpste die Geldwirtschaft
aufhob - obschon dieses Zinsverbot doch eigentlich nichts anderes
bedeutete, als die
gewaltsame Herstellung der von Marx vorausgesetzten Äquivalenz
von Geld und Ware -
das alles kann Marx in seinem Urteil nicht stutzig machen, daß
das Geld ein voll-
kommenes Tauschmittel, ein wirkliches, allseitiges "Äquivalent"
sei. Eine besondere
Geldmacht kennt Marx selbstverständlich nicht. Die Ausbeutung
der Völker durch die
goldene Internationale, durch die Börsen- und Wucherspieler
muß Marx verneinen.
Börsenraub gibt es nicht, sondern nur "Prellereien".
Der Börsenräuber bedient sich der
List, nicht der Macht. Er ist nur ein Dieb. Raub setzt Macht voraus,
und diese haben
nicht die Geldleute, nicht die Börsenfürsten, sondern
die Besitzer der Produktions-
mittel. Kurz, Geld und Ware sind "Äquivalente",
zu jeder Zeit, an jedem Ort, gleich-
gültig, ob das Geld in den Händen eines als Selbstverbraucher
oder als Kaufmann auf-
tretenden Käufers liegt. Und so spricht er es geradezu aus:
"Daß nun, obschon Gold
und Silber nicht von Natur aus Geld, Geld aber von Natur Gold
und Silber ist, be-
weist die Kongruenz seiner Natureigenschaften mit denen seiner
Funktionen als Tausch-
mittel:
"Dies Kind, kein Engel ist so rein,
Laßt's eurer Huld empfohlen sein!"
Mit diesem Loblied auf das Gold und die Goldwährung hat
Marx die Aufmerksam-
keit des Proletariats vollkommen vom Geld abgelenkt und die Börsenräuber,
Wucher-
spieler, Spitzbuben unmittelbar in den Schutz der besitzlosen
Klasse, des Proletariats
gestellt. Und so hat man das traurig-lustige Schauspiel, daß
jetzt überall in der Welt
"die Wachen vor Mammons Tempel durch die rote Garde besetzt
sind". (3)
Tatsache ist, daß in den sozialdemokratischen Wahlflugblättern
und in der Presse das
Wort Zins und Geld nicht ein einziges Mal erwähnt wird!
Noch merkwürdiger aber ist es, daß Marx in der von
ihm selbst als Regel bezeich-
neten Abwicklung des Tausches (G.W.G. = Geld, Ware, Mehrgeld)
wohl einen Wider-
spruch mit der behaupteten Äquivalenz findet, die Lösung
dieses Widerspruchs jedoch
anderswo, und zwar in einer langen Kette von Mittelgliedern nachzuweisen
verspricht.
Diese "lange Kette" ist der Produktionsprozeß,
und zwar beginnt und endet diese
Kette in der Fabrik. Der Unternehmer ist nicht ein Ausbeuter unter
vielen, sondern
ist der Ausbeuter. Die Ausbeutung geschieht restlos an der Lohnkasse.
Um den von Marx in der Formel G.W.G.' aufgedeckten Widerspruch
glatt zu lösen,
werde ich keine solche Kette von Mittelgliedern nötig haben.
Ich werde dem Zins die
Angel vor das Maul werfen und ihn geradeswegs aus seinem Elemente
ziehen, für jeder-
mann erkennbar. Die Kraft, die zu der Tauschformel G.W.G.' gehört,
werde ich un-
mittelbar im Tauschvorgang enthüllen. Ich werde zeigen, daß
das Geld in der Gestalt,
in der wir es von den Alten unbesehen übernommen haben, kein
"Äquivalent " ist und
daß es nicht anders als nach der Formel G.W.G.' umlaufen
kann, daß jedes Volk, das
zu diesem Geld griff, um die Arbeitsteilung zu fördern und
den Austausch der Waren zu
erleichtern, unrettbar der Zinswirtschaft, dem Kapitalismus verfallen
mußte.
Die Kraft, die das Geld nach der Formel G.W.G.' umlaufen läßt,
also die Kapital-
eigenschaft des Geldes, beruht auf folgenden Eigenschaften:
1. Das Geld ist unbedingte Voraussetzung entwickelter Arbeitsteilung.
2. Das herkömmliche Geld (Metall- und Papiergeld) läßt
sich, dank seiner körper-
lichen Verfassung, unbegrenzt und ohne nennenswerte Lagerkosten
vom Markte zurück-
halten, während die auf das Geld als Tauschvermittler unbedingt
angewiesenen Waren-
erzeuger (Arbeiter) durch die ständig wachsenden Verluste,
die mit dem Aufbewahren
der Waren verbunden sind (4), eine Zwangsnachfrage nach Geld halten.
3. Infolge dieses eigentümlichen Sachverhalts vermag der
Kaufmann von den Waren-
besitzern eine besondere Vergütung dafür zu erzwingen,
daß er darauf verzichtet, den Aus-
tausch der Waren durch Festhalten des Ge1des willkürlich
hinauszuziehen, d. h. zu ver-
schleppen und nötigenfalls gänzlich zu verhindern.
4. Aus dieser regelmäßigen Vergütung setzt sicb
der Zins des Handelskapitals zu-
sammen, und er beträgt, auf den Jahresumsatz verteilt, nach
mehrtausendjähriger Er-
fahrung 4-5%.
Diese besondere, vom Handelsgewinn (5) scharf zu trennende Vergütung
kann selbst-
verständlich nicht der von seinen leiblichen Bedürfnissen
getriebene Warenkäufer (Ver-
braucher genannt) erheben (denn hier ist das Bedürfnis des
Geldbesitzers nach Waren-
kauf ebenso dringend und unaufschiebbar, wie das Bedürfnis
des Erzeugers nach Waren-
verkauf), sondern nur der als Geldbesitzer auftretende Kaufmann
kann diese Abgabe
erheben, der Mann, der die Waren kaufmännisch erwirbt, um
sie kaufmännisch zu
verkaufen, der Mann, der die Waren kaufen oder den Kauf unterlassen
kann, ohne
darum persönlich Hunger leiden zu müssen, kurz der Mann,
der eine Schiffsladung
Weizen kauft, obschon er persönlich nur einen Sack davon
essen wird. Freilich hat der
Kaufmann ja auch ein Bedürfnis nach Handelsgewinn, das er
nur durch Kauf von Waren
befriedigen kann. Aber hinter diesem kaufmännischen Warenkauf
steht als treibende
Kraft nicht die leibliche Not, sondern der Wunsch, diese Waren
so billig wie möglich
zu erwerben und dabei alle Waffen der wechselnden Marktlage (Konjunktur),
jede
Schwäche des Verkäufers restlos auszunützen. Wächst
die Schwäche des Verkäufers
dadurch, daß der Kaufmann ihn warten läßt, so
läßt ihn der Kaufmann warten. Über-
haupt tut der Kaufmann alles, was er kann, um die Verlegenheiten
des Verkäufers (Er-
zeuger, Arbeiter) zu mehren, - und als ewige Quelle ewiger Verlegenheiten
müssen
die unter 1-3 bezeichneten Umstände angesehen werden. Der
Verbraucher, von per-
sönlichen Bedürfnissen getrieben, kann nicht warten,
obschon sein Geld es ihm erlauben
würde; der Warenerzeuger kann auch nicht warten, obschon
seine persönlichen Be-
dürfnisse es ihm in manchen Fällen wohl gestatten würden;
aber der als Kaufmann
auftretende Geldbesitzer, der Eigentümer des allgemeinen,
unentbehrlichen Tausch-
mittels, der kann warten, der kann Warenerzeuger und -verbraucher
regelmäßig dadurch
in Verlegenheit bringen, daß er mit dem Tauschmittel (Geld)
zurückhält. Und die Ver-
legenheiten des einen sind ja im Handel das Kapital des anderen.
Wären die Waren-
erzeuger und -verbraucher (Produzenten und Konsumenten) nicht
durch Ort und Zeit
voneinander getrennt, so würden sie sich, wie das im Tauschhandel
ja noch geschieht,
ohne das Geld des Kaufmannes behelfen; aber wie die Dinge nun
einmal liegen, ist die
kaufmännische Vermittlung (und damit auch der Zins) Notwendigkeit
und Regel für
den weitaus größten Teil der Warenerzeugung.
Aus Rücksicht auf diesen letzteren Umstand können wir
das Geld der Verbraucher
überhaupt ganz aus unseren Betrachtungen ausschalten. Durch
die Hände des Kauf-
mannes gehen alle Waren und geht alles Geld. Darum sind die Gesetze
des kaufmän-
nischen Geldumlaufes hier allein maßgebend. (6)
Nach diesen Feststellungen will ich nun zunächst die Frage
beantworten, durch welche
Umstände die Höhe des Zinses, den das Geld für
die Tauschvermittlung erheben kann,
begrenzt wird, und zwar darum zunächst, weil diese Antwort
am besten das wahre
Wesen des Geldzinses offenbart.
Wenn das Geld darum Kapital ist (G.W.G.'), weil es den Güteraustausch
willkürlich
untersagen kann, so wird man einwenden, warum denn der Zins nicht
bis an den Nutzen
heranreicht, den wir aus der Geldwirtschaft ziehen, und den wir
mit der Leistungs-
fähigkeit, die die Arbeitsteilung der Urwirtschaft gegenüber
besitzt, messen können.
Ähnlich ist die Frage berecbtigt, warum die Grundbesitzer
für die Grundrenten nicht
in jedem Falle das Gesetz des ehernen Lohnes anwenden, oder warum
die Anteilseigner
des Suezkanals für die Höhe der Schiffsabgaben noch
andere Umstände erwägen, als
nur den Wettbewerb des Seeweges um das Kap der Guten Hoffnung.
Aber die Abgabe, die das Geld für seine Benutzung erhebt,
folgt anderen Gesetzen
als die sind, die für die Bodenbenutzung gelten; sie ähnelt
mehr der Abgabe, die die
Raubritter im Mittelalter erpreßten. Wenn damals der Kaufmann
gezwungen war, die
Straße zu benutzen, die an der Burg des Ritters vorüberführte,
so wurde gründlich
geplündert, es wurden 30, 40, 50% Zoll erhoben. Standen aber
dem Kaufmann auch
noch andere Wege zu Gebote, so war der Ritter bescheiden; er bewachte
seine Straße,
besserte sic aus, baute Brücken, schützte sie gegen
andere Räuber, setzte äußersten
Falles den Zoll herab, auf daß der Kaufmann in Zukunft diese
Straße nicht gänzlich
miede.
So ähnlich verhält es sich beim Geld. Auch das Geld
muß damit rechnen, daß ihm
Wettbewerber erwachsen, wenn seine Abgabeforderungen zu hoch geschraubt
sind.
Ich werde später noch nachzuweisen haben, daß es
bei dem Verleihen von Geld nie-
mals einen Wettbewerber geben kann. Die Wettbewerber, von denen
eben die Rede ist,
treten nicht beim Verleihen des Geldes, sondern bei seinem Tausch
gegen Waren auf.
Zunächst ist klar, daß sich die Arbeitsteilung bedeutend
weiter ausbilden läßt, als es
heute in der Welt geschiebt. Die Goldwährung ist eine Weltwährung,
die weltwirtschaft-
lich betrachtet werden muß. Und 3/4 der Weltbewohner behelfen
sich heute noch schlecbt
und recht mit der Urwirtschaft. Warum? Zum Teil darum, weil der
durch Geld ver-
mittelte Gütertausch zu stark mit Zins belastet ist. Diese
Unkosten müssen die Erzeuger
veranlassen, in einzelnen Zweigen ihrer Tätigkeit oder auch
gänzlich auf die Herstellung
von Waren zu verzichten und bei der Urwirtschaft zu bleiben. Ob
Ur- oder Waren-
wirtschaft, hängt von einer Rechenaufgabe ab, bei welcher
der Geldzins, womit die
Warenwirtscbaft belastet ist, oft genug dazu führen mag,
der Urwirtschaft den Vorzug
zu geben. So wird z. B. mancher deutsche Kleinbauer lieber seine
Kartoffelernte im
eigenen Stall verfüttern und das Schwein für den eigenen
Hausbedarf scblacbten, wenn
das Fleisch durch den Zins des Tauschvermittlers um ein geringes
verteuert wird. Dann
wird der Bauer weniger Waren (Kartoffeln für den Markt) und
mehr Güter für den
eigenen Gebrauch erzeugen und darum weniger Geld brauchen.
Diesem Teil der Gütermenge gegenüber, der selbst in
Deutschland nicht zu unter-
schätzen ist, muß das Geld bescheiden bei seiner Zinsforderung
sein, um die Waren-
wirtschaft nicht auf die Urwirtschaft hinüberzustoßen.
Und ähnlich wie der deutsche
Bauer handeln die Völkermassen Asiens und Afrikas.
Wenn also nun die Geldbesitzer eine zu hohe Abgabe von den Waren
fordern, so
wird jener Teil der heutigen Warenerzeugung, der um den Grenznutzen
der Arbeits-
teilung hin- und herpendelt, aufgegeben, und die Urwirtscbaft
tritt oder bleibt an dessen
Stelle.
Der zu hohe Geldzoll vermindert die Warenerzeugung zugunsten
der Urwirtschaft.
Dies führt dazu, daß das Angebot von Waren abnimmt
- und daß die Preise steigen.
Das wollen wir vorläufig festhalten.
Einen gleichen Einfluß auf die Nachfrage nach Geld, d.
h. nach Tauschmitteln, übt
der alte Tauschhandel aus, wenn das Geld zu hohen Zins fordert.
Das Geld verdankt
sein Dasein überhaupt nur den Schwierigkeiten des Tauschhandels.
Für deren Über-
windung wurde es geschaffen. Verlangt aber das Geld für die
Tauschvermittlung zu
hohes Entgelt, so wird der Tauschhandel den Wettbewerb in vielen
Fällen wieder mit
Erfolg aufnehmen, besonders dort, wo, wie in vielen Teilen Asiens
und Afrikas, die
Erzeuger nicht durch Ort und Zeit getrennt sind. Je stärker
der Geldzins den Waren-
austausch belastet, um so eher kann der Tauschhandel der Geldwirtschaft
als Wett-
bewerber "die Spitze bieten". Denn die auf dem Wege
des Tauschhandels verhandelten
Waren erreichen den Verbraucher, ohne Zins zu zahlen. Wem sollten
sie denn auch
zinspflichtig sein? (7) So ist also klar, daß, wenn das
Geld den Tauschhandel ablösen soll,
es nicht beliebig hohe Abgaben fordern kann, zumal die Warenbesitzer
die Hindernisse,
die die Trennung durch Ort und Zeit dem Tauschhandel bietet, dadurch
zu überwin-
den wissen, daß sie sich an bestimmten Tagen und Orten (Markttage)
zusammenfinden. (8)
So entziehen sie dem Geld die Daseinsunterlage, nämlich die
Nachfrage nach Tausch-
mitteln, die die Ware verkörpert. Die Waren, die der Tauschhandel
unterbringt, sind
für das Geld verloren, ähnlich wie der Zigeuner in seinem
Karren für die Eisenbahn
ein verlorener Kunde ist.
Welcher Bruchteil der Weltwarenerzeugung auf diese Weise um den
Tauschhandel
herumpendelt, wie viel Waren also durch zu hohen Zins von der
Benutzung des Tausch-
mittels ausgeschlossen werden, brauchen wir für unsere Zwecke
nicht zu berechnen.
Es genügt, daß wir im Tauschhandel das Dasein eines
Wettbewerbers des Geldes fest-
gestellt haben, dessen Aussichten um so günstiger sein werden,
je höhere Abgaben das
Geld fordert. Steigt der Zins, so werden viele Waren vom Geldhandel
auf den Tausch-
handel abgestoßen, die Nachfrage nach Geld nimmt ab, und
die Preise steigen, - also
genau wie bei der Urwirtschaft. Auch hier wollen wir uns vorläufig
mit dieser Fest-
ste1lung begnügen.
In gleicher Richtung wie die Urwirtschaft und der Tauschhandel
wirkt auch der
Wechsel, sobald die Ansprüche des Geldes zu hoch geschraubt
werden. Denn auch die
Waren, die gegen Wechsel ausgetauscht werden, sparen den Geldzins,
und hoher Geld-
zins ist ein Ansporn zu ausgedehnterer Venwendung des Wechsels.
Freilich, der Wechsel ist nicht so bequem und sicher wie das
Geld, er kann in vielen
Fällen das Geld überhaupt nicht ersetzen, was man daraus
ersieht, daß die Wechsel
bei der Bank gegen Geld eingetauscht (diskontiert) werden, trotzdem
sie sich dabei
einen Abzug gefallen lassen müssen. Das geschähe nicht,
wenn der Wechsel das bare
Geld überall vertreten könnte. Oft aber, besonders im
Großhandel, namentlich als
Rücklage, hat der Wechsel vor dem Bargeld nur wenig Nachteile,
und es genügt dann
eine nur geringe Erhöhung des Geldzinses, damit man den Wechsel
vorzieht.
Der Geldzins wirkt auf den Wechsel wie die Erhöhung der
Bahnfrachten auf die
Benutzung der Schiffahrtskanäle. Je höher der Zins,
um so größer ist der Ansporn, durch
den Gebrauch von Wechseln im Handel die vom Geld geforderte Abgabe
zu umgehen. Aus
demselben Grund muß aber auch alles, was die natürlichen
Nachteile des Wechsels
(dem Bargeld gegenüber) künstlich vermehrt, auch die
Stellung des Geldes stärken
und die Zinsansprüche des Bargeldes erhöhen. Drückt
der Wettbewerb der Wechsel
den Zins des Bargeldes auf 5% herab, so wird dieser Zins auf 5
1/4, 5 1/2 - 6 % steigen,
wenn wir den Gebrauch des Wechsels durch Alarmnachrichten oder
durch Stempel-
abgaben erschweren. Je unsicherer der Wechsel erscheint, um so
höher der Zins; je
mehr der Wechsel durch Stempelabgaben belastet wird, um so höhere
Forderungen
kann sein Mitbewerber, das Bargeld, stellen, um so höher
steigt der Zins. Belasten wir
den Wechsel mit einer Steuer von 1%, so wird auch der Abzug, den
die Bank beim
Einwechseln erhebt (Diskonto), um 1% steigen. Belasten wir den
Wechsel mit 5%
Steuer, so steigt der Abzug von 5 auf 10% (falls die schon genannten
übrigen Mit-
bewerber des Geldes nicht eingreifen).
Bei diesem Sachverhalt erscheint das Benehmen des Staates sonderbar,
der eine Er-
höhung der Wechselstempelsteuer vorschlägt, um seine
Einnahmen zu vermehren, zugleich
aber darüber klagt, daß er seine Anleihen nur zu erhöhtem
Zinsfuß unterbringen kann.
Vielmehr sollte der Staat als Schuldner die Stempelabgaben auf
Wechsel abschaffen, um
den Zins für seine Anleihen heruntersetzen zu können.
Was er an Wechselsteuern weniger
einnähme, würde er an den Zinsen seiner Anleihen hundertfach
wiedergewinnen und zu-
gleich die Zinslasten des Volkes vermindern.
Wenn wir nun umgekehrt statt einer Steuer eine Wechselprämie
(einerlei wie man
sich diese denkt) ausschreiben würden, so versteht sich,
daß mit einer solchen Prämie
der Wechselumlauf auch gefördert und gehemmt werden könnte;
gefördert, wenn die
Prämie steigt, gehemmt, wenn sie ermäßigt wird.
Ist nun die Zinsersparnis, die der Wechselverkehr dem Handel
bietet, keine solche
Prämie, die mit dem Geldzins wächst oder fällt?
Der Wechselverkehr steigt also im gleichen
Verhältnis, wie der Geldzins steigt.
Aber wo Wechsel verkehren, da verkehren auch entsprechende Warenmengen,
nur in
umgekehrter Richtung. Und diese Waren sind wieder für die
Nachfrage nach Geld
verloren. Der Wechsel hat sie dem Gelde abgejagt. Die Nachfrage
nach Bargeld geht
also im gleichen Maße zurück, und entsprechend steigen
wieder die Preise, wie der Wechsel-
verkehr zunimmt, und der Wechselverkehr wächst im gleichen
Maße, wie der Geld-
zins wächst. Auch das wollen wir uns vorläufig merken.
Das Geld ist also nicht unbeschränkter Herrscher auf dem
Markte. Es muß mit Wett-
bewerbern rechnen und kann infolgedessen die Zinsforderungen nicht
beliebig hoch-
schrauben.
Jedoch ließe sich hier einwenden, daß das Geld in
sehr vielen Fällen, namentlich
in unseren heutigen Städten, unentbehrlich ist, daß
das Geld sogar in den meisten Fällen
den größeren Teil der Ware als Entgelt für die
Tauschvermittlung verlangen könnte,
ohne daß esdarum wieder zum Tauschhandel oder zur Urwirtschaft
käme, ja, daß selbst
bei einem Abzug (Diskont) von 50% in sehr vielen Fällen das
Geld nicht durch Wechsel
ersetzbar ist.
Der Wechsel kommt nur von einer Vertrauenshand in die andere.
Er ist nicht teilbar
genug für die Bedürfnisse des Kleinhandels. Er ist an
bestimmte Gesetze, an bestimmte
Zeiten und Orte gebunden. Das alles beschränkt seine Umlaufbahn
auf einen sehr
kleinen Durchmesser.
Und darauf gestützt, könnte man sagen, daß in
allen diesen Fällen das Entgelt für
die Tauschvermittlung sehr viel höher sein müßte
als es wirklich ist, falls die An-
schauung richtig wäre, wonach das Geld den Zins erhebt, weil
es willkürlich den Aus-
tausch der Waren sperren kann.
Aber bei diesem Einwand wird eine Tatsache vergessen, die wir
im vierten Teil dieser
Schrift kennengelernt haben, nämlich, daß eine allgemeine
Preissteigerung das Geld
zu Markte treibt. Eine allgemeine Preissteigerung der Waren bedeutet
ja für alle Geld-
besitzer immer einen der Preissteigerung genau entsprechenden
Verlust, und diesem
Verlust können sie nur entgehen, wenn sie das Geld gegen
Waren anbieten. Eine allge-
meine Preissteigerung ist für das herkömmliche Geld
ein Umlaufszwang, in manchen
Wirkungen ähnlich dem Umlaufszwang des Freigeldes. Durch
Kauf von Waren sucht
man bei einer allgemeinen Preissteigerung den dem Geld drohenden
Verlust - auf
andere abzuwälzen.
Wir können also sagen, daß die Erhöhung des
Geldtributes über eine bestimmte Grenze
hinaus ganz von selbst die Kräfte auslöst, die ihn wieder
herunterdrücken.
Umgekehrt wird, wenn der Geldzins unter diese Grenze fällt,
wegen der dadurch
verringerten Handelsunkosten in vielen Fällen die Arbeitsteilung
eingeführt, wo heute
die Urwirtschaft noch lohnt, und der Geldhandel breitet sich dorthin
aus, wo man sich
noch mit dem Tauschhandel behilft. Gleichzeitig verliert der Wechsel
an Reiz (bei
0 % Zins würde der Wechsel überhaupt verschwinden).
Diese Umstände, also vermehrte
Warenerzeugung (auf Kosten der Urwirtschaft) bei gleichzeitigem
vermehrtem Angebot
von Waren (auf Kosten des Tauschhandels) und vermehrtem Angebot
von Waren gegen
Bargeld (auf Kosten des Wechselverkehrs), würden die Preise
drücken, den Waren-
austausch erschweren, und die entstehenden Verlegenheiten der
Erzeuger würde sich
das Geld wieder mit erhöhten Zinsforderungen nutzbar machen.
Das Spiel der Kräfte, das der Geldzins durch seine Einwirkung
auf die zinsfreien Mit-
bewerber des Geldes und dadurch auf die Preise auslöst, wirkt
also selbsttätig regelnd auf
den Zins zurück, so daß die Höchstgrenze des Geldzinses
auch die Mindestgrenze ist. (Der
Umstand, daß der Wechselzins [Diskont] starke Schwankungen
erleidet, beweist nichts
gegen diesen Satz wie wir noch zeigen werden.)
Der Geldzins fällt also immer notwendigerweise auf den
Punkt zurück, wo durch ihn
Wechselverkehr, Tauschhandel und Urwirtschaft gefördert oder
eingeschränkt werden.
Die Ansicht ist heute noch allgemein, daß der Geldzins durch
den Wettbewerb der
Geldverleiher steigt und fällt.
Diese Ansicht ist irrig. Es gibt unter Geldverleihern keinen
Wettbewerb; er ist sachlich
unmöglich. Stammt das Geld, das die Kapitalisten zu verleihen
haben, aus dem Verkehr,
so stopfen sie mit dem Weiterverleihen dieses Geldes nur die Löcher
zu, die sie beim
Vereinnahmen des Geldes gegraben haben. Sind 10-100-1000 Geldverleiher
da, so
sind auch 10-100-1000 Löcher da, die diese Geldverleiher
in die Umlaufsbahn des
Geldes gegraben haben. Je mehr Geld angeboten wird, um so größer
sind diese Löcher. (9)
Bei sonst unveränderten Verhältnissen muß sich
also immer eine Nachfrage nach Leihgeld
einstellen, die dem Geld entspricht, das die Kapitalisten zu verleihen
haben. Unter solchen
Verhältnissen kann man aber nicht mehr von einem Wettbewerb
sprechen, der den
Zins beeinflussen könnte. Sonst müßte ja auch
der Umstand, daß am Martinstag der
Umzug stattfindet, die Mieten beeinflussen. Aber das ist nicht
der Fall, denn die größere
Anzahl von Wohnungsuchenden entspricht einer gleichen Zahl von
aufgegebenen
Wohnungen. Der Umzug an sich ist ohne jeden Einfluß auf
die Mieten. Und ebenso
verhält es sich beim Wettbewerb der Geldverleiher. Auch hier
handelt es sich nur um
einen Umzug des Geldes.
Ist es aber neues, unmittelbar von Alaska kommendes Geld, das
die Geldverleiher
anbieten, so wird dieses neue Geld die Preise hochtreiben, und
die Preissteigerung wird
alle, die Geld für ein Unternehmen borgen müssen, zwingen,
die Summe um den Betrag
der Preissteigerung zu erhöhen. Statt 10 000 M. wird der
Unternehmer für das gleiche
Haus 11-12-15 000 M. brauchen, und so wird das durch das neue
Geld vermehrte
Angebot auch selbsttätig eine entsprechend vergrößerte
Nachfrage erzeugen, wodurch
wieder der Einfluß des neuen Geldes auf den Zins bald genug
aufgehoben wird.
Die Erscheinung, daß bei Vermehrung des Geldumlaufes (durch
Goldfunde oder
Papiergeldausgabe) der Zinsfuß nicht nur nicht fällt,
sondern im Gegenteil in die Höhe
geht, werden wir noch erklären.
Einen Wettbewerb unter Geldverleihern, der auf den Zins Einfluß
haben könnte, gibt es
also nicht; er ist unmöglich.
Die einzigen Wettbewerber des Geldes, die dessen Macht beschränken,
sind die oben
genannten drei Dinge: Urwirtschaft, Tauschhandel und Wechsel,
die eine vermehrte
Urwirtschaft, vermehrten Tauschhandel und vermehrten Wechselverkehr,
als Folge
erhöhter Zinsforderungen selbsttätig herbeiführen
und damit eine allgemeine Preis-
steigerung der Waren bewirken, die dann die Geldbesitzer nachgiebig
macht. (Zum
besseren Verständnis dieses Satzes sei auf den später
folgenden Abschnitt "Die Be-
standteile des Bruttozinses" verwiesen.)
Zwischen zwei Punkten ist nur eine Gerade möglich; die Gerade
ist die kürzeste, und
die kürzeste ist - auf das Wirtschaftliche übertragen
- auch die billigste.
Die kürzeste Straße aber zwischen Erzeuger und Verbraucher,
und darum auch die
sparsamste, ist das Geld. (Bei der Urwirtschaft geht die Ware
zwar auf noch künerem
Wege geradeswegs von der Hand in den Mund. Dafür ist aber
hier die Erzeugung weniger
ergiebig als bei der Warenherstellung im Wege der Arbeitsteilung.)
Alle anderen Straßen (Tauschhandel, Wechsel), die die Waren
einschlagen mögen, um
den Verbraucher zu erreichen, sind länger und kostspieliger.
Wie würde man auch sonst
105 M. in Wechseln für 100 M. in Geld geben, wenn das bare
Geld dem Wechsel gegen-
über als Tauschmittel keine Vorteile böte?
Aber diese billigste und kürzeste Straße kann der
Geldbesitzer sperren und gesetz-
mäßig gibt er sie nur frei, falls man ihm die Vorteile
bezahlt, die das bare Geld als
gerade Straße den krummen Straßen gegenüber aufweist.
Fordert er mehr als diesen
Unterschied, so schlägt die Ware den längeren Weg ein;
fordert er weniger, so wird das
Geld überlastet, d. h., die Waren, die sonst mittels Wechsel
usw. ausgetauscht wurden,
beanspruchen dann das bare Geld. Die Nachfrage nach Geld wächst,
die Warenpreise
sinken, und bei sinkenden Preisen kann das Geld überhaupt
nicht mehr umlaufen.
Das Geld erhebt den Zins für seine jeweilige Benutzung so,
wie es etwa eine Miets-
kutsche tut. Der Zins wird den allgemeinen Handelsunkosten zugerechnet
und mit
diesen erhoben, - ob durch Abzug beim Erzeuger oder durch einen
Zuschlag beim Ver-
braucher, ist einerlei. In der Regel geschieht es so, daß
der Kaufmann den Preis er-
fahrungsgemäß kennt, den er beim Verbraucher für
die Ware erzielen kann. Von diesem
Preise zieht er die Handelsunkosten, seinen eigenen Arbeitslohn
(den reinen Handels-
gewinn) und den Zins ab. Diesen Zins berechnet er nach der Zeit,
die erfahrungsgemäß
im Durchschnitt bis zum Verkauf der Ware verstreicht. Das, was
bleibt, ist für den
Warenerzeuger. Ist z. B. der Kleinhandelspreis einer Kiste Zigarren
in Berlin zehn Mark,
so weiß der Zigarrenfabrikant in München ganz gut,
daß er diese zehn Mark nicht voll
für sich beanspruchen kann. Er muß für den Händler
in Berlin den Preis so weit herab-
setzen, daß dieser aus dem Unterschied zwischen dem Fabrik-
und Verkaufspreis die
Kosten für Fracht, Ladenmiete und für seine Arbeit bestreiten
kann. Und dann muß
noch etwas übrig bleiben dafür, daß der Händler
"Geld in sein Geschäft stecken" muß.
Dieses Geld kommt der Regel nach mittel- oder unmittelbar von
den Banken und
Sparkassen, die es selbstverständlich nur gegen Zins hergeben.
Diesen Zins muß der
Händler aus dem obigen Preisunterschied herausschlagen. Geht
das nicht bei den heu-
tigen Preisen, nun, so wartet er. Und solange er wartet, muß
auch der Fabrikant auf den
Käufer warten. Ohne eine Abgabe an das Geld zu bezahlen,
gelangt keine Zigarre von
der Fabrik zum Raucher. Entweder ermäßigt der Fabrikant
den Preis, oder der Ver-
braucher erhöht sein Angebot. Dem Kapitalisten ist das gleichgültig.
Den Zins bekommt
er auf alle Fälle. Der Urzins wird also ganz einfach zu all
den übrigen Handelsunkosten
geschlagen. Diese sind im allgemeinen das Entgelt für geleistete
Arbeit. Der Fuhrmann
füttert die Pferde, schmiert die Achsen, schwitzt und flucht.
Es ist nicht mehr als recht,
daß er dafür bezahlt werde. Der Kaufmann hütet
den Laden, bezahlt die Miete, rechnet
und grübelt. Er soll etwas dafür bekommen. Aber der
Bankmann, die Sparkasse, der
Geldgeber - was tun sie? Der König steht am Schlagbaum; er
sperrt die Grenze und
sagt: der Zehnte ist mein! Der Geldgeber steht vor dem Geldschrank;
er sperrt den
Austausch der Waren, die auf den Inhalt des Geldschrankes als
Tauschmittel angewiesen
sind und sagt, wie der König: der Urzins ist mein! Der König
wie der Geldgeber tun
im Grunde nichts, sie sperren nur und erheben einen Zins. Der
Urzins ist also, wie der
Grenzzoll, eine Abgabe, nur mit dem Unterschied, daß der
König mit dem Zoll die
Staatsausgaben bestreitet, während der Geldgeber den Urzins
für sich verwendet. Wir
bezahlen im Urzins also weiter nichts als die Tätigkeit der
Kapitalisten, die darin besteht,
dem Handel Steine in den Weg gewälzt zu haben.
Welcher von den drei Wettbewerbern des Geldes, die dem Geldzins
die Grenzen
ziehen, ist der wichtigere? In entwickelten Handelsgebieten und
gewöhnlichen Zeiten
ist von jenen dreien der Wechsel der wichtigere, während
die beiden anderen für die
weniger entwickelten Länder ausschlaggebend sind. Denkt man
sich z. B. Deutschland
als geschlossenen Handelsstaat mit eigener Papierwährung,
so würde ohne den Wechsel
das Geld schon sehr hohe Ansprüche stellen können ehe
Urwirtschaft und Tausch-
handel genügend stark eingreifen könnten, um die für
die Freigabe des Geldes nötige Preis-
steigerung zu erzeugen. (10) Ja, man könnte annehmen, daß
ohne den Wechsel (dem natürlich
Kreditverkäufe, Stundungen usw. hinzuzurechnen sind) das
Geld in dem angenommenen
Fall die Zinsforderungen bis hart an die Grenze des Nutzens steigern
könnte, den uns
die Arbeitsteilung bietet, was ja schon völlkommen durch
das Aufgeben der Arbeit in
Krisenzeiten bewiesen wird. Den Arbeitslosen helfen Urwirtschaft
und Tauschhandel
nur ganz ausnahmsweise, und dann auch nur in sehr geringem Maße.
So kann ein Arbeits-
loser z. B. seine Hosen selber flicken, er kann sich selbst rasieren
und seine Mahlzeiten
selber bereiten. Er kann sein Brot backen, vielleicht seine Kinder
unterrichten, und statt
ins Schauspielhaus zu gehen, selbst für seine Familie ein
Lustspiel schreiben, wenn der
Hunger die dazu nötige Stimmung bei ihm aufkommen läßt.
Ist also bei uns der Wechsel der wichtigste Zinsregler, so sind
in unentwickelten
Ländern, in Asien und Afrika, in denen der Wechsel keine
große Rolle spielen kann,
Urwirtschaft und Tauschhandel von höchster Bedeutung für
die Regelung des Geld-
zinses. Und daß sie in solchen Ländern wirksam sein
müssen, erkennt man daran, daß
der Geldzins in früheren Zeiten, als die Arbeitsteilung erst
in kleine Kreise des Volkes
eingedrungen war, z. B. zur Zeit der Römer und im Bauernstaat
der Königin Elisabeth
von England, ungefähr der gleiche war wie heute, wie man
das aus den Angaben am
Schlusse dieses Buches ersehen kann.
Diese Gleichmäßigkeit des reinen Geldzinses ist so
auffallend, daß man annehmen
kann, die drei unter sich so verschiedenen und so verschiedene
Kulturzustände voraus-
setzenden Zinsregler (Urwirtschaft, Tauschhandel und Wechselrecht)
müßten sich gegen-
seitig bedingen und ergänzen. So erzeugt z. B. eine schon
hoch entwickelte, nur wenig
mehr ausdehnungsfähige Arbeitsteilung und der dadurch bedingte
Ausschluß von Ur-
wirtschaft und Tauschhandel wiederum die Kultur, die sozialen,
gesetzlichen und Handels-
einrichtungen, bei denen der Wechselverkehr sich ausbilden und
gedeihen kann. Die
36 Milliarden Mark, die 1907 in Deutschland in Wechseln in Umlauf
gesetzt wurden,
geben einen besseren Maßstab für die Entwicklung des
Handels, als das Eisenbahnnetz
und manches andere.
Und umgekehrt sind dort, wo der Kulturzustand den Ersatz des
Geldes durch Wechsel
ausschließt, wieder Urwirtschaft und Tauschhandel die treuen
Wächter, die es ver-
hindern, daß das Geld seinen Zinsanspruch über bestimmte
Grenzen hinaus steigert.
Fassen wir das in diesem Abschnitt Gesagte kurz zusammen:
Der Geldzins ist das Erzeugnis eines selbständigen Kapitals,
d. i. des Geldes, und
läßt sich am besten mit dem Wegesperrgeld vergleichen,
das der Raubritter und bis
in die jüngste Zeit der Staat für die Benutzung der
Straßen erhob. Der Geldzins wird
nicht vom Zins der Sachgüter (Realkapitalien) beeinflußt
(wohl aber umgekehrt) und
der Wettbewerb der Geldverleiher hat keinen Einfluß auf
ihn. Begrenzt wird der Geld-
zins durch den Wettbewerb, den ihm die anderen Tauschmittel (Wechsel,
Tauschhandel
und Urwirtschaft) bereiten.
Beim Geldverleihen wird nur der Besitzer des Geldes gewechselt,
ohne daß dadurch
irgend etwas am Geld geändert wird. So wie es sich gleich
bleibt, ob statt des Mannes
es die Frau ist, die den Schlagbaum fallen läßt und
die Abgabe erhebt. Beim Wechsel
und Tauschhandel dagegen findet kein solcher wesenloser Personenwechsel
statt, sondern
es wird dem Geld ein wirksamer Mitbewerber dadurch geschaffen,
daß den Waren andere
Wege für den Austausch gebahnt werden.
Durch die Preissteigerung, die der Wechsel, die Urwirtschaft
und der Tauschhandel
bewirken, wird der Geldumlauf unter einen wirtschaftlichen Zwang
gestellt, der dazu führt,
daß das Geld auch solchen Waren gegenüber seine Macht
über bestimmte Grenzen hinaus
nicht mißbrauchen kann, die zu ihrem Austausch sich nicht
des Wechsels oder des Tausch-
handels bedienen können. Es geht hier zu, wie bei den Lohnarbeitern,
deren Lohn vom
Arbeitsertrag der Ausgewanderten begrenzt wird, obschon sie nicht
alle mit der Aus-
wanderung zu drohen brauchen (s. Teil I).
Der Geldzins wird von den Waren, also unmittelbar aus dem Kreislauf
von Ware und
Geld erhoben. (Wie zu Anfang gesagt wurde, leugnete Marx diese
Möglichkeit.) Der
Geldzins ist vom Vorhandensein eines von Arbeitsmitteln entblößten
Proletariats voll-
kommen unabhängig. Er würde um nichts geringer sein,
wenn alle Arbeiter mit eigenen
Arbeitsmitteln versehen wären. Der Geldzins würde solchenfalls
den Arbeitern bei der
Übergabe ihrer Erzeugnisse an den Händler (Geldbesitzer)
abgenommen und zwar darum
weil der Händler durch Festhalten des Geldes (ohne unmittelbaren
Schaden für sich)
den Austausch der Erzeugnisse der Arbeiter untersagen und diesen
dadurch einen un-
mittelbaren, unabwälzbaren Schaden zufügen kann, weil
diese Erzeugnisse durchweg und
ohne nennenswerte Ausnahmen täglich an Menge und Güte
verlieren, dabei noch erheb-
liche Kosten für Lagerung und Wartung verursachen.
Diesen Geldzins werden wir von jetzt ab "Urzins" nennen.
(11)
(2) "äquivalent" sind zwei Waren, die in vollständiger
Gleichberechtigung einander
gegenübertreten und ohne Gewinn ausgetauscht werden. Wenn
z. B. ein Wucherer, Sparer
oder Schatzbildner vor der Frage steht, ob er Ware oder Geld hamstern
soll, und er sich
regelmäßig sagen muß, daß das für
seine Zwecke völlig einerlei iat, so sind eine Mark Gold
und eine Mark Ware "Äquivalente". Wenn aber der
Sparer oder Spekulant sich sagt,
daß für seine Zwecke ihm eine Mark Gold lieber ist
als eine Mark Ware, so besteht die
von Marx vorausgesetzte "Äquivalenz" nicht mehr.
(3) Siehe "Die Freistatt", 30. Mai 1918. Bern-Bümplitz.
(4) Alle Waren verderben, zwar mehr oder weniger schnell, doch
verderben sie alle (mit
unerheblichen Ausnahmen, wie Edelsteine, Perlen und einige Edelmetalle).
Das Hüten der
Waren kann deren Vorderben nur verlangsamen, nicht aber verhindern.
Rost, Fäulnis,
Bruch, Feuchtigkeit, Trockenheit, Hitze, Kälte, Würmer,
Fliegen, Käfer, Termiten,
Motten, Feuer usw. arbeiten ohne Unterlaß an der Vernichtung
der Waren. Schließt ein
Warenhausbesitzer sein Haue ein Jahr ab, so kann er getrost 10
oder 20 % seines Kapitals
dieser Verderbnis wegen abschreiben; dazu noch die Kosten für
Miete und Steuern. Schließt
dagegen ein Geldbesitzer seinen Schatz ab, so hat er mit keinerlei
Verlusten zu rechnen.
Sogar der in den Trümmern Trojas gefundene Goldschatz hatte
nicht meßbar an Gewicht
verloren und galt auf der Reichsbank 2790 M. das Kilo. - Im Zusammenhang
hiermit
wird oftmals auf den Wein verwiesen, der beim Lagern wertvoller
wird und somit scheinbar
eine Ausnahme von der allgemeinen Regel darstellt, derzufolge
das Lagern von Waren
immer mit Verlust verknüpft ist. Es handelt sich jedoch beim
Wein, wie bei einigen anderen
Gütern, nicht um fertige Fabrikate, sondern um Naturerzeugnisse,
die beim Einlagern noch
nicht die Entwicklungsstufe erreicht haben, die sie für den
menschlichen Gebrauch ver-
wendbar macht. Der gekelterte Traubensaft, wie er in die Fässer
kommt, ist Most, der
erst ganz allmahlich sich in trinkbaren Wein verwandelt. Diese
Entwicklung, bei der der
Wein erst zur fertigen Ware wird, steigert seinen Wert, nicht
das Lagern an sich, denn
sonst müßte die Wertsteigerung immer weitergehen, was
nicht der Fall ist. Was auf Rech-
nung des Lagerns kommt, bedeutet, wie immer, auch hier nur einen
Verlust, nämlich
Kosten für Lagerraum, Fässer, Flaschen, mehrjährige
Pflege, Auffüllung, Bruch usw.
(5) Der Handelsgewinn ist das, was dem Kanfmann übrig bleibt,
wenn er den Zine seines
Kapitals in Abzug gebracht hat. Der Kaufmann, der nur mit auf
Kredit gekauften Waren
handelt, kann seinen Gewinn als reinen Handelsgewinn betrachten.
Den oben unter 3
bezeichneten Zins muß er an seine Geldgeber abliefern. Er
ist dann nur der Kassenbote
seiner Geldgeber.
(6) Wem es hier noch irgendwie Schwierigkeiten bereitet, einzusehen,
daß der kaufmän-
nische Geldumlauf anderen Gesetzen folgt, als das Geld der Konsumenten,
der möge einen
Augenblick überlegen, wie das Geld der Sparer wieder vom
Verkehr als Tauschmittel:
angezogen wird.
(7) Wenn im Tauschhandel Kartoffeln gegen Fische ausgetauscht
werden, und jeder be-
lastet seine Waren mit 10 % Zins, so heben sich diese Zinsen gegenseitig
auf. Hiermit ist
aber beileibe nicht gesagt, daß bei Anleihen, also nicht
beim Tausch, Zins unmöglich wäre.
(8) Der Tauschhandel ist nicht ganz so schwierig, wie man ihn
allgemein darstellt. Die
Schwierigkeit, die darin besteht, daß jeder, der die Waren
hat, die ich brauche, nicht immer
auch meine Ware benötigt oder nicht gerade in der Menge,
die der von ihm angebotenen,
oft unteilbaren Ware entspricht, ist stark übertrieben worden.
In Wirklichkeit verschwindet
diese Schwierigkeit gleich mit dem Auftreten des Kaufmannes. Denn
der Kaufmann, der
alles kauft, kann darum auch alles verkaufen. Er kann mich immer
mit dem bezahlen,
was ich brauche. Bringe ich ihm einen Elefantenzahn, so kann ich
dagegen in seinem
Warenhaus alle Waren erhalten, die ich brauche, und in genau der
benötigten Menge.
In den deutschen Siedlungen Südbrasiliens wickelt sich heute
noch der Handel in dieser
Weise ab. Die deutschen Siedler erhalten dort nur ausnahmsweise
Geld.
(9) Bei der berühmten Krise, die 1907 urplötzlich über
die Vereinigten Staaten ausbrach,
wer es Morgan, der der Regierung mit 300 Millionen Dollars Gold
"zu Hilfe eilte". Woher
kamen diese Dollars? Es waren nötig gebrauchte Dollars. Morgan
hatte sie vorher dem
Verkehr entzogon und damit selber dem Lande die Verlegenheiten
bereitet, die der Schelm
jetzt, nachdem der Kassensturz eingetreten und die Zwischengewinne
eingeheimst waren,
aus Vaterlandsliebe der Regierung großmütig anbot.
(10) Ich verweise nochmals zum besseren Verständnis für
diesen Satz auf den Abschnitt
am Schlusse dee Buches: Die Bestandteile des Bruttozinses.
(11) Die Bezeichnung "Urzins" für den Geldzins (im
Gegensatz zum Zins der Sachgüter,
Häuser usw.), wird es erleichtern, beide Zinsarten auseinanderzuhalten.