Es klang doch so natürlich, daß auf die Zeit der Blüte
eine solche des Zerfalles folgen
müsse. Da es so in der Natur ist, könne es auch nicht
anders in der Volkswirtschaft sein,
denn der Mensch gehört doch auch zur Natur, so wie alles,
was er macht. Ist der Ameisen-
bau, die Bienenwirtschaft ein Naturerzeugnis, so gehört auch
die Menschen- oder Volks-
wirtschaft zur Natur. Der Mensch wächst und vergeht, warum
sollte die Volkswirtschaft
nicht auch wachsen, um dann in einem Zusammenbruch zu enden? Das
römische Reich
ging zugrunde, darum muß auch die Volkswirtschaft regelmäßig
alle paar Jahre in einer
Krise zugrunde gehen. Auf den Sommer folgt der Winter, ebenso
folgt in der Volks-
wirtschaft auf die geschäftliche Hochflut der Krach.
Das war doch eine schöne, eines Dichters würdige Theorie!
Wie einfach konnte man
damit das verwickelte Problem der Arbeitslosigkeit erklären!
Und einfach muß eine
Theorie sein; das ganze Licht unserer Wissenschaft müssen
wir in einem Brennpunkt
vereinigen, damit es sich Bahn brechen kann durch den Tabaksqualm
und den Bier-
dunst. Wiegenlieder, keine Theorien braucht man für kleine
Kinder.
Dazu diente uns die Krisenlehre: infolge "spekulativer Käufe"
waren die Preise ge-
stiegen, eine "fieberhafte" Tätigkeit entspann
sich auf allen Gebieten; mit Überstunden
und Nachtschichten suchte man der steigenden Nachfrage zu begegnen;
die Löhne
stiegen. Natürlich war das nur ungesunde "Treibhauszucht";
die früh oder spät mit
einem Krach endigen mußte. Und der Krach, die Krise kam.
Es fehlte natürlich die
Nachfrage für eine so ungeheure Menge von Erzeugnissen aller
Art, und wenn die
Nachfrage fehlt, so sinken die Preise. Alles, ohne nennenswerte
Ausnahmen, die Erzeu-
nisse der Industrie, der Landwirtschaft, des Bergbaues, der Forstwirtschaft
- alle
gingen im Preise herunter. Damit stürzte natürlich das
ganze Spekulationsgebäude ein.
Die geldgierigen Arbeiter hatten eben mit ihren Überstunden
den ganzen "Arbeits-
vorrat" aufgezehrt. Der "Lohnfonds" war erschöpft.
Darum fehlte es jetzt an Arbeit,
darum mußten die Arbeiter neben einem Berg von Brot und
Kleidern hungern und
frieren!
Wie überzeugend klang auch die Malthusianische Krisentheorie;
sie hatte nicht
umsonst so viele Liebhaber gefunden: ihr habt die guten Zeiten
zu nichts Besserem
benutzt als zum Hochzeitfeiern, und euer elendes Geschlecht habt
ihr ins Maßlose ver-
mehrt. Wohin man blickt: Kinderwäsche, Windeln, Wiegen. Es
wimmelt auf den Straßen,
in den Schulen, wie in einem Kaninchenstall. Jetzt sind euch in
euren eigenen Kindern
die Lohndrücker bei der Arbeit entstanden. Die niedrigen
Löhne drücken aber wieder
auf die Preise, wobei jedes Geschäft mit Verlust abschließen
muß, jede Unternehmungs-
lust im Keime erstickt wird.
Die Fortpflanzung ist an sich eine Sünde, eine verbotene
Frucht; sie ist mit dem
Schandfleck der Erbsünde behaftet. Aber doppelt sündhaft
ist sie bei so armen Teufeln.
Enthaltet euch, überlaßt die Sache den Heiden, schickt
eure Töchter ins Kloster, dann
werden nicht mehr Arbeiter vorhanden sein, als zur Bewältigung
der Arbeit nötig sind.
Dann werden auch mit den höheren Löhnen die Preise steigen,
was die Unternehmungs-
lust fördert. Maß in allem, in der Gütererzeugung
wie in der Fortpflanzung, sonst haben
wir eben Zuvielerzeugung an Gütern und an Verbrauchern!
Und dann noch diese neueste Theorie, mein eigentliches Glanzstück:
durch die An-
häufung des Reichtums in verhältnismäßig
wenig Händen durch das Mißverhältnis
zwischen Kauf- und Erzeugungskraft der breiten Massen steht der
Verbrauch im Miß-
verhältnis zur Erzeugung. Daher die Überlastung des
Marktes mit unverkäuflichen
Waren, daher die sinkenden Preise, die Arbeitslosigkeit, die Unternehmungsscheu,
die
Krise. Die reichen Leute können ihr Einkommen nicht verzehren,
und die Arbeiter
haben nichts zu verzehren. Wären die Einkommen nur richtig
verteilt, so würden Ver-
brauch und Erzeugung schritthalten, und es könnte darum keine
Krise ausbrechen!
Wie einleuchtend doch das klang! Und auf den Klang, den Schall,
den Rauch kommt
es an. An den Verstand dieser mit der Saugflasche, mit künstlichen
Nährmitteln und
Bier aufgepäppelten und von Sorgen erdrückten Menge
kann man sich doch nicht mehr
wenden. Er hält einen herzhaften Stoß ja gar nicht
mehr aus.
So hatte ich für jede Gesellschaft, für jeden Geschmack
eine Krisentheorie auf Lager.
Stieß ich dabei ausnahmsweise auf ernsthaften Widerspruch,
so flocht ich meine Reserve-
theorie ein, durch die ich die Krise mit der Währung in Verbindung
brachte. Gewöhn-
lich genügte dann schon das Wort "Währung",
um jeden Widerspruch niederzuschlagen.
,Genug, genug!" hieß es; ,wir wissen, was Bamberger
sagte, daß neben der Liebe die
Währungsfrage die meisten Verrückten gemacht hat, und
wir wollen einer Krisentheorie
zuliebe unseren Verstand nicht auf eine vielleicht gefährliche
Belastungsprobe stellen!"
Dabei war gerade diese Theorie verhältnismäßig
die einfachste und auch die beste:
die Waren, so führte ich aus, werden so gut wie ausschließlich
kaufmännisch verhandelt,
d. h. sie müssen zum Zwecke des Austausches an Kaufleute
verkauft werden. Der Kauf-
mann kauft aber die Waren nur unter der Voraussetzung, daß
er sie teurer wird ver-
kaufen können. Der erwartete Verkaufspreis muß höher
stehen als der vom Arbeiter
oder Unternehmer geforderte Einstandspreis. Wenn nun die Warenpreise
Neigung zum
Sinken zeigten, so wußte der Kaufmann überhaupt nicht
mehr, wieviel er bezahlen
oder anlegen durfte, während der Unternehmer ohne baren Verlust
mit seinen For-
derungen nicht unter den Kostenpreis gehen durfte. Beim Verbraucher
ist es anders.
Er kauft und bezahlt den geforderten Preis. Er freut sich, wenn
der Preis fällt; es ver-
drießt ihn, wenn er steigt. Eine Grenze für den Preis
liefert jedoch nur sein eigenes
Einkommen. Der Kaufmann dagegen soll einen Preis erzielen, der
eine bestimmte Höhe,
den Einstandspreis, überragt; ob er aber diesen Preis erzielen
wird, das weiß er nicht.
Der Verkaufspreis ist ungewiß, der Einstandspreis ist aber
mit der Übernahme der Ware
eine feste, bestimmte Größe.
Wenn die Warenpreise im allgemeinen fest sind oder gar steigen,
dann ist alles gut,
dann wird der Erlös wahrscheinlich mit Überschuß
den Einstandspreis decken, und
der Kaufmann kann getrost seine Bestellungen machen. Wenn aber
die Preise sinken,
immer weiter sinken um 1, 2, 5 10, 20, 30%, wie wir das schon
öfter beobachtet haben,
dann verliert der Kaufmann jeden festen Boden unter den Füßen,
und das Vernünf-
tigste was er als vorsichtiger Mann dann machen kann, ist - warten.
Denn nicht bloß
auf Grundlage des Einstandspreises kann der Kaufmann seine Verkaufspreise
berech-
nen, sondern er muß sich dabei auch nach dem, was erzielbar
ist, richten. Und wenn
in der Zeit zwischen Kauf und Verkauf der Waren die Einstandspreise
fallen, so muß
auch er mit den Verkaufspreisen heruntergehen, und er hat einen
Verlust. Also ist das
beste in solchen Zeiten niedergehender Preise, mit dem Kauf zu
warten. Die Waren
werden also kaufmännisch nicht durch den Bedarf als Triebkraft
ausgetauscht, sondern durch
die Aussicht auf Profit.
Aber dieses "Warten", die Verzögerung in den gewohnten
Bestellungen des Kauf-
mannes bedeutete eine Absatzstockung für den Unternehmer,
und da dieser meistens
auf regelmäßigen Absatz angewiesen ist, weil er die
Waren, des Raumes und der Fäulnis
wegen, nicht auf Lager nehmen kann, so entließ er seine
Arbeiter.
Aus Mangel an Arbeit und Geld konnten nun wiederum diese Arbeiter
nicht kaufen,
wodurch dann die Preise noch weiter sanken. Und so war durch den
Niedergang der
Preise ein "circulus vitiosus", ein fehlerhafter Kreis
entstanden.
Darum, so lautete die Nutzanwendung, müssen wir verhüten,
daß die Preise sinken;
wir müssen mehr Geld herstellen damit es nicht an Geld fehlt,
um die Waren zu kaufen,
damit angesichts der großen Barbestände der Banken,
der großen Barvorräte der Privat-
leute, kein Kaufmann sich mehr vor Geldmangel, vor einem Preissturz
zu fürchten
braucht.
Also die Doppelwährung oder Papiergeld!
Im Grunde genommen befriedigte mich selbst ja keine einzige dieser Theorien.
Die
erste Theorie, die die Krise als eine Art Naturereignis betrachtet,
ist eigentlich zu naiv,
um eine Widerlegung zu verdienen. Die zweite Theorie, die das
Wucherspiel, das
Gründertum für die Krise verantwortlich machen will,
untersucht nicht, ob die Geld-
vorräte der Privatleute und Wucherspieler, ohne die ja die
Gewinnjagd (Spekulation)
nicht möglich wäre, nicht eigentlich die Ursache dieses
Wucherspiels und infolgedessen
auch Ursache der Krise sind. Was hat es für einen Sinn, eine
Reichsbank zu gründen,
ihr das Alleinrecht der Notenausgabe zu verleihen, damit sie "den
Geldumlauf den
Bedürfnissen des Verkehrs anpassen" kann, wenn es einfach
von der "Spekulation"
abhängt, trotz Notenmonopol und Reichsbank die Preise hochzutreiben,
so oft es
ihr beliebt? Und weil diese Theorie an dieser Frage vorübergeht,
schlägt sie den
falschen Weg ein, Wünsche statt Forderungen auszudrücken.
Man möge doch in
Zukunft alle Spekulation unterlassen, das ist alles, was sie als
Schutz vor Krisen zu
empfehlen weiß.
Diese Theorie untersucht auch nicht, wo der eigentliche Beweggrund
der "fieber-
haften Tätigkeit, der Überstunden und Nachtschichten"
ist. Denn ohne diese gesteigerte
Arbeit würde alles Wucherspielen im Sande verlaufen. Was
würde es nützen, wenn der
Unternehmer dem Arbeiter Überstunden vorschlüge und
dieser ihm antwortete: meine
jetzige Arbeitszeit genügt, um meine Bedürfnisse zu
decken. Wenn also der Arbeiter
sich heute zu der "fieberhaften Tätigkeit" bereit
erklärt, so kommt das nur davon,
daß er fieberhafte Bedürfnisse hat, die er mit dem
Lohn aus den Überstunden befrie-
digen will. Ist aber die Nachfrage ebenso fieberhaft wie das Angebot,
wie kann es dann
zur Krise kommen? Die Spekulation, die die Geldrücklagen
auf den Markt bringt,
erklärt nur die allgemeine Preissteigerung, 1äßt
aber die Frage unbeantwortet, warum
der Verbrauch nicht schritthält mit der Erzeugung, und warum
der Absatz gewöhnlich
urplötzlich abfällt.
Diese Nichtbeantwortung der Frage, warum Verbrauch und Erzeugung
sich nicht
regelmäßig ausgleichen, ist ja der gemeinsame wunde
Punkt aller meiner Theorien, aber
am lautesten schreit diese Frage um Antwort bei der dritten Theorie,
der Übervölkerungs-
theorie. Hier wird als Ursache der Krise die Überproduktion
infolge Übervölkerung
angegeben, was doch so viel heißt wie: die zu großen
Brote kommen von dem zu großen
Hunger! Offenbarer Unsinn, besonders, wenn man bedenkt, daß
die Waren zum Zwecke
des Austausches erzeugt werden, und daß die hungernden Arbeiter
fähig und willig
sind andere Erzeugnisse für die von ihnen benötigten
im Tausch zu geben. Handelt es
sich nur um eine einseitige Zuvielerzeugung (z. B. Särge)
so bedürfte die Sache über-
haupt keiner Erklärung, aber von allem ist zuviel vorhanden,
von landwirtschaftlichen
Erzeugnissen sowohl, wie von gewerblichen.
Ebenso unbefriedigend ist die Theorie, die den Minderverbrauch
verantwortlich
machte für die Krise; den Minderverbrauch infolge ungleicher
Verteilung des Ein-
kommens. Sie erklärte nicht, warum der Absatz heute ins Blaue
hinein wächst, um nach
einer Weile urplötzlich abzufallen, warum einer ständigen,
gleichmäßigen Ursache (hier
also die ungleiche Verteilung des Einkommens) eine stoßende
Wirkung (geschäftliche
Hochflut und Krise) gegenüberstand. Wäre jene Verteilung
des Einkommens die Ur-
sache der Krise gewesen, so müßte sich diese als eine
ununterbrochene schleichende
Erscheinung dargeboten haben, als Arbeiterüberschuß
von unantastbarem ehernem
Bestande, also als das Gegenteil von dem, was man beobachtete.
Aber auch die Annahme, daß das Einkommen der wohlhabenden
Volksschichten all-
gemein ihre persönlichen Bedürfnisse übersteige,
war unzutreffend, wie ja die Boden-
verschuldung der Groß- und Kleingrundbesitzer, die Not der
Grundrentner, ihre Bettelei
um Staatsschutz beweisen. Die Bedürfnisse kennen überhaupt
keine Grenzen; das geht
ins Unendliche. Die Bedürfnisse der Weber im Eulengebirge
waren doch mit Kartoffel-
schalen nicht eigentlich befriedigt, und mit der Herzogswürde,
die die amerikanischen
Könige für ihre Töchter erwarben und mit Milliarden
bezahlten, war deren Würde-
bedürfnis noch ungesättigt. Sie strebten nach der deutschen
Kaiserkrone und häuften
Milliarde auf Milliarde, arbeiteten Tag und Nacht, sparten vielleicht
am eigenen und
sicher am Leibe ihrer Arbeiter, um diese Krone zu erreichen. Und
wenn sie diese erreicht
gehabt hätten, dann wäre ein kleiner, schwarzer Pfaff
gekommen und hätte gesagt, das
alles wäre vergänglich, sie sollten arbeiten, sparen,
Milliarden sammeln und sie der
Kirche vermachen, auf daß sie würdig befunden würden,
einzutreten in das Reich Gottes.
Zwischen Kartoffelschalen und dem Opferstock der Kirche ist ein
Meer von Bedürf-
nissen, das alles verschlingt, was die Meitschen erzeugen können.
Auch ist kein Mensch
so reich, daß er nicht darauf bedacht wäre, noch reicher
zu werden; im Gegenteil, die
Geldgier wächst mit dem Erfolg im Erwerb. Wie wären
sonst die gewaltigen Vermögen
in der Neuzeit zustande gekommen, wenn ihre Besitzer bei der ersten
Million gesagt
hätten: wir haben jetzt genug erworben, wir wollen andere
arbeiten lassen! Kein reicher
Mann ließ seine Überschüsse brach liegen, solange
sich Gelegenheit für eine gewinn-
reiche Anlage bot. Der Zins war allerdings die Voraussetzung der
Geldausgabe der
Kapitalisten, aber in dieser Beziehung handelte der reichste Mann
nicht anders als der
kleinste Sparer. Kein Zins - kein Geld, so hieß es auf der
ganzen Linie. Alle machten
das Wiederausgeben der Geldüberschüsse abhängig
vom Zins, und wenn wir alle Bürger
in bezug auf ihr Einkommen gleichgestellt hätten, so würden
wir nichts an der Tat-
sache geändert haben, daß der Sparer, der, mehr Waren
erzeugte und verkaufte, als er
verbrauchte, den Geldüberschuß nicht eher wieder in
Umlauf brachte, bis ihm Zins
bezahlt wurde: Es mußte sich also durch die Tätigkeit
der Sparer jedesmal ein Waren-
überschuß mit Absatzstockung und Arbeitslosigkeit zeigen,
sobald Handel und Industrie
keinen Zins abwarfen. Die Ursache der Krise lag also darin, daß
einerseits die Kapi-
talisten die Geldanlage vom Zins abhängig machten, anderseits
darin, daß, wenn der
Vorrat an Häusern, Maschinenanlagen und sonstigen Arbeitsmitteln
eine bestimmte
Grenze überschritt, dann auch der Zins fiel, den diese einbringen
müssen, um das in
ihnen verausgabte Geld zu verzinsen. (Der Wettbewerb der Hausbesitzer
den Mietern
gegenüber wirkt wie der Wettbewerb der Besitzer gewerblicher
Unternehmungen den
Arbeitern gegenüber: er drückt auf den Zins. Hier setzt
er den Mietzins herunter, dort
setzt er den Arbeitslohn herauf.) Traf nun letzteres ein, so konnten
die Unternehmer
den geforderten Zins nicht zahlen, und die Kapitalisten hatten
keinen Anlaß, das Geld
ohne Zins herzugeben. Sie warteten dann lieber die Krise ab, die
die Lage klären und
den alten Zinssatz wieder herstellen würde und erfahrungsgemäß
auch wieder herstellte.
Sie zogen es vor, für kurze Zeit ganz auf den Zins zu verzichten,
um dadurch in den
Genuß eines höheren Zinsfußes zu gelangen, anstatt
ihr Kapital zu niedrigem Zinsfuß
auf lange Jahre festzulegen. Ein gewisser Mindestzins ließ
sich durch einfaches Warten
immer erpressen.
Also mit dem Mißverhältnis zwischen Verbrauch und
Einkommen der wohlhabenden
Klassen, zwischen Kaufkraft und Erzeugungskraft der Arbeiter als
Ursache der Krise,
ist es nichts.
Der wirklichen Ursache der Krise am nächsten kam die zuletzt
erwähnte Theorie,
die die Krise mit der Währung in ursächlichen Zusammenhang
brachte.
Daß; solange die Preise abwärts neigten und der Verkauf
der Waren nur Verluste
brachte, niemand daran dachte, neue Unternehmungen zu begründen
oder bestehende
zu erweitern, daß auch kein Kaufmann Waren kaufte, um sie
unter dem Einstands-
preis losschlagen zu müssen, und daß unter solchen
Verhältnissen eine Krise un-
vermeidlich wurde, ist ja klar und einleuchtend. Aber diese Theorie
beantwortet die
Frage eigentlich nur mit neuen Fragen. Sie erklärt richtig
die Krise als gleichbedeutend
mit einem allgemeinen Preisrückgang, aber sie gibt keine
befriedigende Auskunft auf die
Frage, woher der Preisrückgang kam. Zwar behauptete sie,
das Sinken der Preise käme
von einem Mangel an Geldvorrat, und darum schlug sie auch eine
Vermehrung der
Geldherstellung (Doppelwährung, Papiergeld) vor; aber der
Nachweis fehlt, daß mit
oder nach Vermehrung des Geldvorrats auch das Angebot dieses Geldes
sich dem An-
gebot von Waren anpassen würde, namentlich, ob auch dann
Geld angeboten werden
würde, wenn der Zins herunterginge.
Und darauf käme es doch an.
Dies sah man übrigens auch ein, und darum schlug man vor,
das Geld völlig von
jedem Metall zu trennen (Aufhebung des Prägerechtes für
Silber und Gold), um dann
die Geldherstellung (nicht Geldangebot) so zu regeln, daß,
wenn die Preise fielen, die
Geldanfertigung vermehrt und umgekehrt bei steigenden Preisen
der Geldvorrat (nicht
Geldangebot) vermindert werden sollte. Man dachte auf so einfache
Weise das Geld-
angebot der Nachfrage jederzeit anpassen zu können.
Man hat diesen Vorschlag nie ausgeführt, und es ist gut,
daß man es nicht tat, denn
man wäre damit nur durchgefallen. Denn die diesen Vorschlag
machten, sahen Geld-
vorrat und Geldangebot als gleichbedeutend an, sie glaubten, daß,
weil einem großen
Kartoffelvorrat auch ein gleich großes Kartoffelangebot
entspricht, dies auch so mit
dem Gelde sein müsse. Dies ist aber durchaus nicht der Fall.
Das Kartoffelangebot,
wie überhaupt das Warenangebot entspricht genau dem Vorrat,
weil die Aufbewahrung
mit schweren Unkosten verbunden ist. Wäre das frühere
Geld so beschaffen gewesen,
wie die Waren im allgemeinen, d. h. hätte man das Metallgeld
nur mit Verlust aufbe-
wahren können, dann wäre ein Rückschluß vom
Vorrat auf das Angebot ganz am Platze
gewesen. Aber das war bekanntlich nicht der Fall. Über das
Angebot ihres Geldes ver-
fügten die Inhaber unumschränkt. Und es wurde kaufmännisch
und kapitalistisch kein
Pfennig in Umlauf gesetzt, wenn kein Zins dabei herauskam. Kein
Zins - kein Geld,
mag der Geldvorrat noch so groß sein, mag man den Geldvorrat
verhundertfachen.
Nehmen wir nun an, daß mit einer solchen Reform der Notenbanken
das Ziel (die
Beseitigung der schleichenden wie auch der schnell verlaufenden
Krisen) erreicht worden
wäre, so würde sehr bald der Augenblick gekommen sein,
wo das Land mit Häusern,
Maschinenanlagen usw. derart gesättigt gewesen wäre,
daß sie den gewohnten Zins nicht
mehr hätten einbringen können. Dann würde das alte
Spiel wieder von vorn begonnen
haben: die Sparer und Kapitalisten hätten, nicht mit dem
Zins heruntergehen wollen
und die Unternehmer würden den alten Zinsfuß nicht
haben zahlen können. Durch die
Erfahrung von 2000 Jahren wissen die Geldbesitzer, daß sie
je nach der Anlage 3-4-5%
für ihr Geld erzielen können und daß sie nur eine
Weile zu warten brauchen, um diesen
Zinsfuß zu erzielen. Also warten sie.
Während die Geldbesitzer nun warten, fehlt natürlich
die Nachfrage nach Ware, und
die Preise sinken. Dieses Sinken der Preise macht wieder den Handelsstand
stutzig, der
nun auch in Erwartung der Dinge, die da kommen könnten, mit
den Bestellungen zu-
rückhält.
So ist also sofort wieder die Absatzstockung, die Arbeitslosigkeit,
die Krise fertig -
trotz dem großen Geldvorrat.
Allerdings wurde vorgeschlagen, daß der Staat in solchen
Fällen den Unternehmern
das Weiterarbeiten ermöglichen solle, indem er ihnen unmittelbar
Geld zu billigerem
Zinsfuß, nötigenfalls zinsfrei liefere. So hätte
der Staat immer wieder durch Neuausgabe
das Geld ersetzt, das die Sparer und Kapitalisten dem Verkehr
entzogen; aber wo hätte
ein solches Vorgehen hingeführt? Auf der einen Seite bei
den Kapitalisten Berge von
Papiergeld, für das die Verwendung fehlt, auf der anderen
Seite in den Staatskassen
entsprechende Berge von Pfandbriefen und Wechseln, und zwar langfristigen
Wechseln
und unkündbaren Pfandbriefen, wie sie die Unternehmer brauchen!
Die bei den Privaten aufgestapelten Berge von Papiergeld (schließlich
hätte das ge-
samte Privatvermögen diese Form angenommen) konnten jeden
Tag durch irgendein
Ereignis in Bewegung geraten und da dieses Geld nur auf dem Markte
im freien Verkehr
mit Waren einlösbar sein sollte, so hätte sich diese
Papiergeldmasse in eine plötzliche
ungeheure Nachfrage umgewandelt, gegen die der Staat mit den Pfandbriefen
und lang-
fristigen Wechseln nicht hätte ankämpfen können.
So wären denn die Preise ins Blaue
hinein gestiegen.
Es ist nun ein Glück, daß wir mit dem Freigeld dieser
Gefahr entronnen sind, denn
das klägliche Scheitern dieser Reform würde natürlich
wieder ausgebeutet worden sein
gegen die Theorie des Papiergeldes, und so wären wir wieder
auf Jahrhunderte zurück-
geworfen worden in die Barbarei des Metallgeldes.
Das Freigeld macht das Angebot des Geldes von jeder Bedingung
unabhängig; so
viel Geld vom Staate in Umlauf gesetzt wurde, so viel Geld wird
angeboten. Was man
bisher beim Gelde als selbstverständlich voraussetzte, nämlich
daß, wie bei den Kartoffeln,
das Angebot dem Vorrat stets entsprechen müsse, das mird
mit dem Freigeld erst zur Tat-
sache : Geldangebot = Geldvorrat. Das Geldangebot geht nicht mehr
neben dem Geld-
vorrat einher, es bedeutet keine Willkürsache mehr; Wille
und Wünsche sind einflußlos
auf das Geldangebot geworden. Die Quantitätstheorie ist jetzt
vollkommen richtig, und
zwar die einfache, naive, auch die "rohe" genannte Quantitätstheorie.
Wie könnte es unter solchen Umständen noch zu einer
Krise kommen? Geht auch
der Zins herunter, fällt er gar auf und unter Null, das Geld
wird dennoch angeboten;
und gehen die Preise herunter, so hebt sie der Staat einfach wieder
durch Vermehrung
des Geldvorrats. Die Nachfrage hält also stets und unter
allen Umständen dem Angebot
die Wage.
Wenn somit das Freigeld die Krisen unmöglich macht, so müssen
wir notwendiger-
weise die Ursachen der Krisen in dem Punkte suchen, wo das frühere
Geldwesen sich
vom Freigeld unterscheidet. Und dieser Punkt liegt in der Verschiedenheit
der Beweg-
gründe, die das Geldangebot jetzt beherrschen, und derjenigen,
die es früher beherrschten.
Der Zins war früher selbstverständliche Voraussetzung
des gesamten Geldumlaufes;
jetzt wird das Geld auch ohne Zins angeboten.
Bei einem eingetretenen allgemeinen Preisrückgang, der schon
ein ungenügendes Geld-
angebot anzeigte, wurden die Privatgeldvorräte zurückgezogen
(weil niemand bei fallen-
den Preisen kaufmännisch Waren erwirbt, noch auch ohne Verlustgefahr
erwerben kann).
Die Folge war, daß der allgemeine Preisrückgang oft
in ein rasendes, allgemeines Zu-
geldemachen mit entsprechendem Preissturz übergehen mußte;
jetzt dagegen wird das
Geld unter allen denkbaren Verhältnissen angeboten.
Bei einer einsetzenden allgemeinen Preissteigerung, die schon
ein zu großes Geld-
angebot anzeigte, wurden alle Privatgeldvorräte auf den Markt
gebracht, weil jeder an
der allgemein erwarteten weiteren Preissteigerung mit möglichst
großen Beständen an
Waren und Papieren beteiligt sein wollte, wodurch dann das Erwartete
auch eintreten
mußte und die Preise bis zu der von dem Angebot sämtlicher
Privatgeldvorräte ge-
zogenen Höchstgrenze stiegen; jetzt können die Preise
überhaupt nicht mehr steigen, weil
es keine Privatgeldvorräte mehr gibt.
Für die Höhe des Geldangebots, für die Beantwortung
der Frage, ob der Kapitalist
kaufen sollte oder nicht, waren Ansichten, Meinungen, Gerüchte,
falsche und echte
Nachrichten, oft nur das Mienenspiel eines Herrschers, maßgebend.
Trafen gutes Wetter
und gute Verdauung "tonangebender" Börsenmänner
mit irgendeiner günstigen Nach-
richt zusammen, so schlug auch schon die "Stimmung"
um, und die, die noch gestern
verkauften, waren heute Käufer geworden. So war das Angebot
des Geldvorrats wie ein
Rohr, das der Wind hin- und herbewegt. Daneben noch das Zufällige
der Gelderzeugung
selbst. Fand man Gold, - gut; fand man keins, so mußte man
sich eben bescheiden.
Während der ganzen Dauer des Mittelalters, bis zur Entdeckung
Amerikas, war der
Handel auf die von den Römern ererbten Gold- und Silberbestände
angewiesen, weil
alle damals bekannten "Fundstätten" erschöpft
waren. Handel und Verkehr gingen auf
das kleinste Maß zurück, weil die Arbeitsteilung sich
wegen Mangels an Tauschmitteln
nicht entfalten konnte. Seit der Zeit hat man ja viel Gold und
Silber "gefunden", aber
wie unregelmäßig sind diese "Funde"! Es sind
eben Funde.
Zu diesen Schwankungen in den "Goldfunden" traten dann
noch die Schwankungen
in der Währungspolitik der verschiedenen Länder, die
bald die Goldwährung mittels
auswärtiger Goldanleihen (Italien, Rußland, Japan)
einführten und so den auswärtigen
Märkten Riesensummen entzogen, bald aber die Papierwährung
einführten und dann
das Gold wieder auf die fremden Märkte abstießen.
So war das Geldangebot Spielball der verschiedensten, sich kreuzenden Umstände.
Und hierin besteht der Unterschied zwischen dem früheren
Geldwesen und dem
Freigeld; in diesem Unterschied müssen wir die Ursache der
Wirtschaftskrisen erkennen.