Was war früher die "Mark deutscher Reichswährung",
die mir der Staat, die Ge-
meinden, der Privatmann schuldeten in Form von Staatsschuldscheinen,
Wechseln,
Pfandforderungen, Schuldverschreibungen? Niemand wußte darübcr
Auskunft zu geben,
und wenn man mich gefragt hätte, ich hätte es auch nicht
sagen können.
Der Staat machte aus Gold Geld, solange die Mehrheit im Reichstage
damit einver-
standen war. Aber er konnte auch eines Tages sagen: wir heben
das freie Prägerecht
für das Gold auf und erklären das Gold als Geld außer
Gebrauch; wie es übrigens mit
dem Silber geschah, und wie man es jetzt bei Einführung des
Freigeldes getan hat.
Man hat sich bei beiden Neuerungen zu der Ansicht bekannt, daß
der Taler kein Häufchen
Silber und die Mark kein Körnchen Gold war, sondern Geld,
und daß bei Aufhebung
des Prägerechtes der Staat die Inhaber und Gläubiger
des Geldes vor Schaden zu be-
wahren hat.
Der Staat hätte auch anders handeln können; er braucht
für seine Zwecke das Gold
nicht, er übernimmt es nur, um die Münzen einzuschmelzen
und dann meistbietend
für gewerbliche Zwecke zu verkaufen. Und dieser Verkauf,
trotzdem er sehr vorsichtig
betrieben wird, bringt dem Staat bedeutend weniger Papiergeld
ein, als er selbst dafür
gegeben hat. Jedoch liegt nicht hierin die Bedeutung der Sache,
sondern in der Aner-
kennung, daß auch unsere Geldforderungen (Staatsanleihen,
Grundschulden, Schuldver-
schreibungen, Wechsel usw.), die die baren Metallbestände
vielleicht 100 mal übersteigen,
und von denen manche erst in 100 Jahren fällig sind, auch
in Papiergeld bezahlt werden
sollen, und zwar auf Heller und Pfennig, eine Mark in Freigeld
für eine Mark in Gold.
Ich bin also in dieser Beziehung völlig sichergestellt.
Ich weiß jetzt, was eine Mark
d. R.-W. ist, daß ich das, was ich in Waren für eine
Mark gegeben, auch immer in Waren
dafür erhalten soll, heute, morgen, immer. Ich erhalte weniger
Zins als früher, und
vielleicht erhalte ich mit der Zeit gar keinen Zins mehr, aber
mein Eigentum ist mir
wenigstens sichergestellt. Was nützen die Zinsen, wenn das
Kapital immer auf dem
Spiele steht? Wie gingen doch mit den Preisen der Waren auch die
Kurse der Industrie-
papiere auf und ab, und allgemein anerkannt war der Satz, daß
es schwerer hielt, ein
Vermögen zu erhalten, als ein Vermögen zu erwerben.
Die großen Vermögen der Wucher-
spieler setzten sich aus den Trümmern der Vermögen anderer
zusammen. Und von den
Goldfunden, von der Möglichkeit großer Goldfunde wollen
wir gar nicht reden. Die
Wissenschaft konnte jeden Tag der Herkunft des Goldes auf der
Erdoberfläche auf die
Spur kommen und dann diese Spur verfolgen. Auch wurde von der
Einheit des Stoffes
gesprochen, und man versicherte, daß das Gold nur eine besondere
Form dieses Stoffes
sei. Man mußte also darauf gefaßt sein, daß
man eines schönen Tages jeden beliebigen
Stoff in Gold "umformen" würde. Eine heikle Geschichte!
"Neunzig Tage von heute
ab zahlen Sie an meine Order die Summe von tausend Mark d. R.-W:,
so lauteten
die Wechsel in meiner Mappe. "Warten Sie", sagt nun
der Schuldner, "hier ist etwas
Asche im Ofen, ich will Ihnen die M. 1000 d. R.-W. gleich anfertigen.
Ich brauche
hier nur auf den Knopf zu drücken. Hier, sehen Sie, hier
sind die M. 1000 in Gold,
es ist sogar etwas mehr geworden!"
Und dabei unsere Gesetze, die für ähnliche Fälle
nichts vorgesehen hatten und eine
in Zukunft vielleicht notwendig werdende neue Begriffsbestimmung
für die "Mark
d. R.-W." dem Ermessen der Volksvertretung überließen,
einer Vertretung, die vielleicht
in der Mehrheit aus unseren Schuldnern bestehen könnte. (l)
Noch gefährlicher erschien mir meine Lage als Gläubiger,
wenn ich an die Möglich-
keit dachte, daß andere Staaten die Goldwährung abschaffen
könnten, während unser
Staat die freie Prägung aufrechterhielte. Denken wir uns
nur den Fall, die Vereinigten
Staaten hätten die widerspruchsvolle Frage, ob Silber oder
Gold zum Ausmünzen nach
den Gesetzen zugelassen werden soll, in dem Sinne entschieden,
daß, um unparteisch
den Gläubigern und Schuldnern gegenüber zu bleiben,
beide Metalle entmünzt werden
müßten, falls sie beide miteinander sich nicht vertragen
konnten. Dies wäre sicherlich
das Vernünftigste gewesen; um die Widersprüche in den
Währungsgesetzen der Ver-
einigten Staaten zu beseitigen und um das Gesetz vor dem Vorwurf
der Parteilichkeit
zu schützen. Aber wohin hätte das geführt? Die
in Amerika nutzlos gewordenen Gold-
massen würden sich über Deutschland ergossen und hier
alle Preise in die Höhe ge-
trieben haben, vielleicht um 50%, möglicherweise auch um
100 und 200%, so daß ich
an meinem Kapital durch die allgemeine Preissteigerung einen größeren
Verlust erlitten
hätte, als ich jetzt durch den Rückgang des Zinsfußes
erleide.
Es war also eine gefährliche Kapitalanlage, die Anlage in
Papieren, die in Mark d. R.-W.
zahlbar waren. Doch jetzt ist alle Gefahr vorüber. Ob die
Vereinigten Staaten zur Papier-
oder Doppelwährung übergehen, ob die Bank von England
ihre Goldbestände in Umlauf
setzt, ob Japan und Rußland die Goldwährung aufrecht
erhalten, was ficht uns das an?
Ob viel, ob wenig Gold "gefunden" wird, es wird dafür
kein Pfennig mehr, kein Pfennig
weniger Geld in Umlauf gesetzt; ob das vorhandene Gold angeboten
wird oder nicht,
was kann das der deutschen Währung noch verschlagen? Unter
allen Umständen erhalte
ich für eine Mark d. R.-W. an Waren soviel wie ich selbst
dafür gab, denn so ist der
Begriff "Mark d. R.-W." jetzt gesetzlich und wissenschaftlich
bestimmt worden. Und
wenn die Volksvertretung schließlich auch in ihrer Mehrheit
aus Schuldnern bestünde,
die einen persönlichen Vorteil davon hätten, die Mark
zu verkleinern, sie könnten ihren
Gelüsten nicht ohne offenen Treubruch und ohne Diebstahl
frönen. "Hier ist der Durch-
schnittspreis aller Waren, ein fester unveränderlicher Maßstab
für das Geld. Nun habt
ihr die Mark verkleinert, jedermann sieht's und kann es nachmessen.
Ihr tatet das zu
eurem persönlichen Vorteil, um weniger zurückzugeben,
als ihr schuldet! Diebe seid
ihr Diebe, Diebe!"
Aber bei hellichtem Tage, vor jedermanns Auge stehlen, das tut
man nicht. Im trüben,
heißt es, ist gut fischen! Trüb war die Währung
früher, ein Goldland für Diebe; jetzt
ist das Wasser geklärt und für jedermann durchsichtig.