Natürlich hat durch das Zusammenwitken all dieser Umstände
der Handel sich ganz
außerordentlich vereinfacht, und während früher
nur die tüchtigsten unter den Ge-
schäftsleuten den Gefahren des Borgwesens entgingen und für
sich die Vorteile der
Stundung genossen; während man früher überhaupt
nur die wirtschaftlich tüchtigsten
Bürger, fleißige, sparsame, ordnungsliebende, rührige
Männer für den Handel gebrauchen
konnte, kann jetzt eigentlich auch der einfachst begabte Mensch
Handel treiben. Kein
Lager, keine Wage, keine Irrtümer, keine Buchführung,
keine Abschätzung des Bedarfs.
Dabei Barzahlung, bares Geld bei Ablieferung der Ware; keine Wechsel,
keine Schecks,
kein Humbug, sondern bares Geld! Nicht einmal eine Rechnung wird
verlangt. Hier
die Kiste, der Sack, hier das Geld; die Sache ist erledigt, vergessen,
und nach neuen
Geschäften kann der Kaufmann ausschauen.
Eine solche Arbeit kann schließlich jeder Handlanger venichten,
und nach den Ge-
setzen des Wettbewerbs muß damit auch der Lohn dieser Arbeit
auf den Lohn der
Handlangerarbeit fallen!
Was soll also noch der Konsumverein? Sein Zweck, die Verminderung
der Handels-
unkosten, ist mit der Geldreform erledigt. Wen soll noch der Verein
vereinen? Unser
Verein bestand aus einer Auslese derjenigen Verbraucher, die imstande
waren, bar zu
bezahlen, und deren Einkäufe gleichzeitig bedeutend genug
waren, um den weiten Weg
zu unserer Niederlage zu rechtfertigen. Durch die Entwicklung,
die der Handel ge-
nommen hat, ist aber keine solche Auslese mehr möglich, weil
jeder heute als Verbraucher
diese Eigenschaften besitzt, weil alle bar zahlen, weil alle ihre
Einkäufe postenweise
besorgen. Wäre etwa in Afrika ein Verein von Negern, in München
ein Verein von Bier-
trinkern möglich? Aus demselben Grunde hat die Geldreform
den Konsumvereinen
die Daseinsbedingungen entzogen.
Übrigens geht auch nicht viel mit den Einkaufsgenossenschaften
verloren. Als Pflanz-
stätte gemeinsinniger Gedanken haben sie sich nicht bewährt,
weil sie schon als Verein
sich in Gegensatz zum übrigen Volke setzten. Früher
oder später wären sie auch mit dem
natürlichen Gegengewicht, mit dem Verein der Erzeuger in
Kampf geraten, und dabei
würden in Lehre und Ausübung Fragen aufgeworfen worden
sein, die allein mit allge-
meiner Gütergemeinschaft, mit der Abschaffung des Eigentums
in allen Ländern hätten
gelöst werden können. Welchen Preis z. B. wird der Verband
deutscher Konsumvereine
dem Verbande deutscher Pantoffelfabrikanten bewilligen wollen?
Allein die Polizei
könnte diese Frage beantworten.
Und konnten wir eigentlich auf unsere Erfolge stolz sein? Mich
beschleicht jedesmal
eine leise Beschämung, wenn ich überlege, daß
wir zwar vielen kleinen und kleinsten
selbständigen Menschen das Brot genommen, daß wir aber
nicht einen einzigen Börsen-
spekulanten, Getreidehändler usw. verdrängt haben. Dort
aber hätten wir unsere Kraft
zeigen sollen - an der Börse!
Wer denkt hier nicht an L. Richters Bild von der Käsehändlerin!
Und wer verwünscht
nicht eine "gemeinsinnige Gesellschaft, die ihre Macht
nur nach unten, an den Kleinen
zeigt? Da lobe ich mir das Freigeld, das zwar auch die Kleinkrämer
beseitigt, aber auch
in gleichem Maße nach oben, und namentlich an der Börse
sich fühlbar macht.
Auch kann man nicht leugnen, daß der Einrichtung im ganzen
höchst bedenkliche
Triebkräfte der Sittenverderbnis anhaften, denn wo die Verwaltung
von öffentlichen
bzw. Vereinsgeldern nicht wirksam beaufsichtigt werden kann, da
stellt sich leicht mit
der Zeit auch der Dieb ein. Und man kann doch nicht erwarten,
daß die Vereinsmit-
glieder jede Rechnung nachprüfen und die Übereinstimmung
der Lieferung mit dem
Muster untersuchen. Auch Sonderabmachungen können nicht vermieden
werden, durch
die den Vereinsbeamten zum Schaden des Vereins Vorteile zugewendet
werden. Wenn
es sich immer nur um Waren ohne Artunterschiede, wie z. B. das
Geld, handeln würde,
dann wäre die wirksame Beaufsichtigung der Beamten schon
leichter, aber wo gibt es
neben dem Gelde noch eine Ware, bei der es neben der Menge nicht
auch noch auf
die Beschaffenheit ankäme?
Also einerseits Gütergemeinschaft, Abschaffung des Eigentums;
anderseits Verderbnis
der Beamten, das ist es, was wir von einer Verallgemeinerung des
Systems zu erwarten
gehabt hätten, und darum begrüße ich es als einen
Fortschritt, daß wir den Zweck der
Konsumvereine, die Verbilligung der Handelsunkosten, mit dem Freigeld
erreichen
können, einfach durch veränderte Handelsgebräuche.
Jetzt werden die Waren wieder
den Händen ihrer unmittelbaren Eigentümer übergeben.
Ware und Eigentum sind un-
zertrennlich; die Einschiebung unbeteiligter Personen, die Bestimmung
der Preise, der
Beschaffenheit usw. durch Mittelspersonen für Rechnung Dritter
führt nicht allein zur
Bestechung, sondern ist an sich schon ein Verderb des Begriffs
Ware, ein Verderb der
Preisbestimmung durch Nachfrage und Angebot.
Und ist es nicht merkwürdig, daß das natürliche
Ziel des Konsumvereins, der Verein
sämtlicher Vereine, einfach durch die Auflösung der
Vereine erreicht wurde Denn der
beste Konsumenten-Verein ist immer der offene Markt, wo Eigentümer
mit Eigentümer
unterhandelt, wo die Güte der Waren von den Beteiligten selbst
abgeschätzt wird, wo
man nicht an einzelne Niederlagen, Dörfer, Städte gebunden
ist, wo die Vereinszahl-
marken (das Geld) für das ganze Reich gelten und wo jedes
Mißtrauen schwindet, jede
Bestechung ausgeschlossen, jede öffentliche Aufsicht überflüssig
ist, weil keine Privat-
personen mit Sonderbelängen den Tausch für Rechnung
Dritter und Abwesender ver-
mitteln. Vorausgesetzt natürlich, daß der offene Markt
die Waren nicht stärker verteuert,
als dies die Verwaltung des Konsumvereins tut! Und diese Voraussetzung
ist mit der
Geldreform erfüllt worden. Der Handel ist durch das Freigeld
derart beschleunigt,
gesichert und verbilligt worden, daß der Handelsgewinn vom
gemeinen Arbeitslohn
nicht mehr zu unterscheiden ist. Also was wollen jetzt noch die
Konsumvereine?