Aber wie ganz anders war es früher, wenn jemand Geld "auf
Pump" haben wollte,
und wenn es auch nur 5 Mark waren! Welch verlegene Gesichter auf
beiden Seiten!
Wie wenn man dem "Angepumpten einen Zahn hätte
ausziehen wollen, wie wenn man
sich schwerer sittlicher Gebrechen bezichtigen müßte!
Auf der Geldverlegenheit lastete ein Makel, ein sittlicher Makel,
und man mußte
schon dicker Freundschaft sicher sein, um in einer Geldverlegenheit
sich freimütig an
an einen Bekannten wenden zu dürfen. Geld! Wie kommt der
Mann in Geldverlegen-
heit? Regenschirme, eine Jagdflinte, selbst ein Reitpferd will
ich dir leihen, aber Geld!
Wie kommst du in Geldverlegenheit? Du lebst wohl liederlich?
Und doch war es so leicht, in Geldverlegenheit zu geraten! Geschäftsstockung,
Arbeits-
losigkeit, Zahlungseinstellungen und tausend andere Ursachen brachten
jeden, dessen
Vermögenslage nicht eben glänzend war, einmal in Verlegenheit.
Und wer dann bei
solchen Gelegenheiten nicht die nötige Dickfelligkeit besaß
und sich keiner Absage aus-
setzen wollte, der kam zu mir, dem Wucherer, und ich machte mein
Geschäft.
Und diese schöne Zeit ist jetzt vorbei. Mit dem Freigeld
ist das Geld auf die Rang-
stufe der Regenschirme herabgesetzt worden, und die Bekannten
und Freunde helfen
sich jetzt gegenseitig aus, als ob es sich mit dem Gelde um eine
ganz gewöhnliche Sache
handele. Irgendwie größere Geldvorräte hat niemand
und kann auch niemand haben,
da ja das Geld unter Zwangsumlauf steht. Aber gerade weil man
keine Rücklagen haben
kann, braucht man auch keine. Das Geld läuft ja jetzt mit
größter Regelmäßigkeit um.
Der Kreislauf ist geschlossen.
Tritt jedoch einmal ein unvorhergesehener Geldbedarf ein, so wendet
man sich an
einen Bekannten, wie man sich an ihn um einen Regenschirm wendet,
wenn man von
einem Gewitter überrascht wird. Gewitter und Geldverlegenheit
stehen sittlich auf
gleicher Stufe. Und der Angepumpte entspricht dem Begehren ohne
viel Umstände,
ohne dabei schmerzlich sein Gesicht zu verziehen. Er tut es sogar
gern, weil es erstens
auf Gegenseitigkeit beruht, zweitens weil er unmittelbaren Vorteil
davon hat. Denn das
Geld schrumpft ja in seinem Besitze zusammen, während ihm
sein Freund den Betrag
ohne Verlust zurückzuzahlen verspricht. Daher das veränderte
Benehmen.
Man kann nicht gerade sagen, daß man jetzt leichtsinnig
mit dem Gelde umspringe,
aber es ist doch lange nicht mehr so spröde wie früher.
Man achtet es, ja, hat es doch
Arbeit gekostet, es zu verdienen,. aber man achtet es doch nicht
höher als diese Arbeit,
als sich selbst. Ist es doch als Ware nicht besser, als jede andere
Ware, ist doch der Besitz
des Geldes mit den gleichen Verlusten verknüpft, wie wenn
man einen Vorrat an Waren
besäße! Die Ware, die Arbeit ist bares Geld - und darum
ist es aus, für immer aus
mit meinem Geschäft.
Ebenso schlecht wie mir, geht es auch dem Pfandleiher. Jeder,
der etwas Geld besitzt,
für das er keinen unmittelbaren Gebrauch hat, ist jetzt bereit,
Geld auf Pfand herzu-
geben, und noch obendrein ohne Zins. Ist doch das Geld an sich
schlechter geworden
als die gewöhnlichen Pfandstücke. Braucht jemand schnell
10 Mark, so hat er nicht
nötig, seine Verlegenheit zu verbergen und durch Seitengassen
zum Pfandleiher zu
schleichen. Beim Nachbarn kehrt er ein und läßt sich
auf sein Pfand das Geld vorstrecken.
Und jede Ware, die man bei Geldfülle auf Vorrat kaufte, ist
so gut, wenn nicht besser,
als bares Geld. So ist jetzt Ware Geld, und Geld Ware, aus dem
ganz einfachen Grunde,
weil beide gleich schlecht sind. Ganz gemeine, vergängliche
Dinge in diesem vergäng-
lichen irdischen Jammertal. Alle schlechten, üblen Eigenschaften
der Waren haben in
dem Verlust, dem das Geld unterliegt, ihren natürlichen Ausgleich,
und niemand zieht
mehr das Geld den Waren vor.
Aber gerade darum ist auch die Arbeit immer begehrt, und weil
sie begehrt ist, hat
jeder arbeitsfähige, arbeitswillige Mann in seiner Arbeitskraft
bares Geld in der Tasche.
Oh, es ist aus mit dem Wucher!
Aber ich werde mich nicht so ohne weiteres in mein Schicksal
ergeben; ich werde
den Staat auf Schadenersatz verklagen. Das Geld war früher,
wie auch heute noch,
eine staatliche Einrichtung, und ich lebte davon. Ich war also
sozusagen ein Staats-
beamter. Nun hat mir der Staat durch Umgestaltung des Geldes,
also durch einen gewalt-
samen Eingriff, mein Gewerbe verdorben und mich um mein Brot gebracht.
Ich habe
also Anspruch auf Schadenersatz.
Man hat den Grundrentnem, als diese in Not gerieten, geholfen,
indem man durch
Kornzölle die sogenannte Not der Landwirtschaft beseitigte;
warum soll ich mich nicht
auch an den Staat wenden in meiner Not? Ist etwa der Brotwucher
besser, ehrenhafter
als der Geldwucher? Beide, ich, der Jud, und du, der Graf, sind
Wucherer - einer so
schmutzig wie der andere. Im Gegenteil, mir scheint es, als ob
du noch etwas schmutziger,
gieriger wärest als ich. Denn der Brotwucher erzeugt oft
erst die Not, die zum Geld-
wucherer führt. Hat man also die "Not der Brotwucherer"
durch Staatshilfe beseitigt
und damit den Wucher unter Staatsschutz gestellt, so wird man
nicht umhin können,
auch den Geldwucherer in seiner Not zu schützen. Denn Wucher
bleibt Wucher, ob es
sich um Land oder Geld handelt. Was verschlägt es dem Landwirt,
ob er bei der Pacht
des Bodens, oder aber beim Borgen des Geldes bewuchert wird? Beide,
Geldwucherer
und Bodenwucherer, nehmen genau so viel, wie sie erlangen können
- keiner der beiden
schenkt etwas. Haben die Grundrentner ein gesetzliches Recht auf
Rente, so haben die·
Geldrentner ein gesetzliches Recht auf Zins. Aus dieser Klemme
wird man sich nicht
mit der Redensart retten können, daß zwischen Geld
und Boden, Zins und Rente ein
Unterschied liege, denn wer hätte mich daran gehindert, durch
Umtauschen meines
Geldes gegen Land die Not des Wucherers in eine Not der Landwirtschaft
umzukehren?
Ich werde also mich einfach auf die Kornzölle berufen, und
der Notschrei des Wucherers
wird im Rechtsstaat nicht ungehört verhallen!