Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage August 1949;
Herausgeber: Karl Walker

Inhaltsübersicht


4.7.3. Der Ausfuhrhändler

Man hatte die Goldwährung eingeführt, angeblich, um den Welthandelsverkehr zu
fördern. Kaum jedoch machte sich die Wirkung der Goldwährung, übereinstimmend
mit der Quantitätslehre, in einem scharfen Rückgang aller Warenpreise fühlbar, da
erscholl auch schon der Ruf nach Schutz!

Und man errichtete Grenzmauern in Gestalt von Schutzzöllen, um den Handel mit
dem Auslande zu erschweren. Heißt das nicht den Zweck den Mitteln opfern?

Aber selbst dann, wenn sich die Goldwährung ohne Preisrückgang, ohne Wirtschafts-
störung hätte einführen lassen, wäre sie doch für den Außenhandel von geringem Vorteil
geblieben. Man macht auf die Zunahme des Anßenhandels seit Einführung der Gold-
währung aufmerksam und will die Ursache in der Goldwährung sehen. Aber der Außen-
handel ist gestiegen, weil die Bevölkerung gestiegen ist, und er ist nicht einmal im Ver-
hältnis zur Zunahme der Bevölkerung gestiegen. Auch trifft diese Zunahme in erhöhtem
Maße die Papierwährungsländer (Rußland, Österreich, Asien, Südamerika), während der
Handel gerade mit den Goldwährungsländern (Frankreich, Nordamerika) sich sehr schwer
entwickelt. (England, als Durchfuhrland, kann man hier nicht einreihen.)

Die Goldwährung hätte einen Sinn, wenn man sie im Weltverkehr ohne Zölle, ohne
Wirtschaftsstörung, ohne Preissturz, einführen könnte, und hierin als Erster vorzu-
gehen, hätte Sinn für den Staat der imstande wäre, allen Ländern die Goldwährung
aufzubürden. Gibt es eine solche Macht nicht, und ist man auf Hoffnungen angewiesen,
dann konnte man doch ebensogut als Erster die Einführung einer internationalen Papier-
währung versuchen. Der Deutsche, der jetzt seine Waren mit Gold kauft und sie gegen
Papier-Rubel, Papier-Gulden, Papier-Pesetas, Papier-Liras, Papier-Pesos, Papier-Reis
usw. verkaufen muß, steht er sich besser, als wenn er seine Waren ebenfalls in Papier-
Mark kaufen würde? Wenn der Verkaufspreis in einer vom Einkaufspreis abweichenden
Geldart berechnet werden muß, dann ist es völlig gleichgültig, ob die Geldart beim
Einkauf aus Papier, Gold oder Silber bestand.

Übrigens, selbst bei allgemeiner Einführung der Goldwährung im Weltverkehr sind
ihre Vorteile eigentlich von untergeordneter Bedeutung. Man dachte mit der Gold-
währung die kaufmännischen Berechnungen zu erleichtern, man dachte, daß man nur
eine Geldsumme zu nennen brauche, um auch gleich ihre volle Bedeutung für alle
Länder ermessen zu können. Kindliche Ansichten! Erstens beseitigt die Goldwährung ja
die Schwankungen im Wechselkurs nicht. Die Goldeinfuhr wechselt mit der Gold-
ausfuhr ab in jedem Lande. Es handelt sich vielleicht nur um geringe Beträge, aber sie
genügen um bedeutende Wechselkursschwankungen herbeizuführen. Denn derWechsel-
kurs schwankt zwischen den Kosten der Goldeinfuhr und der Goldausfuhr, - Kosten,
die bis zu 3% ausmachen können. Seefracht, Seeversicherung, Zinsverlust und sonstiges
bei der Ausfuhr des Goldes; dieselben Kosten bei der Wiedereinfuhr. Dazu noch die
Kosten der Umprägung. Denn der Weg ins Ausland, sagt Bamberger ganz richtig, ist
für das Gold der Weg in den Schmelztiegel. Das sind aber Kosten, die selbst bei
kleineren Geschäften berücksichtigt werden müssen. Wenn aber der Kaufmann über-
haupt schon mit dem schwankenden Wechselkurs rechnen muß, wo bleibt dann der
Vorteil für seine Berechnungen?

Der andere vermeintliche Vorteil einer im Weltverkehr gültigen Goldwährung ist
noch viel trüglicherer Natur; denn die Bedeutung einer beliebigen Geldsumme fürirgend-
ein Land kann man doch erst dann ermessen, wenn man die Warenpreise, die Löhne
usw. des betreffenden Landes kennt. Erbe ich z. B. statt Vermögen Schulden, so werde
ich nicht in Deutschland bleiben, sondern dorthin ziehen, wo Geld am leichtesten zu
verdienen ist. Der Betrag der Schuld nimmt mit meiner Auswanderung zwar nicht dem
Nennwerte nach wohl aber tatsächlich ab. Ein Mann mit 1000 Taler Schulden ist ein
armer Tropf in Deutschland; in Amerika bedeutet diese Schuld gar wenig. Umgekehrt
natürlich liegt die Sache, wenn ich statt Schulden ein Vermögen erbe. Also was be-
deutet die Goldwährung hier? So fragt z. B. der Auswanderer, dem man Haufen von
Gold verspricht, sofort nach den Preisen der von ihm verfertigten und der von ihm ge-
brauchten Sachen. Erst dann wenn er diese kennt, kann er sich einen Begriff von der
genannten Geldsumme machen. Vom Gold springen seine Gedanken gleich auf die
Warenpreise; diese, nicht das Gold, liefern die Bank, auf der er ausruhen kann. Muß
man aber erst Warenpreise kennen um die Bedeutung einer Geldsumme zu ermessen,
dann ist es gleichgültig, ob die Geldsumme auf Gold oder Papier lautet. Und tatsächlich
weiß man heute nicht einmal ungefähr, um was es sich bei Nennung einer Geldsumme
handelt, einerlei, ob vom goldenen Dollar oder vom papiernen Rubel gesprochen wird.

Aber all diese Geschichten haben für den Kaufmann herzlich wenig Bedeutung. Was
gelten diese kleinen Rechenaufgaben gegenüber den tausend unwägbaren Umständen,
auf denen die Wahrscheinlichkeitsrechnung des Kaufmanns sich aufbaut? Die Ab-
schätzung des Bedarfs an einer Ware, die Bestimmung ihrer Güte, ihre Wettbewerbs-
fähigkeit mit hundert anderen Warengattungen, die Schwankungen des Geschmackes,
die Aussichten in der Zollpolitik, die Tragfähigkeit der einzelnen Warengattungen in
bezug auf den Gewinnsatz usw., das ist das, womit der Kaufmann rechnet; das Aus-
rechnen der Preise, die Umrechnung in fremde Münze usw. besorgen jüngere Beamte.

Viel wichtiger als die Münzsorten der verschiedenen Länder, mit denen der Kauf-
mann in Verkehr steht, sind die Zollsätze und deren Abänderungen, und wenn die ein-
zelnen Länder, um die Goldwährung zu schützen, vom Freihandel abgegangen sind, so
muß ich sagen, daß mir jede Art der Währung, selbst die Muschelwährung der Kaffern,
sobald daneben Freihandel besteht, lieber wäre als Goldwährung in Verbindung mit
Schutzzöllen. Und es ist doch so, daß überall, wo die Goldwährung hinkam, die Schutz-
zölle nachfolgten.

Im Welthandelsverkehr wird Ware mit Ware bezahlt, und ein etwaiger Saldo kann
nur in verschwindend kleinem Maßstab mit Barmitteln bezahlt werden. Stundungen,
Wechsel, Anleihen, Aktien vermitteln hier den Zahlungsausgleich. Viel wichtiger als
das Vorhandensein zur Ausfuhr geeigneter Barmittel ist für den Zahlungsausgleich das
Vorgehen der Notenbanken. Auch hier, wie überall, sollte es heißen: der Krankheit
vorbeugen ist besser, als Arzneien anwenden. Die Notenbank muß an den Bewegungen
des Wechselkurses ersehen, ob sie zuviel Geld ausgegeben, dadurch die Preise gehoben,
die Ausfuhr erschwert, die Einfuhr erleichtert hat. Sie muß in diesem Falle rechtzeitig
auf eine Herabsetzung der Preise durch Beschränkung des Geldangebots hinarbeiten.
Und im entgegengesetzten Falle muß sie umgekehrt verfahren. Tut sie das, so müssen
sich die Zahlungen immer ausgleichen, und die Bildung eines Überstands wird ver-
mieden. Somit ist die "Ausfuhrfähigkeit" der eigenstaatlichen Tauschmittel zum min-
desten überflüssig. Zum mindesten sage ich, denn die Aus- und Einfuhrfähigkeit des
Geldes kann schwere Schäden hervorrufen. Diese Ausfuhrfähigkeit entzieht ja den
Notenbanken das Alleinrecht der Geldversorgung. Es unterwirft den eigenen Markt der
Herrschaft fremder, manchmal feindlicher Gewalten. (1) J ede Währungspfuscherei des
Auslandes wirkt zurück auf das Inland, und unmöglich ist es, sich dagegen zu wehren -
anders als mit Zöllen. Führen fremde Staaten die Papierwährung ein und vertreiben
dadurch das Gold, so kommt dieses Gold, Beschäftigung suchend, hierher geströmt und
treibt die Preise hoch, zu einer Zeit, wo sie ohnehin schon zu hoch stehen. Schaffen
fremde Länder die Papier- oder Silberwährung ab, um die Goldwährung einzuführen,
so strömt das Gold ab, oft zu einer Zeit, wo es sowieso schon daran fehlt. Welche Schwie-
rigkeiten sind nicht durch solche Pfuschereien den verschuldeten deutschen Landwirten
entstanden!

Das war übrigens durch Forschungen alles längst klargestellt (2), das Freigeld hat aber
erst die tatsächliche Bestätigung geliefert. Wir haben doch jetzt Papiergeld, das vom
Gold völlig losgelöst ist. Nicht einmal das Versprechen der Goldeinlösung enthält das
Freigeld. Trotzdem ist der Wechselkurs aufs Ausland fest, wie nie zuvor. Zuerst richtete
das Währungsamt sein ganzes Streben auf die Befestigung der durchschnittlichen Waren-
preise. Es zeigte sich dabei, daß, während die Warenpreise festblieben, der Wechselkurs
aufs Ausland abwechselnd stieg und fiel. Das kam daher, daß die Preise im Auslande,
wo noch die Goldwährung herrscht, nach alter Weise auf- und abgingen. Im Auslande
wollte man diese Erklärung nicht gelten lassen und behauptete, unser Papiergeld wäre
daran schuld. Nun hat das Währungsamt dem Auslande den Beweis geben wollen, daß
die Schwankungen vom Golde herrühren; es hat die festen Preise im Inlande fahren
lassen, um dafür die Befestigung des Wechselkurses anzustreben. Zog der Wechselkurs
an, d. h. wurden die aufs Ausland gezogenen Wechsel teurer, so ließ das Währungsamt
den Geldstand vermindern, ging der Wechselkurs zurück, dann wurde der Geldstand
vergrößert. Und da mit dem Freigeld das Geld selbst die Nachfrage nach Waren dar-
stellt, so folgten die Preise der Waren und ebenso der Wechselkurs am Schnürchen. So
hat man nun dem Auslande gezeigt, daß ein fester Wechselkurs zusammen mit stetigen
Warenpreisen von der Goldwährung unmöglich erwartet werden kann und daß beides
sich nur vereinigen läßt, wenn in allen Ländern die Warenpreise festbleiben. Also auf
die Befestigung der Inlandwarenpreise muß man überall hinarbeiten, um einen festen
Wechselkurs aufs Ausland zu erzielen. Nur eine in allen Ländern nach gleichen Grund-
sätzen geleitete Inlandwährung kann den festen Wechselkurs im Weltverkehr und zugleich
eine nationale Währung herbeiführen. Das scheint man jetzt endlich auch im Auslande
begriffen zu haben, und es heißt, daß eine Papierwährungstagung aller Länder einbe-
rufen und ein Weltwährungsamt gegründet werden soll.

Irgendwas muß geschehen. Wir wollen Freihandel, festen Wechselkurs aufs Ausland
und feste Warenpreise fürs Inland. Durch einseitig nationale Einrichtungen lassen sich
diese Wünsche vereint nicht erfüllen; wir müssen uns mit dem ganzen Ausland ver-
ständigen. Und das Freigeld scheint mir berufen zu sein, den Boden für eine solche
Verständigung zu liefern. Denn das Freigeld ist gehorsam, anpassungsfähig, willig. Man
kann damit machen, was man will, kann mit ihm irgendeinem Ziele zustreben.


(1) Französische, in deutschen Bankgeschäften angelegte Gelder wurden in der Marokko-
krise gekündigt mit der Absicht, Deutschland zu schädigen. Der Zweck wurde auch erreicht.

(2) Silvio Gesell: "Die Anpassung des Geldes und seiner Verwaltung an die Bedürfnisse
des modernen Verkehrs." Buenos Aires l887. - Frankfurth-Gesell: "Aktive Währungs-
politik". Berlin 1908.


Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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