Daß die Arbeiter über uns herfielen, weil wir ihnen
das Brot verteuerten, läßt sich
begreifen. Ihnen gegenüber spielten wir die Rolle der Angreifer;
sie hatten uns nichts
getan, was unseren Angriff auf ihre an sich schon magere Kasse
rechtfertigte. Daß aber
euch die anderen Parteien, die uns durch so manches Gesetz schwer
geschädigt hatten,
um sich selbst zu bereichern, in das Lied der Arbeiter einstimmten,
das finde ich einfach
lächerlich. Das beweist, daß diese Parteien überhaupt
noch nicht wissen, was Politik ist.
Politik ist Macht, und wer die Macht hat, macht die Politik und
beutet sie aus zu seinen
Gunsten. Früher hatten die liberalen Parteien die Macht und
beuteten sie aus; jetzt ist
die Reihe an uns. Also wozu die Schimpfnamen; sie fallen ja auf
alle zurück, die jemals
die Macht gebabt haben und die sie in Zukunft haben werden.
Dabei waren die Liberalen entschieden die Angreifer in diesem
Streite. Sie griffen
uns mit der Goldwährung an; wir suchten die Doppelwährung
wieder herzustellen, um
uns zu verteidigen. Als uns das nicht gelang, nahmen wir Zuflucht
zu den Zöllen. Warum
hatte man uns die Doppelwährung genommen, auf die unsere
Grundschuldurkunden
lauteten; warum zwang man uns, mehr zurückzuzahlen, als wir
erhalten hatten? Warum
fälschte man Sinn und Inhalt unserer Schuldurkunden, indem
man uns die Wahl zwischen
Gold und Silber nahm? Warum nahm man uns zugunsten unserer Gläubiger
die Mög-
lichkeit, unsere Schulden mit dem billigeren von zwei Metallen
zu bezahlen? Ob ich
nach freier Wahl meine Schuld mit 1000 Kilo Kartoffeln oder mit
100 Kilo Baumwolle
zahlen kann, oder ob ich dagegen nur mit Kartoffeln zahlen muß,
ist doch durchaus
nicht gleichgültig. Ohne irgendeine Entschädigung hatte
man uns die Gewinnmöglich-
keiten dieser Vertragsbestimmung genommen. Nach freier Wahl hätte
ich sonst mit
160 Pfd. Silber oder mit 10 pfund Gold bezahlen können, und
mit dem billigsten der
beiden Stoffe hätte ich natürlich bezahlt, wie man auch
mir mit dem damals billigsten
der beiden Stoffe das Darlehn auszahlte. Wieviel diese Gewinnmöglichkeiten
bedeuteten,
das sahen wir nachher am Preisstand des Silbers im Vergleich zum
Gold. Um 50% war
das Gold im Vergleich zum Silber teurer geworden: statt 100 000
Mark betrugen meine
Schulden 200 000 Mark - nicht nach dem Nennwert, sondern, was
viel schlimmer ist,
der Wirkung nach. Doppelt soviel meiner Erzeugnisse mußte
ich jährlich aufbringen
für die Verzinsung meiner Schuld. Statt 50 Tonnen Weizen
mußte ich der Darlehns-
bank jährlich 100 Tonnen fronen. Wären wir bei der Silberwährung
geblieben, so hätte
ich die 50 Tonnen, die ich an Zins mehr zahlen mußte, für
die Schuldentilgung ver-
wenden können, und ich wäre jetzt schuldenfrei.
Ist nun eine solche Behandlung der Schuldner, die die Liberalen
guthießen, kein
unerhörter Betrug?
Wenn nicht alle Schuldner wie ein Mann sich dagegen verwahrten,
wenn der Wider-
spruch auf die Agrarier und sonstigen Pfandschuldner beschränkt
blieb, so ist das damit
zu erklären, daß die meisten anderen Schuldner, die
Gelder ohne Sachdeckung aufge-
nommen hatten, in dem bald nach Einführung der Goldwährung
eingetretenen großen
Krach durch Zahlungseinstellung sich ihrer Schulden entledigten
und darum an der
Sache nicht mehr beteiligt waren.
Als wir dann, unter Berufung auf den Umstand, daß der Weizenpreis
unter der Gold-
währung von M. 265 auf M. 140 heruntergegangen war, die Wiedereinführung
der
Silberwährung forderten, weil wir für unsere Pfandbriefe
ja Silber und kein Gold er-
halten hatten, da lachte man uns aus und sagte, wir verständen
nichts von der Währung,
von den Bedürfnissen des Handels. Die Goldwährung hätte
sich vortrefflich bewährt
(Beweis: der große Krach und der Rückgang der Preise!),
und man dürfe nachträglich
nichts mehr daran ändern, sonst wäre Gefahr, daß
das ganze Wirtschaftsgebäude ein-
stürzen könnte und daß die Eigentumsbegriffe gänzlich
verwilderten. Wenn es uns wirt-
schaftlich schlecht ginge, trotz den Segnungen der Goldwährung,
so läge das an unserer
rückständigen Betriebsweise; wir sollten die neuen Maschinen
versuchen, mit Kunst-
dünger arbeiten, Handelsgewächse bauen, um so mit geringeren
Kosten mehr Erträge
zu gewinnen und trotz niedrigerer Preise bestehen zu können.
Wir wären im Irrtum:
der "Wert" des Goldes wäre fest, nur der "Wert"
der Waren wäre gefallen infolge ver-
minderter Erzeugungskosten! Denn das Gold habe einen "festen,
inneren Wert", und
alle Preisschwankungen kämen von den Waren her!
Wir suchten die guten Ratschläge auszuführen und mit
geringeren Erzeugungskosten
zu arbeiten. Auch der Staat half uns mit billigen Bahnfrachten
und niedrigen Fahr-
preisen für die polnischen Arbeiter. Und wir erzielten auch
tatsächlich mit gleicher
Arbeit größere Ernten. Aber was half das, wenn mit
den größeren Ernten die Preise
fielen von M. 265 auf M. 140, wenn wir für die größeren
Ernten weniger Geld lösten?
Geld brauchten wir, Geld forderten unsere Gläubiger; keine
Kartoffeln und Zucker-
rüben! Sie bestanden auf ihrem, gesetzlich zu ihren Gunsten
gefälschtem Schein und
forderten Gold!
Geld, mehr Geld, billiges Geld, dazu hätte uns die Silberwährung
verholfen, aber
da man uns diese versagte, so suchten wir nach anderen Mitteln,
um aus unseren Er-
zeugnissen mehr Geld herauszuachlagen. Und so verfielen wir auf
die Zölle.
Hätte man uns die Silberwährung gelassen, so wären
die Zölle nicht nötig gewesen,
und die ganze Verantwortung für die Zölle wälzen
wir darum von uns ab auf die, die
uns Brotwucherer, Bettler, Diebe nannten; auf die, die uns mit
der Goldwährung be-
stohlen haben.
Diese ganze häßliche und schmutzige Geschichte, die
soviel böses Blut gemacht und
so volksverhetzend gewirkt hat, wäre vermieden worden, wenn
man sich die Mühe
gegeben hätte, bei der Münzneuerung den Begriff Taler
oder Mark gesetzlich festzu-
legen, wenn man die Fälle aufgezeichnet hätte, die den
Staat zur Entmünzung des Silbers
oder Goldes berechtigen sollten.
Bei der gewaltigen Bedeutung der Sache war es leichtsinnig, liederlich
von beiden
Seiten, so blindlings den Taler und nachher die Mark als Grundlage
ihrer Geschäfte
zu benutzen und die Beantwortung der Frage: ,;Was ist eine Mark
d. R.-W.?" zu einer
politischen Frage, zu einer Machtfrage zu machen. Doch jetzt weiß
ich mich sicher;
das Reichswährungsamt wacht und das Freigeld ermöglicht
es ihm, den Gegensatz
zwischen Gläubiger und Schuldner gerecht auszugleichen.