Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage August 1949;
Herausgeber: Karl Walker
Inhaltsübersicht
4.6. Zusammenfassung
Was wir bisher vom Freigeld abgeleitet haben, war folgendes:
- 1. daß die Nachfrage sich in eine wägbare Sache verwandelt,
erhaben über Willen,
Laune, Gewinnsucht, Wucherspiel der Geldbesitzer; sie wird keine
Willensäußerung
der Geldbesitzer mehr sein;
- 2. daß der Geldumlauf unter allen Umständen immer
das Höchstmaß der Umlaufs-
geschwindigkeit, die die Handelseinrichtungen dem Geld gestatten,
zu durch-
brechen suchen wird, so daß die Nachfrage zu jeder Stunde
immer entsprechen
wird:
a) der vom Staate in Umlauf gesetzten und beherrschten Geldmenge,
b) der von den Handelseinrichtungen gestatteten Umlaufsgeschwindigkeit;
- 3. daß sämtliche Privatgeldvorräte, die als ebensoviele
private Geldausgabestellen und
Störenfriede anzusehen sind, selbsttätig aufgelöst
werden, wodurch dann der Staat
erst der Währung eine zuverlässige Grundlage zu geben
vermag.
Diese ersten Wirkungen ergeben folgendes:
- 1. Regelmäßigkeit des Warenabsatzes, unter Wegfall
aller Stockungen;
- 2. es werden immer nur soviel Waren angeboten, wie deren laufend
erzeugt werden;
- 3. alle bisher durch stockenden Absatz entstandenen Preisschwankungen
hören auf;
- 4. infolge der Regelmäßigkeit, womit fortan Nachfrage
und Angebot auf dem Markte
erscheinen, wird keine der bisherigen großen allgemeinen
Preisschwankungen, die
von einer Störung des Verhältnisses der Waren zum Geld
herrührten, mehr ein-
treten;
- 5.der Staat wird nur mehr geringe Geldmassen auszugeben oder
einzuziehen brauchen,
um die Nachfrage dem Angebot unmittelbar auf den Leib zuschneiden
zu können
und dadurch eine vollkommene Beständigkeit im allgemeinen
Preisstand der Waren
zu erzielen;
- 6. letzteres wird auch namentlich darum eintreten, weil durch
den schnellen Umlauf
die gütertauschende Kraft des Geldes verdoppelt, vervielfacht
wird, und weil darum
auch das Einziehen oder Ausgeben einer Geldsumme vervielfachte
Wirkung nach
sich ziehen muß. Statt 10 Milliarden Mark im Verkehr zu
erhalten, wird Deutsch-
lands Handel mit 5, vielleicht auch mit 3 Milliarden auskömmlich
versorgt sein.
Durch den Geldumlaufszwang, wie ihn das Freigeld bedingt, wird
ferner:
- l. eine reinliche Trennung der Tausch- von den Sparmitteln durchgeführt;
- 2. der Geldbesitzer das Geld bedingungslos, ohne Rücksicht
auf Zins und Gewinn
in Umlauf setzen müssen;
-
3. das Geld selbst dann noch umlaufen, wenn der Zins fällt
und verschwindet;
- 4. das Geld selbst ohne Gewinn für den Besitzer umlaufen.
Als Folge dieser Umstände, und zusammenwirkend mit den vorher
erwähnten, wird
der Geldumlaufszwang
die allgemeinen Wirtschaftsstockungen mit allen ihren Begleiterscheinungen
unmöglich
machen.
Durch den mit dem Besitze des Geldes verbundenen unmittelbaen,
persönlichen
Verlust wird folgendes erreicht:
- 1. Ware, Arbeit, Geld werden für alle, sowohl für die
Verbraucher, wie für die Sparer,
gleichgültige Dinge sein, d. h. Dinge, die ohne Gewinn, Zins
und Abgabe gegen-
seitig auswechselbar sind;
- 2. das Geld wird zum Arbeitsnachweis und zur selbsttätigen
Versicherung gegen
Arbeitslosigkeit;
- 3. sämtliche Vorrechte des Geldes werden ausgeglichen.
Die vollkommene privatwirtschaftliche Gleichstellung des Geldes
mit den Waren
bedingt:
- 1. daß man die unentbehrlichen Rücklagen mit Vorliebe
in Vorräten, statt in Geld
anlegen wird;
- 2. daß man die Waren nicht mehr wie bisher in den kleinsten
Mengen kaufen wird,
sondern in ganzen Fässern und Kisten, d. h. in ihrer Ursprungspackung;
- 3. daß dadurch die Läden sich leeren und die Kaufleute
in großer Zahl überflüssig
werden.
Zugleich wird auch
- 4. der Verkauf auf Borg beseitigt, die allgemeine Barzahlung
durchgeführt;
- 5. das Wucherspiel (Spekulation) unmöglich gemacht, weil
die Warenbestände, auf
Millionen von Vorratskammern verteilt, der Verfügung eines
Einzelnen entzogen
sind.
Durch das Zusammenwirken dieser fünf Umstände wird
der Warenaustausch ganz
außerordentlich gesichert, beschleunigt und verbilligt werden,
zumal auch der Handel
durch die Beseitigung der Stockungen, durch die Festigkeit der
Preise zu einer sehr
einfachen Sache wird, für die fortan jedermann genügend
befähigt ist.
Die schönste, wirklich umstürzlerische Leistung des
Freigeldes wird aber die sein,
daß durch die Unterdrückung der Arbeitslosigkeit, durch
das vom Zinsertrag unab-
hängig gewordene Schaffen von Sachgut (Realkapital) der Zins
bald in einer Überfülle
von Kapital ersäuft, dadurch das jetzige unwürdige Volksgemisch
von Fürsten, Rent-
nern und Besitzlosen in den Boden gestampft und eine Stätte
bereitet wird für ein stolzes
Geschlecht freier und selbständiger Bürger, für
Männer, die man jedem in der Welt,
ohne zu erröten, als Landsleute vorstellen kann.
Das Freigeld wird das tausendmal verfluchte Geld nicht beseitigen,
sondern es nach
den richtig erkannten Bedürfnissen der Volkswirtschaft umgestalten.
Das Freigeld läßt
sogar das Grundgesetz unserer Volkswirtschaft, das, wie wir zu
Anfang dargetan haben,
der Eigennutz ist, unangetastet, aber es wird zeigen, daß
der Wucher wirken muß, wie
"jene Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute
schafft", sobald wir der Nach-
frage den Willen nehmen und sie in gleicher Rüstung wie das
Angebot diesem entgegen-
treten lassen.
Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von:
W. Roehrig.
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