Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage August 1949;
Herausgeber: Karl Walker

Inhaltsübersicht


4.2. Wie der Staat das Freigeld in Umlauf setzt

Mit Einführung des Freigeldes wird der Reichsbank das Recht der Notenausgabe
entzogen, und an die Stelle der Reichsbank tritt das

Reichswährungsamt,

dem die Aufgabe zufällt, die tägliche Nachfrage nach Geld zu befriedigen.

Das Reichswährungsamt betreibt keine Bankgeschäfte. Es kauft oder verkauft keine
Wechsel, es ordnet die Geschäftshäuser nicht in solche 1., 2. und 3. Güte. Es tritt in
keinerlei Beziehungen zu Einzelpersonen.

Das Reichswährungsamt gibt Geld aus, wenn solches im Lande fehlt, und es zieht
Geld ein, wenn im Lande sich ein Überschuß zeigt. Das ist alles.

Um das Freigeld in Umlauf zu setzen, werden alle Staatskassen angewiesen, das bis-
herige Metallgeld und die Reichskassenscheine zum freiwilligen Umtausch anzunehmen, `
und zwar zum Nennwert; für eine Mark in Gold eine Mark in Freigeld.

Wer in diesen Tausch nicht einwilligt, mag das Gold behalten. Niemand drängt ihn
zum Tausch. Irgendein gesetzlicher Druck wird nicht auf ihn geübt. Keinerlei Gewalt
wird da gebraucht. Es wird nur jedem gesagt, daß nach Ablauf einer bestimmten Frist
(1 - 2 oder 3 Monate) das Metallgeld nur mehr Metall, aber kein Geld mehr sein wird.
Wer dann noch Metallgeld hat, kann es dann nur noch beim Goldschmied gegen Frei-
geld verkaufen und da um den Preis handeln. Der Staat anerkennt dann nur noch Frei-
geld als Geld an allen seinen Kassen. Das Gold ist dann dem Staate gegenüber nur noch
Ware, so wie Holz, Kupfer, Silber, Papier, Tran usw. Und wie man heute die Steuern
nicht mit Holz, Silber oder Stroh bezahlen kann, so wird man auch nach Verlauf der
Umtauschfrist kein Gold mehr zu diesem Zwecke verwenden können.

Der Staat weiß, daß es fortan nur staatliches Geld geben kann und daß es von seiner
Seite keiner besonderen Anstrengung bedarf, um dieses Geld in Verkehr zu bringen;
das besorgt allein die Unentbehrlichkeit des Geldes und seine Beherrschung durch den
Staat. Wenn es also jemand einfallen sollte, eine Privatmünzstätte zu errichten, um
Münzen von beliebigem Feingehalt und Gewicht zu prägen, so kann der Staat solchem
Treiben ruhig zusehen. Denn für den Staat gibt es jetzt keine Münzen, folglich auch
keine Falschmünzer mehr. Der Staat entzieht allen Münzen, auch den früher von ihm
geprägten, die Gewähr für Gewicht und Feingehalt. Er verkauft seine Münzmaschinen
meistbietend. Mehr tut der Staat nicht, um das Gold umlaufsunfähig zu machen; es
genügt.

Wenn also jemand dem Freigeld feindlich gesinnt sein sollte und es als Zahlung für
seine Waren zurückweist, so läßt man ihn gewähren. Er kann ja fernerhin Gold für seine
Erzeugnisse verlangen. Aber dieses Gold muß er dann auf die Wage legen und den
Feingehalt mit Säuren und Prüfstein feststellen, und zwar Münze für Münze. Dann
muß er sich erkundigen, ob ihm jemand das Gold auch wieder abnehmen wird und zu
welchem Preis, und er muß hierbei auf große Überraschungen gefaßt sein. Findet er
dann, daß das alles kostspielig und langweilig ist, so kann er ja als reuiger Sünder in
den Schoß des alleinseligmachenden Freigeldes zurückkehren - ähnlich wie seinerzeit
die grimmigen Feinde der Goldwährung, die Agrarier, dem Staatsgeld (Gold) wider-
strebten und es dann doch annahmen.

Was der Staat mit dem in Umtausch für das Freigeld erhaltenen Gold machen wird?
Der Staat schmelzt es ein, läßt es zu Ketten, Armbändern, Uhrgehäusen verarbeiten
und schenkt diese allen Bräuten im Deutschen Reich bei ihrer Verheiratung. Was könnte
der Staat Vernünftigeres mit dem Gold, mit dem Hunnenschatz, machen?

Der Staat benötigt für seine Zwecke kein Gold, und wenn er das in Umtausch gegen
Freigeld eingehende Gold an den Meistbietenden verkaufen wollte, so würde er den
Preis drücken und damit anderen Völkern, die noch an der Goldwährung festhalten,
Verlegenheiten bereiten, wie Deutschland das schon seinerzeit mit den unüberlegten
Silberverkäufen tat. Wenn der Staat damals die eingezogenen Taler dazu benutzt hätte,
um vor jedem Pfandhaus und jeder Darlehnsbank den Vorkämpfern der Goldwährung ein
gewichtiges, silbernes Standbild in Riesengröße zu errichten - es wäre für die allge-
meine Volks- und Weltwirtschaft und auch für die Staatskasse besser gewesen. Diese
elenden Millionen, wahre "Miseräbelchen" vom Standpunkt der deutschen Volks-
wirtschaft aus betrachtet, die der Staat aus jenen Talerverkäufen löste, haben nicht
wenig dazu beigetragen, den Silberpreis zu drücken; und die Schwierigkeiten, die den
deutschen Grundrentnern durch die billigen Getreidepreise erwuchsen, waren zum Teil
auf diese Silberverkäufe zurückzuführen (1). Wahrlich, wenn man damals nach obigem
Vorschlag gehandelt, die Silbertaler zu Tafelgeschirr eingeschmolzen und zu Hochzeits-
geschenken von Staats wegen verwendet hätte, - das, was der Staat hier verlor, hätte
er an der größeren Steuerkraft der Bürger zehnfach gewonnen.


(1) E. de Laveleye: Geld und Doppelwährung (La monnaie et le bimétallisme).

Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig. Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.
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