Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage; August 1949;
Herausgeber: Karl Walker
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3.7. Wie läßt sich der Preis des Geldes genau ermitteln (1) ?

Wenn der Preis des Geldes festbleiben soll, so muß auch der Beweis erbracht werden
können, daß der Geldpreis festgeblieben ist. Wenn man diesen Beweis nicht erbringen
könnte, so würden die Gläubiger bzw. die Schuldner ewig unzufrieden sein und eine
Herabsetzung bzw. Erhöhung des Geldpreises fordern. Nur dadurch kann man die
Klagen der Gläubiger und Schuldner zum Verstummen bringen, daß man ihnen schwarz
auf weiß beweist, daß der Preis des Geldes unverändert geblieben ist.

Der Streit zwischen den Vertretern der Goldwährung und der sogenannten Doppel-
währung drehte sich in der Hauptsache um die Frage, ob der Geldpreis sich verändert
habe. Diese Frage wurde von beiden Seiten von einer Wahnvorstellung (dem sogenannten
Wert, inneren Wert, Wertstoff, Wertkonserve) aus betrachtet und konnte darum nicht
beantwortet werden. Die prächtigsten, geistreichsten Beweismittel der Bimetallisten
wurden regelmäßig durch diesen Wahn in Unsinn verwandelt. Zeigten die Bimetallisten
mit Hilfe fleißiger, statistischer Arbeiten, daß die Warenpreise seit Einführung der Gold-
währung um 10-20-50 % gesunken seien, so sagten die Vertreter der Goldwährung,
das wäre ohne Bedeutung, da es ja gar nicht auf den Preis des Geldes, sondern auf seinen
"Wert" ankäme, wie die Doppelwährungsvertreter ja selber zugäben. Der Preis der
Waren sei allgemein gesunken, weil durch Verbesserung der Technik die Erzeugungs-
und Frachtkosten gefallen wären. Nur entschiedene, überzeugte Verleugner der Wert-
lehre können den Beweis erbringen, daß die Goldwährung ein Mißgriff war, durch den
die Schuldner, zu denen auch der Staat gehört, zugunsten ihrer Gläubiger geplündert
wurden. Die Doppelwährungsvertreter würden den Sieg davongetragen haben; er wäre
ihnen sogar sehr leicht gewesen, wenn sie den Kampf auf dem Boden des Geldpreises
ausgefochten hätten, aber sie entwaffneten sich selbst, als sie sich auf den Wertschwindel
einließen.

Der Preis des Geldes kann nur in Waren ausgedrückt werden. Der Preis der Waren
hat, wenn wir vom Tauschhandel absehen, nur einen Ausdruck, nämlich eine Geldsumme;
der Geldpreis hat so viele Ausdrücke, wie es Arten, Güteunterschiede, Lieferfristen und
Standorte von Waren gibt. Wer sämtliche Marktzettel und Preislisten eines Landes
rückwärts liest, der weiß genau, wieviel zur Stunde das Geld gilt.

Will man aber erfahren, ob der Geldpreis sich verändert hat, so genügt ein einfacher
Vergleich mit den gestrigen Warenpreisen nicht, denn während vielleicht 10 Millionen
verschiedene Waren im Preise stiegen, sind andere Millionen Warengattungen im Preise
gefallen.

Dabei kann es auch selbstverständlich nicht gleichgültig sein, ob die Steinkohle, der
Weizen, das Eisen, oder ob die Nadel, die Kanarienvögel, die Knöpfe, ihren Preis ver-
änderten.

Ein Beispiel zeigt das:

A. bezahlt für
1906 1907
1 Tabakspfeife M. 1,00 M. 1,10 +
1 Schachtel Wichse M. 0,50 M. 0,60 +
1 Dtzd. Stahlfedern M. 0,50 M. 0,80 +
1 Hut M. 3,00 M. 2,50 -
1 Paar Stiefel M. 4,00 M. 3,00 -
1 Hose M. 11,00 M. 10,00 -
M. 20,00 M. 18,00.

Trotzdem also die eine Hälfte dieser 6 verschiedenen Waren im Preise stieg und die
andere im Preise fiel, ist der "Durchschnittspreis" um 2 M. oder 10 % zurückgegangen.
Mit obigen Waten gemessen, wird der Käufer einen Preisaufschlag des Geldes von 11 %
feststellen; er erhält für sein Geld 11 % mehr Ware als früher.

Um nun das Gleichgewicht mit früher herzustellen, braucht man nicht das frühere
gegenseitige Tauschverhältnis der Waren wieder herzustellen, sondern es genügt den
Preis des Geldes um 11 % zu senken; alle Waren müßten einfach 11 % höher im Preise
stehen. Auf das gegenseitige Verhältnis der Warenpreise hat das Geld nur mittelbaren
Einfluß. Wenn gleichzeitig die Wichse im Preise steigt und die Hosen im Preise fallen,
so liegt das in der Regel an veränderten Erzeugungs- oder Absatzverhältnissen - nur
wenn man im "Durchschnitt" mehr oder weniger Ware von der gleichen Beschaffenheit
für das gleiche Geld erhält, kann man sagen, daß sich das Tauschverhältnis zwischen
Waren und Geld verändert hat. Unbekümmert um die früheren Preise müßte also für
obige 6 Warengattungen ein gleichmäßiger Zuschlag von 11 % eintreten. Dann hätten wir:

1 Tabakspfeife M. 1,10 M. 1,22
1 Schachtel Wichse M. 0,60 M. 0,67
1 Dtzd. Stahlfedern M. 0,80 M. 0,89
1 Hut M. 2.50 + 11 Prozent = M. 2,78
1 Paar Stiefel M. 3,00 M. 3,33
1 Hose M. 10.00 M. 11,11
M. 20,00

Dieser gleichmäßige Preisaufschlag für alle Artikel kann nur von einer auf alle Waren
gleichmäßig wirkenden Ursache kommen, nicht von Änderungen in den Erzeugungs-
kosten, und gleichmäßig auf alle Warenpreise kann nur allein das Geld wirken. (2) Wir brauchen
nur so viel Geld mehr in Umlauf zu setzen, bis die Preise um jene 11% gestiegen sind.

Um die etwa im Geldpreis vorkommenden Schwankungen zu ermitteln, müssen wir
also den Durchschnittspreis der Waren ermitteln und diesen mit dem Durchschnitts-
preis eines früheren Zeitabschnitts vergleichen.

Da hier Milliarden auf dem Spiele stehen, da von dem Geldpreis das Wohl und Wehe
der Gläubiger und Schuldner abhängt, so bedarf es hier einer sorgfältigen Arbeit. Das
Verfahren, das hier angewandt wird, muß der Sonderbeeinflussung einzelner entrückt
sein und ein genaues, wissenschaftlich unanfechtbares Ergebnis liefern. Sonst würden
die Klagen der Gläubiger und Schuldner kein Ende nehmen.

Dieses genaue, unanfechtbare Ergebnis liefern leider die bisher vorgeschlagenen Ver-
fahren nicht. Vor der Schwierigkeit zurückschreckend, die Millionen und aber Millionen
Waren verschiedener Art verschiedener Güte und verschiedenen Standortes, amtlich
nach ihrer gegenseitigen Bedeutung zu ordnen und deren Preise zu ermitteln, hat man
vorgeschlagen, sich mit den Preisen einer beschränkten Anzahl von Waren, und zwar
der an den Börsen gehandelten Stapelartikel, zu begnügen und die verhältnismäßige
Bedeutung dieser Waren nach dem in ihrer Erzeugung und im Handel beanspruchten
Kapital einzuschätzen.

So sind die Indexzahlen Jevons', Sauerbecks, Soetbeers u. a. zustande gekommen.

Um das Verständnis dieser für die Volkswirtschaft so außerordentlich wichtigen Sache
zu erleichtern, lasse ich hier eine solche Übersicht folgen, indem ich dazu bemerke, daß
den Zahlen, da ich sie aus der Luft greife, nur eine veranschaulichende Bedeutung zu-
kommt!

+++

Hier fehlt eine Tabelle!

1. Wolle. . .
2. Zucker . .
1. Lein . . .
2. Baumwolle.
1. Holz . . .
2. Eisen. . .
1. Getreide. .
2. Fleisch . .
1. Indigo . .
2. Petroleum.

Erläuterungen : Nach dieser Übersicht hätte sich der Durchschnittspreis der genann-
ten 10 Warengattungen von 1000 im Jahre 1860 auf 955 im Jahre 1880 und auf 995 im
Jahre 1900 geändert.

Die in den drei Spalten b angeführte Menge muß natürlich immer auf eine gleiche
Summe (hier 1000) zurückgeführt werden, um das Ergebnis nicht zu fälschen. Auf die
Höhe dieser Summe an sich kommt es natürlich nicht an, sondern nur auf die Richtig-
keit der verhältnismäßigen Größe der Einzelzahlen. Wenn wir z. B. die Summe der
angeführten Zahlen auf 500 oder 1000 zurückführten, so würde das Endergebnis doch
das gleiche bleiben. Das Verhältnis der Zahlen 1000-955-995 bliebe unangetastet.

Der Preis der ersten Spalte a versteht sich für die Menge Ware, die man für 1 Mark
erhält, z. B. 220 g Wolle, 1530 g Zucker, 197 g Lein usw. Darum erscheinen hier alle
Preise gleichmäßig auf 1 Mark zurückgeführt. Die folgenden Preise der zweiten und
dritten Spalte a von 1880 und 1900 verstehen sich für die gleiche Menge Ware, die man
1860 für je 1 Mark erhielt - also wieder für 220 g Wolle, 1530 g Zucker usw.

Um alle Schwierigkeiten, die bei diesem Verfahren der Preisermittlung zu überwinden
sind, möglichst in obiger Übersicht zu vereinigen, habe ich die Warenarten so gewählt,
daß einem Gegenstand, der an Bedeutung für die heimische Volkswirtschaft abnimmt,
gleich ein anderer folgt, der an Bedeutung zunimmt. So z. B. Wolle und Zucker. Die
deutsche Schafzucht ist in den letzten Jahrzehnten stetig zurückgegangen, und die Wolle
hat darum für die deutsche Volkswirtschaft bei weitem nicht mehr dieselbe Bedeutung
wie vor 40 Jahren. Damals wirkten die Preisänderungen der Schafwolle zurück auf den
Preis einer ungeheuren Schafherde und auf die Rente gewaltiger Landstrecken, die als
Schafweiden benutzt wurden. Heute dagegen ist die deutsche Landwirtschaft kaum noch
am Wollpreis beteiligt, und wenn dieser heute von 100 auf 50 fiele, so würden 99 von
hundert deutschen Bauern dies kaum erfahren. Nur die Wollhändler, Weber und Tuch-
händler würden davon betroffen.

Dadurch nun, daß in obiger Ermittlung der Preis mit der Menge beschwert wird,
führen wir den Wollpreis auf seine wahre Bedeutung zurück. Für diese Menge haben
wir also 100 - 90 - 40 angesetzt.

Ebenso verhält es sich mit dem Zucker, nur im umgekehrten Verhältnis. Die deutsche
Zuckererzeugung ist seit 1860 stetig und stark gestiegen, nicht nur an sich, sondern auch
im Vergleich zu den anderen Industriezweigen. Viele Schafweiden sind in Rübenfelder
umgewandelt worden, zahllose Bauern, ungeheure Anlagegelder an Land, Fabriken,
Vorräten sind am Zuckerpreis beteiligt, und darum ist auch in obiger Übersicht dem
Zucker ein stetig wachsender Einfluß eingeräumt worden.

Und ähnlich verhält es sich mit den anderen angeführten Waren: Lein und Baum-
wolle, Holz und Eisen, Getreide und Fleisch, Indigo und Anilin.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß, wenn wir

voraussetzen, das Ergebnis einwandfrei sein würde.

Aber diese Vollständigkeit und Richtigkeit voraussetzen, heißt viel voraussetzen. Es
gibt Millionen von verschiedenen Waren, und jede einzelne hat zahllose Beschaffenheits-
unterschiede. Man durchstöbere z. B. die Preislisten einzelner Fabriken, z. B. von photo-
graphischen Artikeln, Drogen, Eisenwaren usw. Da findet man 1000 Artikel in einer
Hand. Und wie will man amtlich die Preise ermitteln? Die Fabriken haben zudem für
die verschiedenen Abnehmer blaue, rote, grüne, weiße Zettel mit verschiedenen Rabatt-
sätzen. Wird man nun z. B. den amtlichen Preisermittlern die weißen oder die grünen
Rabattzettel geben?

Jedoch, wenn es kein anderes, einfacheres Mittel gäbe, um zu solchem Genauigkeits-
maß zu gelangen, so könnte man sich als Notbehelf mit dem Ungefähr begnügen, und
anstatt sämtlicher Waren könnte man etwa 100, 200 oder 500 der wichtigsten Stapel-
artikel zur Statistik heranziehen.

Wenn man dann noch diese Arbeit von den verschiedenen Handelskammern vor-
nehmen ließe und den Durchschnitt dieser Aufzeichnungen nähme, so ließe sich wenig-
stens vom Standpunkt der Unparteilichkeit gegen Schuldner und Gläubiger nicht viel
einwenden.

Auf unbedingte Genauigkeit müßte man natürlich verzichten, denn

1. lassen sich Warenpreise durch Mittelspersonen, und besonders auf amtlichem
Wege genau überhaupt nicht ermitteln;

2. ist die Ermittlung der vergleichsmäßigen Bedeutung der verschiedenen Waren eine
verwickelte Sache.

Aber wäre das ein Grund, warum man jetzt auf alle Messungen des Geldpreises ver-
zichten sollte? Das Brot mißt man nicht mit dem Pariser Normalmaß, und auch der
Schneider bedient sich dieses Maßes nicht. Trotzdem erklären sich die Käufer mit dem
Gebrauch des hölzernen Meterstockes einverstanden. Wäre das Ungefähr einer solchen
Preisermittlung des Geldes nicht den windigen Beteuerungen des Reichsbankpräsidenten
vorzuziehen? Was wissen wir heute vom Preise des deutschen Geldes? Nichts, als was
uns eigene Beobachtungen oder beteiligte Personen ohne Beleg, ohne Beweise zu sagen
für gut halten.

Dieser blinden Unwissenheit gegenüber wäre also ein ungefährer Maßstab für die Be-
wegungen des Geldpreises von großem Vorteil, sowohl wegen des unmittelbaren Nutzens,
wie auch wegen der daraus zu ziehenden Schlüsse. Ein solcher Maßstab würde uns
vielleicht manche Überraschungen bringen und den Goldanbetern arge Verlegenheiten
bereiten, aber ist das ein Grund, warum man darauf verzichten sollte? Nimmt der Richter
bei seinen Fragen Rücksicht auf die Verlegenheit des Diebes? Ist ein Talglicht nicht
besser als stockfinstere Nacht? Ist der Zweifel, den die Wissenschaft schürt, nicht dem
blinden Glauben vorzuziehen?

Seit 40 Jahren werden wir mit der Behauptung abgespeist, die deutsche Währung bewähre
sich vortrefflich, und seit 40 Jahren warten wir auf den Beweis für diese Behauptung.

Die nach obigem Verfahren angelegte Preisermittlung würde uns einen Anhaltspunkt
geben, um diese Behauptung auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Warum hat man bisher
diese Ermittlungen nicht angestellt? Antwort: weil man das Licht fürchtet, das eine
solche Aufklärung in unsere Währungsverhältnisse werfen würde. Geleisetreter hassen
die Wissenschaft.

Dabei ist die Beobachtung merkwürdig, wie dieselben Männer, die den Goldwährungs-
luftsprüngen gegenüber beide Augen zuzudrücken pflegen, plötzlich überpeinlich werden,
wenn von der Papiergeldwährung die Rede ist und es sich um den Nachweis ihrer Meß-
barkeit handelt. Dann steigern sie ihre Ansprüche weit über alle wirklichen Bedürfnisse
hinaus. Der Klage, daß unter der Goldwährung die Preise in kurzen Zeiträumen um
10-20-30 % steigen und fallen, wehren sie mit der Gegenklage, daß die vorgeschlagene
Messungsweise nicht unbedingt zuverlässig sei und Unterschiede, wenn auch nicht
nachweisbare, nicht ausschlösse! (3)

Übrigens ist es leicht, auch solch böswillig übertriebenen Forderungen gerecht zu
werden, sofern man nur entschlossen ist, das Nötige zu tun. Um was handelt es sich
denn im Grunde? Doch nur um die Frage, ob durch die Preisschwankungen Wohl und
Wehe der Gläubiger und Schuldner berührt wird, ob der Jahresabschluß der Gewerbe-
treibenden durch die Preisverschiebungen beeinflußt wurde und um wieviel, ob die
Arbeiter, Beamten, Rentner, Ruhegehaltsempfänger, mit ihrem Geldeinkommen mehr
Waren oder weniger kaufen können.

Um solches in einer jeder Fehlersuche standhaltenden Weise festzustellen, ist aber nur
folgendes nötig: Ein Gesetz, durch das alle Warenerzeuger (Landwirte, Fabrikanten)
verpflichtet werden, die Menge der von ihnen erzeugten Waren nebst den erzielten
Preisen den hierzu bestellten Behörden, dem Bürgermeister, den Gewerbe- und Handels-
kammern, mitzuteilens. Von diesen Behörden werden die Einzelangaben zusammenge-
rechnet und das Ergebnis an eine Sammelstelle gemeldet. Das gibt etwa folgende Auf-
stellung:

1. 5 000 Zentner Getreide. . . . . . zu 35,- M. 175 000,-
2. 20 000 Zentner Kartoffeln . . . . . " 5,- M. 100 000,-
3. 10 000 Liter Milch . . . . . . . . " -,30 M. 3 000,-
4. 600 Raummeter Bretter . . . . " 40,- M. 24 000,-
5. 5 Millionen Ziegel . . . . 0/00 " 18,- M. 90 000,-
6. 200 Schafe. . . . . . . . . . . " 120,- M. 24 000,-
7. 500 Dtzd. Strohhüte . . . . . . " 30,- M. 15 000,-
Jahreserzeugung der Gemeinde X: M. 431 000,-

In der Sammelstelle werden die von sämtlichen Gemeinden des Reiches gemeldeten
Beträge zusammengerechnet. Die Summe gibt den Vergleichspunkt, mit dem in der Folge
jede Abweichung festgestellt werden kann. Das geschieht in der Weise, daß die für die
neue Messung neu ermittelten Preise von den Sammelstellen in die gleiche, oben als Beispiel
gegebene Rechnung eingestellt werden. Die neue Summe gibt an, um wieviel im Durch-
schnitt der gesamten Warenerzeugung die Preise sich verändert haben. Die Preise müssen
also so oft neu ermittelt werden, wie Messungen vorgenommen werden sollen. Die er-
zeugten Mengen dagegen werden nur jährlich einmal aufgenommen. Für die auslän-
dischen Waren stellt man die Jahreseinfuhr in die Rechnung ein.

Da die erzeugten Warenmengen ebenfalls, wie die Warenpreise, Schwankungen unter-
worfen sind, so kann die auf Grund der neuen Erzeugungsaufnahme ermittelte neue
Vergleichsziffer (der sog. Index) nicht ohne weiteres für die vorangehende Messung
benutzt werden. Um hier vergleichbare Größen zu schaffen, müssen die neuen Mengen
zunächst mit den Preisen der letzten Messung ausgerechnet werden und dann mit den
neuen. Dann erst lassen beide Ziffern einen Vergleich zu.

Die Warenlager der Kaufleute bleiben bei diesem Verfahren unberücksichtigt. Sie
sind in der Erzeugung einbegriffen, und es kann wohl angenommen werden, daß die
Abweichungen, die die Ermittlung der Erzeugungspreise ergibt, in ähnlichem Verhältnis
auch den Abschluß der Kaufleute trifft. Es wäre darum unnötiger Ballast, die Waren-
lager auch noch in der Preisstatistik aufzuführen. Das gleiche ist der Fall mit den Löhnen,
die schon in den Warenpreisen enthalten sind. Man kann auch ferner annehmen, daß,
wenn die Fabrikpreise währen, auch die Kosten der Lebenshaltung währen müssen, daß
also die Arbeiter, Beamten, Rentner, Altersgeldempfänger, für ihr Geld die gleiche Menge
Waren kaufen können.(Die Wohnungsmiete der Arbeiter, die in der Hauptsache aus Zins
besteht, darf hier nicht berücksichtigt werden.)

Die Erzeugungsmittel (Land, Häuser, Maschinen usw.) dürfen in diese Ermittlung
nicht aufgenommen werden. Die Erzeugungsmittel sind keine Waren mehr, sondern
Güter, die dem Besitzer durch den Gebrauch, nicht als Tauschmittel nützlich sind. Für
Dinge aber, die nicht verkauft werden, ist der Preis gleichgültig.
Nur derjenige Teil der Erzeugungsmittel, der auf die Abnutzung fällt (Abschreibun-
gen) verwandelt sich regelmüßig wieder in Waren und kommt, in Erzeugnisse umge-
wandelt, wieder auf den Markt. In den Warenpreisen findet aber dieser Teil seine ge-
bührende Berücksichtigung.

Der Staat wird also keine Preise, auch nicht die Bedeutung der einzelnen Waren, zu
ermitteln haben. Diese ganze Arbeit wird von den Bürgern verrichtet. Die Preisermittlung
des Geldes wird dadurch völlig der Politik entzogen und in unparteiische Hände gelegt.
Das Volk selbst fällt unmittelbar das Urteil in der Währungsfrage.

Dabei wird die Lieferung der Nachweise, die hier dem Staate zur Verfügung gestellt
werden, kaum eine nennenswerte Bürde für den Gewerbetreibenden sein. Die Ermitt-
lung, die dieser anstellen muß, erweist sich als sehr nützlich; sie gibt ihm Aufschluß,
inwiefern sein Betriebsabschluß von wechselnden Verhältnissen, d. h. von der Währung,
letzten Endes von der Geldverwaltung, berührt wurde, auch darüber, was auf seine
Tätigkeit und was auf die Tätigkeit der Reichsbank zurückzuführen ist.

Der wichtigste Vorwurf, den man diesem Verfahren machen kann, ist der, daß einzelne
Personen (Schuldner und Gläubiger), die aus dem allgemeinen Steigen oder Fallen der
Preise Vorteil für sich erwarten, ihre Berichte fälschen könnten; daß z. B. die Grund-
besitzer geneigt sein werden, einen allgemeinen Preisfall zum Vorschein zu bringen, um
den Staat zu veranlassen, den allgemeinen Preisstand durch vermehrtes Geldangebot zu
heben, was ja für die Schuldner einer entsprechenden Entlastung gleichkommt.

Jedoch ist diese Gefahr nicht groß, da der einzelne weiß, wie winzig gering der Einfluß
seiner Erklärung auf das Gesamtergebnis ist. Wenn z. B. ein Grundbesitzer fälschlich
einen Verlust von 1000 Mark auf einen Umsatz von 10 000 Mark angeben würde, so hätte
das für den deutschen Gesamtumsatz von 50 Milliarden so wenig Bedeutung, wie ein
Tropfen für das Meer. Stellt man zudem noch solche Fälschung als Urkundenfälschung
unter Strafe, so wird sich jeder sagen, daß der gewagte Einsatz in gar keinem Verhältnis
zum erwarteten Vorteil steht.

Übrigens beaufsichtigt die eine Erklärung die andere. Meldet die Mehrzahl der Bauern
Preissteigerung, so fällt eine Ausnahme davon auf, und der Fälscher muß erwarten, daß
man Aufklärung verlangen wird.

Wie man sieht, geht dieses Verfahren einfach über die Wertfrage hinweg; es kümmert
sich nicht um den sogenannten "Wert".

Ware wird mit Ware bezahlt, und nur mit Waren, mit ihren körperlichen Eigenschaften,
kann das Geld gemessen werden. Ein anderes Maß als Ware gibt es für das Geld nicht.
Für das Geld habe ich Waren gegeben, und Waren will ich dafür erhalten. Keine Arbeit,
keinen Schweiß. Wie der Verkäufer, der mir diese Sachen für mein Geld gibt, in deren
Besitz gelangt ist, wie lange er daran gearbeitet hat, das ist seine eigene Angelegenheit,
nicht die meinige. Mir kommt es ganz allein auf das Erzeugnis (4) an. Darum ist auch der
Arbeitslohn als Maßstab für den Preis des Geldes zu verwerfen. Dieser Geldpreis richtet
sich zwar auch ganz nach dem Arbeitserzeugnis und nicht nach der Fabrikuhr, wie Marx
behauptet, doch deckt er sich nicht mit dem Arbeitserzeugnis, insofern dieser in Gestalt
von Zins und Grundrente Abzüge erfährt. Der Lohn, zuzüglich Kapitalzins und Boden-
rente, ist aber wiederum weiter nichts als das Arbeitserzeugnis, das wir als Ware zum
Maßstab des Geldpreises erklärt haben.


(1) Unter "Preis des Geldes" versteht man die Menge Waren, die man "preisgeben"
muß, um eine bestimmte Menge Geld einzutauschen.

(2) Die Rückwirkung der Preisänderungen anf die Geldverhältnisse der Gläubiger und
Schuldner, der Rentner und Arbeiter, und der Einfluß dieser Wirkung auf die Nachfrage
und den Preis der von den Rentnern und Arbeitern gekauften (sehr verschiedenen) Waren
bleibe hier, da für das Verständnis der Sache wesenlos; unberücksichtigt.

(3) Um die gerügten Mängel nachzuweisen, müßten die Nörgler selber ein Messungsver-
fahren angeben. Davor aber hüten sie sich, weil man dann ihre Vorschläge auf die Gold-
währung anwenden würde. Das wäre gefährlich für ihren Liebling. Darum reden sie lieber
von nicht Nachweisbarem, und erwecken damit bei den Laien den Glauben, daß dieses
nicht "Nachweisbare" etwas besondere Gefährliches sei.

(4) Die Arbeit muß scharf vom Arbeitserzeugnis unterschieden werden. Als Maßstab
für den Geldpreis ist die Arbeit nicht zu gebrauchen.


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Dieser Text wurde im August 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.