Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage; August 1949;
Herausgeber: Karl Walker
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3.17. Gold und Frieden?

"Ehret Lykurg, er ächtete das Gold,
die Ursache aller Verbrechen."
Pythagoras.

Der Bürgerfrieden ist die Bedingung für jenen Geist, der uns allein den dauernden
Völkerfrieden bringen kann. Aber der Bürgerfrieden einerseits und Vorrechte, Zinsen,
arbeitsloses Einkommen anderseits, kurz, Bürgerfrieden und Rentnertum, sind Gegen-
sätze. Die Renten und Zinsen, das sogenannte Recht auf den fremde Arbeitsertrag,
müssen, sofern wir uns des Bürgerfriedens und durch ihn des Völkerfriedens erfreuen
wollen, rest- und spurlos geopfert werden.

Der Völkerfrieden ist nicht so billig zu haben, wie manche Friedensfreunde sich das
noch immer vorstellen, indem sie uns die Ersparnisse an den Rüstungsausgaben als
Werbemittel für ihre Anschauung vor Augen führen. Ach, diese Kriegsrüstungen sind
ja nur ein Pfifferling gegenüber den Kosten der Friedensrüstungen! Ein Pfifferling, von
dem man in einer so großen Sache nicht reden sollte. In Deutschland betrugen die
Heeresausgaben in Friedenszeiten nur 1 Milliarde, die Friedensrüstung aber verlangt
dort die Preisgabe von 20 Milliarden jährlich an Grundrenten und Kapitalzinsen. Also
das Zwanzigfache.

Gewiß, ein papierner Friedensvertrag ist billiger, aber was nützen solche Verträge?
Die Verträge mit Belgien und Italien waren auch aus Papier und haben sich als Papier
erwiesen. Verträge gelten nur, solange sie beiden Teilen gerecht werden, also solange
man sie nicht braucht und sie eigentlich überflüssig sind. Sie zerfallen regelmäßig in
ihren Grundstoff, in Papier, sobald die Entwicklung des Vertragsgegenstandes der einen
Partei nachteilig wird. Die ganze Hohlheit dieser papierenen Verträge erkennt man sofort,
wenn man versucht, den Bürgerfrieden auf ihnen zu begründen. Frage man doch die
Arbeiterführer, ob sie vor der Staatsverfassung haltmachen würden. Eine Verfassung
aber, die uns den Bürgerfrieden dauernd gewährleisten könnte, muß in den Dingen
liegen. Gerechtigkeit gegen alle Bürger, restlose Beseitigung des arbeitslosen Einkom-
mens, das ist die Verfassung, die keines Papieres bedarf und die gegen jeden Verfassungs-
bruch geschützt ist.

Nehmen wir aber einmal den Fall an, daß durch ein System von Bündnissen und
Verträgen, durch Abrüstung, Schiedsgerichte usw. die Völker derart aneinanderge-
kettet würden, daß Kriege überhaupt unmöglich gemacht werden. Solches kann man sich
jedenfalls vorstellen. Aber da fragt man sich: was setzen wir an die Stelle des Völker-
krieges, dieses altbewährten Sicherheitsventils gegen den Ausbruch des Bürgerkrieges,
des Weltbürgerkrieges, der der bürgerlichen Gesellschaft schon öfters in Gestalt des
Generalstreiks angedroht wurde, bisher aber immer noch wegen unzureichender Streik-
rüstung unterblieb? Die Entwicklung der Dinge nach den in ihnen liegenden Richt-
punkten duldet keine Unterbrechung, und in Friedenszeiten geht die Entwicklung
schnell, für die, die sie zu fürchten haben, sogar rasend schnell vonstatten. Noch ein
oder zwei Jahrzehnte Frieden, und die internationale Arbeiterorganisation wäre zum
Losschlagen bereit gewesen. Das wäre der Weltbürgerkrieg geworden, der, genau wie
der jetzt tobende Krieg, in der ganzen Welt, in allen Städten und Dörfern mit allen
Mitteln bis zum siegreichen Ende, d. h. bis zur Bezwingung des Gegners geführt werden
wird. An diesem Weltbürgerkrieg entzündet sich aber so sicher wie der Tod, der Völker-
krieg wieder. Die Dinge verlaufen dann so, daß die Staaten, deren Proletatiat der Umsturz
der kapitalistischen Ordnung "geglückt" ist und die zur kommunistischen Wirtschafts-
weise übergegangen sind, infolge der solcher Wirtschaft von Natur anhaftenden Mängel
bald ins Hintertreffen kommen und dann den Staaten nicht widerstehen können, die
die Empörung niedergeknallt und die kapitalistische "Ordnung" gerettet haben.

Denn daß die herrschenden Klassen die Empörung des Proletariats zur Rettung ihrer
Vorrechte rücksichtslos und blutig zu unterdrücken versuchen werden, das wird auch
der Hoffnungsselige zugeben.

Was nützen aber, so fragt man, unter derartigen Verhältnissen die Bemühungen um
den Völkerfrieden? Hat es einen vernünftigen Sinn, für den Völkerfrieden zu arbeiten
und dabei seine Unterlage, den Bürgerfrieden, unbeachtet zu lassen? Nennt man das
nicht auf Flugsand bauen? Dachausbesserungen an einem Bau vornehmen, dessen Grund-
mauern untergraben werden? So, wie die Dinge liegen, bedeutet der Völkerfrieden ein
bloßes Abdichten der Sicherheitsventile der heute in der ganzen Welt herrschenden Ge-
sellschaftsordnung, also nur eine Verkürzung der Galgenfrist bis zum großen Weltbrand.

Ist es nicht im Gegenteil vielleicht besser und menschlicher, wir lassen die Sicher-
heitsventile unseres Kapitalismus wie bisher weiter arbeiten, bis wir die Grundlagen
des echten Bürgerfriedens gefunden haben und ein Abkommen der Eintracht (contrat
social) abschließen, von dem wir sagen können: "es währet ewig"? Was wir nach diesem
Weltkrieg machen werden, das wissen wir. Der Krieg nimmt irgendein Ende. Man wird
überall auf Schutthaufen sitzen und sich die Eitergeschwüre mit Scherben auskratzen.
Doch wir werden auf Grund einer technisch bewährten Wirtschaftsordnung arbeiten
und infolgedessen leben. Was aber nach Ausbruch des Weltbürgerkrieges geschehen soll,
darüber machen sich die, die ihn einst entfesseln werden, keine Kopfschmerzen. Es
geht dann, wie es immer gegangen ist, dem völligen Untergang entgegen.

Diese Darlegungen bezwecken, alle, die den Frieden auf Erden herbeisehnen, auf
den bestehenden Zusammenhang zwischen Bürger- und Völkerfrieden aufmerksam zu
machen und ihnen gleichzeitig im Gold den allgemeinen Störenfried zu entlarven, den
wir mit gewichtigen Gründen als den Erbfeind der Menschheit, als die wahre Ursache des
Zerfalles des Volkes in Klassen, des Bürgerkrieges, und letzten Endes auch der Völker-
kriege bezeichnen müssen.


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Dieser Text wurde im August 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.