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Die Quantitätstheorie, die für alle Waren ohne wesentliche
Einschränkung als richtig
anerkannt wird, hat man auch auf das Geld übertragen und
gesagt, daß der Preis des
Geldes vom Geldvorrat bestimmt wird; doch hat die Erfahrung gezeigt,
daß das Geld-
angebot vom Geldvorrat nicht so beherrscht wird, wie für
solche Quantitätstheorie
vorausgesetzt wird. Während der Geldvorrat oft unverändert
bleibt, ist das Geldangebot
den größten Schwankungen unterworfen. Der Kriegsschatz
in Spandau war in über
40 Jahren nicht einmal angeboten worden, während sonst das
Geld jährlich 10 oder
50 mal den Besitzer wechselt. Die Bewahrstellen des Geldes (Banken,
Geldschränke,
Strümpfe und Koffer) sind zuweilen überfüllt, manchmal
leer, und dementsprechend
ist auch das Geldangebot heute groß, morgen klein. Oft genügt
ein Gerücht, um alles
Geld vom Markte und Angebot zurück in die Bewahrstellen zu
bringen; oft bewirkt
eine Drahtmeldung, die noch obendrein gefälscht sein mag,
daß dieselbe Hand, die noch
eben den Beutel fest zuschnürte, die Märkte des Landes
mit Geld überschüttet.
Für das Geldangebot sind die Marktverhältnisse jedenfalls
von größter Bedeutung,
und wenn wir eben von den Waren sagten, daß Vorrat und Nachfrage
den Preis be-
stimmen, so könnte man vom Gelde ebenso richtig sagen. daß
"Stimmung und Nach-
frage" seinen Preis bestimmen. Gewiß, der Geldvorrat
ist für das Geldangebot nicht
gleichgültig, denn dieser Vorrat zieht dem Angebot nach oben
eine Grenze. Es kann
schließlich nicht mehr Geld angeboten werden als der Vorrat
gestattet. Aber während
für die Waren im allgemeinen die obere Grenze des Angebots
(d. i. der Vorrat) auch
gleichzeitig die untere bildet, so daß Angebot und Vorrat
regelmäßig in eins zusammen-
fallen, ist beim Gelde eine untere Grenze überhaupt nicht
zu erkennen, es sei denn,
daß man Null als diese untere Grenze ansehen will.
Ist Vertrauen da, so ist auch Geld da; hat hingegen Mißtrauen
die Oberhand, so
bleibt das Geld verborgen. Das ist eine uralte Erfahrung.
Wenn aber - wie diese uralte Erfahrung beweist - das Geldangebot
nicht regelmäßig
und ausnahmslos dem Geldvorrat entspricht, so ist auch der Preis
des Geldes vom Geldvorrat
unabhängig, und die Übertragung der rohen Quantitätstheorie
auf das Geld ist nicht statthaft.
Versagt aber diese Quantitätstheorie dem Gelde gegenüber,
so ist auch die Produktions-
kostentheorie nicht auf das Geld anwendbar, denn die Erzeugungskosten
können preisbestim-
mend nur mittelbar durch ihren Einfluß auf die Quantität,
d. i. derVorrat, wirken, und dieser
Vorrat ist, wie wir sahen, nicht regelmäßig und allein
entscheidend für das Geldangebot. (2)
Bei den Waren im allgemeinen verhält es sich so, daß,
wenn die Erzeugungskosten
abnehmen, die Erzeugung zunimmt. Mit der steigenden Erzeugung
wachsen Vorrat und
Angebot, und mit dem wachsenden Angebot fällt der Preis.
Aber bei den Edelmetallen
ist es durchaus nicht gesagt, daß mit dem wachsenden Vorrat
auch sogleich das An-
gebot wächst, und noch weniger, daß das Angebot stets
dem Vorrat entspricht. Beweis:
die Silberbestände in Washington, der Kriegsschatz in Spandau,
die Münzfunde, die
täglich gemacht werden.
Beide Theorien, die rohe Quantitäts- und die Produktionskostentheorie,
versagen also
dem Gelde gegenüber, und den Grund, warum sie versagen müssen,
hat man in den
Edelmetalleigenschaften des Geldstoffes zu suchen. Der Kriegsschatz
in Spandau wäre
längst zu Schutt und Staub vermodert, ohne diese Eigenschaften
des Goldes, und auch
die Silberpolitik der Vereinigten Staaten wäre ohne diese
Eigenschaften des Silbers nicht
denkbar gewesen. Wenn das Gold gleich den Waren dem Zerfall ausgesetzt
wäre, so würde
das Geldangebot stets haarscharf dem Geldvorrat entsprechen; Vertrauen
und Mißtrauen
vermöchten das Geldangebot nicht zu beeinflussen. In Kriegs-
und Friedenszeiten, bei guter
und schlechter Geschäftslage, stets würde das Geld angeboten
werden, niemals würde
sich das Geld vom Markte zurückziehen können. Das Geld
würde sogar angeboten
werden, wenn mit dem Umsatz ein sicherer Verlust verbunden wäre,
genau wie bei den
Kartoffeln das Angebot nicht davon abhängig ist, ob der Eigentümer
einen Gewinn
einheimst oder nicht. Kurz, Vorrat und Nachfrage würden,
wie den Preis der Waren
so auch den des Geldes bestimmen.
Der Preis einer Ware, die, wie der Kriegsschatz in Spandau und
die Silberbestände
in Washington, jahrzehntelang in feuchten, unterirdischen Verliesen
aufbewahrt werden
kann, ohne den geringsten Schaden zu nehmen, deren Angebot nicht
einem inneren
Triebe folgt, sondern allein vom menschlichen Ermessen abhängig
ist, ist aller Fesseln
ledig. Der Preis einer solchen Ware anerkennt kein wirtschaftliches
Gesetz; für sie besteht
keine Quantitäts- und Produktionskostentheorie, für
ihr Angebot ist der Profit allein
maßgebend.
Ein solches Geld ist, wie schon Lassalle richtig bemerkt, von
Haus aus Kapital, d. h.
es wird nur so lange und so oft angeboten, wie ein Zins (Mehrwert)
herausgeschlagen
werden kann. Kein Zins, kein Geld!
Die Beseitigung der hier entlarvten Mängel unseres Geldes
fordert eine Umgestaltung
einschneidendster Art (s. den folgenden Teil dieses Buches), die
gegen den entschlosse-
nen Widerstand mächtiger Volksklassen durchzusetzen ist und
entsprechend starke
Willenskräfte voraussetzt.
Um diese zu wecken, genügt vielleicht die vorangehende Kritik
nicht. Darum lasse
ich hier noch einen Vortrag folgen, den ich am 28. April 1916
in Bern hielt.
(2) Dr. Georg Wiebe: Zur Geschichte der Preisrevolution des 16.
und 17. Jahrhunderts. S. 318:
Die bloße Vermehrung des Geldvorrats kann an sich nicht
preiesteigernd wirken; das neu
hinzugetretene Geld muß auch auf dem Markt kaufend Nachfrage
erzeugen. Dies ist die
erste Einschränkung, die gegentüber jener Theorie gemacht
werden muß.
Hume: Geld, das nicht angeboten wird, hat auf die Preise den gleichen
Einfluß, wie wenn
es vernichtet worden wäre.
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