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An sich hat die Behauptung, daß die Währung einen
wirtschaftlichen Aufschwung
erzeugen oder wenigstens ermöglichen kann, nichts Auffälliges.
Denn das Geld ver-
mittelt den Warenaustausch, und ohne Warenaustausch gibt es keine
Arbeit, keinen
Gewinn keinen Verkehr, keine Hochzeit. Sowie der Warenaustausch
stockt, werden
alle Fabriken geschlossen.
Obige Behauptung enthält also durchaus nichts, was von vornherein
verblüffen könnte.
Im Gegenteil, man frage die Fabrikanten, die Reeder usw., ob sie
mit dem vorhandenen
Maschinen- und Menschenbestand nicht noch mehr Waren erzeugen
könnten. Sie werden
übereinstimmend sagen, daß eine Grenze nur durch den
Absatz ihrer Waren gezogen
wird. Und den Absatz vermittelt das Geld - oder es vermittelt
ihn auch nicht, je nachdem.
Daß in den Verdienstansprüchen der Goldwährung
stillschweigend die Behauptung
miteingeschlossen liegt, daß ihre Vorgängerin (die
Doppelwährung) den wirtschaftlichen
Aufschwung gehemmt habe, ist an sich auch durchaus nicht verblüffend.
Wenn das
Geld den Fortschritt fördern kann, so muß es ihn auch
hemmen können. Dem Gelde
werden ganz andere Wirkungen zugeschrieben als nur die Herbeiführung
einiger Jahr-
zehnte der Blüte oder des Zerfalls. (1)
In Deutschland klagten die Grundbesitzer seit Einführung
der Goldwährung über
den Rückgang der Preise, über die Schwierigkeiten auf
die sie stießen, den Zins ihrer
Bodenschulden aufzubringen. Man ist ihnen ja mit den Zöllen
zu Hilfe gekommen; aber
wie viele Bauernhöfe würden ohne diese Hilfe unter den
Hammer gekommen sein?! Und
wer würde diese Höfe gekauft haben? Es hätten sich
Großgrundbesitze gebildet, genau
wie im alten Rom. Und der Großgrundbesitz, die Latifundienwirtschaft,
soll doch den
Untergang Roms verursacht haben!
Also, die Behauptung der Goldwährungsleute enthält
nichts Auffälliges; nur handelt
es sich um den Beweis. Denn der behauptete wirtschaftliche Aufschwung
könnte vielleicht
auch andere Ursachen haben: die Schule, die vielfachen technischen
Erfindungen, die die
Arbeit befruchteten, das deutsche Weib, das für einen zahlreichen,
gesunden Arbeiter-
stamm sorgte, usw. Kurz, es fehlt nicht an Nebenbuhlern, die der
Goldwährung die
Lorbeeren streitig machen.
Also Beweise! Wir brauchen einen Maßstab für die Güte
des Geldes! Es handelt
sich hier darum, festzustellen, ob die Goldwährung den Austausch
der Waren derart er-
leichtert hat, daß der behauptete wirtschaftliche Aufschwung
als eine Folge dieser Er-
leichterung eine genügende Erklärung findet.
Hat nun die Goldwährung den Warenaustausch erleichtert, so
muß sich das in einer
Sicherung oder Beschleunigung oder Verbilligung des Warenaustausches
zeigen, und diese
Sicherung, Beschleunigung und Verbilligung des Warenaustausches
müßte sich in einer
entsprechenden Abnahme der Zahl der Kaufleute zeigen. Das ist
klar und braucht weiter
nicht bewiesen zu werden. Verbessern wir die Straßen, die
zum Befördern der Waren
dienen, so nimmt die Leistungsfähigkeit der Fuhrleute zu,
und bei gleicher Gesamt-
leistung muß deren Zahl abnehmen. Seit Einführung der
Dampfschiffe hat sich der
Seeverkehr verhundertfacht, doch hat die Zahl der Seeleute abgenommen;
Kellner,
Köche, Diener nehmen heute die Stelle der Matrosen ein.
So müßte es auch im Handel sein, wenn die Goldwährung
der Muschelwährung
gegenüber ähnliche Vorteile böte wie die Dampfkraft
gegenüber dem Winde, oder wie
der Sprengstoff gegenüber dem Keil.,
Tatsächlich erleben wir aber mit der Goldwährung eine
genau entgegengesetzte
Entwicklung:
"In einer Zeit, in der die Vermittlungstätigkeit (also
der Handel) in der Gesellschaft
von 3 und 5 auf 11-13%, ja teilweise auf 31 % der Selbsttätigen
gestiegen ist, in
der diese Vermittlung (also die Handelsunkosten) einen steigenden
Teil der Preise
ausmacht. . .", sagt Prof. Schmoller (s. Die Woche, S. 167,
Aufsatz "Der Handel
im 19. Jahrhundert!").
Und so ist es tatsächlich. Der Handel wird nicht leichter,
sondern mit jedem Tage
schwerer. Um die Waren abzusetzen, braucht man mit dem goldenen
Tauschvermittler
nicht weniger, sondern mehr Leute als früher, und zwar Leute
mit besserer Ausbildung
und besserer Ausrüstung. Es geht dies aus der deutschen Berufserhebung
hervor.
Im Handelsgewerbe waren beschäftigt:
1882 | 1895 | 1907 | |
Personen ................................................... | 838 392 | 1 332 993 | 2 063 634 |
auf 100 Gewerbetreibende......................... | 11,40 | 13,50 | 14,50 |
Zahl der Gewerbetreibenden ...................... | 7 340 789 | 10 269 269 | 14 348 016 |
Zahl der Einwohner ...................................... | 45 719 000 | 52 001 000 | 62 013 000 |
Gewerbetreibende auf 100 Einwohner .......... | 16 | 20 | 23 |
- davon im Handelsgewerbe.......................... | 1,83 | 2,56 | 3,32 |
Verhältnis der Händler zu den Gewerbe-
treibenden ................................................. |
11,40 | 12,80 | 14,50% |
Während also die Zahl der Gewerbetreibenden (Industrie,
Handel, Landwirtschaft)
von 16 % der Einwohner auf 23, somit um 43 % stieg, erfuhr die
Zahl der im Handel
tätigen Personen ein Wachstum von 1,83 auf 3,32% = 80%.
Diese Zahlen beweisen also, daß unter der Herrschäft
der Goldwährung als Tausch-
vermittler die Tauschvermittlung derart erschwert wurde, daß
die Bedienungsmann-
schaft des Tauschvermittlers von 11,40 auf 14,50 erhöht werden
mußte; sie beweisen
zahlenmäßig, daß die Goldwährung den Handel
erschwert hat.
Man wird vielleicht hier einwenden, daß in den letzten
Jahrzehnten viele Erzeuger
von der Urwirtschaft zur Arbeitsteilung übergegangen sind,
zumal auf dem Lande, wo
immer weniger für den eigenen Verbrauch, immer mehr für
den Markt gezogen wird,
was natürlich wieder mehr Kaufleute nötig macht. So
werden z. B. heute nur mehr
ganz selten Spinnräder gebraucht, und die kleinen Dorfhandwerker,
die man unmittelbar
mit Feldfrüchten bezahlte (Tauschhandel), müssen Fabrikniederlagen
weichen. Auch
erzeugt der Arbeiter heute mit Hilfe der verbesserten Arbeitsmittel
mehr Ware als
früher (der Güte oder der Menge nach), so daß
auch dadurch eine bedeutend größere
Menge Waren auf den Markt geworfen wird, die wiederum mehr Handelsangestellte
benötigt. Ist ein Kaufmann nötig, um den Kattun von
10 Webern zu verschleißen, so
werden zwei Händler nötig - wenn sonst alle Verhältnisse
gleich bleiben -, sobald die
10 Weber mit verbesserten Webstühlen die doppelte Menge Kattun
auf den Markt
werfen.
Der Einwand ist richtig. Aber dann bitte ich dagegen auch wieder
zu berücksichtigen,
daß die mit dem Handel verbundene sachliche Arbeit durch
mancherlei neue Einrich-
tungen außerordentlich erleichtert wurde. So durch das Dezimalsystem
der Mark-
währung (das von der Goldwährung ja unabbängig
ist, wie das englische Münzwesen
zeigt), durch das einheitliche metrische System für Maße
und Gewichte, durch die in
den verbesserten Schulen herangezogenen Handelsgehilfen, durch
das einheitliche, ver-
besserte Handelsrecht, durch das Konsulatswesen, durch die außerordentlichen
Vorteile,
die die Post dem Handel bietet (10 Pf. Porto für Briefe durch
das ganze Deutsche Reich,
Postaufträge, Postnachnahmen, Postkarten, Postpakete, Postanweisungen),
ferner durch
Telegraph und Fernsprecher. Dann die Schreib- und Rechenmaschinen,
die Kurzschrift,
die Vervielfältigungsapparate, die Kopierpresse, die Fahrräder
für die Geschäftsboten,
das verfeinerte Reklamewesen, das Bankwesen mit dem Scheck- und
Überweisungskonto,
Konsumvereinswesen, kurz, die unzähligen Verbesserungen,
die seit 30 Jahren in die
Technik des Handels eingeführt wurden. Und schließlich
die größere allgemeine Bildung
des Kaufmanns, die ihm doch auch bei der Arbeit zugute kommen
und seine güter-
austauschende Kraft vermehrt haben muß. Andernfalls müßte
man ja diese Bildung für
überflüssig und den Kaufmann für unklug erklären,
der einen gebildeten Gehilfen
besser bezahlt als den ungebildeten. Denn warum zahlt er ihn besser?
Weil er mehr
leistet, d. h. mehr Ware absetzt als der ungebildete.
Erachten wir nun die oben erwähnte Mehrerzeugung an Waren
durch die größere
Leistungsfähigkeit der kaufmännischen Einrichtungen
als ausgeglichen, so behält die
Steigerung der vom Handel lebenden Personenzahl von 11,40 auf
14,50 % der Gewerbe-
treibenden ihre ganze Kraft als Beweis gegen die behauptete Vorzüglichkeit
der Gold-
währung.
Dabei geben obige Zahlen nur die Personen an, die unmittelbar
vom Handel leben,
während es für uns eigentlich auf den Rohgewinn ankommt.
Und dieser ist, dem Augen-
schein nach zu urteilen, wohl auch allgemein gestiegen. Auch muß
berücksichtigt werden,
daß von der Zahl nicht auf die Gesamteinnahmen der Kaufleute
geschlossen werden
kann, indem die Kaufleute in der Regel und durchschnittlich ein
höheres Einkommen
als andere Arbeiter haben.
Um zu wissen, welche Wirkung eine Währangsreform auf den
Handel ausübt, müßte der
rohe Handelsgewinn, d. h. der Abstand zwischen Fabrik- und Ladenpreis
der einzelnen Waren,
statistisch ermittelt werden. Ladenpreis abzüglich Fabrikpreis
= Handelsrohgewinn. Dann
wäre es möglich, zu berechnen, wieviel der Handel dem
Lande kostet und wie sich das jetzige
Geldsystem bewährt. Es würde sich da zeigen, daß
der Handel heute wirklich, wie vielfach
behauptet wird, ein Drittel und mehr der Gesamterzeugung aufzehrt!
Daß von je 1000 Kilo
333 für die Händler abgesondert werden.
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