Vergleicht man die Inschrift der heutigen deutschen Münzen
mit derjenigen der alten
preußischen Taler, so fällt auf, daß die Angabe
des Gewichtes an Feinmetall, die die
Taler trugen, weggelassen worden ist. Warum? Mit der Streichung
dieser Gewichts-
angabe hat man doch etwas bezwecken müssen, und dies muß
man um so sicherer an-
nehmen, als die Gewichtsangabe in vielen Fällen von wirklichem
Nutzen sein kann. (1)
Es ist allerdings wahr, daß die Angabe des Gewichts in
der Fassung, wie sie der
preußische Taler trug, zu vielen Fragen Anlaß geben
konnte, die auf Grund der heute
noch vorherrschenden Anschauungen über das Wesen des Geldes
nicht beantwortet
werden können, und daß durch Streichung der Gewichtsangaben
in den neuen Münzen
man die Gefahr umgangen hat, sich in Widersprüche zu verwickeln.
Wenn "XXX ein Pfund Fein" (2), dann ist auch ein Pfund
Fein gleich XXX, und der
Begriff "Taler" wird durch solche Inschrift zu einer
einfachen, für das Silber vorbe-
haltenen Gewichtseinheit, wie man ja noch heute in England für
gewisse Waren beson-
dere Gewichtseinheiten hat. (Diamanten z. B. wägt man nach
Karat. In Neuchâtel ent-
hält ein "Maß" Äpfel oder Kartoffeln
20 l, ein "Maß" Korn aber nur 16 l.)
Wenn aber ein Pfund Fein gleich 30 Taler ist, wenn eine Münze
gleich ist einem
bestimmten Gewicht Silber (laut Inschrift und Theorie der Taler),
wie kann man dann
das Silber entmünzen, wie kann man den 30. Teil eines Pfundes
Feinsilber überhaupt
vom Taler trennen? Wie kann man aus einem Begriffe zwei machen,
Taler und Silber?
Vor dem Jahre 1872 waren "XXX ein Pfund Fein", und nach
dieser Zeit nicht mehr.
Wenn das letztere möglich ist (und es ist Tatsache), dann
ist das erstere nie wahr ge-
wesen, und die Inschrift des Talers spiegelte uns etwas als einen
Begriff vor, was von
jeher zwei Begriffe waren - der Taler und der Stoff, aus dem er
gemacht war. Der Taler
wog den 30. Teil von einem Pfund Feinsilber, das war alles. Man
verbrauchte bei der
Herstellung der Taler ein Pfund Silber für je 30 Taler, wie
man bei der Herstellung
eines Hufeisens ein Pfund Eisen verbraucht. Der Taler war nicht
eine bestimmte Menge
Silber, ebensowenig wie ein Haus mit einem Haufen Ziegelsteinen
wesenseins ist, oder
wie man ein Paar Schuhe als einen Meter Leder betrachten kann.
der Taler war ein
vom Silber völlig verschiedenes Erzeugnis der königlichen
Münze. Und er war das -
trotz seiner Inschrift - sowohl vor wie nach der Entmünzung
des Silbers.
Die Inschrift des Talers machte aus ihm und seinem Stoff einen
Begriff, die Ent-
münzung des Silbers zeigte uns, daß im Taler zwei Begriffe
enthalten waren. Die Auf-
hebung des freien Prägerechtes für das Silber machte
den Taler durchsichtig, so daß
wir durch das Silber seinen Kern erblickten. Bis dahin glaubten
wir, der Taler wäre
nur Silber, jetzt sahen wir zum ersten Male in ihm das Geld. Wir
leugneten dem Taler
den Besitz einer Seele ab, bis er sie im Tode vor aller Augen
aushauchte. Bis zur Auf-
hebung des freien Prägerechtes hatten die Reichsangehörigen
nur Silber gesehen, jetzt
offenbarte sich ihnen zum ersten Male in der Vereinigung des Silbers
mit dem Gesetz
das Dasein eines eigentümlichen Fabrikates - des Geldes.
Vor der Aufhebung des freien Prägerechtes für das Silber
fand die Erklärung, die die
Vertreter der Metallwährung (Gold- sowohl wie Doppelwährung)
vom Geld gaben,
keinen Widerspruch - die Entmünzung des Silbers zeigte, daß,
wenn auch Münzen
aus Metallbarren geprägt werden, Metallbarren darum doch
noch keine Münzen sind.
Chevalier, La Monnaie S. 39: "Die Münzen sind Metallbarren,
deren Gewicht und
Feingehalt durch den Stempel gewährleistet wird."
Otto Arendt: "Unsere Reichsmark ist nichts als die Bezeichnnng
für 1/1395 Pfund Gold."
Man übersah, daß die freie Silberprägung, die
ja der Wirkung nach die Münzen zu
Metallbarren und diese zu Münzen macht, ein Gesetz, ein staatliches,
von der Willkür
der Volksvertreter abhängiges Gesetz zur Unterlage hat. Man
übersah, daß der Taler
ein Fabrikat, ein Erzeugnis der Gesetzgebung ist, und daß
das Silber nur der Stoff,
nichts als der willkürlich gewählte Rohstoff des Talers
war. Das Gesetz schuf den Taler,
das Gesetz zerstörte ihn. Und was hier vom Taler gesagt wird,
gilt natürlich auch für
seinen Nachfolger: die Mark d. R.-W. Das freie Goldprägerecht,
das auch heute Münze
und Gold der Wirkung nach zu einem Wesen macht, ist das Erzeugnis
unserer Gesetz-
geber. Wie es entstanden ist, so kann es wieder vergehen, kann
alle Tage umgestoßen
werden, falls es sich nachträglich herausstellen sollte,
daß so vieles, was man seinerzeit
ungeprüft bei der Goldwährung voraussetzte, keine Prüfung
verträgt.
Wenn aber dieser Fall eintreten sollte - die Aufhebung des freien
Prägerechtes -
(die Erklärung der Reichsbanknote zum gesetzlichen Zahlungsmittel
ist der erste Schritt
auf diesem Wege), welche Beziehungen hat dann noch das Gold zu
unserem Gelde?
Doch nur mehr die eine, daß es, so wie Kupfer, Silber, Nickel
und Papier, als Rohstoff
bei der Herstellung des Geldes Verwendung findet - d. h. dieselbe
Beziehung, die
zwischen Stein und Haus, Leder und Schuhen, Pflug und Eisen besteht.
Jeder Schimmer
einer Wesensgleichheit des Geldes und seines Stoffes würde
vergehen und der Unter-
schied zwischen Gold und Mark d. R.-W. ebenso handgreiflich werden,
wie der Unter-
schied zwischen Taler und Silber, Hut und Stroh. (3)
Wir haben demnach scharf zu unterscheiden zwischen Geld und
seinem Stoff, zwischen
der Mark d. R.-W. und dem Gold. Beide - Geld und sein Rohstoff
- können niemals
für eins erklärt werden, denn zwischen beiden liegt
das Gesetz, das heute beide vereint,
morgen beide trennen kann.
Dieser Unterschied zwischen Geld und seinem Stoff hat von jeher
bestanden. Ver-
borgen bestand er zur Zeit des freien Prägerechtes für
das Silber, verborgen besteht
er auch in der Goldwährung. Aber für jeden sichtbar
machte den Unterschied die Auf-
hebung, die gesetzliche, willkürliche Aufhebung des freien
Prägerechts für das Silber.
Ebenso erkennbar muß er auch heute für jeden sein,
der aus der Geschichte des Silbers
ersieht, daß die Vorrechte des Geldes an keinem Metall haften,
sondern durch Gesetz
von einem Gegenstand auf den anderen übertragen werden können.
Und was denken unsere Gesetzgeber jetzt, wenn von der Reichswährung
die Rede ist,
wenn sie eine Mark d. R.-W. in die Hand nehmen und sie betrachten?
Sind sie sich bewußt, daß die Mark d. R.-W. noch
immer einer gesetzlichen Begriffs-
erklärung harrt; daß keine schulmäßige Erklärung
vom Wesen des Geldes zur deutschen
Währung paßt, daß das Erklären der deutschen
Banknote zum gesetzlichen Zahlungs-
mittel der Goldwährungstheorie den letzten Stützpunkt
entzieht, und daß die Inschrift
unserer Banknoten Unsinn geworden ist?
"Die Reichsbank zahlt dem Inhaber bei Sicht ohne Legitimation
100 Mark d. R.-W.",
so sagt die Inschrift, und die Theorie der Banknote sagt, daß
die Banknoten nur dieses
Zahlungsversprechens wegen umlaufen und möglich sind. Nun
hat man einen dicken
Strich durch die obige Inschrift der Banknoten gezogen, indem
man die Note zum
gesetzlichen Zahlungsmittel erklärte, - und trotzdem laufen
die Banknoten um wie
vorher. Wie ist das möglich? Wie ist es möglich, daß
der deutsche Bauer, der schon seine
Kuh gegen 1000 Mark Silber verkaufte, die in den Schmelztiegel
geworfen nur 400 Mark
Silber liefern würden, jetzt noch sein bestes Pferd gegen
eine Banknote hergibt, die er
stofflich und der wissenschaftlichen Auslegung nach als wertlos
betrachten muß?
So bringe man doch die Inschrift der Banknoten in Übereinstimmung
mit den Tat-
sachen; schreibe man auf das Papier, wie man es bei den silbernen
und goldenen Münzen
getan, einfach 10-20-100 Mark und streiche alles andere und namentlich
das Wort,
"zahlen". Dieses Wort gebraucht man bei Schuldscheinen,
Wechseln, Mahnbriefen,
und die Banknote ist ja doch kein Schuldschein. Schuldscheine,
namentlich staatliche,
tragen dem Inhaber Zins ein; bei der Banknote aber erhält
der Aussteller, also der Staat
den Zins. (4) Statt zu schreiben: "Die Reichsbank zahlt dem
Inhaber" usw., schreibe man
einfach: "Dies sind 100 Mark". Es ist Unsinn, durch
die Inschrift die Banknote zu
einem Darlehnsschein stempeln zu wollen. Schuldpapiere ohne Zins
sind heute un-
denkbar. Von Schuldpapieren aber, die dem Inhaber (Gläubiger)
Zins kosten und dem
Aussteller (Schuldner) Zins eintragen und dabei gleichwertig mit
wirklichen Zinspapieren
umlaufen, spricht auf dem Erdenrund nur die Inschrift der Banknote.
Die deutschen
Reichsanleihen, die dem Inhaber regelmäßig alle Jahre
3 % abwerfen, stehen heute
(1911) 84,45; die deutsche Banknote, die dem Inhaber 4 - 5 - 6
- ja 8,5 % jährlich
kostet, steht auf 100 (pari) (5), und beide Papiere wirft das
Gesetz, wirft die Theorie in
denselben Topf, theoretisch wie gesetzlich gelten beide Papiere
für Schuldscheine, Schuld-
scheine desselben Ausstellers!
Weg also mit Gesetzen und scheinwissenschaftlichen Erklärungen,
die zu solchen
Widersprüchen führen!
Der Zellstoff der Banknoten ist, wie Kupfer, Nickel, Silber
und Gold, Rohstoff für die
Herstellung des Geldes; alle diese verschiedenen Geldarten sind
den Geldvorrechten
gegenüber gleichberechtigt - sie sind gegenseitig auswechselbar.
Sie stehen alle unter
der gleichen wirksamen Oberaufsicht des Staates. Man kann nicht
Papiergeld mit Metall-
geld desselben Staates kaufen oder zahlen, man kann nur beides
gegeneinander wechseln.
Folgerichtig ist darum auch jedes Zahlungsversprechen in der Inschrift
der Banknoten
zu streichen. "Dies sind: Zehn, Hundert, Tausend Mark d.
R.-W." ; so soll die Inschrift
lauten.
Nicht wegen, sondern trotz des Zahlungsversprechens in der Inschrift
läuft die Bank-
note gleichwertig mit dem Metallgeld um. (6)
Woher kommen die Kräfte, die bei der Banknote den Aussteller
zum zinsbeziehenden
Gläubiger, den Inhaber zum zinszahlenden Schuldner machen?
Das Vorrecht, Geld zu
sein, gibt der Banknote diese Kräfte, hat das Wunder bewirkt.
Wir müssen uns also das
Wesen dieses Vorrechtes näher betrachten.
(2) Inschrift der alten preußischen Taler, die bedeutet:
30 Taler enthalten 1 Pfund
Feinsilber.
(3) Die Goldwährungstheorie ist heute ganz verwildert, und
es wäre wohl schwer, sie noch
in Worte zu kleiden. Bei Einführung der Goldwährung
galt noch die Barrentheorie in
ihrem krassesten Ausdruck. "Währung ist was selber währt",
sagte Bamberger, "und
kraft seiner Metalleigenschaften drängt sich das Gold uns
als Geld auf."
Wie paßt zu dieser Behauptung die Tatsache, daß wenige
Jahre später in Deutschland
sich ein "Verein zum Schutze der deutschen Goldwährung"
bildete ? Währte denn das Gold
nicht mehr kraft seiner Metalleigenschaften, und wie kam man dazu
von einer "deutschen"
Goldwährung zu sprechen? Ist die Mark d. R.-W., wie die Theorie
behauptet, weiter
nichts als eine gewiese Menge Gold, so ist die Mark nicht mehr
deutsch als französisch
russisch, japanisch. Oder liefert der Bergbau, der Schmelztiegel
etwa deutsches Gold, und
wodurch unterscheidet sich dieses chemisch von anderem Gold ?
Der Name obigen Vereins enthält ebensoviele Widersprüche
wie Worte, und ebenso
verhält es sich mit den Flugschriften, die er verbreitet.
Es sei hier zur Kennzeichnung der Art wie man in Deutschlaud
noch vor 10 Jahren
über das Gold schrieb, bemerkt, daß die Aufforderung
zum Eintritt in genannten Verein
von Leuten unterzeichnet war, die beruflich gar keine Erfahrung
in diesen Dingen sammeln
konnten. Alte Knaben, wie Mommsen und Virchow, gaben ihren Namen
her, sicherlich
mit demselben Gleichmut wie man etwa seinen Namen für die
Gründung eines Ziegenbock-
haltevereins hergibt. Es handelte sich für die beiden sicherlich
nur um eine Kleinigkeit,
eine Streitsache, die jeder ohne weiteres Erforschen entscheiden
kann.
(4) Bei einer Notenausgabe von 10 Milliarden bezieht das Reich
im Jahre 500 Millionen
Zinseinnahme. (Heute sind es fast 100 Milliarden und 5 Milliarden
Zins.)
(5) Die Reichsbank kauft mit ihren Noten die Wechsel des Handels
und macht dabei
keinen Unterschied zwischen Gold und Banknoten. Für beides
erhält sie den gleichen
Zins. Dabei bezeichnet sie das Gold als ihr Kapital und die Noten
als ihre Schulden!
(6) Sowie der Gleichstand (das Pari) durchbrochen wird, wandert
nach dem Gresham-
Gesetz das Gold über die Grenze. Das Papier bleibt dann allein
zurück.