Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage; August 1949;
Herausgeber: Karl Walker
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2.1. Der Sinn des Wortes Freiland

1. Der Wettstreit unter den Menschen kann nur dann auf gerechter Grundlage aus-
gefochten werden und zu seinem hohen Ziele führen, wenn alle Vorrechte auf den Boden,
private wie staatliche, aufgehoben werden.

2. Der Erde, der Erdkugel gegenüber sollen alle Menschen gleichberechtigt sein, und
unter Menschen verstehen wir ausnahmslos alle Menschen - ohne Unterschied der Rasse,
der Religion, der Bildung und körperlichen Verfassung. Jeder soll dorthin ziehen können,
wohin ihn sein Wille, sein Herz oder seine Gesundheit treibt. Und dort soll er den Alt-
angesessenen gegenüber die gleichen Rechte auf den Boden haben. Kein Einzelmensch,
kein Staat, keine Gesellschaft soll das geringste Vorrecht haben. Wir alle sind Altange-
sessene dieser Erde.

3. Der Begriff Freiland läßt keinerlei Einschränkung zu. Er gilt unbeschränkt. Darum
gibt es der Erde gegenüber auch keine Völkerrechte, keine Hoheitsrechte und Selbst-
bestimmungsrechte der Staaten. Das Hoheitsrecht über den Erdball steht dem Menschen,
nicht den Völkern zu. Aus diesem Grunde hat auch kein Volk das Recht, Grenzen zu
errichten und Zölle zu erheben. Auf der Erde, die wir uns im Sinne von Freiland nur als
Kugel vorstellen können, gibt es keine Waren-Ein- und Ausfuhr. Freiland bedeutet darum
auch Freihandel, Weltfreihandel, die spurlose Versenkung aller Zollgrenzen. Die Landes-
grenzen sollen nur einfache Verwaltungsgrenzen sein, etwa wie die Grenzen zwischen den
einzelnen Kantonen der Schweiz.

4. Es folgt aus dieser Freiland-Erklärung auch ohne weiteres, daß die Ausdrücke
"englische Kohle, deutsches Kali, amerikanisches Petroleum" usw. nur die Herkunft dieser
Erzeugnisse bezeichnen sollen. Es gibt keine englische Kohle und kein deutsches Kali.
Denn jeder Mensch, gleichgültig welchem Staate er angehört, hat das gleiche Recht auf
die "englische Kohle", das "amerikanische Erdöl" und das "deutsche Kali".

5. Die Übergabe des Bodens an die Bebauer erfolgt auf dem Wege der öffentlichen
Pachtversteigerung, an der sich jeder Mensch beteiligen kann, und zwar ausnahmslos jeder
Bewohner der Erdkugel.

6. Das Pachtgeld fließt in die Staatskasse und wird restlos in Monatsbeträgen unter die
Mütter nach der Zahl der Kinder verteilt. Keine Mutter, einerlei woher sie kommt, kann
von diesen Bezügen ausgeschlossen werden.

7. Die Einteilung des Bodens richtet sich ganz nach den Bedürfnissen der Bebauer. Also
kleine Ackerteile für kleine Familien und große Ackerteile für große Familien. Auch große
Landstrecken für Genossenschaften, für kommunistische, anarchistische, sozialdemo-
kratische Kolonien, für kirchliche Gemeinden.

8. Die Völker, Staaten, Rassen, Sprachgemeinschaften, religiösen Verbände, wirt-
schaftlichen Körperschaften, die auch nur im geringsten den Freilandbegriff einzuengen
suchen, werden geächtet, in Bann getan, und für vogelfrei erklärt.

9. Die Ablösung der heutigen Privatbodenrente erfolgt auf dem Wege der vollen Ent-
schädigung durch Ausgabe einer entsprechenden Summe von Staatsschuldscheinen.


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Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.