Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage; August 1949;
Herausgeber: Karl Walker
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1.9. Einfluß von Betriebsverbesserungen auf Rente and Lohn

Fachliche Verbesserungen erhöhen das Arbeitserzeugnis. Unter der Bedingung, daß die
Verbesserungen gleichmäßig das Arbeitserzeugnis wie bei der Sparland-, so auch bei der
Sparhandbebauung erhöhen, steigen Lohn und Rente auch gleichmäßig.

Wir wollen das hier nachrechnen:

A. 12 Genossen ernten auf 100 ha 480 t, je Mann 40 t.

B. 60 Genossen ernten auf 100 ha 900 t, je Mann 15 t. Nach den Berechnungen S. 53/54
beträgt die Rente der 100 ha 375 t und der Lohn 8,75 t.

Durch eine Betriebsverbesserung wird das Arbeitserzeugnis gleichmäßig um 1/4 gehoben,
bei A. von 480; auf 600 t oder von 40 auf 50 je Kopf, und bei B. von 900 auf 1125 t, je
Kopf von 15 auf 18,75 t.

Nach Anweisung S. 53/54 gelangen wir zu folgendem Ergebnis:
Rente: 50 - 18,75 = 31,25 mal 12 = 375 : 48 = 7,81 mal 60 = 468,60.
Lohn: 18,75 - 7,81 = 10,94.
A. 12 mal 10,94 = 131,34 Lohn B. 60 mal 10,94 = 656,40 Lohn
468,66 Rente 468,60 Rente
600,00 Produkt. 1125,00 Produkt.

Demnach ist die Rente von 375 auf 468,60 = 25% gestiegen, und ebenso hat sich der
Lohn von 9,75 auf 10,94 = 25 % erhöht.

Das Verteilungsverhältnis ist also unbeeinflußt geblieben. Der Rentner zieht aus der
Betriebsverbesserung in diesem angenommenen Fall denselben Vortei1 wie der Arbeiter.

Jedoch kommen die Betriebsverbesserungen nur selten beiden Bebauungsarten, Spar-
hand und Sparland, zustatten, und noch seltener kommen sie beiden Bebauungsarten
gleichmäßig zustatten. Was macht der Sparlandbauer z. B. mit einem 10-scharigen Motor-
pflug oder mit einem Säe-Pflugzeug? Eine solche Maschine läßt sich nur bei großen
Flächen verwenden. Für die Sparlandbebauung ist sie vollkommen nutzlos, so etws wie
der Löwe für die Mäusejagd nutzlos ist.

Für Freiland 3 kommt der Motorpflug nicht in Frage, um so mehr aber für Freiland 1
und 2, in den weiten Ebenen Amerikas. Dort wendet ein einziger Motorpflug (1) die Äcker
von 50 und mehr Bauern, und zwar wendet er sie gut und billig. Natürlich vergrößert
sich das Arbeitserzeugnis dieser Freiländer dadurch außerordentlich. Vom Arbeitserzeug-
nis aber hängt der Arbeitsertrag ab, und dieser Arbeitsertrag des Freiländers bestimmt
den Lohn der Arbeiter auf dem Rentenland überall.

Wenn nun alle Umstände, die bei der Umwandlung des Arbeitserzeugnisses in Arbeits-
ertrag mitspielen, unverändert bleiben, so müßte der Lohn allgemein in demselben Ver-
hältnis steigen, wie durch den Motorpflug das Arbeitserzeugnis gestiegen ist. Jedoch
bleiben diese Umstände nicht unverändert, und hier zeigt es sich wieder, wie nötig unsere
zu Anfang gemachte Unterscheidung zwischen Arbeitserzeugnis und Arbeitsertrag war.
Denn der Arbeitsertrag, nicht das Arbeitserzeugnis bestimmt die Löhne allgemein.

Wenn der Arbeitsertrag des Freiländers nun wächst, so steigt ohne weiteres auch der
Arbeitsertrag der Industriearbeiter. Wenn das nicht wäre, so würden die Industriearbeiter
zur Landwirtschaft, zum Freiland 1, 2 und 3 zurückfluten. Dieses Steigen der Industrie-
arbeitslöhne geschieht durch eine Verschiebung im Tauschverhältnis zwischen den Er-
zeugnissen des Freiländers und denen der Industrie. Statt 10 Sack Weizen muß der Frei-
länder 12 Sack hergeben für einen Phonographen, eine Flinte, eine Hausapotheke. So
verliert der Freiländer bei der Umwandlung des Arbeitserzeugnisses in Arbeitsertrag
einen Teil des Mehrproduktes an den Industriearbeiter. Der Motorpflug treibt also den
Lohn auf der ganzen Linie aufwärts.

Jedoch ist das, was die Lohnarbeiter durch den Motorpflug gewinnen, größer als das,
was der Motorpflug an Erzeugnissen mehr schafft. Der Motorpflug mag 100 Millionen
Tonnen mehr schaffen, aber auf alle Arbeiter verteilt, wäre das eine sehr geringe Summe
die in gar keinem Verhältnis steht zur Arbeitsertragssteigerung der Freiländer. Und das
verhält sich so:

Erhöht sich der Arbeitsertrag der Freiländer 1 und 2, so steigt auch der Lohn der
Arbeiter auf europäischem Rentenboden, und zwar ohne daß das Arbeitserzeugnis
wächst (weil ja hier der Motorpflug sich nicht, oder nur in sehr beschränktem Maße
anwenden läßt). Die Lohnsteigerung geschieht hier also auf Kosten der Grundrente. Die
Mittel für die Lohnerhöhung kommen also nur zum kleinsten Teil aus dem Mehrerzeug-
nis der Freiländer. Suchen wir dies ebenfalls rechnungsmäßig zu erfassen.

Das Arbeitserzeugnis des Freiländers 1 und 2 wächst infolge Erfindung leistungs-
fähiger Maschinen, und zwar nach Abzug der Zinsen und Unterhaltungskosten dieser
Maschinen, um 20 %. Der Arbeitsertrag wächst nur um 10 %, weil, wie wir gezeigt
haben, der Industriearbeiter für seine Erzeugnisse mehr fordert und auch mehr fordern
kann. Das Tauschverhältnis der gewerblichen zu den landwirtschaftlichen Erzeugnissen
verschiebt sich um 10 % zugunsten der ersteren. Bleiben also von den 20 nur 10 % übrig,
die sich auf den allgemeinen Arbeitslohn übertragen.

So müssen unsere Grundherren in die Grundrente greifen, um die erhöhten For-
derungen der Arbeiter zu befriedigen, da das Erzeugnis ihres Ackers nicht gestiegen ist.
Betrug also die Rente von 100 ha 375 t, die Zahl der Arbeiter 12, der Lohn 8,75, so
werden die Lohnausgaben jetzt 8,75 + 10 % = 9,62 mal 12 = 115,44, statt 12 mal
8,75 =105 t betragen. Von der Rente gehen 10,44 t ab, sie beträgt jetzt 364,55 t. Doch
beschränkt sich der Verlust des Grundherrn nicht auf den in t ausgedrückten Rückgang
seiner Rente. Mit der Rente in Gestalt von Tonnen landwirtschaftlicher Erzeugnisse ist
ihm ebensowenig gedient, wie dem Freiländer mit dem Arbeitserzeugnis. Beim Tausch
aber der 364,56 t gegen gewerbliche Erzeugnisse verliert er infolge der beschriebenen
Verschiebung im Tauschverhältnis wieder 10 %, so daß die Rente jetzt 364,56 - 10 % =
328,10 beträgt. In Prozent ausgedrückt beträgt der Gesamtverlust 12 1/2 %. Je kleiner die
Rente im Verhältnis zu den Lohnausgaben ist, um so fühlbarer wird die Lohnsteigerung
für den Rentner sein. Da es aber wieder nicht angeht, daß dem Grundherrn aus der
Anstellung von Arbeitern ein Verlust erwächst, daß also der weitläufig wirtschaftende
Grundherr mehr Rente aus dem Boden schlägt als der gedrängt wirtschaftende Grund-
herr, so vollzieht sich eine rückwärtige Bewegung von der dichten zur weitläufigen Be-
bauung. Es werden Arbeiter frei, die auf den Lohn drücken und ihn unter seine regel-
rechte Höhe (d. i. der um 10 % gehobene Arbeitsertrag des Freiländers 1 und 2) herab-
setzen. Dann wächst die Auswanderung, bis das Gleichgewicht der Löhne hier und des
Arbeitsertrages dort wieder hergestellt ist.

Nun haben wir noch die Teilung des Produkts in Lohn und Rente für den Fall zu
berechnen, daß die Betriebsverbesserung der Sparhandbebauung zugute kommt, der
Sparlandbebauung jedoch nicht.

Das Arbeitserzeugnis der 12 Genossen A. steigt von 480 auf 600 t, das der 60 Ge-
nossen B. bleibt auf 900 stehen. Auf den einzelnen Mann berechnet entfallen auf die
Genossen A. jetzt 50 t und auf die Genossen B. immer noch 15 t. Der Unterschied
steigt von 25 auf 35 t.

Nach unserer Anweisung S.53/54 berechnet, beträgt nun die Rente 525 statt 375 und
der Lohn 6,25 statt 8,75.

35 mal 12 = 420 : 48= 8,75 mal 60 = 525 t, das ist die Rente.
15 - 8,75 = 6,25, das ist der Lohn.

12 mal 6,25 = 75 Lohnausgaben 60 mal 6,25 = 375 Lohn
525 Rente 525 Rente
600 Produkt 900 Produkt

Wir erkennen aus diesen Beispielen, daß der Einfluß von Betriebsverbesserungen sich
sehr ungleich bei der Verteilung der Bodenerzeugnisse fühlbar macht, daß es sehr darauf
ankommt, wem die Neuerungen in erster Linie dienen, ob dem Freiland 1 und 2 oder
dem Freiland 3, oder gar der Sparhandbebauung.

Wir erkennen aber auch, daß die Arbeiter in früherer Zeit nicht immer fehlgingen,
als sie die Einführung der Maschinen als Nachteil für sich empfanden und ihre Zer-
störung forderten. Es kann ja vorkommen, wie das in dem zuletzt berechneten Falle
geschieht, daß die Rente bei Betriebsverbesserungen nicht nur das Mehr an Erzeug-
nissen für sich beansprucht, sondern noch darüber hinaus den Lohn herabsetzt. So stieg
in dem zuletzt angenommenen Fall das Erzeugnis der Sparhandbebauung von 480 auf
600 t = 25 %, die Rente aber stieg von 375 auf 525 t = 40 %. Und trotz des vermehrten
Arbeitserzeugnisses (50 statt 40) ging der Lohn herunter von 8,75 auf 6,25 t.


(1) Der Motorpflug ist zuweilen Eigentum der Bauerngenossenschaft, in der Regel aber
eines Unternehmers, des Hufschmieds, der auch die Instandsetzungen vornimmt.

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Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.