[ Zur NWO-Inhaltsübersicht ] | [ Zur Homepage ] | [ Zum Gästebuch ] |
Soviel aber, wie der Arbeitsertrag der Freiländer und des
Lohnarbeiters beträgt, muß
auch dem Pächter nach Abzug der Pacht und des Zinses des
von ihm benötigten Kapitals
übrigbleiben. So wird also auch die Pacht vom Arbeitsertrag
auf Freiland bestimmt.
Mehr als diesen Freilandsarbeitsertrag braucht der Grundbesitzer
bei der Pachtbemessung
nicht übrig zu lassen, mit weniger braucht sich der Pächter
nicht zu begnügen.
Schwankt der Arbeitsertrag auf Freiland, so überträgt
sich die Schwankung auch auf
den Lohn und die Pacht.
Zu den Umständen, die den Arbeitsertrag auf Freiland beeinflussen,
müssen wir in
erster Linie die Entfernung rechnen zwischen dem herrenlosen Boden
und dem Orte,
wo die Erzeugnisse verbraucht, die eingetauschten Gebrauchsgegenstände
erzeugt oder
von allen Teilen der Welt zusammengebracht werden. Wie wichtig
die Entfernung ist,
sehen wir am besten am Preisunterschied zwischen einem Acker in
der Nähe der Stadt
und einem gleich guten weit ab vom Markte. Worin liegt der Preisunterschied
begründet?
In der Entfernung.
Handelt es sich z. B. um die kanadische Weizengegend, wo noch
heute gutes Heim-
stättenland zur freien Verfügung steht, so muß
das Getreide zuerst vom Felde mittels
Fuhrwerks auf grundlosen Straßen nach der mehr oder weniger
entfernten Bahn gebracht
werden, die es nach Duluth befördert, wo die Umladung auf
Binnenschiffe stattfindet.
Diese bringen das Getreide nach Montreal, wo eine neue Umladung
auf Seeschiffe statt-
findet. Von hier geht die Reise nach Europa, etwa nach Rotterdam,
wo wieder eine Um-
ladung auf Rheinschiffe nach Mannheim, und von hier auf Bahnwagen
nötig wird, um den
Markt (Stuttgart, Straßburg, Zürich usw.) zu erreichen,
wo es nach der Verzollung zu
denselben Preisen verkauft werden muß, wie die an Ort und
Stelle gewachsene Frucht.
Es ist eine lange Reise, und sie kostet viel Geld, aber das, was
nun von dem Marktpreis
nach Abzug von Zöllen, Fracht, Versicherung, Maklergebühren,
Stempel, Zinsen des
Geldvorschusses, Säcken usw. usw. übrigbleibt, das ist
erst der Arbeitserlös, mit dem den
Ansiedlern in der Einöde von Sascachevan aber nicht gedient
wäre. Dieser Gelderlös muß
nun in Gebrauchsgegenstände umgesetzt werden - Salz, Zucker,
Tuch, Waffen, Ma-
schinen, Bücher, Kaffee, Möbel usw. usw., und erst,
nachdem alle diese Gegenstände
glücklich im Hause des Ansiedlers eingetroffen und die Frachtkosten
bezahlt sind, kann
der Arbeiter sagen, das ist mein Arbeitsertrag nebst Zins meines
Kapitals. (Hat sich der
Arbeiter das nötige Geld zur Auswanderung und Ansiedlung
geborgt, so muß er vom
Arbeitserzeugnis auch noch den Zins dieses Geldes abziehen. Dasselbe
muß er tun, wenn
er mit eigenem Kapital arbeitet.)
Wie sehr nun dieser Arbeitsertrag von den Frachtsätzen abhängig
sein muß, geht aus
obiger Darstellung klar hervor.
Diese Frachtsätze sind andauernd herabgegangen, wie folgende Angaben zeigen:
Frachtkosten für 1000 kg Getreide von Chicago nach Liverpool:
1873 = M. 67,- |
1880 = M. 41,- |
1884 = M. 24,- (2) |
Das sind also schon von Chicago bis Liverpool 43 M. Frachtersparnis
für jede Tonne
Weizen, 1/6 des damaligen, 1/4 des jetzigen Preises. Aber die
Strecke Chicago-Liverpool
ist nur eine Teilstrecke der Reise Sascachevan-Mannheim, also
sind obige 43 M. auch
nur ein Teil der wirklichen Frachtersparnis.
Diese Ersparnis kommt aber auch der Rückfracht zustatten.
Das Getreide war das
Arbeitserzeugnis, die 240 M. für die Weizentonne waren der
Arbeitserlös und die Rück-
fracht umfaßt die Gegenstände des Arbeitsertrages auf
den es dem Ansiedler bei der
Weizenerzeugung eigentlich ankommt. Man muß sich nämlich
klar sein, daß die Arbeiter
in Deutschland, die kanadischen Weizen essen, diesen immer mit
ihren Erzeugnissen
bezahlen müssen, die sie unmittelbar oder mittelbar nach
Kanada schicken, für die darum
ebenfalls Fracht zu zahlen ist. So verdoppelt sich also die Ersparnis
an der Frachtver-
billigung und hebt sich der Arbeitsertrag des Ansiedlers auf Freiland,
der den allgemeinen
Arbeitslohn in Deutschland unmittelbar bestimmt.
Nun wäre es aber dennoch falsch, wenn man annehmen wollte,
daß eine Frachterspar-
nis von etwa 200 M. sich für den Ansiedler in einen dieser
Summe genau entsprechenden
höheren Arbeitsertrag umsetzen muß. In Wirklichkeit
wird der Arbeitsertrag nur etwa
um die Hälfte der Frachtersparnis steigen, und das verhält
sich so: der steigende Arbeits-
ertrag des Freiländers hebt den Lohn der landwirtschaftlichen
Arbeiter in Deutschland.
Warum, ist gesagt. Der steigende Lohn des Landarbeiters und des
Freiländers lockt diesem
Erwerbszweig Arbeiter aus der Industrie zu. Das bestehende Verhältnis
in der Erzeugung
landwirtschaftlicher und industrieller Güter und damit auch
ihr Tauschverhältnis wird
gestört. Der Ansiedler muß für die Gegenstände
seines Arbeitsertrages (Industrieerzeug-
nisse) höhere Preise zahlen. Die Menge dieser Industrieerzeugnisse
(Arbeitsertrag)
wächst also nicht im Verhältnis zu dem um die Frachtersparnis
erhöhten Arbeitserlös.
Den Unterschied nehmen nach den Gesetzen des freien Wettbewerbs
die Industriearbeiter
vorweg. Es geht also hier zu wie dort, wo eine neue Technik die
Erzeugungskosten der Waren
vermindert (Dampfmaschine z. B.). Erzeuger und Verbraucher teilen
sich in den Gewinn.
Auch hier wieder wird es sich lohnen, einmal zahlenmäßig
den Einfluß zu erfassen,
den eine Frachtkostenveränderung auf den Arbeitsertrag des
Freiländers, auf die Grund-
rente und auf den allgemeinen Arbeitslohn ausübt:
I. Der Arbeitsertrag eines Freilandbauers in Kanada bei einem
Frachtsatz von M. 67,-
(v. Jahre 1873):
Arbeitserzeugnis: 10 t Weizen nach Mannheim verladen und dort
zu 250 M.
verkauft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . 2500 M.
ab 10 mal 67 an Fracht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . 670 M.
Arbeitserlös. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . 1830 M.
Dieser Arbeitserlös (Geld) wird in Deutschland zum Ankauf
von Gebrauchs-
gütern benutzt, die, nach Kanada verschifft, die gleichen
Unkosten an
Verpackung, Fracht, Zöllen, Bruch usw. verursachen mögen,
wie der
Weizen auf der Heimreise. . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 670 M.
Arbeitsertrag im Hause des Ansiedlers. . . . . . . . . . . .
. . . . . . 1160 M.
II. Derselbe im Jabre 1884 bei einem Frachtsatz von 24 M:
Arbeitserzeugnis: 10 t Weizen. . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . 2500 M.
ab 10 mal 24 an Fracht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . 240 M.
Arbeitserlös. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . 2260 M.
Dieser Arbeitserlös, der um 430 M. größer ist
als bei I, soll nun in Arbeits-
ertrag umgewandelt werden, d. h. in gewerbliche Erzeugnisse, deren
Tauschverhältnis zu den landwirtschaftlichen Erzeugnissen
sich (aus den
angegebenen Gründen) gehoben hat, und zwar (immer schematisch)
um
die Hälfte des Mehrerlöses von 430 M., also um 215 M.
Daher bleibt der
Arbeitsertrag, nach den Preisen von I gemessen, um 215 M. gegen
den
Arbeitserlös zurück . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . 215 M.
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . 2045 M.
Hiervon geht nun noch die Rückfracht ab, die wir höher
bemessen müssen,
weil die Frachtgüter um den Betrag der Frachtersparnis angewachsen
sind,
statt 240 M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . 245 M.
Arbeitsertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . 1 800 M.
Ist nun infolge der Frachtkosten-Ermäßigung der Arbeitsertrag
des Freilandbauers von
1160 M. auf 1800 M. gestiegen, so erhöhen sich damit auch
von selbst die Lohnforderun-
gen der deutschen Landarbeiter, und ebenso verlangen auch die
Pächter vom Produkt
ihrer Arbeit einen größeren Anteil für sich. In
demselben Verhältnis gehen auch die
Grundrentenzurück.
War in Deutschland der Preis von 10 t Weizen . . . . . . . .
. . . 2500 M.
und betrugen die Lohnausgaben . . . . . . . . . . . . . . . .
. . . . . . 1160 M.
so warfen 10 t Land (3) an Pachtzins oder Grundrente ab. . . .
1340 M.
Steigen die Lohnforderungen auf 1800 M., so fällt die Grundrente
auf 700 M., nämlich
1340 ab 640 Lohnerhöhung.
Also das, was der Freilandbauer an Frachten zahlen muß,
das geht von seinem Arbeits-
ertrag ab, das kann in Deutschland der Grundbesitzer als Pachtzins
fordern, den Arbeitern
vom Arbeitserzeugnis als Grundrente abziehen. Die Frachtausgaben
des Freilandbauers
sind die Einnahmen des Grundbesitzers.
(2) Mulhall, Dictionary of Statistics.
(3) Dänisches Ackermaß. Bedeutet so viel Land wie nötig
um eine Tonne Getreide zu
ernten. Eine Tonne Land bedeutet also je nach Güte des Bodens
eine größere oder kleinere
Fläche Land.
[ Zur NWO-Inhaltsübersicht ] | [ Zur Homepage ] | [ Zum Gästebuch ] |