Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage; August 1949;
Herausgeber: Karl Walker
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1.17. Erster allgemeiner Umriß des Lohngesetzes

Das, was nach Abzug der Rente und des Kapitalzinses an Erzeugnissen übrig bleibt,
bildet den Lohnschatz, in den sich alle Arbeiter (Tagelöhner, Geistliche, Kaufleute
Ärzte, Knechte, Könige, Handwerker, Künstler usw. usw.) zu teilen haben. Die Ver-
teilung geschieht bei freier Berufswahl nach Maßgabe der persönlichen Fähigkeiten durch
Nachfrage und Angebot. Wäre die Berufswahl vollkommen frei (sie ist es nicht, könnte es
aber sein), so würde bei der Verteilung tatsächlich jeder das "größte" Stück erhalten. Denn
jeder sucht doch das größte Stück zu erwischen, und über die Größe der Stücke ent-
scheiden "Nachfrage und Angebot", in letzter Linie also die Berufswahl.

Die vergleichsmäßige Größe des Lohnes hängt also von der Berufswahl, von der Person
ab; die wirkliche Größe des Lohnes ist dagegen hiervon unabhängig und wird von der
Größe des Lohnschatzes bestimmt. Je größer die Beiträge der einzelnen Arbeiter zum
Lohnschatz sind; um so größer wird auch der Anteil eines jeden ausfallen. Die Anzahl der
Arbeiter ist dabei gleichgültig. Denn mit der Zahl wächst zwar die wirkliche Größe des
Lohnschatzes, aber gleichzeitig auch die Zahl der Anteilberechtigten.

Wie groß nun heute die Beiträge der einzelnen Gattungen von Arbeitern zum Lohn-
schatz sind, wissen wir:

1. Der Beitrag der Landwirte ist gleich der Summe von Erzeugnissen, die eine gleich-
große Anzahl Landwirte auf Ödland bauen, vom Freiland in Sibirien auf den Markt
schaffen können, - abzüglich Fracht, Zins und Zoll, die wir hier unmittelbar in Erzeug-
nisse umgerechnet uns vorzustellen haben.

2. Der Beitrag der sonstigen Rohstofferzeuger ist gleich der Summe von Erzeugnissen,
die diese von den schlechtesten, entlegensten und darum herrenlosen Fundstätten dem
Markte zuführen können, - abzüglich Zins.

3. Der Beitrag der Industriearbeiter, der Kaufleute, der Ärzte, Künstler usw. ist gleich
der Summe von Erzeugnissen, die diese ohne die Vorteile des städtischen Gesellschafts-
betriebes in abgesonderten, zerstreuten und verstreuten Betrieben erzeugen könnten, -
abzüglich Zins.

Werfen wir alle diese Erzeugnisse zusammen, und verteilen sie nach der heutigen Lohn-
abstufung, so erhält jeder genau das, was er heute tatsächlich mit dem Betrage seines Lohnes
auf den Märkten und in den Läden an Waren erlangen kann.

Der volle Unterschied zwischen diesem Betrag und dem wirklichen Erzeugnis der
Gesamtarbeit bildet die Grundrente und den Kapitalzins.

Was können nun die Arbeiter (immer im weitesten Sinne zu verstehen) tun, um den
Lohnschatz zu vergrößern, um eine wirkliche Lohnerhöhung, eine Lohnerhöhung auf der
ganzen Linie, die auch nicht durch Preiserhöhungen zunichte gemacht werden kann, zu
erreichen?

Die Antwort ist leicht zu geben. Sie sollen ihren Lohnschatz besser als bisher abdichten,
besser vor Schmarotzern schützen. Die Arbeiter sollen ihren Lohnschatz verteidigen, wie
die Bienen und Hamster den ihrigen verteidigen. Das ganze Arbeitserzeugnis ohne irgend
welchen Abzug für Grundrenten und Kapitalzins soll in den Lohnschatz ausgeschüttet
und restlos unter die Schaffenden verteilt werden. Wie das geschehen kann, sagt die
Freiland- und Freigeldlehre.


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Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.