Kapitel aus Silvio Gesell: Die Natürliche Wirtschaftsordnung
Rudolf Zitzmann Verlag; Lauf bei Nürnberg; 9. Auflage; August 1949;
Herausgeber: Karl Walker
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1.10. Einfluß wissenschaftlicher Entdeckungen auf Rente und Lohn

Mehr noch als den Maschinen ist es wissenschaftlichen Entdeckungen zu verdanken,
daß die deutschen Äcker in den letzten Jahrzehnten ihren Ertrag verdreifacht haben.
Ich erwähne hier nur kurz die Entdeckung der Dungkraft der Kalisalze und der Thomas-
schlacke, die Stickstoff sammelnden Pflanzen, die künstliche Herstellung von Stickstoff-
dünger (Kalkstickstoff), die Bekämpfung der Pflanzen- und Tierseuchen usw. (1)

Diese Entdeckungen haben jedoch nicht gleichmäßig den Boden befruchtet. Weitaus
den größten Vorteil aus diesen Entdeckungen haben die bisher als vollkommen unfrucht-
bar geltenden Heide-, Moor- und Sandböden gezogen. Hier kann man nicht mehr von
einer Verdreifachung des Ertrages reden, sondern von einer Schöpfung neuen Bodens,
da der Sand und die Heide ja bis dahin überhaupt nicht bebaut werden konnten. Ein
kleiner Teil dieser Ödländereien gab durch Abbrennen des Heidekrauts alle 15 Jahre
eine dürftige Ernte. Jetzt geben diese Ländereien regelmäßig alle Jahre reiche Ernten.
Die an sich, von Natur aus fruchtbaren Äcker können selbstverständlich ihre ohnehin
schon reichen Erträge nicht noch einmal verdreifachen. Sie liefern selbst die zur ewigen
Verjüngung nötigen Düngestoffe, wenn wie das die Regel ist, Ackerbau und Viehzucht
Hand in Hand gehen. Darum spielen hier die künstlichen Düngestoffe eine bedeutend
geringere Rolle als auf den von Natur aus unfruchtbaren Heiden. Noch weniger Einfluß
haben die künstlichen Düngestoffe auf die Erträge des Freilands 1 und 2. Diese jung-
fräulichen Äcker brauchen in der Regel überhaupt noch keine Düngung; außerdem sind
die künstlichen Düngstoffe nur mit hohen Frachtkosten dorthin zu schaffen.

So wirken also die wissenschaftlichen Entdeckungen, je nach dem Boden, auf dem
sie Anwendung finden, verschieden auf Lohn und Rente, und es ist darum genau wie
bei den Maschinen unmöglich allgemein von ihnen zu sagen, daß sie den Lohn oder
die Rente heben oder senken. Um im Einzelfall klar zu sehen, ist eine umfassende, mit
Vor- und Umsicht geführte Untersuchung aller Dinge nötig, die hier eingreifen. Hat
man sie alle in die Rechnung eingestellt, so kann man nach unserer Anweisung S. 53/54
Verfahren. Hat man nichts vergessen, alles richtig eingeschätzt, so kommt man zu sicheren
Ergebnissen. Darum können wir auch darauf verzichten, die Sache hier, ähnlich wie im
vorigen Abschnitt, durch Rechenbeispiele zu erklären. W2


(1) Der Physiker Lodge erzielte durch Elektrisierung der Felder um 30-40 % höhere
Ernteerträge.

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Dieser Text wurde im Juli 1997 ins Netz gebracht von: W. Roehrig.
Weiterverbreitung ausdrücklich erwünscht.