Startseite www.geldreform.de

 

Gästebuch www.geldreform.de

 


 

 

 

Fragen der Freiheit

Heft 248, September 1998

Seite 29 – 30

 

 

Ende des Indexierungsverbots für Kredite und Anleihen

 

Fritz Andres

 

Manche müssen zur Vernunft gezwungen werden. So diesmal die für die Wirtschaftspolitik in Deutschland Verantwortlichen! Bis zum Schluß haben Bundesbank und Bundeswirtschaftsministerium dafür gekämpft, daß eine Regelung, die über Jahrzehnte in vieler Hinsicht schädliche Auswirkungen gezeitigt hat, auch unter dem Euro beibehalten wird: Das Verbot der Indexierung von Krediten, d. h. insbesondere das Verbot von Vereinbarungen, durch die der Zinssatz oder der jeweilige Schuldsaldo eines Kredits bzw. einer Anleihe an die Inflationsrate gekoppelt wird (1).

 

1948 eingeführt zu dem Zweck, das Vertrauen in die neue Währung D-Mark zu festigen, wurde das Verbot trotz aller zum Teil massiven Kritik aus der Wissenschaft bis zum Ende der D-Mark, d. h. bis zum 31.12.1998 beibehalten. Das hat alle am Kapitalmarkt Beteiligten: die Sparer, die Unternehmer und auch die Banken gezwungen, sich Gedanken über die zukünftige Inflationsrate zu machen, damit sie die erwartete Entwertung des Kredits durch einen entsprechend erhöhten Zins ausgleichen konnten. Da aber nicht einmal die Bundesbank selbst in der Lage war, die Inflationsrate über mehrere Jahre hinweg zuverlässig vorherzusagen, gab es je nach deren tatsächlichem Verlauf auf dem Kapitalmarkt stets Gewinner und Verlierer: Lag die Inflationsrate über dem Satz, der im Zins berücksichtigt worden war, war der Gläubiger der Geschädigte, im umgekehrten Fall war es der Schuldner.

 

Die Folgen waren oft genug für die ganze Volkswirtschaft verheerend. Hatten sich die Unternehmen in Zeiten hoher Inflationserwartungen und daher hoher Nominalzinsen verschuldet in der Erwartung, aus den mit der Inflation steigenden Erlösen diese Zinsen bezahlen zu können, so sahen sie sich schwer getäuscht, wenn es der Bundesbank überraschenderweise gelang, die Inflationsraten zu drosseln. Die Entwicklung der Erlöse brachte dann nicht die erwartete Deckung der vereinbarten Nominalzinsen. Das bedeutete für viele Unternehmen und sonstige Investoren das Ende, d. h. Konkurse, steigende Arbeitslosigkeit und abflachende Konjunktur waren die Folge. »Stabilisierungskrise« wurde das genannt, so als handelte es sich dabei um ein Opfer, das der Tugend »Stabilität« nun einmal gebracht werden müßte. Dabei wären diese Krisen durchaus vermeidbar gewesen, hätte man nicht so beharrlich am Indexierungsverbot festgehalten, sondern den am Kapitalmarkt Beteiligten die Möglichkeit gegeben, eine Angleichung der Schuldsalden und Tilgungsraten an die Entwicklung der tatsächlichen Inflationsrate zu vereinbaren. Da die meisten Sparer ebenso wie die Investoren in der Regel ihre Aufgabe nicht in der Spekulation über zukünftige Inflationsraten sehen, wäre von der Möglichkeit der Indexierung sicher bald in großem Umfang Gebrauch gemacht worden, was die »Stabilisierungskrisen« verhindert hätte.

 

Nun also ist, mit Wirksamkeit ab 1.1.1999, das Indexierungsverbot für Kredite und Anleihen gefallen. Die fehlende Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes für den Euro hat es möglich gemacht - zum Ärger der bisher Verantwortlichen. Zur Ehre des Bundesjustizministeriums muß gesagt werden, daß man sich dort gegen eine Fortgeltung des Indexierungsverbots ausgesprochen hat - ob aus allgemeinen Gründen der Vertragsfreiheit oder aus wirtschaftspolitischer Einsicht, ist dem Autor nicht bekannt. Mit dem Ende des Indexierungsverbots kann auch einer seiner heftigsten Gegner einen späten »Sieg der Vernunft« feiern: Herbert Giersch, der sowohl Anfang der siebziger Jahre als auch in letzter Zeit sich in zahlreichen Artikeln für eine Aufhebung der schädlichen Reglementierung eingesetzt hatte (siehe den nachfolgenden Artikel in diesem Heft).

 

Die Gründe, die gegen das Indexierungsverbot sprechen, bleiben auch nach seinem Ende aktuell, denn nun geht es einerseits um die Sicherung des Erreichten gegen Rückfalltendenzen der Politik auf europäischer Ebene und andererseits um die Ermutigung der Kapitalmarktteilnehmer, sich von ihren alten Gewohnheiten zu lösen und die neue Chance auch zu ergreifen.

 

Nicht aufgehoben wurde das Indexierungsverbot übrigens für Löhne, Mieten und sonstige Geldschulden, deren Regulierung nach wie vor in die nationale Gesetzgebungszuständigkeit der Bundesrepublik fällt. Für solche Vereinbarungen bleibt es bei der Genehmigungsbedürftigkeit durch die Bundesbank, die diese nach den von ihr selbst erlassenen Richtlinien bei verschiedenen Tatbeständen unter bestimmten, allerdings sehr restriktiven Voraussetzungen auch erteilt. Die Erfahrungen, die man in Italien mit indexierten Lohnvereinbarungen (scala mobile) gemacht hat, sollen übrigens zwar nicht zu einer Nachahmung ermutigen. Aber man hat es schon oft genug erlebt, daß ein Prinzip - hier die Indexierung - kritisiert wurde, das lediglich ungeschickt gehandhabt wurde oder in Wirklichkeit für die Folgen, die man ihm zurechnet, gar nicht verantwortlich zu machen ist. Sicher werden die Indexierungsvereinbarungen auf dem Kapitalmarkt Anlaß geben, auch über die Zulassung der Indexierung auf anderen Gebieten erneut nachzudenken.

 

 

 

(1) Siehe zu diesem Problem die ausführliche Darstellung in »Gedanken zur dosierten Inflation und zum Ausgleich ihrer Folgen auf dem Kapitalmarkt« von Fritz Andres, »Fragen der Freiheit«, Heft 240, S. 33-55.