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Fragen der Freiheit

Heft 248, September 1998

Seite 40 - 50

 

 

 

 

Herausforderung des bestehenden Geldsystems im Zuge seiner Digitalisierung ‑

Chancen für Innovationen? (1)

 

Malte Krüger, Hugo Godschalk

 

Im Zahlungsverkehrsbereich kündigen sich weltweit Innovationen an, die nicht nur die Zahlungssysteme, sondern auch die herkömmliche Geldordnung grundlegend verändern können. Die traditionellen Zahlungsformen mittels Bargeld und Sichteinlagen werden gleich auf mehreren Ebenen durch neue Geldformen und Zahlungsmittel und durch neue Emittenten außerhalb des Bankenbereichs unter Konkurrenzdruck gesetzt.

 

Weltweit gibt es Initiativen, auf lokaler Ebene sogenannte Tauschwährungen zwischen Privatpersonen zu emittieren, die nur innerhalb kleiner Gruppen Verwendung finden. Derartige Bestrebungen haben jedoch bisher in der Wissenschaft noch relativ wenig Aufmerksamkeit gefunden.

 

Ähnlich strukturierte bargeldlose „Tauschsysteme“ (Barter Exchange) haben sich ebenfalls im Firmenbereich etabliert. Der Austausch von Gütern und Dienstleistungen zwischen Firmen wird in einem geschlossenen Giralgeldkreislauf mit Hilfe einer firmeneigenen Ersatzwährung verrechnet.

 

Größeres Aufsehen erregt die sowohl von Banken als auch von Nicht-Banken initiierte Einführung von Zahlungssystemen mit aufladbaren Geldkarten (»prepaid cards«, „stored value cards“), die einmal Bargeld teilweise oder ganz ersetzen könnten („Kartengeld«). Weiterhin gibt es Bestrebungen, ein im Internet weltweit verwendbares neues digitales Zahlungsmittel zu schaffen („Netzgeld«). Auch hier finden bereits erste Pilotprojekte statt.

 

Schließlich gibt es zahlreiche Innovationen, die die Verwendung herkömmlicher Zahlungsformen bequemer und/oder billiger machen.

 

Bei den beiden ersten genannten Punkten handelt es sich um Entwicklungen, die allenfalls mittelbar von der technologischen Entwicklung betroffen sind. Entscheidend ist in diesen Fällen, daß eigenständige Währungen privat emittiert werden, die meist nicht auf die jeweilige Landeswährung lauten. Die privaten Währungen werden sowohl auf Basis der herkömmlichen Geldform Buchgeld (2) als neuerdings auch in Form des digitalen Karten- und Netzgeldes emittiert und sind somit per Definition nicht an eine Geldform gebunden. Dennoch ist zu vermuten, daß die Digitalisierung des Geldsystems der Privatisierung des Geldes in Form der Ersatzwährungen einen neuen Auftrieb verleihen kann. Aus diesem Grund sollen einige neue Spielarten des »private money« hier näher betrachtet werden.

 

Bei den neuen elektronischen Werteinheiten handelt es sich um neue Geldformen (electronic money bzw. E-money (3) ). Diese neuen Geldformen können innerhalb des herkömmlichen Zahlungssystems verwendet werden. In diesem Fall lauten sie auf die staatlichen Währungen (»DM«, »US$«, »Euro« etc.). Sie können jedoch auch im Rahmen von privaten Tauschwährungen genutzt werden.

 

 

 

Tauschwährungen (Barter)

 

Die Organisation des Güteraustauschs innerhalb kleiner Gruppen (Privatpersonen und/oder Firmen) oder lokal begrenzter Wirtschaftsräume wird häufig mit dem englischen Wort »Barter« (Tausch oder Naturaltausch) umschrieben. Diese Begriffswahl ist jedoch mißverständlich (Neil und Eisler 1996, S. 162). Denn es handelt sich nicht um einen Naturaltausch, sondern um die Schaffung einer neuen, nur regional und innerhalb der Gruppe verwendbaren Währung. In den meisten Fällen werden von einer Zentrale die Transaktionen über Sichtguthaben verrechnet.

 

Die Verwendung einer lokalen Währung kann grundsätzlich zu einem zusätzlichen Umsatz (Komplementäreffekt) oder zu einer Umlenkung von Umsätzen führen (Substitutionseffekt). Tauschvorgänge zwischen den Regionen werden im Fall einer Substitution durch Tauschvorgänge innerhalb einer Region ersetzt. Der Komplementäreffekt, bei dem zusätzliche Tauschakte generiert werden, die sonst nicht stattgefunden hätten, kann auf unterschiedlichen Faktoren beruhen. Theoretisch betrachtet läßt sich nur schwer ein expansiver Effekt aus rein monetären Gründen ableiten. Denkbar wäre, daß die Tauschwährung eine höhere Umlaufgeschwindigkeit als die Landeswährung aufweist. Möglicherweise kommt es jedoch dadurch zu zusätzlichen Kreditbeziehungen (und Tauschakten), da lokales Wissen über die Kreditwürdigkeit der Teilnehmer besser genutzt wird. Gleichzeitig reduziert die Kreditvergabe in Tauschgeld die Mißbrauchsgefahr, da dieses Tauschgeld nicht universell einsetzbar ist.

 

Die quantitative Bedeutung des Tauschringumsatzes vorwiegend zwischen Privatpersonen innerhalb der sogenannten Tauschringe ist in der Bundesrepublik bisher noch gering (PaySys 1997, Hoffmann 1998, Schneider 1995). Die Anzahl der Tauschringe wird per Ende 1997 auf ca. 200 geschätzt mit ca. 15.000 Teilnehmern.

 

Begrenzt verwendbare Währungen werden auch von kommerziellen Tauschvermittlern herausgegeben. (4) Diese organisieren einen multilateralen Tausch zwischen den teilnehmenden Unternehmen, wobei Zahlungen zum Teil in herkömmlicher Währung erfolgen und zum Teil in Tauschwährung. Es gibt zwei Spielarten von Barter: (5)

 

• Zum einen gibt es Tauschvermittler, die eine Tauschbörse organisieren, bei der Transaktionen direkt zwischen Mitgliedern stattfinden. Dem Tauschvermittler fällt demnach die Rolle eines Brokers zu. Diese Verrechnungssysteme werden »retail barter«, „barter exchanges« oder „Barterclubs« genannt.

 

• Zum anderen gibt es Tauschvermittler, die als eine Art Market Maker fungieren. In diesen Fällen handelt der Tauschvermittler auf eigene Rechnung mit den Mitgliedern (auch »corporate barter« genannt).

 

 

In beiden Fällen übernimmt der Tauschvermittler noch weitere Rollen: Er gibt die Tauschwährung heraus (führt Buch über die Transaktionen), führt die Verrechnung durch (Clearing), vergibt Kredite, und er stellt Information bereit.

 

Welche Rolle spielt dabei nun die Tauschwährung? Im Prinzip könnte ja auch in regulärer Währung getauscht werden. Dabei würden sogar Transaktionskosten entfallen, da zwei Währungen mehr Rechen- und Planungsaufwand erfordern. Es ist jedoch denkbar, daß ein expansiver Effekt durch die höhere Umlaufgeschwindigkeit des Tauschgeldes verursacht wird. Die Verwendung einer eigenen Währung erleichtert es den Teilnehmern außerdem, Preisdiskriminierung zu betreiben (6), sie können eventuell hohe Abschreibungen vermeiden, die das Betriebsergebnis verschlechtern würden, und dem Tauschmittler wird die Möglichkeit gegeben, den Mitgliedern günstige Kredite zu geben (Neal und Eisler 1996, S. 192-199). Umgekehrt bedeutet dies allerdings, daß andere Mitglieder mehr oder weniger ungewollt unverzinste Tauschwährungsanlagen halten.

 

 

 

Loyalty‑Tokens

 

Bedingt durch die Chipkartentechnologie entstehen neue attraktive Möglichkeiten für sogenannte Bonuspunkte- oder Loyality-Programme. Die Bonuspunkte können im Chip auf einer Karte gespeichert, registriert und verwaltet werden. Gleichzeitig können in einem Hintergrundsystem für die Bonuspunkte Schattensalden geführt werden. Das Bonuspunktesystem ist meist eine Zusatzfunktion einer multifunktionsfähigen Chipkarte, die gleichzeitig für Zahlungszwecke herausgegeben wird. Sowohl Banken als auch Nicht-Banken (z. B. Händler) können derartige Karten emittieren, wobei die Bonuspunkte allerdings von einem Händler oder einer Gruppe von Händlern herausgegeben werden. Die Abwicklung und Verrechnung zwischen den Händlern kann über eine Art Clearing-Zentrale erfolgen, die gemeinsam oder von einem beauftragten Dritten betrieben wird. Bedingt durch die deutsche Rabattgesetzgebung sind solche Systeme - im Vergleich zum Ausland - in Deutschland noch relativ selten.

 

Je nachdem in welchem Ausmaß Bonuspunkte als Zahlungsmittel verwendet werden können, müssen diese elektronisch gespeicherten Werteinheiten als Geldart oder Geldsubstitut in ökonomischem Sinne aufgefaßt werden. Es handelt sich um geldnahe Aktiva, die nur innerhalb einer geschlossenen Gruppe benutzt werden können. (7) Die Bonuspunkte können zum Erwerb von Gütern oder Dienstleistungen eingesetzt werden. Je nach gesetzlichen Erfordernissen ist eine Einlösung in regulärem (staatlichem) Geld vorgesehen. Die Bonuspunkte haben einen schwankenden oder festverbrieften Marktwert (für den Fall einer Einlösung in Bargeld). Als Emittent kann ein Konsortium von Händlern (z. B. eine lokale Werbegemeinschaft) oder ein neutraler Dritter (z. B. Air Miles in den Niederlanden) auftreten. Die Bonuspunkte können je nach System sowohl bundesweit (z. B. Air Miles) oder nur auf lokaler Ebene (z. B. Werbegemeinschaft Eichstätt) bei teilnehmenden Akzeptanzstellen eingelöst werden.

 

 

 

Die technische Entwicklung: übertriebene Erwartungen und Ängste

 

Das Beispiel der »Loyalty-Tokens« zeigt die Bedeutung der Digitalisierung des Geldsystems für das Innovationspotential im Bereich der Ersatzwährungen. Aber auch die gegenwärtigen E-Money-Innovationen innerhalb des herkömmlichen staatlichen Währungsbereichs haben das Potential, den Zahlungsverkehr und das Geldwesen vollständig zu verändern. »Digitales« oder »elektronisches Geld« hat das Potential, sowohl Bargeld als auch Sichteinlagen zu ersetzen. Auf Karten gespeichert (»Kartengeld«) kann digitales Geld Bargeld ersetzen. Dieser Substitutionsprozeß dürfte vor allem dann besonders weit gehen, wenn es gelingt, digitales Geld so anonym wie Bargeld zu machen und Peer-to-Peer-Zahlungen zu ermöglichen. Auf Festplatten gespeichert und über elektronische Netze transferierbar (»Netzgeld«) kann digitales Geld von Banken emittierte Sichteinlagen ersetzen.

 

Die Zentralbanken beobachten diese Entwicklungen aufmerksam und sind entschlossen, einzugreifen, wenn sie die Integrität des Zahlungsverkehrs, den Schutz der Einleger oder die Effizienz der Geldpolitik für gefährdet erachten. (9) Allerdings wird gelegentlich bezweifelt, vor allem im Hinblick auf die Versuche mit Netzgeld, daß die Zentralbanken noch Herr der Lage sind. Denn die Emission von Geld und die Vornahme von Zahlungen im Internet scheinen sich weitgehend der Kontrolle der Nationalstaaten zu entziehen. Damit stellt sich die Frage, ob sich die Entwicklung mehr oder weniger zwangsläufig in Richtung auf ein privates, unter Wettbewerbsbedingungen hergestelltes Geld bewegt (»Free Banking«).

 

Diese Vorstellungen sind aus heutiger Sicht jedoch aus drei Gründen überzogen.

 

1. Weltweit mangelt es der elektronischen Geldbörse noch an einem überzeugenden Business Case.

 

2. Die nationale Geldpolitik wird nicht entmachtet, solange die Nutzer von elektronischem Geld dieses zumindest teilweise in »reguläres« Geld umtauschen möchten oder systembedingt müssen (keine Peer-to-Peer-Zahlungen).

 

3. Von technologischen Innovationen profitieren auch traditionelle Zahlungsmittel wie Bargeld und Buchgeld.

 

 

ad 1:

 

Nach anfänglicher Euphorie ist weltweit bei den elektronischen Geldbörseninitiatoren eine gewisse Ernüchterung eingetreten. Es zeigt sich nicht nur, daß sowohl der Verbraucher als auch der kartenakzeptierende Händler trotz massiver Werbung und Erziehungsmaßnahmen der Emittenten (meist Banken) das Produkt kaum nutzen oder akzeptieren, sondern auch, daß diese technologisch induzierte Innovation sich betriebswirtschaftlich (noch?) nicht rechnet. Auch die Pilotprojekte, die meist unter optimalen Bedingungen und ohne Abwälzung der vollen Kosten auf die Systemteilnehmer stattfanden, bieten - trotz obligatorischer Erfolgsmeldungen der Initiatoren kaum Anlaß für Euphorie. Nur für wenige Marktsegmente auf der Akzeptanzseite (z. B. Automatenbereich) läßt sich unter den heutigen Kostenrahmenbedingungen für die elektronische Geldbörse ein überzeugender Business Case konstruieren. Aufgrund der relativ geringen Zinseinnahmen aus dem Float erweist sich diese Innovation auch für den Anbieter als defizitäres Produkt. Folglich ist zu erwarten, daß die Emittenten neben den Zinseinnahmen aus dem Float weitere Gebühren erheben müssen. Ob Kartengeld dann noch wettbewerbsfähig ist, läßt sich nur schwer beurteilen.

 

Zweifel ist also berechtigt, ob das Kartengeld in Form der elektronischen Geldbörse ohne ein positives Kosten-Nutzen-Verhältnis für sämtliche Teilnehmer (Emittenten, Verbraucher und Händler) das Bargeld in nennenswertem Umfang ersetzen wird. Die Chipkarte ermöglicht allerdings eine Reihe weiterer monetärer und nicht-monetärer Anwendungen, wie z. B. digitale Signatur, Bonuspunktesysteme, elektronisches Ticket, usw. Man hofft in diesem Zusammenhang auf zwei Rettungsanker für die elektronische Geldbörse. Einerseits sollten die Zusatzanwendungen die Karte und damit auch die Geldbörsenfunktion für den Karteninhaber attraktiver machen. Andererseits hofft man, daß sich die elektronische Geldbörse neben ihrer Anwendung am »real point-of-sale« auch als Zahlungsmittel im Bereich des »electronic point-of-sale« etablieren wird. Aber auch in diesem Bereich wird das Karten- bzw. Netzgeld den Kampf antreten mit konkurrenzfähigen herkömmlichen Zahlungsmitteln (wie z. B. Kreditkarte).

 

 

ad 2:

 

Sowohl die (begrenzten) gegenwärtigen Erfahrungen mit digitalem Geld als auch grundsätzliche Überlegungen sprechen dafür, daß digitales Geld hauptsächlich in Einheiten regulären Geldes denominiert sein wird. Denn nur wenn verschiedene Geldarten auf die gleiche Einheit lauten (was beispielsweise gegenwärtig für Bargeld und Sichteinlagen gilt), entfallen teure und lästige Umtausch- und Umrechnungskosten. Zudem würde die Verwendung unterschiedlicher Währungseinheiten das Clearing verteuern. Ein neues Geld, welches nicht auf die dominierende Währungseinheit (in Deutschland »DM« bzw. demnächst »Euro«) lautet, hat daher nur geringe Erfolgschancen (England 1996).

 

Wenn in der Bundesrepublik weiterhin die DM (bzw. der Euro) der Währungsstandard ist, dann werden auch die meisten neuen Geldformen in der Bundesrepublik auf DM lauten. Wer jedoch Geld emittiert, das auf DM lautet, muß in der Lage sein, Konvertibilität des neuen Geldes in DM zu gewährleisten. Damit ist der Emittent vom deutschen Geldmarkt und somit von der Bundesbank abhängig. Dies gilt auch für Emittenten von Netzgeld, die im Ausland sitzen. Die technische Entwicklung kann es zwar möglich machen, gegen den Willen der Bundesbank Geld zu emittieren, das auch innerhalb der Bundesrepublik verwendet wird. Die Emittenten dieses Geldes wären aber in ähnlicher Weise von geldpolitischen Maßnahmen der Deutschen Bundesbank betroffen wie die inländischen Banken. (12) Insbesondere müßten sie damit rechnen, daß die Wirtschaftssubjekte bei einer monetären Kontraktion vermehrt Netzgeld in Sichteinlagen und Bargeld umtauschen möchten.

 

Man kann sich aber auch folgendes Alternativ-Szenario vorstellen:

 

Der technologische Fortschritt und Erneuerungen im Zahlungsverkehr führen zu einer erheblichen Senkung der Transaktions- und Informationskosten. Bedingt durch diese Senkung kann die Alternative der Nutzung unterschiedlicher Währungseinheiten wieder aus wirtschaftlichen Gründen eine Renaissance erleben. So kann z. B. eine elektronische Geldbörse problemlos mehrere Währungen in Unterbörsen beinhalten. Die Akzeptanz unterschiedlicher Währungen auf der Händlerseite läßt sich durch im Terminal gespeicherte Wechselkurse lösen. Es wäre ebenfalls denkbar, daß sich weltweite „geschlossene« User-Gruppen im Internet bilden, die eine eigene privat emittierte digitale Währung für den Austausch benutzen werden. So könnte z. B. Microsoft digitales Geld seinen Software-Lizenznehmern zur Abwicklung des weltweiten Electronic Commerce im Internet anbieten. Die Währungseinheiten mit den Namen »Billies« mit einem flexiblen Wechselkurs zum Dollar könnten in diesem hypothetischen Beispiel durch das Aktienkapital von Microsoft gedeckt werden. Die Vorteile, die sich heute offensichtlich aus der Nutzung privater Geldeinheiten innerhalb geschlossener Benutzergruppen ergeben, können die nur noch geringen ökonomischen Effizienzgewinne einer Währungsvereinheitlichung überkompensieren. Private Parallelwährungen könnten etwaige Defizite der staatlichen Geldversorgung ausgleichen und zu einem Wettbewerbsumfeld führen, in dem Innovationsprozesse ausgelöst werden, die zu einer Verbesserung des Produktes »Geld« führen. Es ist zu erwarten, daß die staatlichen Regulierungsbehörden und Zentralbanken - vermutlich mit Ausnahme des Federal Reserve Systems - eine derartige Beeinträchtigung ihrer Monopolstellung verhindern möchten. Je nach Bedarf der privaten Wirtschaft nach »eigenem« Geld sind bedingt durch die Digitalisierung des Geldes allerdings erfolgversprechende Ausweichstrategien denkbar.

 

 

ad 3:

 

Häufig wird übersehen, daß Innovationen keineswegs nur neuen Zahlungsmitteln zugute kommen, sondern vielfach auch genutzt werden, um traditionelle Zahlungsmittel effizienter einzusetzen. So haben Geldautomaten, Point-of-Sale Zahlungssysteme sowie Home- und Telefonbanking die Verwendung von Bargeld und Sichteinlagen effizienter gemacht. Neue Verschlüsselungstechniken sind nicht nur von großer Bedeutung für die Entwicklung von digitalem Geld, sie machen auch Kreditkartenzahlungen über das Internet und Homebanking sicherer.

 

 

 

Geldpolitische Steuerungsprobleme

 

Auch wenn die Geldpolitik grundsätzlich ihre Wirksamkeit behält, kann sie dennoch durch das Vordringen neuer Geldarten erschwert werden. Zum einen kann es bei technischen Störungen, Vertrauenskrisen und/oder Fälschungen in großem Stil zu einer Beeinträchtigung des gesamten Zahlungssystems kommen. In diesen Fällen wäre die Zentralbank als „lender of last resort« gefragt. Um derartige Krisen zu vermeiden, werden Regulierungen erwogen, die die Stabilität des Systems gewährleisten sollen (EMI 1994).

 

Zum anderen kann es für die Zentralbanken in Zeiten rascher Substitution von regulärem Geld durch digitales Geld schwieriger werden, die Geldpolitik richtig zu dosieren. Dabei ist weniger daran zu denken, daß zu den Banken zurückfließendes Bargeld die Kreditschöpfung übermäßig anheizen könnte. (13) Denn die Zentralbanken betreiben in der kurzen Frist eine Politik der Zinssteuerung, so daß ein Rückgang der Bargeldnachfrage der Nichtbanken im wesentlichen durch einen Rückgang der Zentralbankgeldmenge (Bargeld und Einlagen der Banken bei der Zentralbank) ausgeglichen wird. Problematisch ist jedoch, daß die Geldmenge als Indikator der Geldpolitik an Aussagekraft verliert und der Geldpolitik falsche Signale geben kann. Die Bedeutung dieses Problems wird allerdings dadurch relativiert, dass Veränderungen im Zahlungsverkehr eher evolutorischen Charakter haben (Krüger 1997 und White 1996). Langfristige Veränderungen der Geldnachfrage hat aber zum Beispiel die Bundesbank schon immer bei der Festlegung der Geldmengenziele berücksichtigt.

 

Insgesamt läßt sich festhalten, daß Bargeld und insbesondere Sichteinlagen auf absehbare Zeit eine wichtige Rolle im Zahlungsverkehr spielen werden. Auch wenn die monetäre Steuerung eventuell erschwert wird, die geldpolitischen Instrumente bleiben wirksam. Zu regulatorischem Aktionismus besteht daher kein Anlaß. Vielmehr können die Zentralbanken den Fortgang der Entwicklung mit Gelassenheit abwarten.

 

 

 

Anmerkungen

 

1 Titel des gleichnamigen von beiden Autoren angefertigten Gutachtens der Beratungsfirma PaySys im Auftrag des Instituts für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse. Eine Veröffentlichung des Gutachtens ist in Vorbereitung.

 

2 Die heutige Ausgabe privater Währungen auf Basis des Bargeldes (Noten und Münzen) ist in der Praxis - bedingt durch das staatliche Bargeldmonopol - recht selten.

 

3 In absehbarer Zukunft wird das digitale Kartengeld ebenfalls über Netze übertragbar sein und vice versa. Damit wird die in Deutschland noch übliche Differenzierung zwischen Karten- und Netzgeld obsolet.

 

4 Vgl. Neil und Eisler 1996, Schneider 1995 und Weiler 1993.

 

5 Daneben gibt es noch den direkten Tausch zwischen zwei Unternehmen. Solche Tauschaktionen (»Countertrade«) werden vor allem auf internationaler Ebene durchgeführt. Sie beruhen meist auf Beschränkungen im internationalen Zahlungsverkehr und Informations- und Anreizproblemen. Vgl. Marin und Schnitzer 1995.

 

6 „Preisdiskriminierung« bedeutet in diesem Zusammenhang, daß an unterschiedliche Kunden zu unterschiedlichen Preisen verkauft wird. Durch die Segmentierung in einen Bartermarkt, in dem in Bartergeld bezahlt wird, und einen regulären Markt, in dem in regulärer Währung bezahlt wird, kann ein Anbieter leichter unterschiedliche Preise fordern.

 

7 Es ist de jure noch unklar, ob solche elektronische »Unter«-Börsen als »Kartengeld« im Sinne des KWG (6. Novellierung) bezeichnet werden       müssen. In diesem Fall wäre eine Ausnahmegenehmigung erforderlich bzw. die Übernahme der Emittentenfunktion durch eine Bank.

 

8 Vgl. Anderson 1997, Furche und Wrightson 1997 sowie Lukas 1997.

 

9 Vgl. Deutsche Bundesbank 1997, EMI 1994, Friedrich/Möker 1995,       Greenspan 1996, Hartmann 1996, Wehinger 1997.

 

10 Nicht zuletzt aufgrund von Sicherheitsüberlegungen dürfte der durchschnittliche Ladungsbetrag pro Karte nur gering sein. Vgl. Bonorris 1997 und McAndrews 1997.

 

11 Siehe auch Bonorris 1997, S. 15, und Godschalk (1998), S. 23.

 

12 Anderer Auffassung sind Herreiner 1998 und Tanaka 1996.

 

13 Diese Gefahr sehen Berentsen 1998, Herreiner 1998, Söllner und Wilfert 1996 und Worms 1995.

 

 

 

 

Literatur

 

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Berentsen, Aleksander (1998). Monetary Policy Implications of Digital Money, Kyklos, Vol. 51, Nr. I , S. 89-117.

 

Bonorris, Steven (1997). Digital Money: Industry and Public Policy Issues, Washington, D.C.: The Institute for Technology Assessment.

 

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Friedrich, Hans-Jürgen und Ulrich Möker (1995). Vorausbezahlte Karten - eine Bewertung aus der Sicht der Deutschen Bundesbank, Arbeitspapier Nr. 36 des Schwerpunktes Finanzwissenschaft/Betriebswissenschaftliche Steuerlehre, Universität Trier, 2. Aufl.

 

Furche, Andreas und Craham Wrightson (1997): Computer Money. Internet und Kartensysteme. Ein systematischer Überblick, Heidelberg: dpunkt.

 

Godschalk, Hugo (1997): Digitale Währungsvielfalt im Eurozeitalter? Geldschöpfung außerhalb des Notenbank-Einflusses/Cybermoney ohne Einlösungsverpflichtung in >echtes Geld<, in: Blick durch die Wirtschaft, 5.8.1997, S. 9.

 

Godschalk, Hugo (1998). Multifunktionskarten auf dem Weg zum offenen Standard?, in: Karten, Heft I (1998), S. 23-26.

 

Greenspan, Alan (1996): Remarks by Chairman Alan Greenspan, at the Conference >Toward Electronic Money & Banking: The Role of Government< sponsored by the United States Department of the Treasury, Washington, D.C., September 19-20, 1996 (http://www.occ.treas.gov/emoney/green.htm)

 

Hartmann, Wendelin (1996). Der Einfluß neuer Technologien auf die Arbeit der Zentralbanken, Vortrag im IBIT Forum, Basel, 11. Juni 1996, wiederabgedruckt in: Deutsche Bundesbank, Auszüge aus Presseartikeln, Nr. 36, 11.6.1996, S. 37.

 

Herreiner, Dorothea K (1998): Systemische Risiken durch elektronisches Geld?, Universität Bonn, mimeo (http://www.econ3.uni-bonn.de/~herreine/ecash.ps)

 

Hoffmann, Günter (1998): Tausche Marmelade gegen Steuererklärung. Ganz ohne Geld - die Praxis der Tauschringe und Talentbörse, München: Piper.

 

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Schneider, Christian (1995): Barter-Clubs. Chancen und Probleme, Berlin: Duncker und Humblot.

 

Söllner, Fritz und Arno Wilfert (1996): Elektronisches Geld und Geldpolitik, in: List Forum für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Bd. 22, Heft 4, S. 389-405.

 

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Wehinger, Gert D. (1997): Bargeldinnovationen und ihre geldpolitischen Konsequenzen, in: Österreichische Nationalbank, Berichte und Studien 1/1997, S. 60-76.

 

Weiler, Franz (1993): Bartergeschäfte. Ein Weg zur Steigerung und zur Verbesserung der Ertragslage von Unternehmen, Wien (Broschüre).

 

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