Hrsg.: Seminar für freiheitliche Ordnung
Fragen der Freiheit
Heft 234, Juni 1995
“Konjunktur durch
Inflation”
D-73087 Bad Boll
ISSN 0015-928 X
Viele Wirtschaftsjournalisten
begrüßen lebhaft die Aussicht, daß die Inflationsrate in der zweiten
Jahreshälfte 1995 unter zwei Prozent sinken könnte. Woher nehmen sie den
Optimismus, daß die Inflationsraten auf dem niedrigen
Niveau bleiben werden, auf dem sie gegenwärtig angekommen sind? Haben sie
sich von dem Wunschdenken der Notenbankchefs anstecken lassen, daß die einmal
erreichte Geldwertstabilität auf Dauer erhalten bleiben könne?
Die Märkte sind realistischer,
sie fürchten, daß die Inflationsraten wieder steigen werden. Offen kann nach aller
Erfahrung nur sein, wann dies der Fall sein wird und in welchem Maße.
Es gibt schließlich auch starke
wirtschaftstheoretische Gründe dafür, daß man die Inflationsrate Null zwar
erreichen, aber nicht auf Dauer aufrechterhalten kann. Die Höhe der Umlaufgeschwindigkeit
des Geldes ist nämlich abhängig von der Höhe der erwarteten Inflationsrate. Die
Erwartung von Geldwertstabilität destabilisiert die Umlaufgeschwindigkeit. Je erfolgreicher die Geldwertpolitik, umso
lockerer wird der Zusammenhang zwischen Geldmengen-
und Geldwertentwicklung.
Schon der Weg zur Rate Null ist
- unbestritten - mit Arbeitslosigkeit gepflastert. Wenn die Inflationsraten
schwanken, kommt es zu wiederholten Phasen der energischen Inflationsbekämpfung
und infolgedessen steigt der Sockel der Arbeitslosigkeit phasenweise an. Die
Arbeitslosigkeit nimmt ein immer höheres Ausmaß an.
Der Arbeitslosigkeit wird nach
Erreichen der Geldwertstabilität nicht mehr wie früher abgebaut, weil die
ängstliche Sorge der Notenbanken um die Aufrechterhaltung der
Geldwertstabilität die Wirtschaft fast ebenso stranguliert, wie dies eine
Inflationsbekämpfung tut! Alle Rezepte der Angebotspolitiker, durch
Lohnflexibilisierung die Beschäftigungschancen zu erhöhen, führen als Schraube
ohne Ende nur nach unten, solange die Notenbank das Geldwertziel aufrechterhält
und deshalb die Wirtschaftsentwicklung nachfrageseitig stranguliert.
Den Preis der steigenden
Sockelarbeitslosigkeit zahlen wir für das Ziel dauernder Geldwertstabilität,
das in Wahrheit ohnehin nicht erreichbar ist. Die Gesellschaft wird das nicht
mehr lange aushalten!
Eckhard Behrens