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Inhalt Heft 234


 

 

 

Seminar für freiheitliche Ordnung

Fragen der Freiheit

Heft 234, Juni 1995

Bad Boll

ISSN 0015-928 X

 

 

 

 

 

 

Der Inflationsausgleich im Zins

Roland Geitmann

 

Wenn das Geld seine Funktion als Wertmaßstab für die Wirtschaftsteilnehmer voll erfüllen soll, bedarf es einer stabilen Währung. Die Frage ist nur, wie wir dieses Ziel erreichen und wer einer Lösung näher ist, derjenige, der stabile Währung z.B. durch Beschränkung der Geldmenge und ohne eine Umlaufsicherung zu erreichen versucht, oder derjenige, der erkennt, daß wir eine mäßige Inflation als Umlaufsicherung brauchen, solange wir sie nicht durch Geldhaltekosten entbehrlich machen. Daß eine auf niedrigem Niveau verstetigte Inflation weniger schädlich ist als eine schwankende, konzediert auch Helmut Creutz. Ob und ab welcher Höhe sie den Realzins senken hilft, wäre zu erproben. Eine hilfreiche Denkübung ist ein solches Modell allemal, das nicht nur klärend wirkt, sondern auch praktische Folgerungen insbesondere für die Gestaltung von Kreditverträgen und für die Preiskalkulation nahelegt.

 

 

 

1. Zinsbestandteile

 

 

Es ist eines der Verdienste von Helmut Creutz, die Bestandteile des Zinses in einem Schema auch graphisch klar zu unterscheiden:

 

Größe und Zusammensetzung der Kreditzinssätze ‑ Schemabeispiels (1)

 

Beispiel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Danach besteht der Zins, den der Kreditnehmer an die Bank zahlt, aus dem Realzins, einem Inflationsaufschlag und der Bankmarge. Letztere umfaßt die Kosten der Bank, insbesondere auch Risiken, soweit sie nicht durch Sicherheiten abgedeckt sind. Dieses Risiko mag sich erhöhen, wenn der Schuldner wegen Inflationsanstiegs höhere Zinsen erbringen muß und evtl. zahlungsunfähig wird. Völlig vermeiden lassen sich Risiken indes bei keinem Zukunftsgeschäft. Sie müssen also von den Beteiligten getragen werden wie der Vermittlungsaufwand (Personal‑ und Sachkosten) auch. Der darüber hinausgehende Gewinn der Bank wird bei funktionierender Marktwirtschaft durch Konkurrenten begrenzt. Die Bankmarge ist deshalb im Prinzip ein berechneter Zinsbestandteil, wenn auch im konkreten Einzelfall oft bedauerlich hoch.

 

Unnötig hoch ist in der Regel auch der Knappheitsaufschlag als Teil des Realzinses. Da die Geldbesitzer das öffentliche Transportmittel Geld künstlich knapp halten können, bleibt dieser Zinsbestandteil, der pendelnd Angebot und Nachfrage in Übereinstimmung bringt, ständig positiv, obwohl er theoretisch auch ins Negative wechseln könnte.

 

Zutreffender Ansatzpunkt berechtigter Kritik ist hingegen der Grundzins, mit dem sich der Geldverleiher nach J. M. Keynes seinen Verzicht auf Liquidität bezahlen läßt. Den „Jokervorteil" des Geldes (D. Suhr) läßt er sich entgelten, obwohl nicht er diesen Vorteil geschaffen hat, sondern die Gemeinschaft durch Rechtsordnung und Vertrauen, und zwar täglich neu. Dem zufälligen Geldbesitzer fließt also etwas zu, was eigentlich der Gemeinschaft gebührt. Hier nun setzt zu Recht Gesells Therapievorschlag des „rostenden Geldes" an, der darauf hinausläuft, den Jokervorteil durch Geldhaltekosten zu neutralisieren und der Gemeinschaft zuzuführen so daß die verhängnisvollen Umverteilungswirkungen des Realzinses von Arm zu Reich schwinden.

 

Dann würde auch die Inflation als unglückliches Umlaufsicherungsinstrument, das die Wertmesserfunktion des Geldes untergräbt, entbehrlich und mit ihm der Inflationsausgleich im Zins. Geldhaltekosten könnten also zwei Krankheitssymptome des Geldes beheben, die unnötige Höhe des Zinses und die Inflation.

 

 

 

2. Verstetigung der Inflation als Denkmodell

 

Je höher und je schwankender die Inflation ist, desto schwerer fällt es den Wirtschaftsteilnehmern, sich ihr anzupassen, und desto unterschiedlicher gelingt ihnen dieses, so daß Inflation bedauerliche Umverteilungswirkungen erzeugt (2).

 

Ohne Geldhaltekosten wird man jedoch auf Inflation als Umlaufsicherungsmittel nicht verzichten können. Eine Stabilitätspolitik um jeden Preis würde den Geldmantel so eng schneidern, daß die Wirtschaft ins Stottern käme oder gar in eine sich beschleunigende Deflation abrutschte. Wenn allein der Zins die Funktion der Umlaufsicherung übernehmen muß und auf den Grundsockel der Liquiditätsverzichtsprämie schrumpft, würde Geld nicht mehr investiert, sondern in großem Umfang zurückgehalten, so daß Firmen mangels Kredits in Konkurs stürzten und Massenarbeitslosigkeit sprunghaft anstiege.

 

Solange sich Geldhaltekosten politisch nicht realisieren lassen, fragt sich deshalb, ob sich die Inflation, die zusammen mit dem Zins den Umlauf behelfsmäßig sichert, so gestalten ließe, daß den Wirtschaftsteilnehmern die Anpassung daran besser gelänge. Denn Inflation bläht zunächst nur Zahlen auf, ist deshalb ein Anpassungsproblem und hat nur in dem Maße Umverteilungswirkungen, als diese Anpassung mißlingt. Statt der schwankenden und zweifellos schädlichen Inflationsrate tatenlos zuzusehen, wäre es ja immerhin einen Versuch wert, die Schäden durch Verstetigung der Inflation zu mindern, zumal sich dies als notwendiger Lernweg zu dem eigentlichen Ziel einer stabilen Währung mit umlaufgesichertem Geld herausstellen könnte. Der Vorwurf, Inflation sei Betrug, entfiele, wenn Inflation kalkulierbar würde.

 

Neben der laufenden und freilich mühsamen Anpassung der Löhne und Gehälter, Preise und Tarife gäbe es für Geldforderungen theoretisch zwei Wege der Inflationsanpassung, entweder eine Indexierung der Ausgangswerte, orientiert an der Inflationsrate, oder laufende Ausgleichsleistungen in Gestalt des Inflationsaufschlags im Zins. Weil der Indexierung von Geldforderungen inflationsbeschleunigende Wirkung beigemessen wird, bedarf sie gemäß § 3 Satz 2 Währungsgesetz der Genehmigung durch die Bundesbank und würde nach den von ihr aufgestellten Grundsätzen nicht genehmigt.

 

In dem redlichen, aber ohne taugliches Instrument nur begrenzt erfolgreichen Streben nach stabiler Währung greift der Staat mit Verboten in die Vertragsfreiheit ein und verbaut den Wirtschaftsteilnehmern die Möglichkeit, sich den Veränderungen des Geldwerts in geeigneter Weise anzupassen nach dem Motto „weil nicht sein kann, was nicht sein darf“ (Chr. Morgenstern). Auf diese Weise wird die Illusion stabilen Geldes gepflegt, statt dessen Vergänglichkeit kalkulierbar zu machen. Wer ein Übel erkennt und in Grenzen hält, besiegt es eher als derjenige, der so tut, als ob es gar nicht vorhanden sei.

 

Es geht also nicht darum, den Gesell'schen Geldreformvorschlag einer Liquiditätsabgabe durch eine dosierte Inflation zu ersetzen, sondern darum, sich auf den Weg zu machen. Denn erst nach nüchterner Erkenntnis, daß wir Inflation haben und anscheinend brauchen, um das Geld in Fluß zu halten, kann die Idee Wurzeln schlagen, daß Geld in sich einen Anreiz zur Weitergabe tragen sollte, um seinen Umlauf zu sichern.

 

Noch herrscht die Meinung vor, daß stabile Währung ohne eine Umlaufsicherung des Geldes zu erreichen sei, und findet sich gelegentlich sogar in freiwirtschaftlichen Äußerungen, indem die Stabilitätsfrage in den Vordergrund gestellt und isoliert wird. Ein anderer Irrtum wird dann geschürt, wenn bei der Zinskritik nicht zwischen den unterschiedlichen Zinsbestandteilen differenziert und nicht klargestellt wird, daß ein erheblicher Teil der Zinsströme ein Ausgleich für Inflation ist. Quantitative Angaben über Zinsanteile in Preisen, Zinsströme und ihre Umverteilungswirkungen (3) sind deswegen zumindest mißverständlich.

 

So erweckt z.B. die Faustregel von Helmut Creutz, daß „mindestens jede dritte ausgegebene Mark eine Zinsmark ist“ (4), den falschen Eindruck, als ob dieser Kostenfaktor nach Einführung von Geldhaltekosten den Schuldnern und Konsumenten erspart werden könnte. Dies wäre jedoch ein Trugschluß. Das, was über inflationsbedingt erhöhten Zins zu zahlen ist, erschiene bei stabiler Währung an anderer Stelle, wo es eigentlich auch hingehört, nämlich als ungeschmälerte Tilgung bzw. Abschreibung. Dies soll im folgenden verdeutlicht werden.

 

 

 

3. Die Rolle des Inflationsausgleichs im Zins

 

3.1. Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner

 

Bei stabiler Währung muß der Kreditschuldner den vollen Wert des Geliehenen über die Tilgung zurückzahlen und darüber hinaus die jeweilige Restschuld verzinsen, wobei Real‑ und Nominalzins identisch sind. Bei Inflation gleicht der Inflationsaufschlag im Zins den Wertverlust der Rückzahlungsforderung und entsprechend geminderter Tilgungsleistungen aus. Bei 4 % Inflation z.B. sinkt der Wert der Rückzahlungsforderung ebenfalls um 4 % pro Jahr. Dem beugt der Gläubiger verständlicherweise durch einen entsprechenden Inflationsaufschlag im Zins um 4 % vor.

 

Der Inflationsaufschlag ist also eine vorzeitige Tilgung, die dem Schuldner möglicherweise zeitlich ungelegen kommt und dies umso mehr, je höher die Inflation ist. Bei 100 % Inflation muß der Schuldner über den Inflationsausgleich im Zins bereits im ersten Jahr 50 % der Schuldsumme zurückzahlen, was ihn zwar entsprechend entschuldet, aber auch in Zahlungsschwierigkeiten stürzen kann und andererseits den Gläubiger vor das Problem stellt, die vorzeitige Tilgungsleistung wieder neu anzulegen.

 

Kreditverträge ließen sich bei verstetigter Inflation so gestalten, daß der Schuldendienst (Tilgung und Zins) während der gesamten Laufzeit real gleich hoch bleibt. Ist die jährliche Tilgungsrate zunächst niedriger als die Inflationsrate, müßte der Kreditrahmen entsprechend ausgeweitet werden, so daß die Schuldsumme trotz Tilgung nominell zunächst entsprechend steigt, um dann langsam und später in größeren Schritten zu sinken, zumal der Zinsanteil im Schuldendienst mit Abnehmen der Restschuld spürbar schwindet.

 

Mit entsprechenden Kreditangeboten könnten Banken und Sparkassen die enorme Anfangsbelastung der Kreditnehmer lindern und Finanzierungsprobleme besser lösen. Insbesondere könnte die hohe Kostendifferenz zwischen Neu‑ und Altbauwohnungen vermieden werden. Das von Helmut Creutz in seiner Darstellung 1 aufgezeigte Problem, daß inflationsbedingte Einkommensverbesserungen und entsprechende Zinssteigerungen sich erst nach längerer Zeit ausgleichen, ließe sich also lösen.

 

Bei Inflation bedeutet eine nominal gleichbleibende Schuldsumme real eine schrittweise Entschuldung, so daß es berechtigt wäre, von Neuverschuldung nur in bezug auf den realen Schuldenzuwachs zu sprechen. Es ist auffällig, in wie vielen Beziehungen wir uns an nominellen statt an realen Größen orientieren und der Illusion stabilen Geldes zum Opfer fallen.

 

 

 

3.2. Verhältnis Produzent ‑ Konsument

 

Auch für den Endverbraucher dürfte der Inflationsausgleich im Zins eigentlich keine zusätzliche Belastung bedeuten. Denn was er bei Inflation an dieser Kostenstelle mehr zahlt, müßte sich bei der Abschreibung real gesehen verringern. Eine Mehrbelastung dürfte bei korrekter Anpassung der Inflation nicht eintreten. Praxis und vorherrschende Betriebswirtschaftslehre sehen das allerdings anders.

 

Die Abschreibung soll die Anschaffungs‑ bzw. Herstellungskosten auf den Nutzungszeitraum verteilen und nach deren Ablauf eine Wiederanschaffung ermöglichen. Damit die Abschreibung diese Funktion der Substanzerhaltung auch bei inflationärer Preisentwicklung erfüllt, werden ihr Wiederbeschaffungszeitwerte (= Tageswerte) zugrunde gelegt. Diese Indexierung würde nun aber erfordern, bei der Verzinsung des eingesetzten Kapitals nur den Realzins einzusetzen, damit der Geldwertverlust dem Verbraucher nicht doppelt in Rechnung gestellt wird. Dieser Zusammenhang zwischen Abschreibung und Verzinsung wird nun leider von Betriebswirtschaftslehre und Praxis weithin verkannt, was dann tatsächlich und unberechtigterweise zu inflationsbedingter Mehrbelastung der Endverbraucher führt.

 

Die Indexierung der Abschreibungswerte entsprechend der Inflationsrate und der Inflationsausgleich im Zins sind zwei Alternativen zur Anpassung an die Inflation und schließen sich wechselseitig aus. Wenn man, wie im Verhältnis zwischen Gläubiger und Schuldner, einen Zinssatz anlegt, der die Inflation ausgleicht, dürften der Abschreibung lediglich Anschaffungs- bzw. Herstellungswerte zugrunde gelegt werden. Werden die eingehenden Abschreibungserlöse und Zinserträge reinvestiert oder einer verzinslichen Rücklage zugeführt, ist die Wiederanschaffung des Investitionsgutes auch bei inflationärer Preissteigerung voll gewährleistet.

 

Wird der Inflationsausgleich also über den Zins erzielt, wandert die Funktion der Substanzerhaltung mit zunehmender Inflation von der Abschreibung in die Verzinsung. Im Vergleich dazu würde eine stabile Währung lediglich diese Verlagerung zwischen zwei Kostenstellen vermeiden und brächte insoweit für den Konsumenten keine Entlastung.

 

Während nach Steuer‑ und Handelsrecht der Abschreibung richtigerweise Anschaffungswerte zugrunde liegen müssen, hat die bisher vorherrschende Betriebswirtschaftslehre, die Gesetze der Logik und Mathematik außer acht lassend, Abschreibung auf Wiederbeschaffungszeitwerte und Nominalverzinsung gekoppelt. Dem sind für das öffentliche Abgabenwesen Parlamente, Verwaltungen und Gerichte gefolgt (5).

 

Gert Brüning (6) hat dagegen an Zahlenbeispielen klar nachgewiesen, daß hiermit dem Verbraucher der Kaufkraftschwund des Geldes zweimal in Rechnung gestellt wird. Ein drittes Mal tun es diejenigen, die auch der Verzinsung noch indexierte Werte zugrunde legen. Erst in neuerer Zeit und mühsam bricht sich die Erkenntnis Bahn, daß solche Kalkulationen über das Ziel der Substanzerhaltung hinausschießen und verdeckter Gewinnmaximierung dienen (7).

 

 

 

4. Folgerungen

 

Richtigerweise ist Kritik‑ und Therapieansatz im Geldwesen nicht der Zins als solcher und in seiner Gesamtheit, sondern nur der Realzinsgrundsockel, also die Prämie für den Jokervorteil, die statt an die Allgemeinheit in private Taschen fließt. Der künstlich hochgehaltene Realzins ist es, der die Umverteilung von Arm zu Reich verursacht und sich auf andere Zinsbestandteile allenfalls mittelbar auswirkt. Wer die Umverteilungswirkungen des Zinses quantifizieren will, dürfte nur mit diesem Realzinsgrundsockel in Höhe von ca. 4% rechnen; die unvermeidlichen Kosten der Vermittlung wären ebenso auszuklammern wie der Inflationsausgleich, der lediglich die Wertminderung der Tilgung bzw. der Abschreibung ersetzt. Dies hat Folgen für die Darstellung der Problematik; dafür einige Beispiele:

 

4.1.  Beim Vergleich von Arbeitseinkommen und Vermögenseinkünften ist zu berücksichtigen, daß ein erheblicher Teil der Geldvermögenseinkünfte Ausgleich für den inflationsbedingten Wertverlust ist und die Einkommensteuer nicht nur den Real‑, sondern auch den Nominalzins erfaßt. Kraß wird die Ungerechtigkeit deshalb erst dadurch, daß hohe Freibeträge, niedrige Steuersätze und Steuerflucht den untauglichen Versuch des Staates weitgehend vereiteln, die zu Unrecht entstandenen privaten Realzinseinnahmen nachträglich wieder einzusammeln, statt sie durch Geldhaltekosten erst gar nicht entstehen zu lassen.

 

4.2.  Helmut Creutz folgt den gewinnmaximierenden Abschreibungsakrobaten und ihren Theorielieferanten, wenn er in seinem Beitrag für die Abschreibung komplizierte Umrechnungen auf Wiederbeschaffungszeitwerte für erforderlich hält und gleichzeitig mit Nominalzinsen kalkuliert, während er dem sein Eigenkapital einsetzenden Investor nur den Realzins zugestehen möchte und daraus Marktverzerrungen befürchtet. Verzerrungen entstehen nur durch eine sachlich völlig ungerechtfertigte doppelte Berechnung des inflationären Wertverlustes.

 

4.3. Bei korrekter Berücksichtigung einer verstetigten Inflation können von dieser keine Wachstumszwänge ausgehen; diese entstehen nur durch die Umverteilungwirkungen des Realzinssockels, weil ohne Wachstum die sich anhäufenden Geldvermögen nicht in den Wirtschaftskreislauf zurückflössen und Geld und Bedarf nicht mehr zur Deckung kämen.

 

4.4 Wenn Helmut Creutz die Geldhaltekosten in Höhe von 6 % auf Bargeld und Sichtguthaben mit 40 Mrd. p.a. veranschlagt und mit einer dosierten Dauerinflation in derselben Höhe vergleicht, die eine „etwa achtmal höhere Belastung" bewirke, sind dies unvergleichbare Größen, die im übrigen beide keine zusätzlichen Belastungen darstellen. Während die Geldhaltekosten den Realzinsgrundsockel der Gemeinschaft zuführen, ist der Inflationsausgleich im Zins eine partielle und vorzeitige Entschuldung der Wirtschaft. Eine nominelle Ausweitung der Verschuldung könnte Zusammenbrüche vermeiden, die durch inflationsbedingte „Tilgungsraten im Zins" drohen (siehe oben).

 

 

 

5. Strategische Überlegungen

 

Zu Recht weist Helmut Creutz darauf hin, daß es nicht leicht sein dürfte, die Inflation zu verstetigen und daß auch dann die Anpassung vielerlei Mühe machen werde. Fest steht aber auch, daß die Anpassung an die Inflation durch deren Verstetigung erleichtert würde und daß ohne Umlaufsicherung die Verstetigung der Inflation eher erreichbar ist als eine stabile Währung. So bleibt die berechtigte Frage, warum man nicht gleich das richtige und notwendige Instrument der Geldhaltekosten einsetzen sollte, um sowohl den Realzins zu senken als auch Inflation entbehrlich zu machen.

 

Daß dieser vernünftige Gedanke sich auch im Laufe von hundert Jahren weder in Wissenschaft noch in öffentlicher Meinung und Politik durchsetzen konnte, zeigt, wie schwer sich Denkgewohnheiten ändern. Die Erkenntnis, daß Kassehaltung etwas kosten muß wie die Nutzung auch anderer Gemeinschaftsgüter, gewinnt nur schwer an Boden. In mammonistischer Verblendung betrachten die Menschen Geld als ihr Privateigentum statt als öffentliches Transportmittel, das man nutzt und weitergibt. Dieser Anreiz zum Weitergeben muß dem Geld eingepflanzt werden, indem Liquidität kostenpflichtig wird. Was der Mensch, sich selbst und andere schädigend, festhalten will, muß ihm in der Hand zerrinnen. Geld muß wie alles auf der Erde vergänglich sein, um sich dort einzustellen, wo es gebraucht wird.

 

Es ist nun bezeichnend, wie sehr wir die durch Inflation bereits realisierte Vergänglichkeit des Geldes verdrängen und nicht wahrhaben wollen. Wir flüchten uns in die Illusion der Geldwertstabilität, und unsere Währungshüter hindern uns, Verträge durch Anpassungsklauseln realistisch zu gestalten. Eine offizielle Bejahung und Verstetigung der Inflation würde uns endlich aus dieser Selbsttäuschung herausreißen und uns ‑ in freilich sehr unvollkommener Weise ‑ erleben lassen, wie Geld sein müßte, nämlich flüchtig. Nach allen bisherigen Erfahrungen scheint es notwendig zu sein erst einmal die Realität der Inflation bewußt zu erkennen, um dann den Gedanken zu fassen, den Alterungsprozeß des Geldes so zu gestalten, daß der Wertmaßstab stabil bleibt.

 

Das unflexible Beharren auf Geldwertstabilität will diesen offenbar notwendigen Aufwachprozeß umgehen und das Problem technisch lösen. Das greift vermutlich zu kurz. Dazu ist das Geldwesen zu stark mit der geistig-seelischen Verfassung der Menschen und deren Spiegelbild verknüpft, als daß eine vom allgemeinen Bewußtsein abgehobene technische Lösung der Bundesbank hilfreich sein könnte.

 

Das vorrangige Streben nach Geldwertstabilität bestärkt die Menschen in ihrer Illusion. Denn dieser Forderung liegt bei allzu vielen Menschen die Neigung zugrunde, Geld festzuhalten, statt es angesichts seiner Vergänglichkeit loszulassen. Das Verdikt „Inflation ist Betrug" verfestigt bei den Menschen eine auf Haben und Vermehren gerichtete Haltung zum Geld, die derjenigen entgegengesetzt ist, die wir für eine Veränderung brauchen: Geld ohne Vermehrungsabsicht kaufend, leihend und schenkend zu nutzen.

 

Der Umweg einer dosierten Inflation könnte sich als ein unverzichtbarer Lernschritt erweisen wie die zahllosen Leihgemeinschaften und Tauschringe, mit denen Menschen modellhaft im Kleinen die Zinswirtschaft zu überwinden suchen. Nur in dem Maße, wie eine Geldreform von der Haltung getragen wird, daß Geld zum Weitergeben da ist, wird sie segensreich sein.

 

 

 

 

 

 

(1) Helmut Creutz: Das Geldsyndrom. Wege zu einer krisenfreien Marktwirtschaft (1993) S. 88.

(2) Dazu z.B. Dieter Fricke: Verteilungswirkungen der Inflation (1981)

(3) So Helmut Creutz in zahlreichen an sich verdienstvollen Veröffentlichungen, in dem in Anm. 1 zitierten Werk vor allem Kap. 21 und 22.

(4) „Das Geldsyndrom" S. 274.

(5) Nähere Nachweise über den Meinungsstand bei Dahmen, in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Rz. 161 ff. und 178 ff. zu § 6, sowie im Urteil des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein‑Westfalen vom 5. 8.1994, in: Kommunale Steuer‑Zeitschrift 1994, S. 213 ff.

(6) Elementare Mängel der Gebührenkalkulation kommunaler Einrichtungen, in: Kommunale Steuer‑Zeitschrift 1990, S. 21 ff., 42 ff.

(7) Siehe die Bemerkungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein‑Westfalen in dem in Anmerkung 5 genannten Urteil, aaO, 216.