Gästebuch
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Seminar
für freiheitliche Ordnung
Fragen
der Freiheit
Heft
206; September/Oktober 1990
Seite
3 - 9
Dieter Suhr ist nicht mehr unter uns Lebenden. Er ist am 28.
August 1990 im Alter von 51 Jahren auf Kreta auf einer Wander‑ und
Besichtigungsreise gestorben, auf der er sich mit seiner Familie befand. Wir
trauern mit seiner Frau und seinen drei Kindern um diesen wahrhaftig großen
Verlust eines engen Freundes und eines genialen Wissenschaftlers.
Wir dürfen uns aber glücklich
schätzen, ihm begegnet und seine Freunde gewesen zu sein, seine Vorträge hören
zu dürfen, die Entstehung seiner zahlreichen Werke und Aufsätze mitzuerleben,
seine Auffassungsgabe erlebt, seinen Mut gespürt zu haben und sein Feuer und
tiefes Verständnis für die Idee der Freiheit/Gleichheit, des Rechts und der
Ordnung unmittelbar erfahren zu können. Dieter Suhr stand aufrecht, er war ein
großer Mensch und ein Freund der Menschen auf dieser Welt.
Dieter Suhr wurde am 7. Mai
1939 in Windhoek/Südwestafrika geboren. Seine Kindheit verbrachte er in
Südwestafrika. Zur Schule ist er abwechselnd in der Bundesrepublik und in
Südwestafrika gegangen. Mit dem Abitur hat er in Ettlingen bei Karlsruhe die
deutschen Schulen, mit dem entsprechenden englischen Abschluß die Schulen in
Südwestafrika verlassen. Zuerst studierte er Mathematik und Physik, hat sich
aber später dem Jurastudium zugewandt; hätte es den Taschenrechner für seine
mathematischen Studentenübungen schon gegeben, so sagte er einmal, wäre er der
Mathematik und Physik treu geblieben. Bei Herbert Krüger in Hamburg, zu dem er
auch später noch Verbindung hielt, promovierte er mit der Schrift
„Eigentumsinstitut und Aktieneigentum“, eine verfassungsrechtliche Analyse der
Grundstruktur des aktienrechtlich organisierten Eigentums; sie ist erschienen
im Ludwig Appel Verlag, Hamburg 1966. In ihr befaßt er sich u. a. ausführlich
mit der Differenzierung der Beziehungen, die der einzelne zu verschiedenen
Eigentumsobjekten und infolgedessen auch zur sozialen Umwelt hat, wenn er mit
dem Eigentum handelnd umgeht. Damit hatte er ein Thema aufgenommen, das ihn
sein Leben lang beschäftigen sollte.
Dieter Suhr hatte beide juristischen Examen und war in Bochum und später in Berlin Assistent bei Prof. Quaritsch. In dieser Zeit schrieb er 1970/71 seine Habilitation, die unter dem Titel „Bewußtseinserfassung und Gesellschaftsverfassung“ bei Duncker & Humblot, Berlin 1975, veröffentlicht wurde. Auch in dieser Arbeit besticht die Präzision der Formulierungen, der Vergleiche, seine scharfsinnige Kritik, sein Sinn für das Wesen der Freiheit. Der Untertitel »Über Hegel und Marx zu einer dialektischen Verfassungstheorie« dürfte unter seinen Kollegen mit zu dem Vorurteil beigetragen haben, er sei ein »Linker« und die Auseinandersetzung mit seinen Werken, die er suchte und wollte, lohne sich nicht. Neben vielem anderen teilt uns seine Habilitation aber mit, daß das Werk Hegels uns mehr zu sagen habe als das Werk von Marx. Dieter Suhr hat die Philosophie Hegels geschätzt und davon gesprochen, er habe sich bei Hegel, seinem verehrten Lehrer habilitiert. Tief getroffen hat ihn, daß einer seiner Professorenkollegen in einem Buch viel aus seiner Habilitation übernommen hat, dieses Werk aber nur in dem Sinne erwähnt, daß dort nichts Wesentliches über Hegel und seine Bedeutung für die Verfassungsordnung und das Recht zu finden sei. Noch heute begegnet man Aufsätzen zu Themen, mit denen sich Dieter Suhr profund auseinandergesetzt hat, wo zwar seine Aufsätze und Bücher zitiert sind, aber nur mitgeteilt wird, er sei anderer Ansicht, ohne daß man erfährt, in welcher Hinsicht, so zuletzt z. B. in einem Aufsatz in der Juristenzeitung 1990 mit dem Titel »Schutz durch Eingriff« zur Frage, ob und wie weit staatliche oder gerichtliche Eingriffe gegen Privatleute zum Schutz von grundrechtlich geschützten Rechtsgütern anderer Privatleute verfassungsrechtlich geboten und ohne Gesetz zulässig sind.
Seiner Assistentenzeit schloß
sich die Berufung als Privatdozent und Assistenzprofessor an der Freien
Universität in Berlin an. Dort lehrte und arbeitete er in der turbulenten Zeit
der Studentenrevolte nach 1968 im Frieden mit seinen Studenten, was das
Vorurteil nährte, er gehöre zu den verbohrten »Linken«, obwohl er damals
„Deregulierung“ gefordert hat, als es dieses Modewort für die Forderung,
Wirtschaft und Kultur von staatlicher Intervention frei zu halten, noch nicht
gab. 1975 folgte er einem Ruf an die Universität Augsburg, wo er bis zu seinem
Tode Professor für öffentliches Recht, Rechtsphilosophie und Rechtsinformatik
war. Für etwas mehr als ein Jahr war er auch Richter am Bayerischen
Verfassungsgerichtshof. Seine Neigung zur Mathematik und Physik brachte ihn auf
den Weg zur Systemtheorie, über die er einen Artikel im Evangelischen
Staatslexikon geschrieben hat, und von dort aus weiter über eine Erfindung im
Computer‑Software‑Bereich zum Fach der Rechtsinformatik.
1976 veröffentlichte Dieter
Suhr sein zweites großes Werk zur Verfassungsrechtsordnung »Entfaltung des
Menschen durch die Menschen«, zur Grundrechtsdogmatik der
Persönlichkeitsentfaltung, der Ausübungsgemeinschaften und des Eigentums,
Verlag Duncker & Humblot, München, Berlin. Die Einleitung beginnt mit dem
Satz »In dieser Studie wird vor allem am Begriff der Freiheit gearbeitet«. Das
ist ihm in großartiger Weise gelungen.
Aufgenommen worden sind seine
Bücher und Aufsätze zu Themen der Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (das Jedermann‑Grundrecht
auf freie Entfaltung der Persönlichkeit) und Artikel 14 Grundgesetz
(Eigentumsartikel) zum Verhältnis von Rechtsstaat und Sozialstaat bis heute
nicht in ihrem vollem Gewicht. Es fällt offenbar schwer, ihm in seinen Gedanken
der gegenseitigen Beziehungen der Menschen untereinander, vor allem in ‑
wie er es nennt ‑ Ausübungsgemeinschaften, wie Betrieben, zu folgen. Die
noch herrschende Dogmatik über Grundrechte und zum Begriff des sozialen
Rechtsstaats steht seinen Erkenntnissen ‑ wenn auch zunehmend weniger
noch im Wege.
Aber er hat auch Verständnis
gefunden. So verwendet er in seiner Dissertation zur Bezeichnung der Wirkungen,
die auf den Eigentümer selbst beim Gebrauch seines Eigentums und dem sonstigen
Umgang damit zurückfallen, den Begriff der Konnexität, die hier schwächer, bei
anderen Eigentumsobjekt stärker ist. Die Richter des Bundesverfassungsgerichts
schreiben im Mitbestimmungsurteil vom 1. März 1979, veröffentlicht im 50. Band
der Entscheidungen: »Anders als beim Sacheigentum, bei dem die Freiheit zum
Eigentumsgebrauch, die Entscheidung über diesen und die Zurechnung der
Wirkungen des Gebrauchs in der Wirkung der Person des Eigentümers
zusammenfallen, ist diese Konnexität beim Anteilseigentum . . . . weitgehend
gelöst.« Es mag Zufall sein, daß diese Wendung in das Urteil gekommen ist;
wahrscheinlich hat aber die Dissertation oder sein 1976 veröffentlichtes Buch
zur Entscheidung der Richter beigetragen.
In jüngster Zeit wird, aber
noch beschränkt auf wenige, gesehen, was in seinen Erkenntnissen über Freiheit,
Gleichheit, Rechts‑ und Sozialstaat und die Entfaltung der Grundrechte
des Grundgesetzes in ihrer vollen Wirksamkeit im sozialen Kontext der Menschen
untereinander an Leistungsfähigkeit steckt, insbesondere bei der Analyse
konkreter Problemfelder, z. B. der Geldordnung, der Ordnung der
Altersrentenversicherung, der Waldschadensproblematik, dem
Immissionsschutzrecht, dem Planfeststellungsrecht usw. Ein Hinweis dafür war
sein Gutachten für die Stadt Augsburg, das Anlaß war, den „Augsburger“
Waldschadensprozeß einzuleiten, der zwar nicht gewonnen wurde, aber doch zu
einer Mahnung des Bundesgerichtshofs an den Gesetzgeber führte, das
Waldschadensproblem mit deutlich verbessertem Schutz der Waldbesitzer
gesetzlich zu gestalten. Das Gutachten ist veröffentlicht unter dem Titel
»Emissionsschäden vor Gericht«, N. P. Engel Verlag, Kehl am Rhein 1986.
Autoren, die über technische Risiken und Umweltschutzprobleme in ihrem
Verhältnis zum Grundgesetz, speziell zu den Grundrechten, schreiben, lesen
seine Arbeiten und nehmen seine Erkenntnisse in ihre Argumentation mit auf.
Sein Büchlein »Gleiche Freiheit«, Lothar Mette Verlag, Augsburg 1988, das
Themen seiner ersten drei Bücher wieder aufgreift und in neuer Weise, ergänzt
durch seine Erkenntnisse zu den Defekten unserer Geldverfassung und durch eine
Reihe von Arbeiten zum Thema Freiheit/Gleichheit/Rechts‑ und Sozialstaat
und Grundgesetz, fortführt, ist in anerkennender Weise von seinem Kollegen
Winfried Brugger in der Juristenzeitung 1989 (S. 332 f.) trotz einiger
Vorbehalte besprochen worden. Er beschließt die Besprechung mit den Sätzen: » .
. . es ist Dieter Suhr gelungen, die Prämissen der herrschenden
Grundrechtsdogmatik zu Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG radikal in Frage zu
stellen und die aktuelle Sozialstaatsdiskussion auf eine vertieftere
Problemschicht und vielleicht Lösungsstrategie aufmerksam zu machen. Mit der
Losung >Freiheit gegen Gleichheit< zu argumentieren ist nach diesem Buch
zweifellos schwieriger geworden«.
Seinen letzten größeren Aufsatz
in der Zeitschrift »Staat« (Heft 1/1990) »Transferrechtliche Ausbeutung und
verfassungsrechtlicher Schutz von Familien, Müttern und Kindern« zur (Transfer‑)Ausbeutung
der kinderreichen Familien durch kinderlose und kinderarme Leute im Rahmen der
gesetzlichen Altersversicherung und durch die Zinsbelastung aufgrund der
heutigen Geldverfassung hat ein Richter am Bundesverfassungsgericht, mit dem er
über viele Jahre freundschaftlich verbunden war, in einem Brief »sowohl in der
Analyse der bestehenden Probleme wie auch in den weiterführenden Hinweisen« als
ausgezeichnet und mit der Bemerkung gekennzeichnet: »Sie können sicher sein,
daß er auch bei meinen Richterkollegen gebührend Beachtung findet.«
Mit dem
Seminar für freiheitliche Ordnung war Dieter Suhr durch persönliche Kontakte in
Berührung gekommen, die beim rechtspolitischen Kongreß der SPD in Saarbrücken
im Frühjahr 1980 entstanden, zu dem er als Referent zum Thema geladen war, ob
es sinnvoll sei, soziale Grundrechte, wie das Recht auf Arbeit, Bildung,
Wohnung und Gesundheit, im Grundgesetz zu verankern. Bei der Frage, wer auf dem
Symposion vom 23. bis zum 26. Juli 1981 vom Walter Eucken Institut in Freiburg
und dem Seminar für freiheitliche Ordnung zur Geldordnung und Geldpolitik in
einer freiheitlichen Gesellschaft Auffassungen des Seminars zur Geldtheorie und
Geldpolitik wirkungsvoll vertreten könnte, kam Dieter Suhr ins Gespräch.
Unvermittelt schnell hat er sich in das Thema eingearbeitet. Es war ‑ wie
sich bald herausstellen sollte ‑ ein Thema, das auf der Linie seiner
bisherigen Arbeit und seiner Vorstellungen von einer freiheitlichen Ordnung
lag. Die damit angerührten Fragen waren ihm nicht fremd, er fühlte sich darin
von Anfang an zu Hause. Sein Vortrag »Die Geldordnung aus verfassungsrechtlicher
Sicht« auf dem Symposion machte das deutlich. Er ist veröffentlicht in dem von
Joachim Starbatty herausgegebenen Band 18 der Reihe
»Wirtschaftswissenschaftliche und wirtschaftsrechtliche Untersuchungen« des
Walter Eucken Instituts Freiburg über das Symposion mit dem Titel »Geldordnung
und Geldpolitik in einer freiheitlichen Gesellschaft«, Verlag Mohr, Tübingen
1982.
Dieter
Suhr wollte der Sache auf den Grund gehen und hat in kurzen Abständen Defekte
der heutigen Geldverfassung und die, wie er es immer ausdrückte, Rekonstruktion
der Geldverfassung zur Geldordnung in folgenden Büchern behandelt: »Geld ohne
Mehrwert«, Fritz Knapp Verlag, Frankfurt/Main 1983; »Optimale Liquidität«
(zusammen mit Hugo Godschalk geschrieben), Fritz Knapp Verlag, Frankfurt/Main
1986; »Befreiung der Marktwirtschaft vom Kapitalismus«, Basisverlag Berlin
1986; »Alterndes Geld«, Novalis Verlag, Schaffhausen 1988; »Der Kapitalismus
als monetäres Syndrom, Aufklärung eines Widerspruchs in der marxistischen
politischen Ökonomie«, Campus Verlag, Frankfurt/Main 1988; » The Capitalistic
Cost‑Benefit Structure of Money«, Springer‑Verlag, Berlin und
Heidelberg u. a., 1989. ‑ Etwas aus diesem Gebiet ist auch in den Fragen
der Freiheit veröffentlicht worden (in Heft 200 sind seine Aufsätze
verzeichnet).
Dieter
Suhr hat mit diesen Büchern und mehreren Aufsätzen, die in seinen Büchern
bezeichnet sind, Fragen der Geldtheorie und der Bändigung des Geldes mit Hilfe
einer den Menschen dienenden Geldordnung in einer Weise vorwärts gebracht, die
seinen Vorgängern Pierre Joseph Proudhon, Silvio Gesell und John Maynard Keynes
nicht nachstehen. Hervorzuheben ist seine begriffliche Klarheit, sein Bemühen,
verständlich zu bleiben, diffizilen Details mit größter Präzision nachzugehen
und komplexe Gebilde zu durchdringen. Beispiele dafür sind seine
liquiditätstheoretischen Erkenntnisse und das Detail, daß Geldanleger als
„Quasinotenbanken“ so Geld einziehen und emittieren, als hätten sie auch das
Notenbankprivileg verliehen erhalten. Man ahnt, was an Störungspotentialen
besteht, wenn Geldbenutzer Notenbankkompetenzen ohne ein sie bindendes
»Notenbankgesetz« ausüben dürfen, das ihre Kompetenzen so regelt, daß ihre
Ausübung niemand schadet, sondern in zwei Richtungen wirkt, nämlich ihnen und
allen anderen zum Wohle gereicht. Keine Notenbank auf der Welt hat die
Geldeinziehungs‑ und ‑emissionskompetenzen, die die heutige
Geldverfassung Geldbenutzern weltweit überläßt. Im Gegenteil: Die Kompetenzen
der Bundesbank z. B. sind im Vergleich zu den bezeichneten Kompetenzen der
Geldbenutzer geradezu lächerlich gering.
Mit Pierre Joseph Proudhon, Silvio Gesell und
John Maynard Keynes verbinden Dieter Suhr auch seine Vorstellungen zur
Wirtschaftsordnung und zu Fragen der Freiheit aufs Engste, im Falle Proudhon
bis in die Formulierungen hinein, obwohl er die Werke von Proudhon nicht im
einzelnen kannte. Er war ein Verfechter marktwirtschaftlicher Ordnung wie
andere, z. B. Milton Friedman, F. A. von Hayek, Walter Eucken, Franz Böhm,
Wolfram Engels und seine Mitstreiter vom »Kronberger Kreis« und viele andere
weltweit. Er möchte aber im Unterschied zu jenen die Wirtschaftsordnung von
ihrem »kapitalistischen« Störpotential, der Geldunordnung, befreit sehen, damit
die wirtschaftlichen Kräfte ‑ nicht mehr gebremst durch überflüssige
Zinslasten ‑ ihre Leistungsfähigkeit voll entfalten können und, was in
seinem Werk auch angelegt ist, die Kultur, das soziale Feld und andere
Bereiche, die durch mehr oder minder verlorene Zuschüsse unterhalten werden
müssen, ohne den teuren Umweg über den Staat finanziert werden können.
Um aber überhaupt eine Chance zu haben, dort
Gehör zu finden, wo das Fach Geldordnung zu Hause ist, bei den Volkswirten,
speziell den Geldtheoretikern und Vertretern der Geldpolitik, mußte er sich in
deren Fachsprache einüben. Das ist ihm, soweit man es als Außenstehender
beurteilen kann, in kurzer Frist zunehmend mehr und präziser gelungen, am
weitesten wohl in seinem letzten Buch in englischer Sprache aus dem Jahre 1989,
in dem er sich mit den Arbeiten der Volkswirte in deren Sprache
auseinandersetzt. Dabei kritisiert er z. B. zupackend, daß Volkswirte
Opportunitätskosten, d. h. entgangene Gewinnchancen, z. B. bei unterlassener
Geldanlage, für das volkswirtschaftliche Geschehen ausgesprochen wichtig
nehmen, andererseits aber die Zinsbelastung als reale Kosten der Geldanlage
übergehen und als Problemfeld nicht wahrnehmen, obwohl durch die Belastung der
Kreditnehmer und Konsumenten mit Zinskosten hochgradig nachteilige Wirkungen
auf den volkswirtschaftlichen Gesamtprozeß ausgehen. Wenn Dieter Suhr immer
noch Mühe hat, von Volkswirten verstanden zu werden, so liegt das an den
Volkswirten nicht an ihm. Ein Beispiel grandiosen Mißverstehens liefert Horst
Gischer in seiner Besprechung von „The Capitalistic Cost‑Benefit
Structure of Money“ in »Kyklos, Internationale Zeitschrift für
Sozialwissenschaften, Vol. 43, 1990, S. 537«, der sich dazu versteigt, daß
Dieter Suhr die Unterschiede zwischen »cash, money and financial capital«
fundamental mißverstehe, und Suhr glaubt vorhalten zu müssen, daß es sinnlos
sei zu versuchen, als Schutz vor dem Verhungern Geld zu essen usw.
Suhr hat recht, wenn er immer
wieder feststellte: Die Vorstellungen in den Köpfen über die Realität
verhindern, daß die Erkenntnis über die Realität in die Köpfe kommt, ja viel
schlimmer noch: sie verhindern, daß man sich um die Erkenntnis der Realität
bemüht. Wir hoffen, daß das Werk von Suhr sich nicht ‑ nach der Max
Planck zugeschriebenen Bemerkung ‑ erst dann durchsetzt, wenn die
Vertreter überholter Lehren längst gestorben sind.
Tröstlich mag für uns sein, daß
Dieter Suhr seine hohe Begabung und seine umfassenden Kenntnisse als
Verfassungsjurist und Ordnungsdenker in seinen Büchern und Aufsätzen in
erstaunlich kurzer Zeit niedergelegt hat. Man kann den Eindruck haben, daß
Dieter Suhr einen Schicksalsauftrag erfüllte, indem er uns in seinen Werken
Antworten hinterlassen hat auf Fragen, die seit langem in der
Volkswirtschaftslehre und Rechtswissenschaft offen sind und geklärt werden
müssen. Man möchte hoffen, daß sein Werk
1. auf
nationalökonomischem Gebiet die längst fällige Lösung der Konjunkturkrisen, des
Zinslastproblems, der weltweiten Verschuldung und der davon ausgehenden
Gefahren einleitet, damit die Weltwirtschaft floriert und z. B. mehr Menschen
ernähren und beschäftigen kann als heute, und
2. auf
verfassungsrechtlichem Gebiet die Wende zu einem, wie Dieter Suhr sagen würde,
geselligen Verständnis der Grundrechte und des Rechts- und Sozialstaats
einleitet, damit z. B. Grundrechte weniger als Vehikel zur Stärkung
persönlicher Interessen und ihrer Durchsetzung und zur damit kongruenten
Beschränkung der Freiheitsrechte anderer mißbraucht werden können, sondern im
Dienste der Erhöhung der Freiheit der Menschen im geselligen Miteinander und
der Natur stehen.
Der von Dieter Suhr auf diesen
beiden zentralen Feldern wissenschaftlicher Erkenntnis wieder und wieder
angemahnte Paradigmenwechsel ist überfällig.
Jobst v. Heynitz / Dr. Heinz
Hartmut Vogel