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Fragen der Freiheit

Heft 167, April 1984

Seite 30 – 36

 

 

 

 

 

Der Zins in der Geschichte (*)

 

 

Tacitus Germania:

 

Geldgeschäfte und Wucherzins sind unbekannte Dinge ... Der Grund und Boden wird nach der Zahl der Bebauer von der Gesamtzahl abwechselnd in Besitz genommen und dann unter die Einzelnen nach dem Range verteilt.

 

»Geld auf Zinsen ausleihen und die Zinsen für das ausgeliehene Geld zum Kapital zu schlagen, ist den Germanen unbekannt, und das schützt sie besser davor, als wenn Verbote beständen.«

 

 

 

Stellungnahme zum Zins aus den Evangelien und aus frühchristlicher Zeit:

 

 

Lukas 6,35:

 

»Liebet eure Feinde, tut wohl und leihet, daß ihr nichts dafür hoffet, so wird euer Lohn groß sein und werdet Kinder des Allerhöchsten sein.«

 

 

Paulus, Apostelbriefe:

 

„Ringet danach, daß ihr stille seid und das eure schaffet und arbeitet mit euren eigenen Händen, wie wir euch geboten haben.“ 1. Thessal. 4.11.

 

»Wir haben nicht umsonst das Brot genommen von jemand, sondern mit Arbeit und Mühe Tag und Nacht haben wir gewirkt, daß wir nicht jemand unter euch beschwerlich wären. Nicht darum, daß wir das nicht Macht haben, sondern daß wir uns, selbst zum Vorbild euch gäben, uns nachzufolgen. Und da wir bei euch waren, geboten wir euch solches, daß, so jemand nicht will arbeiten, der soll auch nicht essen. Wir gebieten, daß sie ihr eigen Brot essen.« 2. Thessal. 3, 8, 10. 12.

 

 

Jakobus 5. 6.:

 

»Euer Gold und Silber verrostet. Der Rost wird zum Zeugnis wider euch sein und euer Fleisch verzehren wie Feuer. Ihr habt in den letzten Tagen Schätze gesammelt. Siehe, der von euch zurückbehaltene Lohn der Arbeiter, die eure Felder eingeerntet haben, schreit laut, und das Rufen der Schnitter ist gekommen vor die Ohren des Herrn der Heerscharen.«

 

 

Neutestamentliche Apokryphen, Hirt des Hermas:

 

» Ich sah aber auch einen anderen Ort, . . . ganz finster, das war der Ort der Strafe . . . weiter standen Männer und Frauen bis an die Knie in einem See, der groß und mit Eiter und Blut und aufkochendem Schlamm gefüllt war. Das waren die, welche auf Zins liehen und Zinseszins forderten.«

 

 

Clemens von Alexandrien 215 n. Chr.:

 

„Ich weiß es, Gott hat uns das Recht des Genusses gegeben, aber nur bis zur Grenze der Notwendigkeit, und seinem Willen nach muß der Genuß gemeinsam sein. Es ist nicht in der Ordnung, daß einer im Überfluß sitzt, während andere darben.“

 

 

Lactantius um 325 n. Chr.:

 

»Um die anderen von sich abhängig zu machen, fingen sie an, das zum Leben ganz besonders Notwendige fortzuschaffen und zusammenzuraffen und dieses dann fest eingeschlossen zu bewahren, um die himmlischen Wohltaten für sich in Beschlag zunehmen . . . . Es ist äußerst ungerecht, mehr zu fordern, als man gegeben hat. So handeln, das ist seinen Nächsten ausbeuten und auf perfide Weise mit seiner Not spekulieren.«

 

„Alles, was dem Kapital beigefügt wird, ist Wucher. Gebet ihm für einen Namen was ihr wollt, es ist immerhin Wucher. Derjenige, der euch Zinsen bezahlt, ist in der Not, er ist gezwungen von euch zu entlehnen, um die Schuld zu bezahlen, die ihn drückt und er bleibt ohne Hilfe für sich selbst . .. Derjenige, dem es an Nahrung fehlt, zahlt euch Zinsen: gibt es eine schreiendere Ungerechtigkeit? Dieser Mann sucht ein Heilmittel, ihr bietet ihm Gift an, er sucht Brot, ihr zeigt ihm das Schwert, er fleht um Freiheit, ihr legt ihm Knechtschaft auf . . . . Ihr bereichert euch durch das Unglück anderer, ihr sucht euren Gewinn in den Tränen anderer, ihr ernährt euch vom Hunger des anderen und ihr nennet euch reich, die ihr vom Armen einen Lohn fordert. Ihr scharret das Gold aus den Metalladern, aber verberget es dann wieder. Wieviele Menschenleben vergrabt ihr mit diesem Gold!“

 

 

Gregor von Nyssa 331‑394:

 

„Unnütz und unersättlich ist das Leben des auf Zinsen Ausleihenden. Er kennt nicht die Arbeit des Feldes und hat auch keine wirkliche Einsicht in das Wesen des Handels; . . . Ohne zu pflügen und zu sähen will er, daß alles ihm wachse. Als Pflug hat er den Schreibstift, als Ackerland sein Papier, als Samen die Tinte, als Regen die Zeit, die ihm auf geheimnisvolle Weise seine Einkünfte vermehrt. Sichel ist ihm die Schulderpressung, und Tenne, das ist ihm das Haus, in welchem er den Besitz des Bedrängten verringert. Das, was Gemeingut aller ist, sieht er als sein Eigentum an.“

 

»Was ist für ein Unterschied, durch Einbruch in Besitz fremden Gutes zu kommen auf heimliche Weise und durch Mord als Wegelagerer, indem man sich selbst zum Herrn des Besitzes jenes Menschen macht, oder ob man durch den Zwang, der in den Zinsen liegt, das in Besitz nimmt, was einem nicht gehört?

O erbärmlicher Wortgebrauch! Zins, das wir zum Namen genommen für etwas, das nicht anderes ist als ein Raub . . . Einem andern durch Darleihen auf Zinsen helfen wollen, ist dasselbe wie Feuer in Öl löschen. Und wenn einem einer mit Gewalt den Reisebedarf entreißt oder ihn heimlich stiehlt, so gilt er als ein Gewalttätiger oder Taschendieb und ähnliches mehr, wer aber seine Ungerechtigkeit und seine Erpressung unter Heranziehung von Zeugen begeht und gar durch schöne Verträge seine Vergehen bekräftigt, der wird als Menschenfreund und Wohltäter und was sonst dieser gebräuchlichen schönen Namen mehr sind, gepriesen.«

 

 

Johannes Chrysostomos 347-407:

 

»Denn was gibt es Unsinnigeres als das, wenn einer es darauf absieht, ohne Feld, ohne Regen und ohne Pflug zu pflanzen? Darum werden sie Unkraut ernten, das dem Feuer übergeben zu werden verdient, sie, die solch jämmerliche Art des Ackerbaus ersonnen haben. «

 

 

 

 

Mittelalter

 

 

Kaiser Lothar 825:

 

„Wer Zins nimmt, wird mit dem Königsbann belegt, wer wiederholt Zins nimmt, wird aus der Kirche ausgestoßen und soll vom Grafen gefangen gesetzt werden.“

 

 

Gregor der Große 1085:

 

»Die Menschen, die die Gabe Gottes, den Erdboden zum Sondereigentum machen, beteuern vergeblich ihre Unschuld. Denn indem sie auf diese Weise den Armen ihre Lebensmittel vorenthalten, werden sie die Mörder derer, die täglich aus Mangel sterben.«

 

 

Das zweite Laterankonzil 1139:

 

»Wer Zins nimmt, soll aus der Kirche ausgestoßen werden, und nur nach strenger Buße wieder aufgenommen werden. Einem Zinsnehmer, der ohne Bekehrung stirbt, soll das christliche Begräbnis verweigert werden.«

 

 

Thomas von Aquino 1224-1274:

 

»Der Gebrauch des Geldes besteht darin, daß man es ausgibt, also ist dem Gläubiger kein Zins zu vergüten. Auf Zins auszuleihen ist Sünde.«

 

 

Martin Luther 1483-1546:

 

»Aber das grossist Unglück deutscher Nation ist gewisslich der Zinskauf. Wo der nit wäre, muss mancher sein Seiden, Sammet, Specerei und allerlei Prangen wohl ungekauft lassen. Er ist nit viel über hundert Jahr gestanden und hat schon fast alle Fürsten, Stift, Städt, Adel und Erben in Armuth, Jammer und Verderben bracht. Sollt er noch hundert Jahr stehn so wäre es nit muglich, dass Deutschland einen Pfennig behielte, wir müssten uns gewisslich untereinander fressen .... Furwahr, es muß der Zinskauf ein Figur und Anzeigen sein, daß die Welt mit schweren Stunden dem Teufel verkauft sei, daß zugleich zeitlich und geistlich Gut uns muß gebrechen.

 

Also findets sich, dass . . auch alle weise, vernunftige Heiden den Wucher überaus ubel gescholten haben als Aristoteles Pol. 1 spricht, daß Wucher sei wider die Natur; aus der Ursachen: er nimpt allzeit mehr, denn er gibt. Damit wird aufgehoben das Mittel und Richtmaß aller Tugend, das man heißt: gleich und gleich ... Weiter spricht er: Geld ist von Natur unfruchtbar und mehret sich nicht, darumb, wo sichs mehret, als im Wucher, da ists wider die Natur des Geldes. Denn es lebt noch trägt nicht, wie ein Baum und Acker thut, der alle Jahre mehr gibt, denn er ist; denn er liegt nicht mußig, noch ohn Furcht, wie der Gulden thut von Natur.

 

Ich lasse mir sagen, daß man itzt jährlich auf einem iglichen Leipziger Markt zehn Gulden, das ist, dreißig aufs hundert nimmt; etliche setzen hinzu auch den Näumburgischen Markt, daß es vierzig aufs hundert werden; obs mehr sei, das weiß ich nicht ... Wer nun itzt zu Leipzig hundert Floren hat, der nimmt jährlich vierzig: Das heißt einen Baur oder Burger in einem Jahr gefressen. Hat er tausend Floren, so nimmt er jährlich vierhundert: Das heißt einen Ritter oder reichen Edelmann in einem Jahr gefressen. Hat er zehentausend, so nimmt er jährlich viertausend: Das heißt einen reichen Grafen in einem Jahr gefressen. Hat er hundert tausend, wie es sein muß bei den großen Händelern, so nimmt er jährlich vierzig tausend: Das heißt einen großen reichen Fürst in einem Jahr gefressen. Hat er zehn hundert tausend, so nimmt er jährlich vier hundert tausend: Das heißt einen großen König in einem Jahr gefressen: und leidet daruber kein Fahr, weder am Leib noch an Waar; arbeit nichts, sitzt hinter dem Ofen und brät Äpfel. Also mocht ein Stuhlräuber sitzen zu Hausen, und eine ganze Welt in zehn Jahren fressen.

 

Hie muß man, wahrlich auch den Fuckern und dergleichen Gesellschaften ein Zaum ins Maul legen. Wie ists muglich, daß sollt gottlich und recht zugehen, daß bei eines Menschen Leben sollt auf einen Haufen so große kuniglich Guter bracht werden? Ich weiß die Rechnung nit, aber das verstehe ich nit wie man mit hundert Gulden mag des Jahris erwerben zwanzig, ja ein Guld den andern, und das alles nit aus der Erden oder von dem Viehe, da das Gut nit in menschlichem Witz, sondern in Gottes Gebenedeiung stehet.

 

»Der Zins ist ein in der Wolle gefärbter Dieb und Mörder, wir Christen halten ihn aber so in Ehren, daß wir ihn ordentlich anbeten. Der Zins ist ein großes Ungeheuer, ähnlich einem Werwolf, der alles verwüstet, ärger als irgendein Schurke. Er gibt aber nicht zu, daß er es gewesen sei. Er denkt, keiner werde ihn herausfinden, weil die Ochsen, die er an den Schwänzen rückwärts gezogen hat, aus ihren Spuren den Anschein erwecken, als seien sie hereingeführt worden. Ähnlich möchte der Zins die Welt betrügen, als sei er von Nutzen und schaffe der Welt Ochsen, während er tatsächlich alles an sich reißt und alles auffrißt. Das größte Unglück der deutschen Nation ist der Zins: fürwahr muß der Zins eine Figur und Anzeichen sein, daß die Welt dem Teufel verkauft ist, daß zugleich uns zeitlich und geistig Gut gebrechen.«

 

 

 

Die theologische Fakultät von Paris 1670:

 

»Der Leihzins verstößt sowohl gegen das natürliche Recht wie gegen das göttliche Gesetz, was auch der König nicht abändern kann, unter welchem Vorwand es auch ist.«

 

 

 

 

Neuzeit

 

Ernst Abbe (Begründer der Zeißwerke in Jena):

 

»Elimination des Zinswesens aus den Wirtschaftssystemen der Völker ist daher die Voraussetzung für eine haltbare, nicht auf völlige Desorganisation hinsteuernde Wirtschaftstätigkeit.«

 

 

Friedrich Naumann (soziales Programm der evang. Kirche 1890):

 

»Wir zweifeln nicht daran, daß eine Zeit kommen wird, in der sich eine christliche Bewegung gegen den Zins erhebt.«

 

 

Silvio Gesell 1862-1930:

 

»Daß der Bankmann dem Darlehensnehmer den Geldschrank vor der Nase zuschlägt, wenn dieser keine Zinsen zahlen will, und nichts von den Sorgen kennt, die die Besitzer der Waren drücken, das verdankt er nur der Übermacht, die das Geld an und für sich über die Ware hat, ‑ und da liegt der Wunde Punkt.«

 

 

Henry Ford 1862-1947:

 

„Ich vermochte indes nicht einzusehen, wie ein Geschäftsbetrieb auf seine Waren noch einen hohen Zinsfuß aufschlagen und sie trotzdem zu einem angemessenen Preis auf den Markt bringen kann. Das habe ich niemals verstanden, vermochte auch nie zu begreifen, nach welcher Theorie der Zinsfuß für das ursprüngliche Anlagekapital eines Geschäftes zu berechnen sei. Die sogenannten Finanziers unter den Geschäftsleuten behaupten, das Geld wäre 6 % oder 5 % oder 4 % wert . . . . Geld an sich ist überhaupt nichts wert, da es für sich keinen Wert zu erzeugen vermag.“

 

 

Rudolf Steiner 1861-1925:

 

»Sie wissen ja, daß es Zeiten gegeben hat, in denen das Zinsnehmen für Geliehenes als unmoralisch galt. Und es galt nur als moralisch, zinslos zu leihen.«

 

»Es gibt heute etwas höchst unnatürliches in der sozialen Ordnung. Das besteht darin, daß das Geld sich vermehrt, wenn man es bloß hat. Man legt es auf eine Bank und bekommt Zinsen. Das ist das unnatürlichste, was es geben kann. Es ist eigentlich ein bloßer Unsinn. Man tut garnichts, man legt sein Geld auf die Bank, das man vielleicht auch nicht erarbeitet hat, sondern ererbt hat, und bekommt Zinsen dafür. Das ist ein völliger Unsinn.«

 

 

Leigh, Sekretär der Londoner Handelskammer 1934:

 

»Zins ist volkswirtschaftlicher Unsinn und dazu unmoralisch.«

 

 

John Maynard Keynes:

 

“Eine Erhöhung des Zinsfußes als ein Heilmittel für den Zustand, der sich aus einer verlängerten Periode abnorm beträchtlicher Neuinvestition ergibt (Vollbeschäftigung, Verminderung der Kapitalnachfrage) gehört zu den Heilmitteln, welche die Krankheit heilen, indem sie den Patienten töten.“

 

»Es ist sicher, daß die Welt die Arbeitslosigkeit ... nicht länger dulden wird. Ich bin überzeugt, daß . . . es nicht schwierig wäre, den Bestand an Kapital bis auf einen Punkt zu vermehren, auf dem seine Grenzleistungsfähigkeit (Rentabilität) auf einen sehr niedrigen Stand gefallen wäre . . . Dieser Zustand würde . . . den sanften Tod des (Kapital-) Rentners bedeuten und folglich den sanften Tod der sich steigernden Unterdrückungsmacht des Kapitalisten, den Knappheitswert des Kapitals ausbeuten . . . Der Besitzer von Kapital kann Zinsen erhalten, weil das Kapital knapp ist, gerade wie der Besitzer von Land einen Pachtzins erhalten kann, weil das Land knapp ist. Aber während Gründe für die Knappheit von Land bestehen mögen, bestehen an sich keine Gründe für die Knappheit des Kapitals ... Ich betrachte daher die Rentnerseite des Kapitalismus als vorübergehende Phase, die verschwinden wird, wenn sie ihren Zweck erfüllt haben wird. Und mit dem Verschwinden der Rentnerseite wird noch vieles andere einen Gezeitenwechsel erfahren.

 

 

 

 

(*) Zitate aus Adolf Damaschke: »Geschichte der Nationalökonomie,« Jena 1920 und Lothar Vogel: »Die Verwirklichung des Menschen im sozialen Organismus« Eckwälden 1973